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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/359: Iran-Report Nr. 1 - Januar 2016


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 1 - Januar 2016
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand


Mit der Wahl Hassan Rohanis zum iranischen Präsidenten und dessen Amtsantritt am 3. August 2013 wurde in der iranischen Politik ein bedeutender Wandel eingeleitet. Besonders augenfällig ist dies im Kurswechsel der Atompolitik. Die Öffnung der iranischen Politik nach außen und die Ankündigung innenpolitischer Reformen werden im Land von den konservativen Kräften heftig bekämpft. Der Widerstand lässt Rohani und seiner Regierung wenig Spielraum.

Der Iran-Report wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus. Auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen, sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter.


INNENPOLITIK

• Bewerber-Rekordzahl für Wahl des Expertenrats und Parlaments • Tawakkoli: Korruption größte Gefahr für die Islamische Republik • 53 IS-Unterstützer festgenommen • Mehr als 40.000 Autos von Frauen konfisziert • Chamenei besucht zu Weihnachten eine christliche Familie • Rohani fordert Muslime auf, negatives Bild des Islam zu korrigieren • Veröffentlichung eines Chatami-Interviews mit juristischen Folgen • Zu viele Frauen auf dem Arbeitsmarkt, kritisiert ein Ayatollah


BEWERBER-REKORDZAHL FÜR WAHL DES EXPERTENRATS UND PARLAMENTS

Die am 17. Dezember eröffnete Registrierung der Bewerber für einen Sitz im Expertenrat wurde nach einer Woche abgeschlossen. Die Wahl des Rats findet gleichzeitig mit der Wahl des neuen Parlaments am 26. Februar statt.

Die Bewerber haben mehrere Hürden zu überwinden, um die Zulassung zu den Wahlen zu erhalten. Zunächst muss ihre Eignung für eine mögliche Mitgliedschaft im Expertenrat innerhalb von zehn Tagen von der Polizei, der Justiz, dem Geheimdienst und dem Einwohnermeldeamt bestätigt werden. Danach benötigen sie die Zustimmung der Wahlbeobachtungsgremien. Die letzte und wohl wichtigste Hürde ist der Wächterrat, der erfahrungsgemäß eine politisch-ideologische Überprüfung der Kandidaten vornimmt.

Zugelassene Kandidaten dürfen vom 11. bis 24. Februar für sich werben. Der Expertenrat hat 88 Mitglieder. Er ist für die Wahl beziehungsweise Abwahl des Revolutionsführers zuständig. Ferner hat er die Aufgabe, die Aktivitäten des Revolutionsführers zu beaufsichtigen. Der Rat wird alle acht Jahre direkt vom Volk gewählt.

Zu den ersten Bewerbern gehörten der 43 Jahre alte Enkel von Ayatollah Chomeini, Hassan Chomeini, und der 82-jährige Ex-Staatspräsident Haschemi Rafsandschani. Auch Präsident Rohani hat seine Bewerbung für einen Sitz im Expertenrat angemeldet. Er betonte bei einer Versammlung an der Technischen Universität in Teheran am 7. Dezember noch einmal, der Wächterrat habe bei den Wahlen des Expertenrats und des Parlaments nur eine Aufsichtsfunktion und sei nicht befugt, über die Eignung der Bewerber zu entscheiden. Die offiziellen Voraussetzungen für eine Kandidatur sind unter anderem moralische und religiöse Integrität, ausreichende Kenntnisse in Theologie und Politik und die uneingeschränkte Loyalität gegenüber der Staatsordnung der Islamischen Republik.

Wahlleiter Mohammad Hossein Moghimi begrüßte am 17. Dezember laut Medien, dass auch eine Frau aus Teheran und einige Frauen aus den Provinzen sich für die Wahl der Expertenversammlung beworben hätten. Esmat Sawadi ist die erste Frau, die ihre Bewerbung einreichte. Sie ist promovierte Juristin und Theologin. Bisher wurde keine Frau als geeignet eingestuft und als Kandidatin zu den Wahlen zugelassen.

