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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/269: Iran-Report Nr. 2 - Februar 2012


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 2 - Februar 2012
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand


Der von der Heinrich-Böll-Stiftung seit 2002 publizierte, monatlich erscheinende Iran-Report bietet einen Überblick über die innenpolitische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung im Iran und die iranische Außenpolitik. Der Konflikt um das iranische Atomprogramm, die Wahlfälschung vom Juni 2009, die Verfolgung der Opposition und die Verletzung der Menschenrechte sind einige der wiederkehrenden Themen des Iran-Reports. Er wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus, auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter.

Der Iran-Report wird einem breiten Interessentenkreis aus Politik, Wissenschaft und Medien zur Verfügung gestellt.


Inhalt

Innenpolitik
- Regierungsvertreter ignorieren Parlament
- Rund die Hälfte der Bewerber zu Parlamentswahlen zugelassen
- Zahl der verhafteten Journalisten steigt
- Sechs Monate Haft für Tochter von Rafsandschani
- Ein Jahr Gefängnis für Presseberater des Präsidenten
- Web-Entwickler wegen Pornografie zum Tode verurteilt
- Uniformen für berufstätige Frauen

Wirtschaft
- Neues zum Atomstreit
- Weitere EU-Sanktionen
- IWF warnt vor Öl-Preisanstieg
- Irans Reaktionen auf EU-Sanktionen
- Auch Australien will Sanktionen verhängen
- Ashtons Bedingungen zur Wiederaufnahme der Gespräche mit Teheran
- Ölembargo wird sich auch an Tankstellen bemerkbar machen
- Der Handel zwischen der EU und Iran
- Obama: Sanktionen zeigen Wirkung
- Iran wird 2012 keine Atombomben bauen
- Rial wieder auf Rekordtief
- Russland und Iran wickeln bilateralen Handel nicht mehr in Dollar ab
- Baztab: Irans Wirtschaft vor Ruin

Außenpolitik
- US-Generalstabschef beriet mit Israel über Iran
- US-Flugzeugträger passierte Straße von Hormos
- Teheran warnt Golfstaaten, zusätzliches Öl zu liefern
- Zeitung: US-Bomben zu schwach für iranische Atomanlagen
- Westerwelle besorgt über Spannung mit Iran
- Russland und Türkei forderten Gespräche mit Iran
- Lizenz des iranischen Press TV in Großbritannien entzogen
- Iranischer Wissenschaftler in den USA festgenommen
- Ahmadinedschad besucht Raul Castro
- Nach der Ermordung eines Atomforschers
- Israelische Agenten gaben sich als CIA-Mitarbeiter aus


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Innenpolitik

Regierungsvertreter ignorieren Parlament

Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen ignorierten der Wirtschaftsminister und der Direktor der Zentralbank die Einladung des Parlaments, in einer nichtöffentlichen Sitzung am 28. Januar über die Lage des Gold- und Devisen-Marktes zu berichten. Die wartenden Abgeordneten mussten schließlich die Sitzung vertagen. Das Parlament hatte sich angesichts der starken Turbulenzen auf den Gold- und Devisen-Markt besorgt gezeigt und die Regierung um Auskunft gebeten. Doch die Machtkämpfe zwischen verschiedenen Fraktionen, die sich im Hinblick auf die Parlamentswahlen im März in den letzten Monaten verschärft haben, haben das ohnehin gestörte Verhältnis zwischen Parlament und Regierung mehr als je zuvor in Mitleidenschaft gezogen. Inzwischen schert sich die Regierung kaum noch um Gesetze und Beschlüsse, die vom Parlament verabschiedet werden und weigert sich, der Legislative über die Vorgänge im Land zu berichten.

Auch zwei Wochen davor, als das Parlament zu einer Sitzung "zur Rettung der nationalen Wirtschaft" einlud, verweigerten eingeladene Regierungsvertreter ihre Teilnahme. Der Wirtschaftsminister war in Begleitung des Präsidenten nach Lateinamerika gereist, doch auch der Direktor der Zentralbank und Staatssekretäre verschiedener Ministerien waren der Sondersitzung ohne Begründung ferngeblieben. Vizepräsident Mohammadreza Bahonar, der die Sitzung leitete, sagte, er habe nicht begriffen, warum die Regierungsvertreter nicht erschienen seien, "vielleicht wurden sie von höherer Stelle dazu angewiesen", fügte er hinzu. "Wie auch immer, wir sehen das nicht ein. Wenn das Parlament Regierungsvertreter zur Berichterstattung einlädt, sind sie zur Teilnahme verpflichtet."

Anfang Januar hatte Ahmadinedschad, ohne Namen zu nennen, einige Politiker und Parlamentarier beschuldigt, auf dem Devisenmarkt Chaos verursacht zu haben. "Manche Scheinpolitiker fragen einerseits, warum wir den Preis der Devisen nicht erhöhen, andererseits werfen sie der Regierung vor, nicht in der Lage zu sein, den Kurs der Devisen zu kontrollieren und die Wirtschaft in den Griff zu bekommen", sagte der Präsident. Dieser Kritik schloss sich auch der Wirtschaftsminister an.

Der Geheimdienstminister Haidar Moslehi sagte der Agentur Mehr, sein Ministerium sei "Kräften auf der Spur, die versuchen auf dem Gold- und Devisen-Markt Chaos zu stiften". Er werde beizeiten die Öffentlichkeit darüber informieren.

Auch der parlamentarische Vertreter des Staatspräsidenten, Mohammad Resa Mitajeddini, sagte, "es gibt organisierte Kräfte, die auf dem Gold- und Devisenmarkt Unruhe verbreiten". Inzwischen seien die Drahtzieher bekannt und "wir haben handfeste Informationen und Erkenntnisse über deren Machenschaften bekommen".


Rund die Hälfte der Bewerber zu Parlamentswahlen
zugelassen

Der Sprecher des Wächterrats gab bekannt, dass rund die Hälfte der Personen, die sich für die Teilnahme an den Parlamentswahlen im März gemeldet hätten, zugelassen worden seien. Die Namen würden Anfang Februar veröffentlicht werden.

4.877 Bewerber hätten sich für einen Sitz im Parlament beworben, rund 2.700 von ihnen seien zugelassen worden, sagte Abbasali Kadkhodai. Nach der Bekanntgabe bestehe eine Frist von zwanzig Tagen um Widerspruch gegen die Entscheidung des Wächterrats einzulegen. Danach würden die Namen der endgültig zugelassenen Kandidaten bekannt gegeben werden.

Kadkhodai nahm auch Stellung zu jenen Bewerbern, die abgelehnt wurden, weil ihre Treue zum islamischen Glauben bezweifelt wurde. "Wir sind gefragt worden, ob bei jemandem, der regelmäßig betet und fastet seine Treue zum Islam angezweifelt werden kann. Wir erwarten, dass alle Kandidaten ihre Pflicht zum Beten und Fasten erfüllen, sonst würde man sie nicht als Gläubige bezeichnen. Aber es gibt Leute, die zwar beten und fasten, jedoch andere Grundsätze des Islam missachten. Wir müssen uns nach diesen Grundsätzen richten." Die meisten Abgelehnten habe man jedoch nicht zulassen können, weil sie ihre Unterlagen zu spät eingereicht hätten (!), sagte Kadkhodai.

Die Parlamentswahl am 2. März wird zu einer Kraftprobe zwischen den Anhängern Ahmadinedschads und den Konservativen. Wie die Nachrichtenagentur Fars am 10. Januar meldete, will die Ahmadinedschad-Fraktion bei der Wahl am 2. März mit 442 Kandidaten antreten. Die Konservativen stellen demnach 1801 Bewerber. Trotz der geringeren Zahl steht den Verbündeten des Staatschefs für den Wahlkampf mehr Geld zur Verfügung als den Konservativen.

Der Ahmadinedschad-Flügel wird von den Konservativen und Teilen des Klerus als "abweichender Strom" bezeichnet, weil dieser eher einen nationalistischen als islamischen Kurs fahre. Der Präsident selbst spricht dagegen von einer "Dritten Welle", um sich von Konservativen und Reformern abzugrenzen, die das politische Leben in Iran drei Jahrzehnte lang bestimmt haben.

Als Favorit für die Wahl gelten dennoch die von Parlamentspräsident Ali Laridschani angeführten Konservativen, die enge Verbindungen zum Klerus haben und derzeit im Parlament die Mehrheit stellen.

Beobachter erwarten eine niedrige Wahlbeteiligung, nachdem die Präsidentenwahl im Jahr 2009 von massiven Betrugsvorwürfen überschattet worden war. Auch die Absage der Reformer, an den Wahlen teilzunehmen, weil sie nicht frei seien, wird viele davon abhalten, zu den Urnen zu gehen.


Zahl der verhafteten Journalisten steigt

Die Zahl inhaftierter Journalisten nimmt im Vorfeld der Parlamentswahlen am 2. März zu. Unter den Journalisten herrscht Angst und Unsicherheit. Medienberichten zufolge wurden am 17. Dezember die Journalistin Parastu Dokuhaki, ihre Kollegin Marsijeh Rasuli und ihr Kollege Sahamaddin Purfani festgenommen. Zuvor wurden ihre Wohnungen durchsucht und ihre Unterlagen beschlagnahmt. Die drei standen der Reformbewegung nahe. Am selben Tag wurden die Journalistin Fatemeh Cheradmand und der Journalist Ehsan Huschmand in Haft genommen.

Geheimdienstminister Heydar Moslehi sagt am 18. Dezember im Anschluss an der Kabinettssitzung, Sicherheitskräfte hätten einige Journalisten festgenommen, die im Auftrag der CIA bestimmte Aufgaben im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen zu erfüllen hätten. Die Agenten hätten über das Internet mit dem Ausland Verbindung gehabt. Über Details der Festnahmen berichtete Moslehi nicht, auch nicht, was den Einzelnen konkret vorgeworfen wird.

Der junge Journalist Purfani ist der Sohn eines ehemaligen Abgeordneten der Reformbewegung. Eine Zeitlang war der Vater auch zuständiger Staatssekretär im Ministerium für Erziehung und Islamische Führung im Kabinett von Mohammad Chatami. Der Sohn arbeitete bei der den Reformern nahe stehenden Zeitung "Etemad Melli" als Chefredakteur für Irans Außenpolitik.

