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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/243: Iran-Report Nr. 6 - Juni 2010


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 6 - Juni 2010


Der von der Heinrich-Böll-Stiftung seit 2002 publizierte, monatlich erscheinende Iran-Report des Autors Bahman Nirumand bietet einen Überblick über die innenpolitische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung im Iran und die iranische Außenpolitik.

Der Konflikt um das iranische Atomprogramm, die Verfolgung der Opposition und die Verletzung der Menschenrechte sind einige der wiederkehrenden Themen des Iran-Reports. Er wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus, auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen, sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter.


Innenpolitik
Opposition vor Aktionen zum Jahrestag der Wahl gewarnt
Fünf kurdische Aktivisten hingerichtet
Parlamentsabgeordnete verlangen die Verfolgung der "Verschwörer"
Karrubi: Justiz ist Handlanger der Sicherheitskräfte und Militärs
500 Festnahmen und siebzehn Hinrichtungen in den vergangenen sechs Monaten
Studentenproteste gegen Ahmadinedschads Besuch an Universität
Angriffe auf ehemalige Regierungsmitglieder
Bruder von Rebellenchef hingerichtet
Nurisad im Gefängnishof zusammengeschlagen
Cannes-Jurymitglied im Hungerstreik
Hohe Strafen für zwei Frauenrechtlerinnen
Reporter in Abwesenheit zu 13 Jahren Haft verurteilt
Arbeiterorganisationen schließen sich zusammen
80 Jugendliche bei illegalem Konzert festgenommen
Buchmesse Teheran unter totaler Zensur
Bonner Demokratiepreis für Shirin Ebadi

Wirtschaft
Iran lenkt im Atomkonflikt ein
Iranische Opposition lehnt Sanktionen entschieden ab
Atomkonflikt erzeugt Hochkonjunktur für westliche Hightech-Waffen
Obama will für 80 Milliarden Dollar Atom-Arsenal modernisieren
Atomkraftwerk Buschehr soll im August starten
Größte Automobilfabrik im Mittleren Osten eröffnet
Russlands Waffenexporteur gelobt Einhaltung etwaiger Iran-Sanktionen
USA erlauben russische Waffenlieferungen an Iran
Shell und Wettbewerber kaufen Iran weniger Öl ab
Erneut Manöver im Persischen Golf

Außenpolitik
Ahmadinedschad richtet vor UNO schwere Vorwürfe an die USA
Iran lud UN-Sicherheitsratsmitglieder zu Abendessen ein
Iran-Experte bezweifelt Wirkung von Sanktionen
Iran und Syrien rücken zusammen
Nordkoreas Machthaber Kim eingeladen
Iran lässt Reiss, Frankreich Bachtiars Mörder frei
Pakistans Botschafter in Teheran bei Angriff verletzt
Wahl Irans in UN-Frauenrechtskommission kritisiert
Neue Festnahmen wegen Iran-Komplott in Kuwait
Ausschreitungen bei Protesten vor iranischen Botschaften
Kappe statt Kopftuch für Fußballerinnen

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Innenpolitik

Opposition vor Aktionen zum Jahrestag der Wahl gewarnt

Die Polizei in Teheran hat die Oppositionsbewegung vor Aktionen zum ersten Jahrestag der umstrittenen Präsidentenwahl gewarnt. Die Polizei werde sich "jeder illegalen Versammlung" entgegenstellen, sagte Polizeichef Hossein Sadschedinia nach einer Meldung der halbamtlichen Nachrichtenagentur ILNA am 25. Mai. Zahlreiche Webseiten Oppositioneller rufen auf, durch Aktionen an den 12. Juni zu erinnern.

Die Härte, mit der das Regime seit Monaten gegen die Opposition vorgeht, Todesurteile, weitere Festnahmen und willkürliche Urteile mit absurd hohen Gefängnisstrafen - dies alles dient nach Meinung von Oppositionellen der Einschüchterung. Jedem, der sich zur Teilnahme an möglichen Protestdemonstrationen entschließt, solle bewusst sein, dass er damit sein Leben oder zumindest seine Freiheit riskiert. So ist im Hinblick auf die Ungleichheit der Kräfte davon auszugehen, dass Aktivisten versuchen werden, andere Wege als Straßendemonstrationen zu finden, um ihren Protest kundzutun.


Fünf kurdische Aktivisten hingerichtet

Am 9. Mai wurden fünf kurdische Aktivisten hingerichtet. Die Gefangenen, darunter eine Frau, wurden am Morgen im Teheraner Evin-Gefängnis gehängt, wie die staatliche Nachrichtenagentur IRNA meldete. Sie seien Mitglieder der kurdischen Untergrundorganisation PEJAK gewesen und hätten gestanden, in den vergangenen Jahren zahlreiche Terroranschläge verübt zu haben. Diese Behauptungen sind jedoch von keinem ordentlichen Gericht bestätigt worden. Es ist auch hinlänglich bekannt, dass die iranische Justiz durch schwere Folterungen die Angeklagten zu falschen Geständnissen zwingt.

Die Kurden waren 2008 zum Tode verurteilt worden. Die Urteile wurden vollstreckt, nachdem sie vom Obersten Gerichtshof bestätigt worden waren. Die PEJAK ist ein Zweig der kurdischen Arbeiterpartei PKK in der Türkei. Sie kämpft für eine Autonomie der Kurdengebiete in Iran und operiert von Verstecken im Irak aus. Die Regierung in Teheran hält sie für eine Terrororganisation.

In Iran leben rund sieben Millionen Kurden, vorwiegend in den nördlichen und nordwestlichen Regionen an der Grenze zur Türkei und zum Nordirak. Wie andere nationale Minderheiten in Iran, verlangen auch die Kurden volle Gleichberechtigung und regionale Selbstverwaltung. Das iranische Kurdistan gehört zu den wirtschaftlich am meisten benachteiligten Regionen.

Die Hinrichtung der fünf Kurden hat sowohl in Iran als auch im Ausland große Empörung hervorgerufen. Oppositionsführer Mir Hossein Mussavi bezeichnete die Hinrichtung als "ungerecht". Die fünf Kurden seien hingerichtet worden, ohne dass die Öffentlichkeit über die Anschuldigungen sowie über den Prozessverlauf informiert wurde, sagte Mussavi. Auch Mehdi Karrubi verurteilte die Hinrichtungen und die Missachtung der Gesetze des Landes. "Offenbar glaubt die Justiz, ohne Berücksichtigung der Gesetzte, junge Menschen einfach hinrichten zu können", erklärte Karrubi.

Der iranische Schriftstellerverband veröffentlichte eine Protesterklärung, in der es heißt, selbst wenn die Beschuldigten tatsächlich Terroristen gewesen wären, hätten sie ein Recht auf ein ordentliches Verfahren gehabt.

In verschiedenen Städten des iranischen Kurdistan kam es zu Generalstreiks. Die Geschäfte und Bazare machten dicht, Schüler gingen nicht zur Schule und viele Ämter blieben geschlossen. Auch aus dem Ausland gab es scharfe Proteste der internationalen Menschenrechtsorganisationen. Zudem veranstalteten oppositionelle Iraner in zahlreichen Städten wie Berlin, Hamburg, Köln, Paris, London und Mailand Protestkundgebungen.


Parlamentsabgeordnete verlangen die Verfolgung der "Verschwörer"

175 Abgeordnete im islamischen Parlament forderten in einem Schreiben an den Chef der Justiz, den "Köpfen der Verschwörung" so rasch wie möglich den Prozess zu machen. Damit sind die Politiker Mir Hossein Mussavi, Mehdi Karrubi und Mohammad Chatami gemeint, die nach Ansicht der Ultrakonservativen die "Verschwörungen" (gemeint sind die Proteste gegen die Wiederwahl Ahmadinedschads) angezettelt haben sollen.

Die Abgeordneten beschweren sich in ihrem Schreiben vom 16. Mai darüber, dass einige Herausgeber und Redakteure von Zeitungen, die der Regierung nahe stehen, aufgrund von Anzeigen zum Verhör bestellt worden seien. Zu ihnen gehört Hossein Schariatmadari, der Verantwortliche für die ultrakonservative Tageszeitung Keyhan, dessen Leitartikel einer Hetzkampagne gleichkommen. Es sei höchst bedauerlich, schreiben die Abgeordneten, dass "zu einer Zeit, in der die Forderungen nach Verfolgung der Köpfe der Verschwörungen aus Gründen der Opportunität unberücksichtigt bleiben, die treuen Anhänger und Redakteure revolutionärer Zeitungen aber von den Gerichten zum Verhör bestellt werden".

Bezugnehmend auf den Protest von Mussavi gegen die Hinrichtung von fünf politischen Gefangenen, erklären die Abgeordneten, die "Köpfe der Verschwörungen" missachten die Urteile der Justiz. Dies werde ersichtlich aus der "unverschämten Kritik der Abtrünnigen an der Vollstreckung von fünf Todesurteilen". Dabei habe es sich um "Bomben legende Krieger gegen Gott" gehandelt, deren "Hände mit Blut unschuldiger Menschen" besudelt seien.


Karrubi: Die Justiz ist Handlanger der Sicherheitskräfte und Militärs

In einem Schreiben an die religiöse Instanz Ayatollah Mussavi Ardebili übt Mehdi Karrubi, einer der Oppositionsführer, scharfe Kritik an der Justiz, der Regierung und dem Parlament. "Leider betätigen sich einige Abgeordnete als Anwälte und Vertreter der Sicherheitskräfte und Militärs", schreibt Karrubi. Auch die Justiz sei zum "Handlanger der Sicherheitskräfte und Militärs" geworden. Noch nie hätten diese Kräfte über einen so hohen Einfluss auf das Parlament und die Justiz verfügt. Die Justiz fungiere nur noch als ein "Instrument zur Angsterzeugung und für Festnahmen".

Auch Regierungschef Ahmadinedschad bleibt von Karrubis Kritik nicht verschont. "Das ungewöhnliche und Entsetzen erregende Verhalten des Regierungschefs, seine nicht zu bändigende Gier auf Auslandsreisen" seien für das gesamte Volk "erniedrigend", schreibt Karrubi.

Er geht auch auf das Schreiben der 175 Abgeordneten an die Justizchef ein und schreibt: "Wer sich wie ich in diese Arena begibt, lässt sich von solchen Drohungen nicht beeindrucken".


500 Festnahmen und siebzehn Hinrichtung in den vergangen sechs Monaten

Laut einem Bericht des Vereins zur Verteidigung der Menschenrechte in Iran sind im Iran aus politischen Gründen allein in den letzten sechs Monaten 500 Personen verhaftet und 17 hingerichtet worden. Der in Iran tätige und inzwischen verbotene Verein hat sich zur Aufgabe gesetzt, kontinuierlich und aufgrund vorhandener Fakten über die Lage der Menschenrechte in Iran zu berichten. Der letzte Bericht von Mitte Mai ist der 8. Bericht, den der regierungsunabhängige Verein bislang vorgelegt hat. Friedennobelpreisträgerin Schirin Ebadi, Mohammad Seifsadeh, Narges Mohammadi gehören zu den Mitgliedern des Vereins.