Die Wahl der nächsten Expertenversammlung ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil der Gesundheitszustand des 77-jährigen Revolutionsführers Chamenei Gerüchten zufolge kritisch zu sein scheint, so dass der Rat möglicherweise in der nächsten Legislaturperiode einen Nachfolger wählen müsste. Die Diskussion über Chameneis Nachfolge, die bereits öffentlich geführt wird, deutet darauf hin, dass die Gerüchte ernst zu nehmen sind.

Laut Angaben des Innenministers Abdolresa Rahmani Fasli ist die Zahl der Bewerber für einen Sitz im Expertenrat im Vergleich zu der vergangenen Wahlperiode um 62 Prozent angestiegen. In der letzten Periode hätten sich 493 Bewerber registriert, sagte er am 25. Dezember. Für die nächste Wahlperiode seien 801 Bewerber registriert worden.

Angestoßen wurde die Diskussion über Chameneis Nachfolge von Rafsandschani, der neben seiner Tätigkeit als Vorsitzender des Schlichtungsrats auch Mitglied des Expertenrats ist. Der Expertenrat bereite sich auf die Zeit vor, in der "der Revolutionsführer ersetzt werden muss oder in der es ihn nicht mehr gibt", sagte Rafsandschani der Agentur Ilna am 13. Dezember. Es sei eine Gruppe gebildet worden, die beauftragt worden sei, nach geeigneten Personen Ausschau zu halten, die "im Fall eines Falles" als Nachfolger des Revolutionsführers gewählt werden könnten. Er betonte, dass der Expertenrat nicht nur die Aufgabe habe, den Revolutionsführer zu wählen oder abzuwählen, er sei auch dafür zuständig, seine Aktivitäten zu beaufsichtigen.

Dem widersprach Justizchef Sadegh Laridschani. Eine Beaufsichtigung der Aktivitäten des Revolutionsführers sei in der Verfassung der Islamischen Republik nicht vorgesehen, sagte er bei einer Versammlung der Amtsleiter der Justiz am 14. Dezember. Ohne den Namen Rafsandschanis zu erwähnen, sagte Laridschani: "Leider gibt es immer wieder Leute, die das Gegenteil behaupten. Das überrascht mich, denn eigentlich sollte gerade diesen Leuten unsere Verfassung bekannt sein."

Die bisherige Praxis zeigt, dass der Expertenrat, der mehrheitlich von den Konservativen beherrscht wird, noch nie die Tätigkeit des Revolutionsführers beaufsichtigt hat.

Indes erklärte der Teheraner Freitagsprediger Ahmad Chatami, der auch Mitglied des Expertenrates ist: "Ich habe ein paar Mal gehört, wie der Revolutionsführer sagte, der Expertenrat sollte einige potenzielle Revolutionsführer auswählen." Die Suche nach geeigneten Nachfolgern sei nicht neu. Eine Gruppe sei im Expertenrat gebildet worden, nicht um einen neuen Revolutionsführer zu wählen, sondern, um geeignete Personen für diese Position zu identifizieren. Das sei unter Geheimhaltung bereits geschehen. Die Namen würden dem Revolutionsführer, falls dieser dies möchte, bekannt gegeben werden, sonst jedoch niemandem.

In den folgenden Tagen nahm die Kritik an Rafsandschani an Schärfe zu. Hossein Dadai, Generalsekretär der "Isargaran", einer erzkonservativen Vereinigung, sagte, Rafsandschani habe "keine gute Absichten". Der Abgeordnete Aliresa Sakani warf Rafsandschani vor, die Iran-Politik der USA umsetzen zu wollen. Der konservative Geistliche Mesbah Yasdi, der als Ideologe der Ultras gilt, warnte vor Personen, die mit ihrem Einzug in den Expertenrat die Absetzung des Revolutionsführers planten".

Neben der Wahl des Expertenrats wird auch den bevorstehenden Parlamentswahl eine große Bedeutung beigemessen. Das zeigt nicht zuletzt die hohe Zahl der Bewerber. Sie liegt laut Angaben des Wahlamts bei 12.123 registrierten Kandidaten. Das ist die höchste Zahl, die jemals bei den Wahlen in der Islamischen Republik erreicht wurde. Dies sind doppelt so viele Bewerber wie in der vergangenen Wahlperiode. Wichtig zu erwähnen ist auch, dass sich mehr als 1.200 Frauen um einen der 290 Sitze im Parlament beworben haben, etwa die Hälfte von ihnen stammt aus der Hauptstadt Teheran.