Parastu Dokuhaki ist Bloggerin und befasst sich seit Jahren mit Frauenrechten. Sie wurde in ihrem Elternhaus festgenommen. Laut Auskunft der Verwandten haben die Beamten ihren Laptop und ihre Unterlagen mitgenommen. Ihr Aufenthaltsort ist den Verwandten nicht bekannt. Seit dem Tod ihres Vaters vor wenigen Monaten litt Dokuhaki unter starken Depressionen und befand sich in ärztlicher Behandlung. In den letzten drei Jahren war sie weder politisch noch journalistisch aktiv. Sie war Mitarbeiterin der Schariati-Stiftung, redigierte und übersetzte Texte. Die vierzigjährige Journalistin hatte bereits mit zwanzig Jahren ihre journalistische Tätigkeit aufgenommen und schrieb über Frauenrechte und soziale Probleme, unter anderem für die inzwischen verbotene Zeitschrift "Zanan" (Frauen) und für diverse renommierte Tageszeitungen der Reformer wie "Jase No", "Noruz", "Hambastegi" und "Etemad Melli". Sie gehört zu den bekanntesten Bloggerinnen Irans.

Fatemeh Cheradmand ist freie Journalistin und beschäftigt sich mit Fragen der Gesundheit und mit sozialen Problemen. Ehsan Huschmand schreibt über Probleme ethnischer Minderheiten. Beide wurden in ihren eigenen Wohnungen festgenommen.


Sechs Monate Haft für Tochter von Rafsandschani

Die Tochter des früheren iranischen Präsidenten Akbar Haschemi Rafsandschani ist nach Angaben ihres Anwalts wegen "regierungskritischer Propaganda" zu sechs Monaten Haft verurteilt worden. Wie der Anwalt Gholam Ali Riahi am 3. Januar laut der Nachrichtenagentur ISNA sagte, wurde seiner Klientin, Faeseh Haschemi, außerdem für die Dauer von fünf Jahren verboten, "sich politisch, im Internet und journalistisch zu betätigen". Der Anwalt kündigte Berufung gegen das Urteil an.

Die Gerichtsverhandlung hatte am 25. Dezember stattgefunden. Haschemi war festgenommen worden, weil sie sich an einer Reihe von Protesten gegen die umstrittene Wiederwahl von Ahmadinedschad im Juni 2009 beteiligt hatte. Ihr Vater hatte zur Verärgerung der ultrakonservativen Führung des Landes bei der Präsidentschaftswahl indirekt den Oppositionskandidaten Mir Hossein Mussavi unterstützt.


Ein Jahr Gefängnis für Presseberater des Präsidenten

Der Machtkampf zwischen Präsident Ahmadinedschad und seinen konservativen Widersachern spitzt sich weiter zu. Ahmadinedschads Presseberater Ali Akbar Dschavanfekr wurde wegen Beleidigung des Revolutionsführers Ali Chamenei laut Berichten iranischer Medien vom 16. Januar zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Dschavanfekr schrieb auf seiner Webseite, das Teheraner Revolutionsgericht habe ihm außerdem für die Dauer von fünf Jahren jede politische Betätigung untersagt.

Dschavanfekr wies die Beschuldigung der Beleidigung zurück und erklärte, dass er sich dem Revolutionsführer unterwerfe und ihm zugeneigt sei. Zugleich kündigte er Berufung gegen das Urteil an, das "jeder Grundlage und juristischer Logik" entbehre. Dschavanfekr, der auch die amtliche Nachrichtenagentur IRNA und die Regierungszeitung "Iran" leitet, ist seit langem Zielscheibe ultrakonservativer Kräfte.

Bereits im November war er zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden, weil die Veröffentlichung von Artikeln und Bildern in einer Sondernummer von "Iran" gegen "islamische Werte" und die "öffentliche Moral" verstoßen habe. Die Sondernummer war den Frauen und dem Schleier gewidmet. Auch gegen dieses Urteil ging Ahmadinedschads Presseberater in Berufung.

Seit Monaten gibt es zudem eine Kampagne der Ultrakonservativen gegen Ahmadinedschads engen Berater und Büroleiter Esfandiar Maschai, den sie als zu liberal ablehnen. Zahlreiche von Maschais Verbündeten wurden bereits wegen Korruption, Finanzdelikten und anderer Vorwürfe festgenommen.


Web-Entwickler wegen Pornographie zum Tode verurteilt

Der oberste iranische Gerichtshof hat ein Todesurteil gegen einen iranischen Web-Entwickler aufrechterhalten. Der Blogger Said Malekpur sei der Verbreitung pornographischer Internetseiten für schuldig befunden worden, meldete die halbamtliche Nachrichtenagentur Fars am 29. Januar. Das oberste Gericht bestätigte demnach die von einem Revolutionsgericht verhängte Todesstrafe.

Malekpur wurde im Oktober 2008 festgenommen und gestand im iranischen Fernsehen, dass er pornographische Internetseiten entworfen und verbreitet habe. Das mit dem Revolutionsgarden in Verbindung stehende Webportal gerdab.ir nannte Malekpur den Kopf des größten persischsprachigen Pornographienetzwerks.


Uniformen für berufstätige Frauen

Die schon vor Jahren geplante Uniformierung der Bekleidung für berufstätige Frauen ist nun abgeschlossen. "Wir haben rund tausend Modelle für vierzig Berufssparten entworfen", sagte Sahra Abbasi, Leiterin des Amtes für Frauenangelegenheiten im Innenministerium. Die Modelle und die Farben seien den jeweiligen Berufen angepasst. "Wir haben auf auffällige Farben, die der Würde des Berufs nicht angemessen sind, verzichtet".

Wie Innenminister Mostafa Nedjjar vor etwa einem Jahr angekündigt hatte, soll die Uniformierung der Frauenkleidung die "Kultur der Keuschheit" pflegen und verbreiten. Beginnen werde man mit staatlichen Ämtern und Behörden.

Die Modelle seien dazu geeignet, die nationale und islamische Kultur zum Ausdruck zu bringen, sagte Abbasi. Sie seien auf das Personal einzelner Berufssparten wie das von Krankenhäusern, Fluggesellschaften, Banken und dergleichen zugeschnitten. "Wir wollen keineswegs, dass alle Frauen schwarz tragen. Es gibt eine Vielfalt der Modelle und Farben. Auch regionale Eigenheiten sind berücksichtigt." Ob die Uniformierung auch auf Schulen und Universitäten ausgeweitet werde, sei noch nicht entschieden.


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Wirtschaft

Neues zum Atomkonflikt

Am 8. Januar gab Iran die Inbetriebnahme der neuen Urananreicherungsanlage in Fordo bekannt. Das bestätigte auch die Internationale Atombehörde (IAEA). Die USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland bezeichneten den Vorgang als neue Eskalationsstufe im Konflikt um das iranische Atomprogramm.

Die Anlage, 150 Kilometer südlich der Hauptstadt Teheran gelegen, ist neben Natans die zweite Haupturananreicherungsanlage Irans. Ihre Existenz wurde bekannt, nachdem sie 2009 von westlichen Geheimdiensten publik gemacht wurde. Sie ist zum Schutz vor möglichen Luftangriffen in einem Berg gebaut worden. In Fordo werde nunmehr Uran auf 20 Prozent angereichert, sagte der iranische Vertreter bei der IAEA, Ali Asghar Soltanieh, am 9. Januar in Wien. Die Anlage sei gegen Luftangriffe "gut geschützt". Die Anreicherung erfolge unter der Aufsicht der IAEA.

Die Internationale Atombehörde bestätigte die Angaben. Es war bereits zuvor durch Diplomaten bekannt geworden, dass in dem unterirdischen Komplex 348 Zentrifugen in zwei Kaskaden in Betrieb seien, zwei weitere Kaskaden befänden sich noch im Aufbau. Gil Tudor, Sprecherin der Atombehörde, sagte, sie könne bestätigen, dass Iran mit der Urananreichung auf 20 Prozent begonnen habe. "Das gesamte Atommaterial in der Anlage bleibt unter der Kontrolle und Überwachung der Behörde".

Experten vertreten die Ansicht, das 20 Prozent angereicherte Uran ließe sich deutlich schneller zu atomwaffenfähigem Material anreichern, als das bislang in der Anlage Natanz auf 3,5 Prozent angereicherte Uran. Teheran weist stets jede Absicht, Nuklearwaffen herstellen zu wollen, entschieden zurück. Das höher angereicherte Uran sei zur Herstellung von medizinischen Isotopenquellen für die Behandlung von Krebspatienten bestimmt.

Washington bezeichnete die höhere Urananreicherung als neue "Eskalationsstufe" im Atomkonflikt mit Teheran. Wenn in Fordo Uran auf 20 Prozent angereichert werde, sei dies eine "Eskalation" der "anhaltenden Verletzungen" der internationalen Verpflichtungen Irans, erklärte US-Außenamtssprecherin Victoria Nuland am 9. Januar. Großbritanniens Außenminister William Hague verurteilte den Produktionsstart als "provokativen Akt". Der Iran könne keine glaubwürdigen Gründe vorweisen, warum das Land diese Mengen an hoch angereichertem Uran benötige. "Ich bin extrem enttäuscht", sagte Hague. Ähnlich äußerte sich Bundesaußenminister Guido Westerwelle.

Der Atomkonflikt droht in eine militärische Auseinandersetzung mit verheerenden Folgen zu münden. Iran hatte jüngst seine Bereitschaft zur Wiederaufnahme der Verhandlungen ohne Vorbedingung angekündigt und die EU um einen Termin gebeten. Und während der Vizepräsident drohte, im Falle eines Ölboykotts die Straße von Hormoz zu schließen, erklärte der Verteidigungsminister Ahmad Wahidi am 9. Januar: "Wir haben nie gesagt, dass wir die Straße von Hormoz schließen werden." Die Widersprüche in der iranischen Außenpolitik widerspiegeln den inneren Machtkampf, der sich im Hinblick auf die bevorstehenden Parlamentswahlen am 2. März erheblich verschärft hat.