Der 25 Seiten lange Bericht umfasst genaue Daten über die Festnahmen und die Namen der Betroffenen, Berichte über den Verlauf von Prozessen und Urteilen gegen politische Aktivisten, Journalisten, Studenten, Frauenrechtlerinnen, Lehrer und Werktätige. Er besteht aus zwei Teilen, von denen ein Teil sich mit der Missachtung der zivilen und politischen Rechte befasst und der zweite mit der Lage der wirtschaftlichen und sozialen Rechte.

Im ersten Teil wird die Lage von politisch Andersdenkenden, Verlagen, Schriftstellern, Journalisten und der Presse, die Lage an den Universitäten, das Verhalten der Behörden gegenüber Studenten und Frauenrechtlerinnen detailliert untersucht. Auch die Todesurteile und Folterungen in den Gefängnissen werden unter die Lupe genommen.

Im zweiten Teil beschäftigt sich der Bericht mit der Situation der Lehrer, Arbeiter, Bauern sowie mit dem Zustand des Kulturerbes und der Umwelt.

Die Regierung hatte vor etwa zwei Jahren das Büro des Vereins geschlossen und plombiert. Einige Mitglieder des Vereins wie Mohammad Ali Dadkhah, Abdolfattah Soltani und Resa Tadjik wurden im vergangenen Jahr verhaftet.

Die UN-Menschenrechtskommission hat sich bei ihren Berichten über die Lage der Menschenrechte in Iran stets auf die Berichte des Vereins gestützt. Manche Beobachter sind der Meinung, dass gerade deshalb der Verein verboten worden sei.


Studentenprotesten gegen Ahmadinedschads Besuch an Universität

Am 10. Mai haben Studenten der Teheraner Schahid Beheschti Universität gegen den Besuch Ahmadinedschads protestiert. Videoaufnahmen zeigen, wie die Polizei mit Gewalt die Studenten auseinander zu treiben versucht. Geplant war eine Rede Ahmadinedschads vor Studenten. Doch die Studenten hatten sich bereits vor der Ankunft des Präsidenten vor dem Eingang aufgestellt und ihren Protest gegen den Besuch kundgetan. Sie skandierten Parolen wie: "Studenten sind bereit zu sterben, aber nicht Erniedrigungen zu dulden", "Wir werden nicht auf halbem Weg stehen bleiben" und "Tod dem Diktator".

Die Studenten machten Ahmadinedschad für die Toten bei den Unruhen nach seiner Wiederwahl verantwortlich.

Das staatliche Fernsehen erklärte, der Protest der Studenten hätte nicht dem Besuch Ahmadinedschads gegolten, denn der Vortrag sei nicht angekündigt worden.


Angriff auf Ex-Vizepräsidenten Abtahi

Nach Angaben von Mohammad Ali Abtahi wurde der Politiker von einer Gruppe in Zivil mit Tränengas, Messern und Drahtpeitschen in seinem Auto angegriffen. Dies teilte Abtahi am 20. Mai im Facebook mit. Dazu veröffentlichte er Fotos seines demolierten Fahrzeugs.

Diesem Bericht zufolge hatte Abtahi in der bei Teheran gelegenen Stadt Rey an einer Feier teilgenommen. Auf dem Rückweg sperrte plötzlich ein Personenwagen seinen Weg. Er habe seinen Wagen anhalten müssen. Unmittelbar danach sei sein Wagen von einigen Motorradfahrern umzingelt und demoliert und er selbst mit Messern und Drahtkabeln angegriffen worden. "Sie schlugen die Fensterscheiben ein, sprühten Tränengas in den Wagen. Doch wie durch ein Wunder konnte ich mit dem demolierten Wagen und tränenden Augen fliehen", schrieb Abtahi. Den Angriff bezeichnete er als "bestialisch". Niemand sei ihm zu Hilfe gekommen. "Gott allein hat mich gerettet."

Die halbstaatliche Nachrichtenagentur Mehr berichtete, ohne Abtahis Namen zu erwähnen, dass eine Gruppe vor dem Veranstaltungsort in Rey gegen einige Teilnehmer protestiert habe.

Abtahi war während der Regierungszeit von Präsident Mohammad Chatami Vizepräsident. Er wurde im vergangenen Jahr in Zusammenhang mit den Protesten gegen die Fälschung der Präsidentenwahl festgenommen und in der ersten Gerichtsinstanz zu sechs Jahren Haft verurteilt. Gegen eine Kaution von rund 700.000 Euro wurde er jedoch nach fünfmonatiger Haft vorerst freigelassen. Die meiste Zeit hatte Abtahi in Einzelhaft verbracht.

Abtahi war einer der prominentesten Reformer. Während des Prozesses legte er erzwungene Geständnisse ab. Dabei gestand er eigene Fehler ein, erklärte, dass die Wahlen völlig korrekt abgelaufen seien und kritisierte scharf die Führer der Reformbewegung.


Messerattacke auf ehemaligen Minister

Ein der Opposition nahe stehender Ex-Minister wurde am 3. Mai niedergestochen. Wie die reformorientierte Webseite rahesabz.net meldete, wurde Ahmad Motamedi in seinem Büro in der Teheraner Universität von einem Attentäter mit einem Messer angegriffen. Er sei mit Wunden am Oberkörper in ein Krankenhaus gebracht worden, teilte ein Mitarbeiter der Universität mit. Außerdem sagte er, der Angreifer sei auf den umliegenden Straßen gefasst worden. Dabei habe er auch denen, die ihn gefasst hätten, gedroht, er werde es ihnen heimzahlen.

Eine Motamedi nahestehende Person bezeichnete den Zustand des Professors als "sehr schlecht". Die Messerstiche hätten ihn am Rücken und seitlich getroffen. Er habe sich einer Operation unterziehen müssen. Mohammad Resa Motamedi, der Sohn des Professors, sagte, die Messerstiche hätten Magen und Darm seines Vaters schwer verletzt, er habe viel Blut verloren und drei Stunden auf dem Operationstisch verbringen müssen.

Es ist zu bemerken, dass die Universität Teheran stark unter der Kontrolle der Sicherheitskräfte steht, so dass Unbekannte keinen Zugang zu den Räumen haben. Dennoch scheint es dem Täter gelungen zu sein, in die Universität einzudringen. Ob dabei die Beamten ein Auge zugedrückt haben, bleibt eine offene Frage.

Motamedi, der unter Reformpräsidenten Mohammad Chatami als Telekommunikationsminister diente, ist als Unterstützer der Opposition bekannt. Bei den Protesten gegen die Wiederwahl Ahmadinedschads spielte er allerdings keine herausragende Rolle.


Bruder von Rebellenchef hingerichtet

Der Bruder des Chefs der Rebellenbewegung Dschundullah wurde hingerichtet. Abdolhamid Rigi sei am Morgen des 23. Mai im Gefängnis gehängt worden, berichteten Staatsmedien. Der Hinrichtung hätten Familien der Opfer von "Terroranschlägen" beigewohnt. Rigi war im Juni 2008 von Pakistan an Iran ausgeliefert und wegen Mitgliedschaft in einer "Terrorgruppe" und als "Feind Gottes" zum Tode verurteilt worden.

Im Februar wurde sein Bruder Abdolmalek Rigi in einer Aufsehen erregenden Flugzeugentführung gefasst. Iranische Agenten hatten den Flieger Rigis auf dem Weg von den Vereinigten Arabischen Emiraten nach Kirgistan nach Iran umgeleitet.

Die Dschudullah ist eine Organisation der Belutschen, die seit Jahren im Osten Irans für Terroranschläge an der Grenze zu Pakistan verantwortlich gemacht wird, darunter für ein Selbstmordattentat, bei dem im Oktober mehr als 40 Menschen getötet wurden. Teheran wirft Pakistan und den USA vor, die Rebellen von Dschundullah zu unterstützen.


Nurisad im Gefängnishof zusammengeschlagen

Der Schriftsteller und Filmemacher Mohammad Nurisad wurde aus seiner Zelle im Evin-Gefängnis zu einem Hofgang beordert. Auf dem Hof stürzten sich fünf Sicherheitsbeamte des Gefängnisses auf ihn und schlugen ihn zusammen. Bei einer anschließenden Untersuchung stellte der Gefängnis-Arzt eine schwere Gehirnerschütterung und die Schädigung der Sehfähigkeit fest. Dies berichtete eine der Opposition nahestehende Webseite am 18. Mai.

Nurisad hatte gegen die Haftbedingungen mit einem Hungerstreik protestiert. Als seine Familie ihn einige Tage danach hinter Glasscheiben im Gefängnis sprechen konnte, sagte er: "Wenn es so weitergeht, bin ich bald tot." Nach der Schlägerei wurde Nurisad in eine kleine Kammer ohne Licht und Fenster eingekerkert.

Der 58-jährige Nurisad hatte, wie wir bereits berichtet haben, einige offene Briefe an den Revolutionsführer geschrieben und ihn aufgefordert, sich für das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten zu entschuldigen. Dafür wurde er zu dreieinhalb Jahren Gefängnis und fünfzig Peitschenschlägen verurteilt.


Cannes-Jurymitglied im Hungerstreik

Der iranische Regisseur Dschafas Panahi, der in der Jury der Filmfestspiele sitzen sollte, trat im Teheraner Evin-Gefängnis in Hungerstreik. "Ich schwöre bei meinem Glauben, dem Kino, dass ich meinen Hungerstreik nicht aufgebe", zitierte die oppositionelle iranische Webseite Rahesabs den Filmemacher am 19. Mai. Sein letzter Wille sei, dass sein Leichnam seiner Familie übergeben werde. Der 49-jährige Regisseur habe seiner Frau in einem kurzen Anruf aus der Haftanstalt mitgeteilt, dass er seit dem 16. Mai nichts mehr gegessen und getrunken habe. Er werde den Streik solange fortsetzen, bis seine Forderungen erfüllt würden. Nach 77 Tagen Haft verlange er Zugang zu einem Anwalt, Kontakt zu seiner Familie und die Gewissheit über ihre Gesundheit und "bedingungslose Freiheit", bis sein Fall vor Gericht verhandelt werde.

Panahi gehörte zu den Juroren beim diesjährigen Festival an der französischen Riviera. Aus Protest gegen das Ausreiseverbot aus Iran ließen seine Kollegen in Cannes einen Stuhl für ihn frei. Das iranische Kultusministerium wirft dem Regisseur vor, einen Film über die Proteste nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr vorbereitet zu haben. Panahi hatte für seinen Streifen "Der weiße Ballon" 1995 in Cannes die Goldene Kamera für das beste Erstlingswerk erhalten.