Auch für die Bewerber für einen Parlamentssitz gelten ähnliche Hürden wie bei der Wahl des Expertenrats. Die schwerste Hürde ist auch für sie der Wächterrat. Der Rat hat mehrmals erklärt, dass er die Bewerbungen all jener ablehnen werde, die die Proteste gegen die Wiederwahl von Präsident Ahmadinedschad unterstützt oder sich nicht offiziell von ihnen distanziert hätten. Das betrifft die meisten Reformer. Unter den Bewerbern befinden sich auch einige Minister aus der Regierung von Mohammad Chatami und Mahmud Ahmadinedschad.

Ahmad Dschannati, Vorsitzender des Wächterrats, beklagte die hohe Zahl der Bewerber sowohl für den Expertenrat als auch für das Parlament. "Die Wahlen sind völlig frei und jeder kann wählen oder gewählt werden", sagte er beim Freitagsgebet in Teheran am 25.

Dezember. Es sei aber bedauerlich, dass die Zahl der Bewerber für beide Häuser so stark ansteige. "Das ist merkwürdig. Ich frage mich, ob zum Beispiel all jene, die sich um einen Sitz im Expertenrat beworben haben, tatsächlich Rechtsgelehrte sind. Manche von denen, die sich registriert haben, können nicht einmal einen Satz auf Arabisch lesen. Mit ihrer Registrierung machen sie uns mehr Arbeit."

Dschannati widersprach der Ansicht, dass nicht der Wächterrat sondern das Volk durch seine Wahl über die Eignung der Kandidaten entscheiden solle. "Ich weiß nicht, aus welcher Kultur diese Ansicht stammt", sagte er. Es gehe darum, dass zuständige Instanzen den Einzug von Kandidaten verhinderten, die gegen die Interessen des Volkes arbeiteten.

Auch Mohammad Yasdi, Mitglied des Wächterrats, äußerte seinen Unmut über die hohe Zahl der Bewerber. Dahinter stecke eine Verschwörung, sagte er am 24. Dezember laut Medien. "Leider erlauben die Wahlgesetze jedem, der es möchte, sich für einen Sitz im Expertenrat zu bewerben. Eine Frau, die unislamisch gekleidet war, hat sich registriert. Das ist doch lächerlich."

Dem widersprach Innenminister Fasli: "Ich habe mit dem Anstieg der Bewerberzahlen kein Problem. Wenn jemand Verschwörungen vermutet, soll er sich an die zuständigen Instanzen wie das Informationsministerium wenden", sagte er. Je mehr Kandidaten, desto mehr hätten die Bürger die Möglichkeit, ihre eigenen Kandidaten zu wählen.

Fasli äußerte sich auch zu der Eignungsfeststellung. Das Thema sei wichtig, es sei immer Gegenstand von Auseinandersetzungen gewesen. "Wir hoffen, auf der Basis der bestehenden Gesetze gut über die Runden kommen zu können", sagte er am 27. Dezember im staatlichen Fernsehen. "Wir haben uns mit dem Wächterrat geeinigt, denn sowohl die Regierung als auch der Wächterrat stimmen überein, dass beide Instanzen sich an die Gesetze halten werden. Wir (von der Regierung) sind zuständig für die Durchführung der Wahl, dabei wird der Wächterrat, der eine Aufsichtsfunktion hat, uns zur Seite stehen."

Offensichtlich ist der Streit zwischen dem Wächterrat und der Regierung längst nicht gelöst. Denn der Wächterrat insistiert weiterhin darauf, für die Feststellung der Eignung der Kadidaten zuständig zu sein. Das hat bei den vergangenen Wahlen immer wieder zur Ablehnung von vielen Kandidaten aus den Kreisen des Reformer-Lagers geführt. Eine Begründung für seine Ablehnung lieferte der Wächterrat jedoch nie. Dazu sagte Fasli: "Wir sind gegenüber den Bewerbern verantwortlich und müssen Ablehnungen klar begründen."