Weitere EU-Sanktionen

Am 23. Januar haben die Außenminister der EU im Streit um das iranische Atomprogramm neue, weitaus härtere Sanktionen als bisher gegen Iran beschlossen und damit in dem schon seit 2003 schwelenden Konflikt eine neue Phase eingeleitet. Dem Beschluss zufolge dürfen künftig EU-Staaten und -Firmen Öl- und Erdölprodukte aus Iran weder kaufen noch importieren bzw. transportieren und sich auch nicht mehr an damit verbundenen Finanzierungs- oder Versicherungsgeschäften beteiligen. Für Altverträge gilt allerdings eine Frist von sechs Monaten. Die verschärften Sanktionen sollen am 1. Juli in Kraft treten.

Auch petrochemische Produkte und dazugehörige Technologien sind von dem Embargo betroffen. Joint-Ventures in diesem Bereich sind künftig verboten. Die Maßnahmen sollen in den kommenden Monaten überprüft werden. Experten werteten den Beschluss als starkes Zeichen und rechneten mit erheblichen finanziellen Konsequenzen für Iran. Allerdings gibt es auch Zweifel daran, ob die nun beschlossenen zusätzlichen Sanktionen Iran an der Fortsetzung seines Atomprogramms hindern werden.

Auch für den Finanzsektor gibt es künftig Restriktionen: Das Vermögen der iranischen Zentralbank in der EU wird eingefroren. "Rechtmäßiger Handel", so die offizielle Formulierung, kann aber unter bestimmten Bedingungen weitergehen. Auch für den Goldhandel gibt es künftig Restriktionen. Zusätzlich wurden drei weitere Personen und acht so genannte Entitäten - also Firmen oder Behörden - mit einem Einreiseverbot belegt bzw. deren Vermögen in der EU eingefroren.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle begründete das geplante schärfere Vorgehen gegen Iran zu Beginn der Gespräche mit der starren Haltung des Landes. Niemand verhänge gern Sanktionen, sagte er am 23. Januar in Brüssel. "Aber es ist notwendig." Die iranische Führung weigere sich noch immer, ihren internationalen Verpflichtungen nachzukommen. Eine atomare Bewaffnung Irans wäre aber "nicht nur eine Gefährdung der Lage in der Region, sondern auch für die gesamte Welt", betonte Westerwelle. Die Tür zum Dialog stehe weiterhin offen.

Nach Ansicht der Partei der Grünen kommt das Embargo zu spät. "Wir verstehen nicht so richtig, warum das Signal erst ab 1. Juli gelten soll", sagte der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir am 23. Januar in Berlin: "Ich bedauere es sehr, dass die Europäische Union da nicht klarer voran geht". Die EU gebe pro Jahr 296 Milliarden Euro für die Einfuhr von Erdöl aus, sagte Özdemir. "Das Geld wäre sicher sinnvoller angelegt in unserer nationalen Volkswirtschaft, dort in erneuerbaren Energien."

Demgegenüber kritisierte der Sprecher für Sicherheitspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion Omid Nuripur die Sanktionen als schlecht untermauert und deshalb riskant. "Bisher sind die Menschen in Iran unsere besten Verbündeten im Kampf gegen die Regierung", sagte Nuripur der Nachrichtenagentur dpa am 25. Januar in Berlin. "Damit das so bleibt, müssen die Maßnahmen gut abgewogen und begründet werden - das scheint die EU mit ihren neuesten Beschlüssen nicht zu erreichen."

"Die Gefahr eines Krieges mit Iran ist real", sagte Nuripur. "Wer diesen katastrophalen Ausgang verhindern will, muss jetzt alle gewaltfreien Mittel ausschöpfen, die das Land zurück an den Verhandlungstisch über sein Atomprogramm bringen können." Die Sanktionen dürften aber nicht allein an die Gefahr einer iranischen Atombombe gekoppelt, sondern müssten auch an die Unterdrückung der Menschen in Iran und die iranische Drohpolitik am Persischen Golf gebunden werden. "Dafür müssen die Strafmaßnahmen insbesondere die Schattenwirtschaft treffen, die unter dem Deckmantel religiöser Stiftungen die Finanzierung der Machtzirkel sicherstellt."

Der britische Außenminister William Hague wertete die Einigung als Zeichen europäischer Entschlossenheit. Er hoffe, damit auch andere Länder in ihrer Haltung Iran gegenüber beeinflussen zu können, sagte er. Das bisher härteste Sanktionspaket gegen Iran sei eine Reaktion auf die "anhaltenden Verstöße Irans gegen die Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats und seine Weigerung, sinnvolle Verhandlungen über das Atomprogramm aufzunehmen". Die Führung Irans rief er erneut zu "sinnvollen Gesprächen" auf.

US-Präsident Barack Obama hat das Ölembargo der Europäischen Union gegen Iran begrüßt. Auch die USA würden damit fortfahren, Sanktionen gegen Teheran zu verhängen, sagte Obama am 23. Januar in Washington. Die USA ihrerseits haben ihre Strafmaßnahmen gegen Iran verschärft. Die Regierung in Washington verhängte am 23. Januar Sanktionen gegen die drittgrößte iranische Bank Tejarat. Der Schritt solle es der Regierung in Teheran erschweren, ihr Atomprogramm zu finanzieren, teilte das Finanzministerium in Washington mit. Die Bank Tejarat und ihr weißrussischer Ableger Trade Capital Bank seien künftig vom US-Finanzsystem abgeschnitten. Die staatliche Bank hat nach US-Angaben fast 2000 Filialen in Iran sowie Vertretungen in Frankreich und Tadschikistan.

Am 24. Januar sagte Obama in seiner Rede zur Lage der Nation, die USA würden alles unternehmen, um die Islamische Republik am Besitz von Atomwaffen zu hindern. "Noch aber ist eine friedliche Lösung möglich. Und was noch besser ist, Iran winkt die Wiederaufnahme in die Völkergemeinschaft, wenn es seinen Kurs ändert und seine Verpflichtungen erfüllt". Obama versicherte Israel, das sich durch das iranische Atomprogramm unmittelbar bedroht fühlt, es könne sich auf die feste Solidarität der USA verlassen. Dazu gehöre auch die engste militärische Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern. Israel schließt einen Angriff auf die iranischen Atomanlagen nicht aus.

Zwei Tage zuvor hatte US-Außenministerin Hillary Clinton bei einem Treffen mit dem deutschen Außenminister Westerwelle Iran bei den Verhandlungen über sein umstrittenes Atomprogramm zu "Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit" aufgefordert. "Wir versuchen alle zu erkennen, was sich hinter den öffentlichen Äußerungen Irans verbirgt, wonach er bereit zum Verhandeln ist", sagte Clinton auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Westerwelle. "Das Vertrauen wird zurückkehren, wenn sie beweisen, dass es ihnen ernst ist mit der Wiederaufnahme der Gespräche mit uns und unseren Partnern." Iran könne wieder international integriert werden, wenn es sein Nuklearprogramm aufgebe und für Transparenz sorge. Andernfalls müsse Iran mit wachsendem internationalem Druck und Isolation rechnen.

"Das ist ein Schritt in die richtige Richtung", erklärte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. In einem Telefongespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel über die Situation im Nahen Osten und die Sanktionsbeschlüsse der EU gegen Iran hatte Netanjahu die Maßnahmen begrüßt und der Bundesregierung für ihr Engagement bei deren Verabschiedung gedankt, teilte Merkels Sprecher Steffen Seibert mit. Am 23. Januar erklärte Netanjahu, Israel müsse notfalls auch auf eigene Faust gegen die Bedrohung durch das iranische Atomprogramm vorgehen. In einer Rede vor dem Parlament anlässlich des bevorstehenden Holocaust-Gedenktags sagte der Regierungschef am 24. Januar in Jerusalem, die Lehre aus dem millionenfachen Mord an Juden sei, nicht davor zurückzuschrecken, existenziellen Bedrohungen notfalls alleine abzuwehren.

"An diesem Tag der internationalen Zusammenarbeit möchte ich jedermann an die wichtigste Lehre aus dem Holocaust gegen unser Volk erinnern, dass wir, in letzter Konsequenz, wenn es eine Bedrohung unserer Existenz gibt, unser Schicksal nicht in die Hände anderer legen dürfen", sagte Netanjahu. "Wenn es um eine Frage unseres Schicksals geht, ist unsere Verpflichtung, uns auf uns selbst zu verlassen."

Netanjahu kündigte an, weiter an der internationalen Isolierung Iran zu arbeiten. Allerdings fügte er hinzu: "Wir dürfen unseren Kopf nicht in den Sand stecken. Das iranische Regime ruft offen zu unserer Vernichtung auf, plant und handelt für die Vernichtung Israels. Die Lehren sagen, dass die Staatengemeinschaft aufgeweckt werden muss", warnte Netanjahu.

Israels Außenminister Avigdor Lieberman forderte noch härtere Sanktionen. Die Sanktionen der EU seien ein sehr ernsthaftes Signal und ein Schritt in die richtige Richtung, aber dieser Schritt werde nicht ausreichen, sagte Lieberman am 24. Januar laut der österreichischen Nachrichtenagentur APA bei einer Konferenz über die Zukunft Europas in Wien. Der Außenminister warnte vor einem Machtzuwachs Irans. Teheran werde binnen drei Jahren den mehrheitlich schiitischen Irak unter Kontrolle gebracht haben und sich danach den Golfstaaten und Saudi-Arabien widmen, sagte Lieberman. Dann werde Iran "den gesamten Energiemarkt der Welt" kontrollieren.

Das Sanktionspaket trieb am selben Tag den Ölpreis in die Höhe. Der Preis für die in London gehandelte Sorte Brent North Sea Crude stieg um 1,17 Dollar auf 111,03 pro Barrel, in New York stieg der Preis für West Texas Intermediate Crude um 1,04 Dollar auf 99,37 Dollar pro Barrel.

Scharfe Kritik an den EU-Sanktionen kam aus Russland, das mit "Bedauern und Besorgnis" auf den EU-Beschluss reagierte. Die EU verfolge im Atomstreit mit Iran eine "zutiefst fehlerhafte Linie", teilte das Außenministerium in Moskau am 23. Januar mit. "Es ist offensichtlich, dass es sich in diesem Fall um offenen Druck handelt und um ein Diktat, den Wunsch, Iran für seinen Starrsinn zu bestrafen."