Inzwischen wurden einem Bericht der BBC zufolge zwei der Forderungen Panhis erfüllt. Farideh Gheirat, die Anwältin Panahis, erklärte, dass sowohl ihr als auch der Familie Panahis am 20. Mai gestattet worden sei, den Regisseur im Gefängnis zu besuchen. Zudem habe der Staatsanwalt sie darüber informiert, dass Panahis Akte an das Revolutionsgericht weitergeleitet worden sei und er davon ausgehe, dass innerhalb einer Woche der Prozess beginnen könne, sagte Gheirat. Der Staatsanwalt habe ihr sogar versprochen, dafür zu sogen, dass Panahi bis zur Urteilsverkündung aus dem Gefängnis entlassen werde.

Namhafte Künstler und Schriftsteller aus Iran und dem Ausland haben gegen die Machenschaften der iranischen Justiz protestiert und Panahis sofortige Freilassung verlangt. Bei den Filmfestspielen in Cannes setzten sich Filmgrößen wie Oscar-Preisträger Robert Redford, Steven Spielberg, Martin Scorsese, Robert de Nero und Ang Lee für Panahi ein. "Wir verlangen die unverzügliche und bedingungslose Freilassung des Filmemachers", forderten rund 40 Regisseure und Schauspieler in einer am 21. Mai im Internet veröffentlichten Petition. Unter ihnen waren US-Filmemacher Michael Moore, die französische Schauspielerin Isabelle Huppert und der französische Intellektuelle Bernard-Henri Lévy, der den Text auf seiner Online-Seite "La règle du jeu" veröffentlichte.

Der Journalist Mehdi Mahmudian, der sich bereits seit Monaten in Haft befindet und in erster Instanz zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden ist, hat in einem Brief aus dem Gefängnis Panahi gebeten, seinen Hungerstreik zu beenden. "Als ein Mitglied der großen Familie Iran, das sich ebenfalls im Gefängnis befindet, verurteile ich das gesetzeswidrige Vorgehen gegen Sie", schreibt Mahmudian. "Doch ich möchte Sie bitten, Ihren Hungerstreik zu beenden und andere Wege des Protestes zu wählen. Denn unser Land, das in Zukunft frei sein wird, braucht Künstler und Intellektuelle wie Sie."

Der letzten Meldung vom 25. Mai zufolge hat die iranische Justiz bestätigt, dass Panahi gegen eine Kaution von umgerechnet 162.000 Euro auf freien Fuß gesetzt worden sei. Damit verbrachte Panahi 88 Tage im Gefängnis, davon sieben Tage im Hungerstreik.


Hohe Strafen für zwei Frauenrechtlerinnen

Die beiden Frauenrechtlerinnen Schadi Sadr und Mahbubeh Abbasgholizadeh wurden wegen Teilnahme an Protesten jeweils mit sechs Jahren Gefängnis und 74 Peitschenschlägen bzw. zweieinhalb Jahren und 30 Peitschenschlägen verurteilt. Laut Angaben des Anwalts der beiden Frauen, Mohammad Mostafai, begann der Prozess gegen die Angeklagten am 8. Mai beim Revolutionsgericht in Teheran und am 16. Mai wurden die Urteile verkündet.

Den beiden Frauen wurde vorgeworfen, gegen die Sicherheit des Landes verstoßen und durch Teilnahme am Aufruhr, die öffentliche Ordnung missachtet zu haben.

Schadi Sadr wurde nach den Wahlen im Juni vergangenen Jahres festgenommen. Nach ihrer Freilassung nach zwei Wochen verließ sie das Land und hält sich seitdem im Ausland auf. Auch Mahbubeh Abbasgholisadeh befindet sich außerhalb des Landes. Der Prozess fand in Abwesenheit der Angeklagten statt.


Reporter in Abwesenheit zu 13 Jahren Haft verurteilt

Ein Reporter des US-Nachrichtenmagazins "Newsweek" wurde in Iran in Abwesenheit zu dreizehn Jahren Haft und 74 Peitschenschlägen verurteilt. Das Urteil gegen ihn sei bereits am 9. Mai ergangen und unter anderem mit Verschwörung gegen die Sicherheit des Staates und dem Sammeln von geheimen Dokumenten begründet worden, schrieb der Verurteilte Maziar Bahari in einem Newsweek-Artikel am 11. Mai.

Bahari wurde im vergangenen Jahr bei den Massenprotesten festgenommen. Nach fast vier Monaten im Gefängnis kam er im Oktober gegen eine Kaution von 236.000 Euro frei und kehrte nach Großbritannien zu seiner Ehefrau zurück. Bahari, der die kanadische und iranische Staatsbürgerschaft besitzt, war unter den mehr als hundert Angeklagten eines Massenprozesses, der im August begann. Ihnen wurden Aufruhr und der Versuch vorgeworfen, das islamische Staatswesen nach der Präsidentenwahl von 12. Juni zu stürzen.

Urteile wie das gegen ihn seien wohl als Abschreckung gedacht, um neuerliche Massenproteste zum Jahrestag der Präsidentenwahl zu verhindern, schrieb Bahari in seinem Artikel.


Arbeiterorganisationen schließen sich zusammen

Nach den Protesten der in den letzten Monaten massenhaft entlassenen Arbeiter haben sich nun vier Arbeiterorganisationen zusammengeschlossen, um nach eigenen Angaben den Forderungen der Arbeiter gegenüber der Organisation für soziale Sicherheit mehr Nachdruck zu verleihen.

Die Organisation für soziale Sicherheit ist eine regierungsunabhängige Organisation. Ihr Kapital wird durch soziale Abgaben der Arbeitgeber und Arbeitnehmer gedeckt. Nach offiziellen Statistiken sind rund 1,7 Millionen Arbeitnehmer bei der Organisation versichert und fast eine Million Arbeitnehmer erhalten Arbeitslosengeld oder eine Rente.

Einige Arbeiterorganisationen hatten in der Hauptstadt Teheran erklärt, sollten die Regierung und die Organisation für soziale Sicherheit ihre Forderungen nicht erfüllen, würde sie am 10. Juli öffentliche Proteste veranstalten. Kürzlich forderten die entlassenen Arbeiter des Getränkeunternehmens Nuschin und der Teheraner Omnibusgesellschaft bei einer Protestkundgebung vor den Filialen der Organisation für soziale Sicherheit die Organisation auf, das ihnen zustehende Arbeitslosengeld auszuzahlen.

Hassan Sadeghi, Vorsitzender des Vereins Vorreiter der Gemeinschaft der Werktätigen erklärte, sollte die Regierung bis Anfang Juli der Erhöhung der Renten der Arbeiter nicht zustimmen, werde der Verein gemeinsam mit sämtlichen Organisationen der Rentner am 10. Juli eine Protestkundgebung vor dem Parlament veranstalten.

Die Arbeiter beanstanden, dass sie nicht regelmäßig das ihnen zustehende Arbeitslosengeld erhalten, die Renten nicht, wie vom Gesetz vorgeschrieben, erhöht werden, ihre Krankenversicherung nicht funktioniert.

Das Parlament setzte eine Untersuchungskommission ein, nachdem sich die Auseinandersetzungen zwischen dem Leiter der Organisation für soziale Sicherheit, Ali Sabihi, einerseits und dem Vorstand bzw. dem Arbeitsministerium andererseits zuspitzten. Kritiker der Organisation sind der Auffassung, dass Sabihi zu sehr unter dem Einfluss des Präsidenten Ahmadinedschad stehe. Djawad Samani, Sprecher des Sozialausschusses im Parlament, sagte in einer öffentlichen Sitzung: "Entweder ist die Rentenkasse bereits pleite, oder sie ist auf dem Wege dahin. Es ist zu befürchten, das dieses Problem in naher Zukunft zu sozialen Unruhen führt." Samani fügte hinzu, der Leiter der Organisation für soziale Sicherheit kümmere sich nicht um die Beschlüsse des Vorstands. Er habe erklärt, dass er "nur die Anweisungen des Staatspräsidenten befolgt und nur ihm gegenüber verantwortlich sei".

Der Zusammenschluss der Arbeiterorganisationen könnte ein wichtiger Schritt der Arbeiter auf dem Weg zur Bildung von unabhängigen Gewerkschaften und deren Dachverband sein. Selbst erklärtes Ziel ist es, beschäftigte und entlassene Arbeiter sowie Arbeiter, die bereits eine Rente erhalten, zu vereinen. Seit Jahren werden die Bemühungen um die Bildung unabhängiger Gewerkschaften von der Regierung vereitelt. Zahlreiche Gewerkschaftler sitzen zurzeit im Gefängnis. Zudem ist davon auszugehen, dass die katastrophale wirtschaftliche Lage, unter der insbesondere die Werktätigen und die zunehmende Zahl der Arbeitslosen zu leiden haben, in naher Zukunft zu größeren Unruhen führen wird. Die iranische Wirtschaft kämpft mit einer Inflation im zweistelligen Bereich und 25 Prozent Arbeitslosigkeit.

Einen Hauch davon bekam Ahmadinedschad bei einer Rede in Chorramschahr im Südwesten Irans zu spüren. Zahlreiche Teilnehmer unterbrachen immer wieder seine Rede und riefen: "Wir sind arbeitslos". Unmutsbekundungen bei den Auftritten Ahmadinedschads sind selten, da die Präsidenten-Auftritte generalstabsmäßig geplant werden.

Laut Angabe von führenden Gewerkschaftlern hat die Zahl der Entlassungen in den vergangenen zwei Monaten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (iranischer Jahresbeginn 21. März) um 50 Prozent zugenommen. Experten hatten schon im Vorjahr vor einer rapiden Zunahme der Arbeitslosigkeit gewarnt. Revolutionsführer Ali Chamenei vertrat bei einem Treffen mit Arbeitern und Angestellten des Arbeitsministeriums am 28. April die Ansicht, für die Zunahme der Arbeitslosigkeit seien jene verantwortlich, die Fabriken gekauft, aber anstatt sie in Betrieb zu nehmen, das Grundstück sowie Maschinen verkauft haben. Offensichtlich ist Chamenei entgangen, dass im vergangenen Jahr zahlreiche Unternehmen Konkurs gemeldet haben, weil sie mit importierten Waren nicht konkurrieren können und weil die Preise für Energie, Rohstoffe und Ersatzteile enorm gestiegen sind.