TAWAKKOLI: KORRUPTION GRÖßTE GEFAHR FÜR DIE ISLAMISCHE REPUBLIK

Der Parlamentsabgeordnete Ahmad Tawakkoli, der zu der Fraktion der Konservativen zählt, sagte bei einem Vortrag an der Universität Schiras am 9. Dezember: " Ein Militärputsch, ein militärischer Angriff oder eine samtene Revolution bedrohen die Islamische Republik nicht. Aber die Korruption tut dies. (...) Eine Form der Korruption ist die strukturelle Korruption, die dann entsteht, wenn die Verantwortlichen selbst korrupt sind."

Tatsächlich gehört die Korruption in der Verwaltung und in der Wirtschaft zu den größten Problemen der Islamischen Republik. Gerade die Fälle, die in den letzten Jahren öffentlich wurden, bei denen es zum Teil um Veruntreuungen in Milliardenhöhe ging, weisen auf das große Ausmaß der Korruption hin. Die Organisation Transparency International stufte Iran 2014 als eines der Länder ein, in denen die Korruption am stärksten ausgeprägt ist. Demnach steht Iran auf Rang 136 von 174 untersuchten Ländern.

Ein Problem liegt nach Meinung von Tawakkoli darin, dass Posten mit Personen besetzt würden, die hierfür nicht qualifiziert sind. Dies sei eine Quelle der Korruption. Twakkoli kritisierte auch die Wirtschaftspolitik der Regierung Rohani, weil sich diese an der Politik des Internationalen Währungsfonds und der Welthandelsorganisation orientiere. "Diese Politik steht nicht im Einklang mit dem Model, das Ayatollah Chomeini entworfen hat, auch nicht mit den Grundsätzen des Islam, der Humanität oder Demokratie." Der Neokolonialismus sei nur dann zu einer gerechten Verteilung des nationalen Reichtums bereit, wenn er soziale Unruhen befürchte.


53 IS-UNTERSTÜTZER FESTGENOMMEN

Kamal Hadianfar, Leiter der Internet-Polizei, gab am 7. Dezember laut der Agentur ISNA bekannt, seine Organisation habe im Internet eine "Gruppe von Terroristen", darunter auch Unterstützer des sogenannten Islamischen Staates (IS), entdeckt und 53 "IS-Sympatisanten" festgenommen. Zudem sagte er, im laufenden Jahr seien 32 Internetseiten, die Terroristen unterstützten, entdeckt und gefiltert worden. In den letzten 20 Monaten sei es der Internet-Polizei gelungen, 285 Internetseiten terroristischer Gruppen, davon 108 Seiten aus dem Ausland, auszuschalten. Bei der Deaktivierung der ausländischen Internetseiten habe man die Hilfe von Interpol in Anspruch genommen.

Die iranische Staatsführung hat oft vor Aktivitäten des IS in Iran gewarnt. In den letzten Wochen wurden Dutzende Personen unter dem Verdacht der Zusammenarbeit mit terroristischen Gruppen oder der Mitgliedschaft beim IS festgenommen.

Laut Hadianfar wurden einige der Festgenommenen wieder freigelassen, andere, die ihre Straftat gestanden hätten, seien weiterhin in Haft. Zuvor hatte Hossein Sadschedinia, Oberbefehlshaber der Teheraner Polizei, erklärt, in den vergangenen acht Monaten seien mehr als 700 Personen wegen Straftaten im Internet festgenommen worden, darunter 609 Männer und 114 Frauen. Ein Drittel der Festgenommenen hätte Wirtschaftsdelikte begangen, andere hätten falsche Informationen verbreitet und Fotos von Privatpersonen oder pornografische Bilder veröffentlicht. Wiederum andere hätten unerlaubte Waren angeboten oder Partnersuche betrieben, sagte Sadschedinia am 5. Dezember der Presse.