"Diese einseitigen Schritte sind nicht hilfreich", sagte Ressortchef Sergej Lawrow nach Angaben der Agentur Interfax in der Schwarzmeerstadt Sotschi. Aus russischer Sicht bestehe kein Anlass, über die im UN-Sicherheitsrat vereinbarte gemeinsame Linie hinauszugehen, sagte der Außenminister. Russland werde sich aber weiter für einen Dialog zwischen Iran und der 5+1-Gruppe einsetzen.

China hatte bereits zuvor neue Sanktionen gegen Iran abgelehnt. Der amerikanische Finanzminister Timothy Geithner stieß bei seinen Gesprächen in Peking auf Widerstand, den Druck auf Teheran über Sanktionen gegen die iranische Zentralbank zu erhöhen, die Irans Ölgeschäfte abwickelt. Nach Gesprächen mit dem zuständigen Vizepremier Wang Qishan am Vortag traf Geithner am 11. Januar in der chinesischen Hauptstadt mit Vizepräsident Xi Jinping zusammen, der als Chinas künftiger Staats- und Parteichef gilt.

Auf seinem Programm stand auch ein Treffen mit Regierungschef Wen Jiabao. Zwar will China in diesem Jahr offenbar seine Ölimporte aus Iran zumindest reduzieren, ist aber verärgert über die rechtlichen Schritte der USA, ausländischen Banken und Unternehmen den Zugang zum US-Finanzmarkt verwehren zu wollen, falls sie bei Transaktionen mit der iranischen Zentralbank zusammenarbeiten.

China arbeite schon mit den USA zusammen, indem es seine Ölimporte aus Iran reduziere, unterstütze aber kein Embargo, sagte Sun Zhe vom Tsinghua-Zentrum für chinesisch-amerikanische Beziehungen in Peking der "Global Times". Das Blatt berichtete unter Berufung auf Handelskreise, aufgrund von Preisstreitigkeiten werden China seine Einfuhren aus Iran ohnehin verringern.

Ein hoher Vertreter des Außenministeriums in Peking lehnte das Vorgehen der USA ab und warnte vor dem Einsatz militärischer Gewalt gegen Iran. Einseitige Sanktionen könnten auch den Konflikt mit Teheran nicht lösen, sagte der für die Region zuständige Generaldirektor Chen Xiaodong der Zeitung "China Daily". Die Handels- und Energiekooperation Chinas mit Iran habe zudem nichts mit dem Streit um Irans Atomambitionen zu tun, sagte der Spitzendiplomat.


IWF: Iran-Sanktionen können Öl um bis zu 30 Prozent verteuern

Ein Stopp iranischer Ölexporte könnte den Preis nach Einschätzung der Internationalen Währungsfonds (IWF) um 20 bis 30 Prozent nach oben treiben. Finanzsanktionen, wie sie die USA verhängten, seien gleichbedeutend mit dem am 23. Januar erlassenen Einfuhrverbot der Europäischen Union, hieß es am 25. Januar in einem IWF-Bericht an die G20. Dadurch würde der fünftgrößte Erdölproduzent der Welt pro Tag rund 1,5 Millionen Barrel weniger ausführen können.

Aus der Branche kamen dagegen andere Einschätzungen: Der französische Öl-Riese Total rechnet nicht mit einem größeren Einfluss des Embargos der EU auf den iranischen Absatz oder den Ölmarkt im Allgemeinen. Das Öl werde anderweitig verkauft, sagte Konzernchef Christophe de Margerie der Nachrichtenagentur Reuters am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos. Die Islamische Republik könnte auch Preisnachlässe gewähren, um den Verkauf zu beschleunigen. Total selbst hält sich nach eigenen Angaben bereits an das Embargo und hat seine Käufe gestoppt. Zuvor hatten die Franzosen pro Tag rund 80.000 Barrel abgenommen.


Irans Reaktion auf EU-Sanktionen

Unmittelbar nach der Bekanntgabe des EU-Beschlusses erklärte der Sprecher des iranischen Außenministeriums Rahim Mehmanparast: "Die Bedrohung, der Druck und die ungerechten Sanktionen sind zum Scheitern verurteilt." Die Sanktionen würden Iran nicht daran hindern, "seine fundamentalen Rechte" hinsichtlich des Atomprogramms wahrzunehmen, sagte Mehmanparast laut iranischem Fernsehen.

Vizeaußenminister Abbas Arakchi meinte, das Ölembargo werde eine Einigung im Atomstreit behindern. "Je mehr sie sich (die EU) Richtung Sanktionen bewegt, desto mehr Hürden wird es bei der Beilegung des Nuklearstreits geben", sagte Arakchi am 23. Januar der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA. "Einige Länder betrachten Sanktionen als einen Weg, um den Nuklearstreit zu lösen. Aber dadurch verursachen sie eher noch mehr Probleme." Iran werde keine Zugeständnisse machen, betonte Arakchi. Die Tür für "wohlwollende Verhandlungen" sei aber nach wie vor offen.

Der Abgeordnete Heschmattollah Fallahipischeh drohte, als Vergeltung die Straße von Hormos zu schließen. Einem Bericht der halbamtlichen Nachrichtenagentur Mehr zufolge sagte er, die Schließung der Meerenge sei zunehmend eine Möglichkeit.

Der frühere Geheimdienstchef und derzeitiges Mitglied des einflussreichen Expertenrates Ali Fallahian forderte einen sofortigen Stopp der Öllieferungen nach Europa. Da die Europäer dann nicht genug Zeit hätten, auf andere Quellen zu wechseln, würde dies einen Preisschock auslösen, sagte er am 23. Januar der Nachrichtenagentur Fars. Der Vizepräsident des Parlamentsausschusses für Nationale Sicherheit und Außenpolitik Mohammad Kossari wiederholte die Drohung, Iran würde bei einer Behinderung der Ölexporte die Straße von Hormos blockieren. Dies werde "definitiv passieren", sagte er der Agentur Fars.

Am 24. Januar bestellte Iran aus Protest gegen das Ölembargo den Botschafter Dänemarks ein, das derzeit den EU-Ratsvorsitz inne hat. Wie die staatliche Nachrichtenagentur IRNA berichtete, protestierte das Außenministerium in Teheran damit gegen die "unlogische Entscheidung" der Union. Gleichzeitig bemühte sich die Islamische Republik, die Bedeutung der Strafmaßnahmen herunterzuspielen. Die "ineffektiven Sanktionen" seien keine Bedrohung, sondern hätten dem Land im Gegenteil eine Menge Vorteile eingebracht, sagte Geheimdienstminister Haidar Moslehi der amtlichen Nachrichtenagentur IRNA. Wegen der Schuldenkrise sei die EU eher auf das Öl angewiesen als Iran auf die Abnahme des Rohstoffs.

Ein Sprecher des Ölministeriums betonte, Iran habe genügend Zeit, sich auf das Embargo vorzubereiten und werde alternative Abnehmer finden.

Irans Präsident Ahmadinedschad äußerte sich zuversichtlich, dass Iran die Folgen des europäischen Ölembargos nicht zu spüren bekommt. "Es ist der Westen, der Iran braucht, und die iranische Nation wird durch die Sanktionen nichts verlieren", sagte Ahmadinedschad am 26. Januar bei seinem ersten öffentlichen Auftritt seit den EU-Beschlüssen in der Stadt Kerman. Die Zeiten, da Iran 90 Prozent seines Handels mit Europa abwickelte, gehörten der Vergangenheit an. Die heutigen zehn Prozent fielen nicht ins Gewicht.

Ahmadinedschad bekundete die Bereitschaft seiner Regierung zur Wiederaufnahme der Gespräche über das umstrittene Atomprogramm Irans. Sein Land werde aber nicht sein Recht zur Urananreicherung aufgeben, sagte der Präsident. "Warum sollten wir Gespräche scheuen? Es ist ersichtlich, dass diejenigen, die auf Zwang zurückgreifen und gegen Verhandlungen sind, stets Ausreden vorbringen und stattdessen uns die Schuld geben."

Ein Zeitpunkt für eine mögliche Fortsetzung der Gespräche zwischen Iran und den fünf ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats und Deutschlands steht bislang nicht fest. Die letzte Runde der Verhandlungen war im Januar 2011 in Istanbul ohne Ergebnis zu Ende gegangen.

Am 26. Januar forderte das iranische Parlament einen sofortigen Stopp der Öllieferungen in die Europäische Union. Der Energieausschuss des Parlaments bereite einen entsprechenden Gesetzesentwurf vor, berichtete die Nachrichtenagentur Fars. Demnach soll die Regierung die Öllieferungen in die EU bereits jetzt stoppen, obwohl die EU-Länder bis 1. Juli laufende Verträge abwickeln können.

Allerdings hat das iranische Parlament in der Vergangenheit schon oft drastische politische Entscheidungen getroffen, die von der Regierung jedoch meistens ignoriert wurden. Im vergangenen Jahr forderte das Parlament beispielsweise die Regierung auf, die Zusammenarbeit mit der Internationalen Atombehörde zu revidieren. Im Endeffekt blieb es aber nur bei einer Debatte.

Schon am 24. Januar hatte ein Mitglied des Energieausschusses mit dem neuen Gesetzesentwurf gedroht, "Der Entwurf soll dafür sorgen, dass keines der EU-Länder, die in das Embargo verwickelt waren, auch nur einen Tropfen iranisches Öl mehr erhält", sagte Nasser Sudani. Die EU habe ein "Spielchen" angefangen, das ihr nur Nachteile bringen werde. Außerdem, so Sudani, würden sich die Ölpreise erhöhen, "und die EU müsste dann mehr für ihren Energiebedarf bezahlen".

Eine zur Abstimmung über den sofortigen Stopp des Ölexports nach Europa anberaumte Sitzung am 29. Januar wurde vertagt. Die halbamtliche Nachrichtenagentur IRNA meldete unter Berufung auf den iranischen Abgeordneten Ali Adiani Rad, die Parlamentarier müssten sich vor der Abstimmung über einen entsprechenden Gesetzesentwurf noch die Meinung von Experten einholen.

Während die Staatsführung in Teheran versuchte, die Wirkung der Sanktionen herunter zu spielen, äußerte der regierungskritische konservative Abgeordnete Ahmad Tawakoli die Befürchtung, die EU-Sanktionen könnten eine ernst zu nehmende Wirtschaftskrise in Iran auslösen. "Es gibt keine Investitionen mehr auf dem Markt - und das ist kein vorübergehendes, sondern ein langfristiges Dilemma", sagte Tawakoli am 24. Januar der Nachrichtenagentur Mehr.