80 Jugendliche bei illegalem Konzert festgenommen

Bei einem illegalen Konzert in Teheran hat die iranische Polizei 80 Jugendliche festgenommen. Die Nachrichtenagentur ISNA meldete am 7. Mai, die Sicherheitskräfte hätten am Vorabend durch einen Hinweis von der Veranstaltung erfahren und den Ort des Geschehens gestürmt. Dort hätten die 80 Jungen und Mädchen "in unangemessener Bekleidung und unter abnormalen Umständen" gefeiert, zitierte ISNA einen Staatsanwalt. Die jungen Leute würden nun wegen "lüsterner und vergnügungssüchtiger" Handlungen vor Gericht gestellt.

Nach den in Iran geltenden Rechten dürfen unverheiratete Männer und Frauen nicht miteinander tanzen. Auch der Besitz von Alkohol und anderen Drogen ist verboten.


Buchmesse Teheran unter totaler Zensur

Die diesjährige 23. Teheraner Buchmesse stand unter totaler Zensur. Der Leiter der Buchmesse, Mohssen Parvis, warnte bei der Eröffnung am 4. Mai, die Buchmesse politisch zu missbrauchen. Die gesamte Messe stehe unter der Kontrolle der Sicherheits- und Polizeikräfte, sagte er. Sie würden bei jeder Abweichung von den Bestimmungen sofort reagieren. Überall seien Beobachtungskameras installiert und überall seien Sicherheitskräfte "sichtbar oder unsichtbar" präsent. Die Buchmesse unterscheide sich von der Medienmesse, betonte Parvis. "In unserem Land mangelt es an politischen Parteien. Daher hat die Presse die Rolle der Parteien übernommen. Es ist also nicht verwunderlich, wenn die Medienmesse einen politischen Charakter bekommt." Bei der Buchmesse hingegen habe Politik nichts zu suchen.

Bei der diesjährigen Buchmesse wurden zahlreiche Verlage mit einer Sperre bestraft. Sie hätten sich nicht an die Regeln gehalten und seien dafür bestraft worden, sagte Parvis. Er kritisierte seine Vorgänger dafür, dass sie in den vergangenen Jahren auf solche Maßnahmen verzichtet haben. Eine Missachtung der Regeln dürfte nicht hingenommen und vergessen werden. Parvis wollte weder konkrete Gründe für die Sperre noch die Namen der gesperrten Verlage nennen, aus moralischen und juristischen Gründen, sagte er. "Ich bin aber sehr enttäuscht von ihnen und böse auf sie", sagte Parvis und beschwerte sich, dass die betroffenen Verleger sich über die Maßnahmen beschwert hätten. Dann konnte Parvis sich doch nicht zurückhalten und sagte, ein Verleger habe im vergangenen Jahr in seinem Stand Alkohol getrunken.

Parvis kritisierte Ataollah Mohadcherani, der unter Chatami Kultusminister war. Er sei schuld daran, dass es im Iran rund fünftausend "passive Verleger" gebe, weil er für einige Verleger eine Dauerlizenz ausgestellt habe. Er, Parvis, habe dafür gesorgt, dass jeder Verleger nun wieder jährlich seine Lizenz verlängern muss.

Während der Buchmesse wurden Werke einiger Autoren, die zum Teil gar nicht mehr am Leben sind, eingesammelt. Dazu gehörten die international bekannte Dichterin Forugh Farochsad, der Schriftsteller Huschang Golschiri und der populäre Geistliche Ayatollah Ali Montaseri. Begründet wurde diese Maßnahme, soweit sie bereits gestorbene Autoren betrifft, damit, dass die Buchmesse nur Neuerscheinungen ausstellen solle. Warum aber auch Werke lebender Autoren wie die von Mahmud Doulatabadi oder Mohsen Kadivar eingesammelt wurden, wollte der Messeleiter nicht erklären.


Menschenrechtlerin Ebadi mit Bonner Demokratiepreis geehrt

Die iranische Anwältin und Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi wurde am 20. Mai in Bonn mit dem Internationalen Demokratiepreis der Stadt ausgezeichnet. Ebadi kämpfe seit vielen Jahren dafür, dass in Iran die Rechte vor allem der Frauen und der Kinder auch tatsächlich eingehalten würden, begründete der Verein Internationaler Demokratiepreis Bonn die Vergabe der mit 10.000 Euro dotierten Auszeichnung.

Die Menschenrechtlerin ist dem Vereinsvorsitzenden Erik Bettermann zufolge seit den Präsidentschaftswahlen 2009 und den anschließenden innenpolitischen Auseinandersetzungen immer wieder Einschüchterungsversuchen ausgesetzt. Mit dem Preis wolle der Verein aber auch "Solidarität mit der Demokratiebewegung in Iran zeigen". Ebadi sagte in ihrer Dankesrede, der Preis gehöre "all den Menschen und Gruppen in Iran, die in den zurückliegenden Jahren für Demokratie gekämpft und dabei kein Opfer gescheut haben".


Bahais appellieren an Bundesregierung

Die Bahai-Gemeinde hat am 11. Mai einen Appell an die Bundesregierung gerichtet mit der Bitte, bei der iranischen Regierung auf sofortige Freilassung der sieben gefangenen Bahais zu drängen. Seit Frühjahr 2008 würden diese unschuldig im berüchtigten Evin-Gefängnis unter unverantwortlich harten Bedingungen festgehalten. Alle Bemühungen westlicher Regierungen, einschließlich jener der Bundesregierung, hätten bislang nicht dazu geführt, dass die sieben Gefangenen wenigstens bis zum Ende ihres Prozesses gegen Kaution freigelassen werden.

"Der Beginn des dritten Jahres ihrer unrechtmäßigen Inhaftierung am 14. Mai ist Ausdruck einer schreienden Ungerechtigkeit! Wir fordern die iranischen Behörden deshalb auf, die sieben Bahai sofort freizulassen und bitten die internationale Gemeinschaft, in diesen Appell einzustimmen" erklärte Professor Ingo Hofmann, Sprecher der Bahai-Gemeinde Deutschland in Menschenrechtsfragen. "Dies erfordert auch die katastrophale Lage der gesamten iranischen Bahai-Gemeinde, die unter einer laufend zunehmenden Zahl von willkürlichen Inhaftierungen, langjährigen Haftstrafen mit anschließenden Verbannungen, Beschlagnahmungen und Übergriffen selbst auf Kinder und Jugendliche in Schulen zu leiden hat."

Die zwei Frauen und fünf Männer sind nach Geschlechtern getrennt in zwei Zellen inhaftiert, ohne Decken, geschweige denn Betten. Die übel riechenden und von Schimmel zerfressenen Zellen sind derart klein, dass es ihnen schwer fällt, sich darin zu bewegen. Weder haben sie Frischluft noch Tageslicht. Nur einmal in der Woche ist es ihnen erlaubt, sich für zwei Stunden an der Luft zu bewegen.

"Es liegt auf der Hand, dass diese Haftbedingungen eine zunehmend schädliche Wirkung auf den Gesundheitszustand der sieben Bahai, darunter einen 77-jährigen Mann, haben", sagte Prof. Hofmann. "Überdies beschränkt sich der Kontakt zu Familienangehörigen auf ein Telefonat in der Woche, das nicht länger als zehn Minuten dauern darf. Nur selten können ihre engsten Verwandten sie im Gefängnis besuchen, und dann auch nur meisten hinter einer Glasscheibe mit Telefon." Damit verstößt Iran fortlaufend gegen seine völkerrechtlichen Verpflichtungen, niemanden zu foltern oder grausamen, inhumanen und erniedrigenden Behandlungen und Strafen auszusetzen.


Inhaftierte US-Wanderer treffen ihre Mütter

Drei in Iran inhaftierten Wanderern aus den USA ist erstmals seit elf Monaten erlaubt worden, ihre Mütter zu treffen. Die aus den USA mit UN-Visa eingereisten Frauen hätten ihre Söhne und ihre Tochter in einem Hotel im Norden der Hauptstadt Teheran getroffen, berichtete der staatliche iranische Fernsehsender Press-TV am 20. Mai. Die Zusammenkunft war zwischen den iranischen Behörden und der Schweizer Botschaft arrangiert worden. Die Schweiz vertritt die US-Interessen in Iran, seitdem die beiden Länder keine diplomatischen Beziehungen zueinander unterhalten.

Die beiden jungen Männer im Alter von 27 Jahren und ihre vier Jahre ältere Begleiterin sitzen seit Juli 2009 in iranischer Haft. Ihnen wird eine mutwillige Verletzung der Grenze zwischen Iran und Irak vorgeworfen. Das Trio hatte beteuert, bei Wanderungen im Irak höchstens versehentlich iranischen Boden berührt zu haben.

Der iranische Außenminister Manuchehr Mottaki hatte bereits am 19. Mai bei der Ankunft der drei Mütter aus den USA gesagt, der Besuch der Frauen sei allein aus humanitären Gründen ermöglicht worden. Politische Beobachter in Teheran vermuteten, dass die drei Wanderer möglicherweise bald freikommen könnten. Irans Präsident Ahmadinedschad hatte zuletzt seine Bereitschaft zu einem Gefangenenaustausch mit den USA angedeutet.

Nach der Abreise der Mütter kam aus Teheran offiziell der Vorschlag zu einem Gefangenenaustausch. Es sei eindeutig, dass es sich bei den Dreien um Spione handle, zitierte die Nachrichtenagentur Fars Geheimdienstminister Heidar Moslehi am 24. Mai. Er erwarte daher, dass die USA die Initiative ergriffen.


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Wirtschaft

Iran lenkt im Atomkonflikt ein

Offenbar hat die Regierung in Teheran im Streit um das iranische Atomprogramm kurz bevor der UN-Sicherheitsrat Sanktionen gegen das Land beschließt, doch noch eingelenkt. Auf einem Gipfeltreffen am 16. Mai in Teheran, an dem Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula, der türkische Ministerpräsident Tyaaip Erdogan und der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad teilnahmen, wurde ein Abkommen unterzeichnet, in dem Iran einem Austausch seines leicht angereicherten Urans gegen nuklearen Brennstoff zustimmte. Insgesamt sollen 1200 Kilogramm schwach angereichertes Uran an die Türkei geliefert und im Gegenzug binnen Jahresfrist höher angereichertes Uran zur medizinischen Forschung nach Iran geliefert werden. Der atomare Brennstoff soll für einen Reaktor in Teheran verwendet werden, der Isotope für die Krebsbehandlung herstellt.

Das nun unterzeichnete Abkommen beruht auf einem im vergangenen Oktober vorgelegten Vorschlag der Internationalen Atombehörde. Demnach sollte Iran sein schwach angereichertes Uran nach Russland bzw. Frankreich exportieren und dafür nuklearen Brennstoff erhalten.

Iran hatte diesem Vorschlag grundsätzlich zugestimmt, aber gleichzeitig gefordert, dass der Austausch nicht im Ausland, sondern im Iran stattfindet. Ferner sollte er Zug um Zug erfolgen und nicht wie im UN-Vorschlag vorgesehen, erst nach einem halben Jahr. Diese Forderungen wurden von Mitgliedern des Sicherheitsrats abgelehnt. So gerieten die Verhandlungen ins Stocken. Iran baute seine Atomanlagen weiter aus und kündigte an, das Uran im eigenen Land höher anzureichern. Dies veranlasste die westlichen Veto-Staaten im Sicherheitsrat, dem Land mit verschärften Sanktionen zu drohen.

In dieser verfahrenen Lage boten die beiden nicht ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats, Brasilien und die Türkei, eine Vermittlung an. Die Initiative galt wohl als letzter Versuch, verschärfte Sanktionen zu verhindern. Lula hatte sich schon vor Wochen entschieden gegen weitere Sanktionen ausgesprochen und für die Fortsetzung der Verhandlungen plädiert. Ähnlich hatte Erdogan Stellung genommen.

Präsident Lula reiste nach Teheran, Erdogan ließ sich zunächst von seinem Außenminister Ahmed Davutoglu vertreten. Doch am 16. Mai reiste er hinterher, mit der Begründung, es gebe einen Vorschlag, wonach Iran sein schwach angereichtes Uran in der Türkei auszutauschen bereit sei.

Nach der Unterzeichnung des Abkommens rief Ahmadinedschad die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und Deutschland auf, umgehend die Verhandlungen über das umstrittene Atomprogramm wieder aufzunehmen. Es sei jetzt an der Zeit für Gespräche, die auf "Ehrlichkeit, Gerechtigkeit und gegenseitigem Respekt basieren", erklärte er. Der türkische Außenminister Davutolgu sagte, mit der Einigung seien neue Sanktionen wohl hinfällig.

Zunächst schien in dem seit Jahren schwelenden Streit endlich ein Ausweg aus der Sackgasse gefunden worden zu sein. Doch in den darauffolgenden Tagen nahmen skeptische Stimmen überhand. Ein Sprecher der Bundesregierung sagte, der "springende Punkt" bleibe, ob Iran die Urananreicherung im eigenen Land suspendiere, wie es mehrere UN-Resolutionen verlangten. Frankreichs Außenministerium erklärte: "Eine mögliche Lösung der Frage des Teheraner Forschungsreaktors würde das Problem des iranischen Atomprogramms in keiner Weise regeln." Auch Israel reagierte mit Skepsis auf das Einlenken Irans. Der israelische Handelsminister Benjami Ben-Elieser sagte dem israelischen Rundfunk am 17. Mai, man müsse zunächst abwarten und die Ergebnisse beobachten. "Die Frage ist, ob Ahmadinedschad nicht wieder die ganze Welt an der Nase herumführt", sagte Ben-Elieser. Bislang habe dieser gegen alle Vereinbarungen verstoßen. "Jeden Tag schreitet Iran näher in Richtung Atombombe."

Demgegenüber hat der Nato-Oberkommandierende für Europa den ausgehandelten Kompromissvorschlag vorsichtig begrüßt. Dies sei "möglicherweise eine gute Entwicklung", sagte US-Admiral James Stavridis am 17. Mai in Washington. Der Kompromiss sei ein gutes Vorbild für ein "diplomatisches Verfahren", mit dem die iranische Führung zum "Wohlverhalten" gebracht werden könne. Doch müssten bis zu einer endgültigen Lösung noch "Millionen Meilen zurückgelegt" werden.

Der russische Präsident Dmitri Medwedew begrüßte die neue Vereinbarung als Beispiel einer "Politik der diplomatischen Lösungen" im Atomstreit mit Iran. Allerdings seien weitere Konsultationen nötig, um alle noch offenen Fragen zu klären, sagte Medwedew während eines Staatsbesuchs in der Ukraine.

Peking äußerte sich positiv zu dem Abkommen. "China begrüßt das Abkommen und die diplomatischen Bemühungen um eine angemessene Lösung des Atomstreits", sagte der chinesische Außenminister Yang Jiechi laut Nachrichtenagentur Xinhua am Abend des 17. Mai bei einem Besuch in Tunesien.

Demgegenüber misst Washington dem Abkommen offenbar wenig Bedeutung bei. Das Abkommen ändere nichts an den Schritten, die die USA unternehmen würden, um Iran zur Einhaltung seiner Verpflichtungen zu bewegen, sagte Präsidentensprecher Robert Gibbs am 17. Mai in Washington. Das schließe auch Sanktionen mit ein. Zuvor erklärte er, dass nach wie vor "ernste Bedenken" bestehen. Gibbs erinnerte daran, dass Iran "in der Vergangenheit wiederholt seine eigene Zusage nicht eingehalten" habe. Sollte Teheran nun wie angekündigt sein schwach angereichertes Uran in der Türkei lagern, wäre dies ein "positiver Schritt", sagte Gibbs. Irans Ankündigung, auch weiterhin Uran im eigenen Land anzureichern, verstoße aber gegen die Resolution des UN-Sicherheitsrats.

Iran hatte unmittelbar nach dem Abkommen erklärt, weiterhin selbst radioaktives Material anreichern zu wollen. Iran werde die Produktion von auf 20 Prozent angereichertem Uran "auf seinem Territorium" fortsetzen, sagte Außenamtssprecher Ramin Mehmanparast am 17. Mai.

Nun ist es offenbar den USA und den EU-Staaten gelungen, auch China und Russland für neue Sanktionen zu gewinnen. So legten die fünf Veto-Mächte plus Deutschland am 19. Mai einen Entwurf für weitere verschärfte Sanktionen gegen Iran vor. In dem zehnseitigen Dokument werden die Staaten aufgefordert, dafür zu sorgen, dass iranische Banken keine neue Filialen, Töchterfilialen oder Vertretungen errichten könnten, wenn es Hinweise darauf gibt, dass diese im Zusammenhang mit dem iranischen Atomprogramm stehen. Auch wird zur Wachsamkeit aufgerufen, um sicherzustellen, dass der Geldverkehr iranischer Banken und der Zentralbank Irans nicht zur Finanzierung des Atomprogramms diene. Darüber hinaus soll das bereits bestehende Waffenembargo verschärft werden. Schließlich sollen Reiseeinschränkungen für Personen, die mit dem Atomprogramm in Verbindung stehen, angeordnet werden. Das Papier wurde inzwischen dem Sicherheitsrat vorgelegt. Ob die Mehrheit der Ratsmitglieder dafür stimmen wird, ist noch nicht ausgemacht.

US-Außenministerin Hillary Clinton sagte am 24. Mai, jetzt sei Iran am Zug. "Die Aussichten eines atomar bewaffneten Irans erfüllen uns alle mit Sorge", sagte Clinton zum Auftakt des strategischen und wirtschaftlichen Dialogs mit China in Peking. Der Resolutionsentwurf sende eine "klare Botschaft" an die iranische Führung: "Erfüllt eure Verpflichtungen oder seht euch wachsender Isolation und Konsequenzen gegenüber." Es liege jetzt an Iran, "durch sein Handeln zu demonstrieren, dass er seiner Verantwortung nachkommt", sagte Clinton in einer Rede in der Großen Halle des Volkes. Das jüngste Einlenken Irans bezeichnete Clinton als "durchsichtigen Trick". Damit versuche Iran, Maßnahme des Sicherheitsrats zu verhindern.

Iran erwägt im Fall neuer Sanktionen die Vereinbarung mit der Türkei und Brasilien zu widerrufen. "Es ist möglich, dass eine neue Sanktionsrunde gegen Iran beschlossen wird", sagte Vize-Parlamentspräsident Mohammad Resa Bahonar am 20. Mai der iranischen Nachrichtenagentur ISNA. "Sollte dies der Fall sein, fühlen wir uns nicht mehr an das Abkommen gebunden."


Iranische Opposition lehnt Sanktionen entschieden ab

Einer der Oppositionsführer, Mir Hossein Mussavi, hat vor den Auswirkungen weiterer Sanktionen auf das alltägliche Leben seiner Landsleute gewarnt. "Obwohl wir glauben, dass diese Situation durch eine taktlose und abenteuerliche Außenpolitik entstanden ist, sind wir dagegen, weil es das Leben der Menschen beeinträchtigen würde", erklärte Mussavi am 23. Mai auf seiner Internetseite Kalameh.

Iran stehe vor einer Wirtschaftskrise, deren ganzes Ausmaß sich erst bemerkbar machen werde, sagte Mussavi. Sie werde zu höherer Arbeitslosigkeit und größerer Armut führen. Die Abschwächung des Wirtschaftswachstums - im vergangenen Jahr laut Internationalem Währungsfonds um 0,5 Punkte auf 1,8 Prozent - wirke sich aus "wie ein massiver Angriff ausländischer Feinde". Der einzige Ausweg sei es in dieser Situation, das Volk entscheiden zu lassen.


Atomkonflikt erzeugt Hochkonjunktur für westliche Hightech-Waffen

Die IPS - Inter-Press Service Deutschland analysiert in einem Bericht vom 19. Mai, wie die USA und die Mehrheit westlicher Staaten durch den iranischen Atomkonflikt bei den arabischen Staaten Angst vor einem zunehmend mächtiger werdenden Iran erzeugt und damit das Geschäft der großen Rüstungskonzerne in den reichen Industriestaaten tüchtig belebt haben.

Die arabischen Staaten sehen sich gezwungen, möglichen Gefahren aus dem Nachbarland Iran vorzubeugen und deshalb mit modernsten Waffen aufzurüsten. Dem Bericht zufolge gehen die Militärexperten bei Forecast International (FI) davon aus, dass im laufenden Jahr 60 Prozent der weltweiten Ausgaben für Rüstungsgüter von den Ländern des Golfkooperationsrates (GCC) getätigt werden. Es werde angenommen, dass die Mitgliedsstaaten des GCC im laufenden Jahr 63 Milliarden US-Dollar für die Rüstung ausgeben werden. Zwei Drittel der Summe werde allein Saudi-Arabien aufbringen.

"Die GCC-Staaten werden auch weiterhin besorgte Blicke in Richtung Iran werfen", zitiert IPS Dan Darling von FI. Auch Pieter Wezeman vom renommierten Friedensforschungsinstitut "Stockholm International Peace Research Institute" (Sipri) erklärte im IPS-Gespräch, dass die Angst vor einem Iran mit Atomwaffen für die größten Waffenimporteure der Region, Israel, Vereinigte Arabische Emirate und Saudi-Arabien, ausschlaggebend für steigende Investitionen in Rüstungsgüter sei. Israel kaufte bereits 102 moderne F-161-Kampfflugzeuge mit großer Reichweite. Saudi-Arabien bestellte 72 britische Taifun-Eurofighter und kaufte aus Kanada 724 gepanzerte Piranha-Fahrzeuge. Die Vereinigten Arabischen Emirate seien zu den größten Waffenimporteuren aufgestiegen.