"Die gegenwärtige Situation am Markt und ständig steigende Wechselkurse für ausländische Währungen und Gold bringen das Land an den Rand des Bankrotts", sagte der konservative Politiker weiter. Er gehört zu den schärfsten Kritikern von Präsident Ahmadinedschad und hatte 1993 selbst für das Amt kandidiert.

"Die Strategie der Zentralbank und das Schweigen des Regierung haben die Instabilität des Marktes noch mehr erhöht", sagte Tawakoli. Er forderte das Parlament auf, einzugreifen, um einen weiteren Anstieg der Inflation zu verhindern.


Auch Australien will Sanktionen verhängen

Nach den USA und der EU will auch Australien neue Sanktionen gegen Iran verhängen. Sein Land werde "genau die gleichen" Strafmaßnahmen wie die EU-Staaten gegen Teheran ergreifen, sagte der australische Außenminister Kevin Rudd am 24. Januar nach einem Treffen mit seinen britischen Kollegen William Hague in London. Dem iranischen Volk, seiner Regierung und der "gesamten politischen Führung" müsse klar werden, dass "ihr Verhalten weltweit nicht hinnehmbar" sei.


Ashtons Bedingungen zur Wiederaufnahme der Gespräche mit Teheran

Die Außenbeauftragte der EU, Catherine Ashton, gab den Inhalt ihres Antwortschreibens an den Vorsitzenden des iranischen Sicherheitsrats, Said Djalili, bekannt. Darin begrüße Ashton Djalilis Vorschlag zur Wiederaufnahme der Verhandlungen über das umstrittene iranische Atomprogramm vom 19. Januar, forderte jedoch "sinnvolle Gespräche" und warnte vor einer Wiederholung der erfolgslosen Gespräche wie die vor etwa einem Jahr in Istanbul. "Unser Ziel ist zunächst das gemeinsame Bemühen um gegenseitiges Vertrauen und die Erleichterung eines konstruktiven Dialogs, um die anstehenden Fragen schrittweise zu lösen. Auf dieser Grundlage sind wir überzeugt, dass die von uns in der Vergangenheit vorgelegten praktischen und konkreten Vorschläge nach wie vor gültig und dazu geeignet sind, uns schrittweise den Weg zu ebnen, der schließlich zu gegenseitigem Einverständnis auf allen Ebenen führen und die vollkommene Umsetzung der Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats und der Internationalen Atombehörde durch Iran zur Folge haben wird."

Mit den praktischen und konkreten Vorschlägen ist vermutlich das Vorschlagspaket der 5+1 Gruppe gemeint, das im Juni 2006 Teheran vorgelegt wurde. Darin wird das Recht Irans auf eine friedliche Nutzung der Atomenergie anerkannt. Dem Land werden bestimmte Anreize angeboten, wie zum Beispiel die Unterstützung beim Bau eines Leichtwasserreaktors, beim Ausbau des nichtmilitärischen Flugverkehrs und die Unterstützung zur Aufnahme Irans in die Welthandelsorganisation (WTO). Dafür sollte Iran auf die Urananreicherung und Herstellung des atomaren Brennstoffs verzichten.

Djalili hatte am 19. Januar in einem Schreiben an Catherine Ashton die Bereitschaft Irans zur Wiederaufnahmen der Verhandlungen ohne Vorbedingungen erklärte und die EU-Außenbeauftragte gebeten, baldmöglichst Zeit und Ort der Gespräche vorzuschlagen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte am 26. Januar Iran erneut zu Gesprächen über sein Atomprogramm auf. "Sanktionen sind die Folge von Nicht-Verhandeln, von Nicht-Fortschritt, von Nicht-Transparenz im Zusammenhang mit dem Nuklearprogramm", sagte Merkel bei ihrem Neujahrsempfang für das Diplomatische Corps. "Aber wenn Iran an den Verhandlungstisch kommt, wenn es Transparenz gibt, dann sind wir dazu (gemeint sind Verhandlungen, Anm. d. Red.) bereit." Deutschland sei sehr besorgt über das Nuklearprogramm.

Deutschland und insgesamt die Europäische Union setzten nach der Verhängung eines Ölembargos gegen Iran darauf, dass sich andere wichtig Abnehmer des iranischen Öls an den Maßnahmen gegen Teheran beteiligen. Derzeit bemühe man sich, Japan und Südkorea zum Verzicht auf iranisches Öl zu bewegen, sagte ein EU-Diplomat am 24. Januar der Deutschen Presseagentur in Brüssel. Dies würde bedeuten, dass Iran nicht nur 20 Prozent seiner Ölexporte verliert. Gemeinsam mit Japan und Südkorea betrüge der Verlust etwa 40 bis 50 Prozent.

Es gebe auch Kontakte zu den beiden wichtigsten anderen Ölkunden Irans, China und Indien. Ziel sei es, dass diese "zumindest neutral" hinsichtlich ihrer künftigen Ölimporte aus Iran seien. Die EU versuche beide Länder zu überzeugen, dass diese nicht die durch das EU-Embargo freiwerdende Ölmenge aufkaufen.

"Mehr als zuversichtlich" sei die EU, dass sie den Verlust des iranischen Öls - das 2010 rund 5,7 Prozent der gesamten EU-Öleinfuhren ausmachte - durch andere Lieferanten ausgleichen könne. Bereits seit Dezember liefen Gespräche mit anderen Ländern, darunter Saudi-Arabien.


Ölembargo wird sich auch an Tankstellen bemerkbar machen

Das Ölembargo der Europäischen Union werden nach Einschätzung des ADAC auch die Autofahrer in Deutschland zu spüren bekommen. "Wenn so ein wichtiger Öllieferant ausfällt, wird das nicht ohne Auswirkung auf den Ölpreis und die Kraftstoffpreise ausgehen", sagte ADAC-Sprecher Andreas Hölzel am 24. Januar der Nachrichtenagentur AFP. Da das Embargo jedoch erst im Sommer greifen solle, seien die Folgen vermutlich nicht unmittelbar an Tankstellen zu erkennen.

Für die Preisentwicklung im Zusammenhang mit dem Ölembargo seien mehrere Faktoren entscheidend, betonte der Sprecher des Automobilclubs. Zum einen müsse abgewartet werden, wie weit der Ausfall iranischen Öls durch andere Ölförderländer ausgeglichen werde. So habe Saudi-Arabien versprochen seine Ölfördermenge zu erhöhen. Auch Libyen reihe sich nach dem Aufstand gegen Muammer al Ghaddafi im vergangenen Jahr möglicherweise früher als erwartet wieder in die Gruppe der Ölexporteure ein. Anfang 2011 war die Förderung libyschen Öls eingestellt worden.

Gleichzeitig bleibe abzuwarten, wie sich der Atomstreit mit Iran nach dem Embargo weiter entwickle. "Wenn Iran die Straße von Hormos dicht macht, sind auch andere Länder betroffen." Andererseits würde Iran damit "ins eigene Fleisch schneiden", sagte Hölzel. Durch die Seestraße zwischen dem Persischen Golf und dem Arabischen Meer werden 20 Prozent des weltweit vermarkteten Öls transportiert.

Schließlich spielten auch "die Psyche" und die Nervosität an den Märkten eine Rolle. "Das haben wir letztes Jahr schon an Libyen gesehen, im Verhältnis ein kleiner Lieferant, dass die Preise doch um einiges raufgegangen sind", sagte Hölzel.


Der Handel zwischen der EU und Iran

An den gesamten Öleinfuhren der Europäischen Union ist Iran spürbar, aber nicht entscheidend beteiligt. In den ersten drei Monaten von 2011 importierten die 27 EU-Mitgliedsstaaten insgesamt 896 Millionen Barrel Rohöl. Davon kamen 4,4 Prozent aus Iran.

Im gesamten Jahr 2010 lieferte Iran von insgesamt rund 3,8 Milliarden Barrel etwa 5,7 Prozent. In einigen EU-Staaten ist der Anteil allerdings erheblich höher. Griechenland ist zu 25 Prozent, Italien zu 13 und Spanien zu etwa 10 Prozent auf iranisches Öl angewiesen. Für Iran ist die EU gemeinsam mit China der größte Handelspartner. 90 Prozent der Exporte aus Iran in die EU-Staaten sind Öl.

Größter Öl-Lieferant der EU 2010 war Russland (29,7 Prozent), gefolgt von Norwegen (13,1 Prozent). Im Nahen Osten war Saudi-Arabien mit einem Lieferanteil von 6 Prozent der größte Ölversorger der EU. Libyen spielte 2010 mit 10,7 Prozent eine wichtige Rolle, in den ersten Monaten 2011 vor Beginn des Bürgerkriegs waren es noch gut 9 Prozent. Andere wichtige Lieferanten der EU 2010 waren Kasachstan (6), Nigeria (4,4) Aserbaidschan (3,9) und Irak (3,2 Prozent).

Die EU hat 2010 aus Iran Güter im Wert von 14,3 Milliarden Euro eingeführt, 52 Prozent mehr als im Vorjahr. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Rohöl (13 Milliarden Euro), das stark im Preis stieg.

Die Exporte der EU nach Iran stiegen von 10,4 auf 11,3 Milliarden Euro. Dabei handelt es sich vor allem um Maschinen. Bei der EU steht Iran als Importeur an 22. Stelle, als Exportland liegt er auf Platz 25. (Quelle: dpa)


Obama: Sanktionen zeigen Wirkung

US-Präsident Barack Obama verteidigte in einer Wahlkampfrede die Politik seiner Regierung gegenüber Iran. Seiner Regierung sei es gelungen, die Weltgemeinschaft für Strafmaßnahmen gegen Iran zu einigen. Die Sanktionen zeigten bereits Wirkung, die iranische Wirtschaft sei "durcheinander geraten", sagte Obama. Das Teheraner Regime habe einen Teil seines Atomprogramms einstellen müssen. "Wir erklären eindeutig, dass wir Nuklearwaffen in der Hand des iranischen Regimes nicht dulden werden." Der US-Regierung sei es gelungen, selbst China und Russland für die Sanktionsmaßnahmen zu gewinnen, obwohl gerade diese Länder sich noch bis kurzem geweigert hätten, diese Maßnahmen mit zu tragen. Sogar die Iraner selbst müssten nun gestehen, dass durch Sanktionen ihre Wirtschaft aus den Fugen geraten sei.

Als er die Regierung übernommen habe, sei Iran einig und die Weltgemeinschaft gespalten gewesen, sagte der Präsident. Nun sei es umgekehrt. Heute verlange die Weltgemeinschaft von Iran einstimmig, seine Politik aufzugeben und einen anderen Kurs einzuschlagen. Noch habe Iran nicht den Weg eingeschlagen, der es in die Weltgemeinschaft zurückführt, noch halte das Land an seinem Atomprogramm fest, sagte Obama.

Obama hielt seine Rede am 20. Januar, wenige Tage bevor die Europäische Union härtere Sanktionen gegen Iran beschloss.


Iran wird 2012 keine Atombomben bauen

Einer amerikanischen Studie zufolge wird Iran in diesem Jahr wahrscheinlich keine Atomwaffen bauen. Grund seien fehlende Kapazitäten zur Anreicherung von Uran für militärische Zwecke, heißt es in einem am 26. Januar bekannt gewordenen Bericht des Instituts für Wissenschaft und internationale Sicherheit (ISIS). Zudem hätten die Sanktionen und die Furcht vor einem israelischen Angriff auf die Atomanlagen des Landes abschreckend gewirkt.

"Solange Irans Möglichkeiten zur Anreicherung des Urans so begrenzt sind wie heute, dürfte es eine Entscheidung über den Bau von Atombomben kaum voran treiben" schreiben die ISIS-Forscher. An der Position der Islamischen Republik dürfte sich auch in diesem Jahr wegen der westlichen Sanktionen nichts ändern. Trotz des iranischen Atomprogramms gäbe es keine Beweise, dass die Führung in Teheran über den Bau von Kernwaffen entschieden habe.

Die ISIS-Studie entstand mit finanzieller Hilfe des staatlich geförderten überparteilichen Friedensinstituts. Das ISIS hat im Atomstreit mit Iran die Regierungen der USA und anderer Länder beraten. Sein Gründer David Albright gilt als anerkannter Experte. Die Untersuchung hebt sich ab von der heftigen Rhetorik der USA und ihrer Verbündeten, die unlängst ihre Sanktionen gegen Iran verschärft haben.

Auch Vertretern der US-Regierung zufolge hat Iran noch nicht über den Bau von Atomwaffen entschieden. Der größte Teil des iranischen Atomprogramms diene friedlichen Zwecken, doch halte sich das Land alle Optionen offen, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters laut Meldung vom 26. Januar aus diesem Personenkreis. Israelische und konservative Experten haben dieser Einschätzung in der Vergangenheit widersprochen und erklärt, die iranischen Bemühungen seien soweit fortgeschritten, dass binnen Jahresfrist eine Bombe gebaut werden könne.


Rial wieder auf Rekordtief

Die iranische Landeswährung sank nach Angaben iranischer Medien am 18. Januar um weitere sechs Prozent auf ein neues Rekordtief gegenüber dem Dollar. Auf dem Schwarzmarkt wurde der Dollar für 18.000 Rial verkauft, am Vortag waren es noch 16.950 Rial gewesen. In mehreren Straßen der Hauptstadt wurden Geldwechsler festgenommen, berichtete die halbamtliche Nachrichtenagentur Fars. Präsident Ahmadinedschad hatte es den Medien zufolge zuvor abgelehnt, einen Schritt zur Anhebung der Bankzinssätze zu unternehmen.

Am 25. Januar sah sich die Regierung in Teheran dann doch gezwungen, die Zinssätze zu erhöhen, um die sanktionsbedingte Wirtschaftskrise einzudämmen. Der Präsident habe die Zinssätze der offiziellen Inflationsrate von 21 Prozent angepasst, sagte Zentralbankgouverneur Mahmud Bahmani dem staatlichen Fernsehen Irib.

Die iranische Währung verlor seit Jahresbeginn die Hälfte ihres Wertes. Die Inflationsrate liegt offiziell bei 21 Prozent; Experten schätzen sie aber auf fast 50 Prozent.

Ahmadinedschad hatte sich gegen die von der Zentralbank geforderte Anpassung von 12 auf 21 Prozent gestemmt, musste aber aufgrund der dramatischen Lage auf den iranischen Märkten der Erhöhung zustimmen.

Am 26. Januar sah sich die iranische Zentralbank zur Festsetzung eines festen Umtauschkurses zwischen der Landeswährung und dem US-Dollar gezwungen. Die Bank kündigte an, ab 28. Januar gelte für alle Überweisungen und genehmigten Importe, für Studentenstipendien im Ausland und Touristen im Inland ein Kurs von 12.260 Rial für einen Dollar.

In den Tagen davor hatte sich in Iran ein System von zwei parallel existierenden Umtauschkursen herausgebildet. Der Bankenumtauschkurs lag bei 11.300 Rial für einen Dollar. Daneben gab es einen Umtauschkurs in den Wechselstuben, der schwankte und bis auf mehr als 18.000 Rial für einen Dollar kletterte.

Nachdem die Regierung versuchte, den Parallelmarkt in den Wechselstuben zu kontrollieren und einen Kurs von 14.000 Rial durchzusetzen, entstand ein Schwarzmarkt von zeitweise mehr als 22.000 Rial. Die Zentralbank drohte den Wechselstuben nun eine Zwangsschließung an, wenn sie den amtlich fixierten Kurs um mehr als fünf Prozent überschreiten.


Russland und Iran wickeln ihren bilateralen Handel nicht mehr in Dollar ab

Resa Sadjadi, Irans Botschafter in Russland, gab am 20. Januar auf einer Pressekonferenz in Moskau bekannt, dass Iran und Russland künftig ihren bilateralen Handel nicht mehr Dollar, sondern in ihren eigenen Währungen, Rubel und Rial, abwickeln werden: Der Dollar habe keine wirtschaftliche Stütze mehr.

Russlands Handel mit Iran hat seit der Regierungsübernahme Ahmadinedschads (2005) kontinuierlich zugenommen.

Sadjadi kritisierte die Anwesenheit amerikanischer Kriegsschiffe im Persischen Golf als Provokation und Vorbereitung eines möglichen Angriffskriegs. "Die USA fahren mit einen Flugzeugträger sicher nicht zum Angeln", sagte er nach Angaben der Iter-Tass. Der Westen suche im Atomstreit mit seinem Land nach einem Vorwand für eine militärische Lösung. Viele Politiker in Europa würden einen Krieg gegen Iran auch als Chance sehen, von der Krise auf ihrem Kontinent abzulenken.

Einige Mitglieder der 5+1 Gruppe (die UN-Vetomächte USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien sowie Deutschland) handelten unehrlich, sagte der Diplomat.


Baztab: Irans Wirtschaft vor Ruin

Die den gemäßigten Konservativen nahe stehende Webseite "Tabnak" schreibt am 18. Januar, nach den seit über einem Monat herrschenden Turbulenzen auf dem iranischen Devisenmarkt stehe die iranische Wirtschaft auch ohne die ausländischen Sanktionen aufgrund des fehlenden Managements durch die Regierung an der "Schwelle des Ruins". "Die starken Schwankungen auf dem Markt gepaart mit polizeistaatlichen Maßnahmen, das Chaos in der Finanz- und Geldpolitik, die starke Wertminderung der nationale Währung und die Verwendung von Dollar statt Rial im Binnenhandel sind einige Indizien, die auf den Niedergang der iranische Wirtschaft hinweisen", schreibt Tabnak.

Großmärkte wie etwa der Markt für Eisen, Haushaltsgeräte oder Gold seien gänzlich ins Stocken geraten, nicht zuletzt weil es den Unternehmern an Zukunftsperspektiven fehlt. Deshalb werde auf Großeinkäufe und Großverkäufe verzichtet und wenn in Ausnahmefällen ein Handel zustande käme, dann werde er nicht auf Kreditbasis, sondern mit Bargeld abgewickelt, schreibt Tabnak weiter. Viele Händler verkaufen ihre eingeführten Waren ohne Rücksicht auf den Binnenmarkt zum aktuellen Dollarpreis.

Die Versuche der Zentralbank, den Markt zu kontrollieren, seien gescheitert. Stattdessen würden nun polizeistaatliche Maßnahmen durchgeführt. Polizisten und Sicherheitsbeamten in Zivil tummeln sich auf dem Devisenmarkt, der sich inzwischen von einem freien Markt in einen Schwarzmarkt umgewandelt habe. Bürgerinnen und Bürger sehen keine andere Möglichkeit, in den Besitz von Devisen zu gelangen, als sich den Mechanismen des Schwarzmarkts zu beugen und mit der stark abgewerteten Nationalwährung Devisen zu kaufen und damit Verluste bis zu 50 Prozent hinzunehmen.

In dieser Lage habe der Staatspräsident das kalte Winterwetter verlassen und sei mit seiner Gattin und einigen Mitgliedern seines Kabinetts in warme Gegenden Lateinamerikas gereist. Nach seiner Rückkehr habe er gegen die Entscheidung des "Rats für Geld und Kredit", den Zinssatz an die Inflationsrate anzupassen, sein Veto eingelegt, ohne einen anderen Plan vorzulegen, mit dessen Hilfe man der aus den Fugen geratenen Wirtschaft wieder Zügel anlegen könnte.

Die siebzigprozentige Teuerung des Dollars innerhalb weniger Monate, sei ein einmaliges Ereignis, das sich sicherlich in den nächsten Monaten inflationär bemerkbar machen werde. Dies werde nicht nur den Mittel- und Unterschichten der Gesellschaft das Leben schwerer machen, sondern auch produktiven Aktivitäten empfindlich treffen.

Es treffe zwar zu, dass die gegenwärtige Krise in erster Linie auf ausländische Wirtschaftssanktionen zurückzuführen ist. "Es scheint jedoch, dass die iranische Wirtschaft keine neuen Sanktionen benötigt, um an die Schwelle des Ruins zu gelangen. Die Zügellosigkeit, der Mangel an Kooperation zwischen den verantwortlichen Instanzen, die widersprüchlichen Maßnahmen und die Weigerung, Methoden anzuwenden, mit deren Hilfe man die Wirtschaft wieder in den Griff bekommen könnte, reichen scheinbar aus, um die iranische Wirtschaft in den Ruin zu treiben", schreibt Tabnak.