Bereits unter Präsident George W. Bush bestand der Plan, die arabischen Golfstaaten zu einem Bollwerk gegen die Islamische Republik aufzurüsten. Damals legte Washington den arabischen Staaten ein 20 Milliarden teures Waffenverkaufsprogramm vor. Auch der amtierende US-Verteidigungsminister Robert Gates sagte im März bei einem Besuch in Saudi-Arabien den Golfstaaten Unterstützung beim Schutz vor einem Iran mit Atomwaffen zu. Außerdem ließ Washington mehrere raketenbestückte Kriegsschiffe in den Küstengewässern von Bahrain, Katar, Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten als Warnung an Iran vor Anker gehen.


Obama will für 80 Milliarden Dollar Atom-Arsenal modernisieren

US-Präsident Barack Obama will in den kommenden zehn Jahren insgesamt 80 Milliarden Dollar in die Modernisierung des Atomwaffenarsenals seines Landes stecken. Das Weiße Haus veröffentlichte am 14. Mai Auszüge aus einem Bericht an den Kongress, in dem die Bedeutung der nuklearen Abschreckung für die US-Sicherheitspolitik hervorgehoben wird. Mit den Investitionen will Obama offenbar Befürchtungen zerstreuen, das kürzlich mit Russland unterzeichnete START-Abkommen zur atomaren Abrüstung schwäche die Verteidigung der USA.

Die Einsatzfähigkeit der Nuklearwaffen werde mit dem Investitionsprogramm verlängert, heißt es in den veröffentlichten Auszügen. "Um eine effiziente nukleare Abschreckung zu wahren, müssen die USA eine moderne Infrastruktur aufbauen und hoch qualifizierte Arbeitskräfte erhalten." Zusätzlich zu den sieben Milliarden Dollar, die bereits im Haushalt 2011 für das Atomarsenal vorgesehen seien, habe die US-Regierung die Absicht, im kommenden Jahrzehnt 80 Milliarden Dollar in diesem Bereich zu investieren.

Das Weiße Haus hatte am 6. Mai den START-Vertrag zur Ratifizierung an den Senat weitergeleitet. Obama und der russische Präsident Dimitri Medwedew hatten sich nach Monate langen Verhandlungen Ende März auf das Nachfolgeabkommen des ersten START-Vertrages geeinigt, der als Grundpfeiler der Rüstungskontrolle gilt. Das Abkommen muss vom US-Senat ratifiziert werden, die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit ist jedoch noch nicht sicher. Obama hatte kurz nach seinem Amtsantritt im Frühjahr 2009 als Ziel eine atomwaffenfreie Welt genannt.


Atomkraftwerk Buschehr soll im August starten

Das erste Atomkraftwerk in Iran soll russischen Angaben zufolge ungeachtet möglicher Sanktionen gegen das Land im August ans Netz gehen. "Wir rechnen damit, dass das Atomkraftwerk in Buschehr bis August den Betrieb aufnimmt, wenn alles nach Plan läuft", sagte der Chef der russischen Atomholding Rosatom, Sergej Kirijenko, am 20. Mai nach Angaben der Agentur Interfax. Russland hatte bisher oft den Termin zur Inbetriebnahme des Atomkraftwerks vertagt. Die Anlage war bereits in den 1970er Jahren von der damalige Kraftwerk Union AG (Siemens) begonnen worden. Nach der iranischen Revolution übernahm dann aber Russland in den 1990er Jahren das Projekt. Ursprünglich sollte das Atomkraftwerk bereits 2007 ans Netz gehen. Russland und nun auch der Westen gestehen Iran das Recht auf eine zivile Nutzung der Atomenergie zu, fordern dafür allerdings Garantien.


Urananreicherungsanlage erweitert

Iran hat eine Anlage zur Urananreicherung aufgestockt. Wie am 14. Mai aus diplomatischen Kreisen in Wien verlautete, sollen die neuen Zentrifugen eine Anlage ergänzen, die bereits seit Februar auf 20 Prozent angereichertes Uran herstellt.

Größte Automobilfabrik im Mittleren Osten eröffnet

Präsident Ahmadinedschad hat am 9. Mai die laut iranischen Medien größte Automobilfabrik im Mittleren Osten eingeweiht. Das rund 257 Millionen Euro teure Werk in der rund 200 Kilometer südlich von Teheran gelegenen Stadt Kaschan schafft demnach Arbeitsplätze für fast 4000 Menschen. Jährlich sollen dort künftig 150.000 Fahrzeuge vom Band laufen. Produziert wird in dem Werk der viersitzige Kleinwagen Tiba (Gazelle), der in Iran konstruiert wurde und mit einem Preis von umgerechnet 6000 bis 7100 Euro für die iranische Mittelschicht konzipiert ist.

"Die Produktion von Tiba ist ein Zeichen unseres Selbstvertrauens", sagte Ahmadinedschad im iranischen Staatsfernsehen. Die iranische Nation habe gezeigt, dass sie "trotz der Sanktionen und dem Druck der Feinde" auf dem Weg des Fortschritts vorankomme.

Mit rund 1,4 Millionen produzierten Fahrzeugen im vergangenen Jahr ist Iran der größte Automobilproduzent im Mittleren Osten. Der Automarkt des Landes wird von den staatlichen Herstellern Saipa, der auch das nun eingeweihte Werk in Kaschan betreibt, und Iran Khodro dominiert. Saipa hatte im vergangenen Jahr offiziellen Angaben zufolge einen Marktanteil von 54 Prozent, Iran Khodro kam auf 46 Prozent. Beide Unternehmen kooperieren mit internationalen Herstellern, darunter mit den französischen Autobauern Peugeot und Renault und dem südkoreanischen Hersteller Kia.

Die Automobilindustrie ist in Iran hinter dem Ölsektor der größte Arbeitgeber. Rund 500.000 Menschen sind in der Branche direkt beschäftigt. Den Import ausländischer Modelle, die mit heimischen Produkten konkurrieren, hat die iranische Führung untersagt. Der Import von Luxusmodellen ist hingegen gestattet - dafür werden allerdings extrem hohe Zölle erhoben.


Russlands Waffenexporteur gelobt Einhaltung etwaiger Iran-Sanktionen

Russlands staatlicher Waffenexporteur hat die Einhaltung möglicher neuer UN-Sanktionen gegen Iran zugesichert. Jede von der UNO verhängte Strafmaßnahme sei "verpflichtend", das gelte auch für Russland, sagte ein Sprecher von Rosoboronexport am 20. Mai der Nachrichtenagentur AFP. Nach Angaben westlicher Diplomaten müsste Russland den Verkauf seiner Flugabwehrraketen vom Typ S-300 einstellen, sollte der derzeit im UN-Sicherheitsrat diskutierte Resolutionsentwurf angenommen werden.

Dem Entwurf zufolge drohen Iran Handelsbeschränkungen bei Panzern, Kriegsschiffen und verschiedenen Waffengattungen.


USA erlauben russische Waffenlieferungen an Iran

Wenige Tage nachdem sich Russland und die USA darüber geeinigt haben, dass es neue Sanktionen gegen Iran gegeben wird, sollen die USA Russland zugestanden haben, Flugabwehrraketen nach Teheran zu exportieren. Die US-Regierung halte nicht mehr an einem Verbot russischer Waffenlieferungen an Iran fest, berichtete die "New York Times" am 22. Mai. Der russische Staat und drei Einrichtungen des Landes dürfen demnach Kampftechnologie an Iran verkaufen.

Die Entscheidung sei am 21. Mai gefallen, drei Tage nachdem sich Moskau und Washington auf eine UN-Resolution gegen Iran verständigt haben. Die Zugeständnisse stünden aber nicht in direktem Zusammenhang mit der Einigung, hieß es aus dem Weißen Haus. Sie seien vielmehr Ausdruck der neuen Partnerschaft, die US-Präsident Obama mit Russland aufbauen wolle.

Moskau kann dem Bericht zufolge nun den geplanten Verkauf von S-300-Raketen mit Iran abwickeln - ein Flugzeugsystem, das auch gegen amerikanische und israelische Bomber eingesetzt werden könnte. Bislang hatte Russland die Lieferung auf US-Druck hin auf Eis gelegt. Iran hatte deshalb kürzlich behauptet, ein eigenes Verteidigungssystem dieser Art bauen zu wollen.


Shell und Wettbewerber kaufen Iran weniger Öl ab

Royal Dutch Shell und andere Ölkonzerne kaufen Iran informierten Kreisen zufolge weniger Rohöl ab. Hintergrund für die Zurückhaltung seien die angedrohten Sanktionen, eine aggressive Preispolitik der Islamischen Republik und Schwierigkeiten bei Finanztransaktionen mit Teheran, verlautete der Agentur Reuters zufolge am 20. Mai aus Branchenkreisen. Der fünftgrößte Erdölexporteur verlange für seine Ölbestände eine Bezahlung in Euro. Da die Gemeinschaftswährung seit Ausbruch der Schuldenkrise in Europa stark zum Dollar eingebüßt hat und in der 2. Mai-Hälfte auf ein Vierteljahrestief gefallen ist, verteuern sich die Preise des Rohstoffs.

Außerdem schrecke die Einigung führender UN-Mächte auf Wirtschaftssanktionen gegen Iran wegen des umstrittenen Atomprogramms die Ölkonzerne ab. Die UN-Vetomächte und Deutschland hatten sich am 19. Mai nach monatelangen Verhandlungen darauf geeinigt, die Auflagen bei Geschäften mit iranischen Banken zu verschärfen. "Die Kombination dieser beiden Faktoren veranlasst die meisten Branchenunternehmen, ihre Engagements zurückzufahren", sagte Reuters zufolge eine mit der Angelegenheit vertraute Person.

Aufgrund der sinkenden Nachfrage steigen derweil die Rohölreserven in Iran. Shell war 2008 mit 100.000 Barrel pro Tag noch der zweitgrößte Abnehmer von Rohöl aus Iran. BP kaufte vor zwei Jahren lediglich 25.000 Barrel pro Tag. Aus Kreisen einer europäischen Öl-Raffineriegesellschaft hieß es, dass man die Bestellungen auf 20.000 von 80.000 reduzieren wolle.

Shell wollte sich nicht zu einer Handelsstrategie in Iran äußern. Die anderen beiden europäischen Ölgesellschaften BP und Total, die Iran auch Öl abnehmen, wollten sich ebenfalls nicht äußern. Die USA kaufen kein iranisches Rohöl.