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Außenpolitik

US-Generalstabschef beriet mit Israel über Iran

US-Generalstabschef Martin Dempsey beriet sich am 20. Januar mit Vertretern der israelischen Regierung über Strategien im Umgang mit dem umstrittenen iranischen Atomprogramm. Über den Inhalt der Gespräche hielten sich beide Seite bedeckt. Allerdings wurde erwartet, das Dempsey Israel dazu drängt, von einem vorschnellen Angriff auf Iran abzusehen. So wirbt Washington derzeit für eine Verschärfung internationaler Sanktionen gegen Teheran. Auch Israel bevorzugt nach eigenen Angaben diplomatische Wege zur Lösung der Krise, hat jedoch die Option eines Militärschlags gegen iranische Atomeinrichtungen nie ausgeschlossen.

Bereits am 18. Januar hatte sich Israel bemüht, angesichts der internationalen Sorgen vor einem möglichen Überraschungsangriff gegen Irans Atomanlagen, die Lage zu beruhigen. "Wir haben noch keine Entscheidung getroffen", sagte Verteidigungsminister Ehud Barak dem israelischen Armee-Radio. "Die ganze Sache ist noch lange hin", fügte er einen Tag vor dem Besuch des US-Generalstabschefs Dempsey hinzu.

Barak reagierte abweichend auf die Frage, ob er mit "die Sache ist noch lange hin" Monate oder Wochen meine. "Ich möchte hier keine Einschätzung abgeben. Aber es ist bestimmt nicht dringlich, und ich möchte nicht den Eindruck erwecken, es könnte morgen passieren." In Israel wird seit Monaten über Für und Wider eines Militärschlags gegen die iranischen Nuklearanlagen diskutiert. Unklar blieb dabei, wie weit der Entscheidungsprozess fortgeschritten ist.

Medienberichten zufolge haben die USA die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gewarnt, Iran vor den US-Präsidentschaftswahlen anzugreifen. Barak dementierte, dass Israel die USA über seine Absichten im Dunkeln lässt. "Ich denke nicht, dass unsere Beziehungen zu den USA so sind, dass sie keine Ahnung haben, worüber wir reden", sagte der Minister.


US-Flugzeugträger passierte Straße von Hormos

Inmitten von zunehmenden Spannungen mit Iran hat ein amerikanischer Flugzeugträger die Straße von Hormos passiert. Die US-Marine erklärte, es handelte sich um ein Routinemanöver. Die "USS Abraham Lincoln" habe am 22. Januar ohne Zwischenfälle den Persischen Golf erreicht, um geplante maritime Sicherheitsübungen durchzuführen, hieß es.

US-Kriegsschiffe operieren häufig in der Region. Bei einem ähnlichen Manöver des Flugzeugträgers "USS John Stennis" Ende Dezember hatte Iran die USA vor einer Rückkehr des Kriegsschiffes gewarnt. Am 22. Januar jedoch signalisierte die Regierung in Teheran, dass sie die Manöver als normal ansehe. Iran hatte in den letzten Wochen immer wieder mit der Schließung der Straße von Hormos gedroht.

Indes hat auch Großbritannien für den Fall einer iranischen Blockade der Straße von Hormos am 24. Januar eine Aufstockung seiner Militärpräsenz im Persischen Golf in Aussicht gestellt. Bereits am 22. Januar seien zwei britische Kriegsschiffe an der Seite des US-Flugzeugträgers "Abraham Lincoln" in den Golf eingefahren, sagte Verteidigungsminister Philip Hammond. "Und natürlich verfügt Großbritannien über die Kapazitäten, das dortige Kontingent zu verstärken, sollte dies irgendwann für nötig erachtet werden."


Teheran warnt Golfstaaten, zusätzliches Öl zu liefern

Im Vorfeld zu dem von der EU geplanten Ölembargo gegen Iran warnte Teheran die Golfstaaten mit deutlichen Worten vor Ersatzlieferungen. Sollten die arabischen Ölproduzenten durch das Embargo entstehende Lieferausfälle ausgleichen, könne dies zu unvorhersehbaren Konsequenzen führen, sagte der iranische Botschafter bei der Organisation Erdölexportierender Länder OPEC, Mohammad Ali Chatibi, nach einem Zeitungsbericht von 15. Januar.

"Wenn sie das machen, würden wir dies als unfreundlichen Akt ansehen, und sie sollen wissen, dass die Konsequenzen daraus unvorhersehbar wären", warnte Chatibi in der iranischen Zeitung "Schargh", ohne weitere Details zu nennen. Die Golfstaaten sollten "weise" entscheiden und sich auf keine Abenteuer einlassen, sagte er.

Einige Staaten, die aus Iran Öl importieren, haben bereits angekündigt, sich nach neuen Lieferanten umzuschauen. Viele setzen auf Saudi-Arabien. Selbst China, das sich den Sanktionen nicht anschließen möchte, versucht die Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien zu intensivieren. "Beide Seiten müssen bestrebt sein, den Handel und die Kooperation auszuweiten - bei der Förderung und Weiterverarbeitung von Erdöl und Erdgas", zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua Chinas Ministerpräsidenten Wen Jiabao am 14. Januar bei einem Treffen mit dem saudi-arabischen Regierungsmitglied Prinz Najef. China ist der größte Abnehmer iranischen Öls. Für China ist es derzeit von enormer Wichtigkeit, seine Energieversorgung sicherzustellen.

Zeitung: US-Bomben zu schwach für iranische Atomanlagen

Die Schlagkraft der konventionellen US-Waffen ist einem Medienbericht zufolge zu gering, um die unterirdischen Atomanlagen in Iran zu zerstören. Das Pentagon wolle daher eine Weiterentwicklung der Bomben, um ihre Zerstörungskraft zu erhöhen, berichtete das Wall Street Journal am 28. Januar unter Berufung auf US-Beamte.

Das US-Verteidigungsministerium habe in diesem Monat insgeheim beim Kongress die Finanzierung beantragt. Der Vorstoß sei Teil der Planung eines möglichen Angriffs auf iranische Atomanlagen, hieß es.

Der "Massive Ordnance Penetrator" genannte Bunkerbrecher sei speziell entwickelt worden, um die massiv befestigten Anlagen der iranischen und nordkoreanischen Atomprogramme zu zerstören, berichtete das Blatt. Versuche hätte aber nun gezeigt, dass die Bombe einige iranische Anlagen nicht zerstören könne, weil diese sich entweder zu tief unter der Erde befinden oder weil Teheran ihre Befestigungen verstärkt habe. Die Bombe müsse vor ihrer Explosion tiefer in Stein, Beton oder Stahl eindringen, hieß es.

US-Verteidigungsminister Leon Panetta hatte am 26. Januar Mängel eingeräumt und die Weiterentwicklung der Bombe angekündigt. Sie werde bald imstande sein, auch die tiefsten iranischen Bunker zu zerstören, sagte Panetta.


Sarkozy: Zeit für Diplomatie läuft ab

Nach den Worten des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy bleibt im Atomstreit mit Iran nicht mehr viel Zeit für eine diplomatische Lösung. "Alles muss getan werden, um eine militärische Intervention zu verhindern", sagte Sarkozy am 20. Januar bei einem Treffen mit ausländischen Botschaftern in Paris. "Aber die Zeit ist knapp", betonte der Präsident. Ein Militärschlag würde nur zu "Krieg und Chaos" in der Region führen. Aber um die Führung in Teheran von ihren Atomplänen abzubringen, bedürfe es härterer Sanktionen. So müsse etwa ein Einfuhrverbot iranischen Öls beschlossen und die Vermögenswerte der iranische Zentralbank eingefroren werden. Diesem Vorschlag folgten die EU-Staaten am 23. Januar.

Sarkozy drängte auch Russland und China, ihren Widerstand gegen schärfere Sanktionen gegen Iran aufzugeben. Russland lehnt ein Ölembargo ab.

Japan sagte unterdessen den USA eine weitere Reduzierung seiner Rohölimporte aus Iran zu. Mit diesem Zugeständnis will das asiatische Land US-Sanktionen abwenden, die automatisch gegen Länder greifen, die Handel mit Iran treiben. Die Einfuhren seien bereits rückläufig und der Trend werde weiter anhalten, sagte Handelsminister Yukio Edano. Die Importe seien in den vergangenen fünf Jahren um 40 Prozent gefallen. Derzeit bezieht Japan etwa zehn Prozent seines Öls aus der Islamischen Republik. Für den Inselstaat ist der Schritt nicht ohne Risiko, da das Land nach der Atomkatastrophe von Fukushima mehr denn je auf Einfuhren angewiesen ist, um seinen Energiebedarf zu decken.

Westerwelle besorgt über Spannungen mit Iran

Bundesaußenminister Guido Westerwelle zeigte sich auf seiner Nahost-Reise besorgt über die Zuspitzung des Streits über das iranische Atomprogramm. Der Streit stelle "zunehmend eine Gefährdung der regionalen Stabilität im Nahen und Mittleren Osten" dar, sagte er am 29. Januar. Die Spannungen könnten auch "die schwierigen Bemühungen, den Nahostfriedensprozess wieder zu beleben, zusätzlich negativ beeinflussen".

Mit Blick auf die Ankündigung, den Ölexport nach Europa sofort zu stoppen, rief er die Verantwortlichen in Teheran dazu auf, "von Handlungen abzusehen, die einer weiteren Eskalation Vorschub leisten". Statt die Situation rhetorisch anzuheizen, sollte sich Iran endlich zu "substanziellen Gesprächen über sein Atomprogramm bereit zeigen."

Russland und Türkei forderten Gespräche mit Iran

Wenige Tage vor der Bekanntgabe des neuen EU-Boykotts iranischen Öls riefen Russland und die Türkei bei getrennten Krisengesprächen zu weiteren Verhandlungen im Atomstreit mit Teheran auf. Beide Länder halten eine politische Lösung des Konflikts für möglich.