Erneut Manöver im Persischen Golf abgehalten

Die iranische Marine hat Anfang Mai ein groß angelegtes Manöver im Persischen Golf und im Golf von Oman abgehalten. Die Übung dauerte insgesamt acht Tage und sollte die Verteidigungsfähigkeiten der Seestreitkräfte demonstrieren, sagte Marine-Oberbefehlshaber Habiollah Sajari. Es war das zweite Mal binnen weniger als zwei Wochen, dass das Land in dem strategisch wichtigen Seegebiet ein Manöver abhielt. Ende April testeten die Revolutionswächter offiziellen Medien zufolge drei Tage lang neue Schnellboote und Raketen.

Über den Persischen Golf und der zum Golf von Oman führenden Straße von Hormos werden etwa vierzig Prozent des weltweit verschifften Erdöls ausgeführt. Die Regierung in Teheran hat wiederholt damit gedroht, die Meerenge abzuriegeln, sollte das Land zum Beispiel von den USA oder Israel angegriffen werden.

US-Verteidigungsminister Robert Gates hatte Iran vorgeworfen, die amerikanische Marine im Nahen Osten herauszufordern, indem das Land Raketen, Marschflugkörper und viele kleine Angriffsboote im Persischen Golf konzentriere.


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Außenpolitik

Ahmadinedschad richtet vor UNO schwere Vorwürfe an die USA

Begleitet von diplomatischen Protesten hat der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad auf der UN-Konferenz zum Atomwaffensperrvertrag am 3. Mai schwere Vorwürfe gegen die USA gerichtet. Die Vereinigten Staaten missbrauchten ihr Atomarsenal, um Staaten ohne solche Waffen zu "bedrohen", sagte Ahmadinedschad in New York. Der Präsident forderte, die USA aus dem Führungsgremium der Internationalen Atombehörde (IAEA) auszuschließen. Die Vertreter der westlichen Atommächte USA, Großbritannien und Frankreich verließen aus Protest den Sitzungssaal.

Die USA hätten als Land, das die Atombombe eingesetzt habe und weiterhin mit ihrem Einsatz drohe, kein Recht auf einen Gouverneurssitz in der IAEA, sagte Ahmadinedschad. "Wie können die USA Mitglied des Gouverneursrats sein, wenn sie die Atombombe gegen Japan eingesetzt haben?", fragte der Präsident. Ahmadinedschad schlug außerdem die Einrichtung eines "unabhängigen Gremiums" vor, das eine Frist für alle Atommächte zur Verschrottung ihres Waffenarsenals setzen müsse.

Iran sei auf das Vertrauen des Westens nicht angewiesen, sagte Ahmadinedschad nach seiner Ankunft in New York laut IRNA. Er werde auf der Konferenz "praktische, gerechte und klare Vorschläge" für die nukleare Sicherheit der Welt unterbreiten. Iran halte sich an internationale Regeln und "handelt in diesem Rahmen". Der Westen dagegen habe die Atomwaffen "monopolisiert" und sei gar nicht an einem vertrauensvollen Verhältnis zu Teheran interessiert.

Die US-Außenministerin Hillary Clinton, die nach Ahmadinedschad auf derselben Versammlung sprach, reagierte auf die Vorwürfe Ahmadinedschads mit der Bemerkung: "Irans Präsident hat heute Morgen wieder die abgenutzten, falschen und bisweilen absurden Anschuldigungen gegen die USA und andere Länder wiederholt." Clinton hatte bereits vor der Konferenz Ahmadinedschad gewarnt, die Konferenz zu stören. "Wenn Präsident Ahmadinedschad kommen und verkünden will, dass Iran den Atomwaffensperrvertrag einhalten will, wären das wirklich gute Nachrichten", sagte Clinton am 29. April in Washington. Falls er aber glaube, dass er durch sein Erscheinen in Washington die Aufmerksamkeit von diesem wichtigen Thema ablenken könne, werde ihm das wohl nicht gelingen.


Iran lud Mitglieder von UN-Sicherheitsrat zu Abendessen ein

Der iranische Außenminister Manuchehr Mottaki hat Vertreter der 15 UN-Sicherheitsratsmitglieder am 6. Mai zu einem Abendessen eingeladen. Alle nahmen die Einladung in die iranische Repräsentanz bei den Vereinten Nationen an. Ein Vertreter der US-Regierung sagte AFP, das Dinner sei eine "neue Gelegenheit für Iran, dem UN-Sicherheitsrat zu zeigen, dass er bereit ist, seine Pflichten zu erfüllen und sich den internationalen Regeln zu beugen". Die Einladung erfolgte am Rande der Konferenz über den Atomwaffensperrvertrag. Nach dem Essen zeigten sich die meisten Gäste enttäuscht, denn Mottaki hatte wie schon so oft Erwartungen erzeugt, aber nichts Neues mitzuteilen.


Iran-Experte bezweifelt Wirkung von Sanktionen

Der SPD-Iran-Experte Rolf Mützenich bezweifelt, dass schärfere Sanktionen gegen Teheran die erwünschte Wirkung erzielen. Es sei völlig ungewiss, ob damit eine Verhaltensänderung beim iranischen Nuklearprogramm erzwungen werden könne, sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion am 20. Mai der Nachrichtenagentur dpa. Unabhängig von einem neuen UN-Beschluss solle die Staatengemeinschaft deshalb das Angebot Teherans annehmen und die festgefahrenen Atom-Verhandlungen wieder aufnehmen.

Wichtig ist nach Ansicht des SPD-Politikers, dass die von den fünf Veto-Mächten und Deutschland abgestimmte Iran-Resolution auch die breite Zustimmung der zehn nichtständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat bekommt.

Das höchste UN-Gremium dürfe sich nicht spalten lassen. Es müsse auch vermieden werden, die Bemühungen Brasiliens und der Türkei um eine Lösung zu konterkarieren. Der unter Vermittlung beider Länder vorgelegte Vertragsentwurf für eine Urananreicherung außerhalb Irans habe die ausdrückliche Billigung der höchsten Instanzen in Teheran. Insofern sei damit durchaus Bewegung in den Atomstreit gekommen. Entscheidend werde sein, ob der Atomenergiebehörde IAEA eine entscheidende Kontrolle eingeräumt werde, sagte Mützenich, der auch Vorsitzender der deutsch-iranische Parlamentariergruppe ist.


Iran und Syrien machen Front gegen die USA

Iran und Syrien rücken noch enger zusammen. Der iranische Vizepräsident Mohammad Reza Rahimi sagte am 30. April bei einem Besuch in Damaskus in Bezug auf Israel: "Wenn das zionistische Gebilde auch nur einen Moment lang daran denken sollte, ein Abenteuer gegen Syrien, Iran und den Libanon zu beginnen, dann werden wir ihm die Beine brechen." Der stellvertretende syrische Ministerpräsident Abdullah al-Dardari erklärte: "Iran und wir sind Verbündete und Freunde, die Herausforderungen gemeinsam meistern." Dies gelte auch für den Fall, dass weitere Sanktionen gegen Iran verhängt werden sollten.

Die jüngsten Äußerungen Israels und des Pentagons, wonach Syrien Scud-Raketen an die Hisbollah geliefert haben soll, hatten in der arabischen Welt die Angst vor einem neuen Nahost-Krieg geschürt. US-Außenministerin Hillary Clinton hatte zuvor in einer Rede vor Mitgliedern des Amerikanisch-Jüdischen Komitees (AJC) in Washington erklärt, es sei sehr gefährlich, dass Syrien Waffen an die pro-iranische Hisbollah liefere.

Sie sagte, der syrische Präsident Baschar al-Assad treffe Entscheidungen, "die für die Region Krieg oder Frieden bedeuten". Über Iran sagte sie: "Iran bedroht mit seinem antisemitischen Präsidenten und feindseligen atomaren Ambitionen weiterhin Israel, aber auch die Region und es fördert den Terrorismus." Deshalb habe sich Washington bemüht, eine große Zahl von Staaten für Sanktionen gegen Teheran zu gewinnen.


Nordkoreas Machthaber Kim eingeladen

Iran hat Nordkoreas Machthaber Kim Jong Il zu einem Besuch eingeladen, um die Beziehungen beider Länder zu intensivieren. Die Einladung sei vom zuständigen iranischen Vizeaußenminister ausgesprochen worden, sagte ein Außenamtssprecher am 4. Mai in Teheran. Der Besuch solle die wirtschaftliche Zusammenarbeit voranbringen. Kim hielt sich Anfang Mai in China auf.


Iran lässt Reiss, Frankreich Bachtiars Mörder frei

Erst ließ Teheran die Französin Clotilde Reiss ausreisen, fast Zug um Zug setzte Frankreich den Mörder des früheren iranischen Ministerpräsidenten Schahpur Bachtiar auf freien Fuß. Zwei Tage nach der Heimkehr der Französisch-Lehrerin ordnete ein Pariser Gericht die Haftentlassung von Ali Wakili Rad an. Innenminister Brice Hortefeux ordnete die sofortige Abschiebung Rads in seine Heimat an, teilte die Staatsanwaltschaft am 18. Mai in Paris mit.

Rad war 1994 in Paris zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Er hatte Bachtiar und dessen Sekretär am 6. August 1991 in Suresnes bei Paris bestialisch ermordet. Bachtiar war bis zum Sturz des Schah Reza Pahlevi 36 Tage lang iranischer Regierungschef gewesen und 1979 nach Frankreich ins Exil gegangen. Iranische Religionsführer forderten jedoch in einer "Fatwa", einer religiösen Anweisung, seinen Tod. Als Bachtiar ermordet wurde, lehnte die Führung in Teheran aber jede Verantwortung ab. Dennoch versuchte Teheran die ganzen Jahre über die Freilassung Rads zu erreichen.

Frankreich wies jeden Zusammenhang der Freilassung Rads mit der Heimkehr von Clotilde Reiss zurück. Die Staatsanwaltschaft machte deutlich, dass die zuständigen Justizbehörden sich bereits am 22. Januar für Rads Freilassung ausgesprochen hätten. Voraussetzung für die Haftentlassung sei aber die Unterschrift des Innenministers unter die Abschiebungsverfügung gewesen.

Bevor Reisss aus Iran ausreisen durfte, ließ Frankreich zudem den von den USA der Militärspionage verdächtigen Iraner Madjid Kakwand in seine Heimat zurückkehren, obwohl Washington seine Auslieferung verlangt hatte. Nach amerikanischer Darstellung hatte Kakwand für sein Heimatland für verschiedene militärische Zwecke Güter beschafft. Das Pariser Berufungsgericht lehnte den Auslieferungsantrag am 5. Mai ab und folgte damit der Empfehlung der Staatsanwaltschaft. Zur Begründung hieß es, die von der US-Justiz erhobenen Vorwürfe gegen den iranischen Ingenieur hätten zur Tatzeit in Frankreich kein Verbrechen dargestellt. Die Polizei hatte Kakwand im März 2009 mit einem amerikanischen Haftbefehl am Pariser Flughafen Charles de Gaulle festgenommen, nachdem er in Frankreich Ferien gemacht hatte. Der 37-jährige Iraner soll über eine malaysische Firma bei verschiedenen Unternehmen in den USA verdächtige Elektronikbauteile und Messinstrumente gekauft und sie über Malaysia rechtswidrig nach Iran verfrachtet haben. Bei den Gütern handelte es sich um so genannte "Dual Use-Güter", die zivilen, aber auch militärischen Zwecken dienten können. Iran verlangte von Frankreich die Freilassung des Ingenieurs.

Kakwand sagte nach dem Richterspruch, es sei nun endgültig bewiesen, dass die Beschuldigungen der USA gegen ihn "falsch und grundlos" seien. "Die Amerikaner haben versucht, die französische Justiz zu täuschen."

Rad wurde bei seiner Ankunft in Teheran auf dem Flughafen offiziell von einem Regierungsvertreter und einem Parlamentsabgeordneten begrüßt. Hassan Ghaschghawi, Stellvertreter des Außenministers, erklärte vor den zahlreich versammelten Journalisten, seine Regierung habe den Antrag zur Freilassung Rads bereits vor einem Jahr gestellt. Erst vor einigen Tagen sei durch eine Verordnung des französischen Innenministers dem Antrag stattgegeben worden. Auch Ghaschghawi bestritt jeden Zusammenhang mit der Freilassung der Französin Reiss. Rad sei freigelassen worden, weil sein Verhalten im Gefängnis vorbildlich gewesen sei.

Der Abgeordnete Kazen Dschalali bezeichnete Rad als einen "Nationalhelden" und sagte, Rad habe lang genug im Gefängnis verbracht. Daher sollten "Ausländer" keinen besonderen Dank für seine Freilassung erwarten.

Rad sagte bei seiner Ankunft: "Ich bin durch die Hölle gegangen und jetzt bin ich überglücklich, dass ich endlich das Paradies erreicht habe."

Indes hat Clotilde Reiss dementiert, dass sie in Iran für den französischen Geheimdienst tätig gewesen sei. Sie weise diese "lügnerischen Behauptungen kategorisch" zurück, erklärte die Französin am 19. Mai in Paris. "Ich habe niemals in Kontakt mit den Geheimdiensten gestanden." Reiss konnte am 16. Mai nach Frankreich zurückfliegen, nachdem Teheran eine Haftstrafe gegen sie in eine Geldbuße verwandelt hatte. Ein früheres Mitglied des französischen Auslandsnachrichtendienstes DGSE hatte behauptet, die junge Frau sei dem Dienst "eingeschrieben" und habe über Iran Informationen "innenpolitischer Natur" sowie über die "Weiterverbreitung von Atommaterial" gesammelt.

Reiss war im Juli 2009 nach mehreren Monaten als Universitätsangestellte in Iran festgenommen worden. Ein iranisches Gericht hatte die 24-jährige wegen der Unterstützung der Massenproteste gegen die Wiederwahl von Präsident Ahmadinedschad zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.

"Ich bin sehr, sehr glücklich, wieder in meiner Heimat zu sein", erklärte Reiss auf den Stufen vor dem Präsidentenpalast. Sie dankte dem französischen Präsidenten Sarkozy für seinen Einsatz. Reiss' Anwalt hatte am 15. Mai erklärt, seine Mandantin sei zunächst zu zwei fünfjährigen Gefängnisstrafen verurteilt worden. Das Gericht habe diese aber in eine Geldstrafe von 230.000 Euro umgewandelt.

Sarkozy dankte dem brasilianischen Präsidenten Luiz Inazio Lula da Silva, der zu der Zeit in Teheran mit der iranischen Regierung über das Atomprogramm verhandelte. Der französische Außenminister Bernard Kouchner warf Iran vor, Reiss als Geisel genommen zu haben. "Wir haben lange auf Clotilde gewartet", sagte Kouchner im Rundfunk. Der Minister wies Spekulationen zurück, dass ihre Freilassung mit Gegenleistungen verbunden war. "Es gab keinen Kuhhandel", betonte Kouchner mit Blick auf Entscheidungen der französischen Justiz gegenüber zwei Iranern.


Pakistanischer Botschafter in Teheran bei Angriff verletzt

Der pakistanische Botschafter in Iran wurde am 11. Mai von einem Angreifer leicht verletzt. Der Fall trug sich nach Angaben des iranischen Außenministeriums auf dem Parkplatz einer Sauna im Norden Teherans zu. Bei dem Täter handele es sich um einen Afghanen, hieß es. Der Mann habe Botschafter Bakhsh Abbasi angegriffen, nachdem die beiden in Streit geraten seien. Er wurde den Angaben zufolge kurz nach der Tat von der Polizei festgenommen. Der Botschafter hatte zum Zeitpunkt des Zwischenfalls weder einen Fahrer noch einen Leibwächter in seiner Begleitung.


Wahl Irans in UN-Frauenrechtskommission kritisiert

Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) hat die Aufnahme Irans in die UN-Kommission für Frauenrechte scharf kritisiert. "Die Wahl Irans in die UN-Frauenrechtskommission ist grotesk", sagte der IGFM-Vorstandssprecher Martin Lessenthin am 11. Mai in Köln. "Wenn Diktaturen die Verletzungen von Menschenrechten überwachen sollen, dann wird die praktische Arbeit der Vereinten Nationen gelähmt." Die 45 Mitglieder zählende UN-Kommission soll weltweit für Einhaltung der Frauenrechte eintreten.

Ursprünglich wollte Iran laut IGFM für den UN-Menschenrechtsrat kandidieren, zog aber nach massivem Widerstand seine Kandidatur zurück. Stattdessen habe Iran Sitze in der Frauenrechtskommission und drei weiteren Gremien erhalten. Lessenthin sprach von einer Art Kuhhandel, um den Verzicht Irans auf den Sitz im Menschenrechtsrat auszugleichen.

Die Islamwissenschaftlerin Petra Uphoff sagte, dass kein Staat gegen die Mitgliedschaft Irans in der Frauenrechtskommission Einspruch erhoben habe. Uphoff zufolge werden Frauen ebenso wie religiöse Minderheiten in der Islamischen Republik systematisch diskriminiert. Die Islamwissenschaftlerin kritisierte außerdem die Aufnahme Irans in das UN-Gremium zum Schutz indigener Völker(UNPFII). Die alteingesessenen religiösen und ethnischen Minderheiten im Land seien in vieler Hinsicht benachteiligt und unterdrückt.

Die aus Iran geflohene Journalistin Mitra Khalatbari warf Deutschland vor, sich nicht genug für die Menschenrechtler in ihrer Heimat einzusetzen. So hätten verfolgte Journalisten in vielen Fällen kein Asyl erhalten. Die Bundesregierung dürfe nicht aus wirtschaftlichen Interessen die Menschenrechtsverletzungen in Iran ignorieren, sagte Khalatbari.


Neue Festnahmen wegen Iran-Komplott in Kuwait

In Kuwait sind mehrere mutmaßliche Spione festgenommen worden, die Iran Informationen über Raketenstellungen in dem Golfemirat geliefert haben sollen. Nach einem Bericht der kuwaitischen Tageszeitung "Al-Qabas" vom 4. Mai waren die Ermittler den Spionen auf die Spur gekommen, nachdem im vergangenen März ein Geldwäsche-Komplott aufgeflogen war. In dieses Komplott solle eine kuwaitische Geschäftsfrau und der inzwischen entlassene bahrainische Staatsminister Mansur bin Radschab verwickelt gewesen sein. Angeblich sollen sie und ihre Komplizen in mehreren arabischen Ländern versucht haben, einen Sechs-Millionen-Euro-Scheck für die iranischen Revolutionsgarden einzulösen. Dies war von iranischen Diplomaten bestritten worden.

Laut "Al-Qabas" wurden in den vergangenen Tagen weitere Verdächtige festgenommen. Der kuwaitische Regierungssprecher Mohammad Al-Busairi hatte bestätigt, dass inzwischen mehrere Verdächtige in Untersuchungshaft sitzen. Detaillierte Angabe hatte er jedoch mit dem Hinweis auf die noch laufenden Ermittlungen nicht machen wollen.


Ausschreitungen bei Protesten vor iranischen Botschaften

Bei Protesten vor den iranischen Botschaften in Schweden und Dänemark kam es am 13. Mai zu Ausschreitungen. Es wurden Steine und Molotow-Cocktails geworfen. Einige Demonstranten versuchten sich mit Gewalt Zugang zu den Gebäuden zu verschaffen. In Stockholm wurde ein Demonstrant verletzt, es gab mehrere Festnahmen. Die schwedische Polizei erklärte, rund 250 Menschen hätten gegen die Todesstrafe in Iran protestiert. Etwa siebzig von ihnen hätten dann versucht, durch die Polizeiabsperrung zu dringen. In Kopenhagen setzte die Polizei Pfefferspray gegen eine Gruppe von rund hundert Steine werfende Demonstranten ein. Ein Polizist wurde hier leicht verletzt.


Kappe statt Kopftuch für junge Fußballerinnen

Das Nachwuchsteam der iranischen Fußballfrauen darf nun doch an den olympischen Jugendspielen teilnehmen, seine Spielerinnen müssen dafür ihre traditionellen Kopftücher gegen Kappen eintauschen. Das gab der Fußballweltverband FIFA am 3. Mai bekannt. Der iranische Fußballverband zeigte sich in einer ersten Reaktion erfreut. Die staatliche Zeitung "Tehran Times" berichtete, iranische Autoritäten hätten den Spielerinnen erlaubt mit einer anderen Kopfbedeckung als dem Kopftuch anzutreten. Die FIFA hatte dem iranischen Mädchen-Team die Teilnahme an dem Turnier vom 14.bis 26. August in Singapur verboten, wenn die Spielerinnen dort in dem nach islamischer Kleidervorschrift verpflichtenden Hijab antreten.

Bereits seit 2007 ist das Tragen von Hijab-Schals auf dem Kopf aus Sicherheitsgründen von der FIFA verboten. Zudem sollen dadurch politische wie religiöse Statements auf dem Spielfeld verhindert werden. Die Spielerinnen könnten eine Kappe tragen, die ihre Köpfe bis zum Haaransatz, aber nicht den Nacken bedecken, hieß es nun in einer Mitteilung der FIFA. Nach dem Ausschluss seiner Mannschaft hatte Iran Protest eingelegt. Iranische Sportlerinnen hätten in der Vergangenheit immer Hijab bei internationalen Wettkämpfen getragen, hieß es. Dabei sind Kopf und Körper bedeckt.


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Impressum:
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Vera Lorenz
V.i.S.d.P.: Annette Maennel
9. Jahrgang


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Quelle:
Iran-Report Nr. 6/2010 - Juni / 9. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juni 2010