Beide Länder arbeiten mit Hochdruck an einer politischen Lösung. In Moskau sprach sich Außenminister Sergej Lawrow nach einem Treffen mit dem iranischen Unterhändler Ali Bagheri am 19. Januar für weitere Verhandlungen aus. Eine militärische Lösung des Konflikts lehnte er erneut ab, ebenso weitere Sanktionen. Er warf dem Westen vor, mit den neuen geplanten Sanktionen absichtlich die iranische Bevölkerung und die Wirtschaft ins Visier zu nehmen. "Zusätzliche einseitige Zwangsmaßnahmen haben nichts mit dem Versuch gemein, die Entwicklung von Atomwaffen zu verhindern", sagte Lawrow. Er warnte deutlich vor einem Militärschlag gegen Iran. In diesem Fall drohten furchtbare Konsequenzen in der gesamten Region. Russland appelliere aber auch an Iran, schnell zu einer für alle Seiten akzeptablen Lösung beizutragen.

In Ankara rief der türkische Außenminister Ahmed Davutoghlu die internationale Gemeinschaft und auch Iran zur Fortsetzung der Gespräche auf. Die Türkei sei zur Unterstützung bereit, sagte der Minister bei einer Pressekonferenz mit seinem iranischen Amtskollegen Ali Akbar Salehi am 19. Januar. "Es ist höchste Zeit für Gespräche und eine Lösung", wurde Davutoghlu von der türkischen Agentur Anadolu zitiert.

Die Gespräche waren etwa vor einem Jahr in Istanbul wegen fehlender Fortschritte auf unbestimmte Zeit vertagt worden. Iran hatte es abgelehnt, die Urananreicherung zu stoppen - ein zentrales Anliegen der 5+1 Gruppe.

Iran hatte sich eine Woche zuvor für die Wiederaufnahme von Verhandlungen in der Türkei ausgesprochen. Davutoghlu sagte, auch die EU-Beauftragte Cathrin Ashton als Verhandlungsführerin der 5+1 Gruppe wolle den Gesprächsfaden wieder aufnehmen.


Lizenz des iranischen Press TV in Großbritannien entzogen

Die britische Medienaufsicht gab am 20. Januar bekannt, dass sie dem iranischen Press TV die Lizenz entzogen hat. Begründet wurde die Maßnahme mit der Abhängigkeit des Senders vom iranischen Staat. Das Londoner Büro von Press TV sei redaktionell nicht unabhängig vom Hauptsitz des Senders in Teheran, hieß es in der Erklärung der Medienaufsicht Ofcom.

Verantwortliche von Press TV erklärten in einer ersten Stellungnahme, der Druck auf den Sender habe begonnen, nachdem Press TV über die Unruhen in Großbritannien im August vergangenen Jahres ausführlich berichtet habe.

Wegen der Beschwerde von Masiar Bahari, eines in Iran vorübergehend verhafteten britisch-iranischen Journalisten, war Press TV schon seit Monaten der Gefahr eines Lizenzentzugs ausgesetzt. Der Mitarbeiter von Newsweek hatte Press TV angezeigt, weil der Sender einen Mitarbeiter beauftragt hatte, ihn, der im Zuge der Proteste nach der umstrittenen Präsidentenwahl von 2009 in Iran verhaftet worden war, zu besuchen und ein Interview mit ihm zu führen.

Vor anderthalb Monaten hatte die Medienaufsicht Press TV ein Bußgeld von umgerechnet rund 117.000 Euro auferlegt. Ihrer Ansicht nach sei die Reportage über Bahari "parteiisch" gewesen. Press TV hatte sich geweigert, die Strafe zu zahlen.

Im vergangenen November hatte Ofcom den Sender in einem Schreiben vor die Alternative gestellt, entweder die Verantwortung für den Sender auf Personen zu übertragen, die ihren ständigen Wohnsitz in Großbritannien haben, oder offiziell eine Lizenz in Teheran zu beantragen und auf die Lizenz in Großbritannien zu verzichten. Doch der Sender habe auf das Schreiben nicht reagiert, wie die Medienaufsicht erklärte.

Iranischer Wissenschaftler in den USA festgenommen

Die Vereinigten Staaten haben einen iranischen Halbleiter-Experten wegen Verstoßes gegen US-Exportgesetze festgenommen. Der 54-jährige Lehrbeauftragte der Teheraner Scharif-Universität wurde am 27. Januar einem Bundesgericht in San Francisco zu einer Anhörung hinter verschlossenen Türen vorgeführt.

Nach Angaben von Freunden wurde der Wissenschaftler am 7. Dezember kurz nach der Landung in Los Angeles festgenommen. Die US-Behörden äußerten sich nicht zu den Vorwürfen gegen ihn. Ein Universitätssprecher in Teheran erklärte, dem Forscher werde vorgeworfen, Geräte für ein Labor aus den USA bezogen zu haben. Er habe jedoch nur zivile und keine militärische Forschung betrieben.

Ahmadinedschad besucht Raúl Castro

Der kubanische Präsident Raúl Castro hat am 11. Januar seinen iranischen Kollegen Mahmud Ahmadinedschad empfangen. Der iranische Staatschef befand sich auf einer Lateinamerika-Reise. Zuvor hatte er in Venezuela seinen Amtskollegen Hugo Chávez in Caracas getroffen und danach in Nicaragua an der Amtseinführung von Präsident Daniel Ortega teilgenommen. Am 12. Januar reiste er nach Ecuador. Vor seinem Abflug hatte Ahmadinedschad mit Blick auf die USA gesagt, er wolle in Lateinamerika Gleichgesinnte besuchen, die ebenso wie Iran eine "antikolonialistische Haltung" einnähmen. Die US-Regierung forderte die Gastgeberländer Ahmadinedschads auf, klar Stellung zum umstrittenen iranischen Atomprogramm zu beziehen.

Die Reise fand mitten in einem sich verschärfenden Streit mit dem Westen über das iranische Atomprogramm statt. In Venezuela hatte Ahmadinedschad von Chávez demonstrativ Rückendeckung erhalten. Beide Präsidenten bezeichneten sich als Brüder und kündigten engere Beziehungen zwischen ihren Ländern an. "Das venezolanische und das iranische Volk stehen im Kampf gegen das arrogante Antlitz des Imperialismus", sagte Ahmadinedschad. Gleichzeitig wies er Anschuldigungen zurück, sein Land baue an einer Atombombe. Chávez fügte hinzu, weder Iran noch die Revolution des südamerikanischen Befreiungskämpfers Bolivar hätten jemals ein Land überfallen oder Bomben gebaut. Chávez versteht sich als Erbe Bolivars.

Das venezolanische Volk sei glücklich, einen Bruder zu Gast zu haben, betonte Chávez beim Empfang im Präsidentenpalast. Venezuela und Iran, die beide Mitglieder der Organisation Erdölexportierender Länder (OPEC) sind, unterzeichneten Wirtschaftsverträge im Umfang von fünf Milliarden US-Dollar. Dafür sollen diverse Fabriken für Zement, Fahrräder, Satelliten und Traktoren gebaut werden.

Die OPEC werde nicht in den Atomstreit des Westens mit Iran hineingezogen, sagte der venezolanische Ölminister Rafael Ramirez in Caracas nach einem Treffen mit von Chávez mit Ahmadinedschad. Er fügte hinzu, die Sanktionen des Westens gegen Iran würden zu "Instabilität an den Märkten" führen.

Nach der Ermordung eines Atomforschers

Nach einem Bombenanschlag auf einen iranischen Atomforscher hat das Militär in Teheran mit einer "Bestrafung der Verantwortlichen" gedroht. "Wir werden diejenigen bestrafen, die hinter dem Mord an Mostafa Ahmadi Roschan stehen", sagte ein ranghoher Vertreter der iranischen Armee, Masud Dschasajeri, iranischen Medien zufolge am 14. Januar. "Die Feinde der Nation wie die USA, Großbritannien und Israel" müssten für ihre Taten einstehen. Irans Antwort werde eine "Qual" sein.

Zuvor hatte Revolutionsführer Ali Chamenei den Geheimdiensten der USA und Israels die Schuld an dem Bombenanschlag gegeben. Der "feige Mord", sei mit der Planung oder Unterstützung von CIA und Mossad geschehen, erklärte Chamenei in einer Beileidsbotschaft zur Beisetzung des Forschers in Teheran.

Der 32-jährige Ahmadi Roschan war am 11. Januar mit seinem Fahrer bei der Explosion einer an sein Auto gehefteten Bombe getötet worden. Es war der vierte derartige Anschlag auf iranische Atomwissenschaftler innerhalb von zwei Jahren.

Nach Angaben von Teherans Vize-Gouverneur Safar Ali Bratloo hatte ein Motorradfahrer die Bombe unter dem Peugeot des Wissenschaftlers angebracht. "Israel ist für dieses Attentat verantwortlich, die Methode gleicht der, die bei anderen Anschlägen auf iranische Wissenschaftler angewendet wurde", sagte Bratloo laut einem Bericht des iranischen Fernsehsenders in arabischer Sprache, Al-Alam. Ahmadi Roschan soll an der Trennung von Gasen in der Atomanlage Natans gearbeitet haben, wie aus einer Beschreibung der Internetseite einer Universität, an der er vor etwa zehn Jahren seinen Abschluss machte, hervorgeht.

Israelische Agenten gaben sich als CIA-Mitarbeiter aus

Israelische Geheimdienstagenten haben sich einem US-Medienbericht zufolge als Mitarbeiter des US-Geheimdienstes CIA ausgegeben, um Kämpfer der iranischen sunnitischen Rebellengruppe Dschundallah zu rekrutieren. Die Agenten des Auslandsgeheimdienstes Mossad hätten sich dafür in London mit Mitgliedern von Dschundallah (Soldaten Gottes) getroffen, berichtete das US-Magazin "Foreign Policy" am 14. Januar. Diese Operation, die 2007/2008 von Washington entdeckt worden war, habe den damaligen US-Präsidenten George W. Bush extrem irritiert.

Die belutschische Rebellengruppe Dschundallah ist vor allem in der Provinz Belutschistan im Südosten Irans aktiv. Sie wird für zahlreiche blutige Anschläge auf iranische Sicherheitskräfte und Regierungsvertreter verantwortlich gemacht. "Das war dumm und gefährlich. Israel soll an unserer Seite arbeiten, nicht gegen uns", wurde ein US-Agent von "Foreign Policy" zitiert. Nach Informationen des Magazins besteht kein Anlass zur Annahme, dass Kämpfer von Dschundallah eine Rolle bei der Anschlagserie auf iranische Atomwissenschaftler spielten.


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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Februar 2012