MEHR ALS 40.000 AUTOS VON FRAUEN KONFISZIERT

Den Angaben der Verkehrspolizei zufolge wurden seit März 2015 mehr als 40.000 Fahrzeuge von Frauen, die beim Autofahren die Kleidungsvorschriften ignoriert hatten, beschlagnahmt. Die Gesetzesübertretungen seien der Justiz mitgeteilt worden. Die meisten Fahrerinnen hätten eine Strafe zu erwarten, sagte Brigadegeneral Teymur Hosseini am 15. Dezember laut Presseberichten.

Gemäß eines bereits im November angekündigten Beschlusses, werden die Fahrzeuge von Frauen, die beim Fahren kein Kopftuch tragen oder ihre Haare nicht gemäß den Vorschriften bedecken, für eine Woche beschlagnahmt. Die Polizei hat sich offenbar zu dieser drastischen Maßnahme genötigt gesehen, weil immer mehr Frauen, vor allem in den Städten, ihr Kopftuch ganz locker tragen. Seit der Gründung der Islamischen Republik, die den Kleiderzwang eingeführt hat, ist die Ablehnung des Kopftuchs, zu einem Symbol des Kampfes der Frauen für Gleichberechtigung geworden. Während der Staat lange, weite Kleider und eine vollständige Bedeckung der Haare vorschreibt, sieht man immer mehr Frauen, vor allem jüngere, mit eng anliegenden Hosen und locker getragenen Kopftüchern.


CHAMENEI BESUCHT ZU WEIHNACHTEN EINE CHRISTLICHE FAMILIE

Laut iranischen Medien hat Revolutionsführer Ali Chamenei am 27. Dezember zum Anlass der Weihnachtsfeiertage eine christliche Familie besucht. Es handelte sich um eine "Märtyrer-Familie". Das ist die Bezeichnung von Familien, deren Angehörige im iranisch-irakischen Krieg (1980-1988) oder im gegenwärtigen Krieg in Syrien und Irak gefallen sind.

Auf dem Foto, das die Internetseite Chameneis veröffentlichte, ist er neben einer alten Frau zu sehen. Im Hintergrund sieht man ein Porträt ihres Sohns, der im Iran-Irak-Krieg ums Leben gekommen ist.


ROHANI FORDERT MUSLIME AUF, NEGATIVES BILD DES ISLAM ZU KORRIGIEREN

Irans Präsident Hassan Rohani forderte auf der "Internationalen Tagung zur Einheit der Muslime" in Teheran am 27. Dezember alle Muslime auf, das Bild des Islam, das durch Aggressionen verzerrt worden sei, zu korrigieren. Innerhalb der islamischen Welt gäbe es Gruppen, die "im Namen des Islam und des Dschihad das Gesicht der Muslime verstümmeln, ja selbst das Gesicht des Propheten verunstalten."

"Haben wir jemals darüber nachgedacht, dass nicht Feinde, sondern eine gleichwohl kleine Gruppe innerhalb der islamischen Welt die Sprache des Islam benutzt, um ihn als eine Religion des Tötens, der Gewalt, der Peitschenhiebe, der Erpressung und des Unrechts darzustellen", zitiert Reuters Rohani in einer Meldung vom 27. Dezember.

Der Islam sei gegen Aggressionen und Gewalt, sagte der Präsident der Islamischen Republik. "Wir müssen gegen Aggressionen, auch die des Denkens und des Wortes, Widerstand leisten." Er forderte alle Rechtsgelehrten und Prediger auf, "einen Damm gegen den Terrorismus" zu errichten. Er kritisierte indirekt Saudi-Arabien und seine Verbündeten, die Waffen aus den USA kauften und diese gegen andere islamische Staaten einsetzten. "Schauen wir, wie es bei diesen Staaten aussieht, wie viel Bomben und Raketen sie allein in diesem Jahr aus den USA gekauft haben. Wenn sie die Gelder, die sie dazu verwendet haben, an die armen Muslime verteilt hätten, würde heute niemand hungrig ins Bett gehen." Der Strom der Flüchtlinge aus Syrien nach Europa und in andere Länder sei für die Muslime "beschämend".

Rohani fuhr fort: "Bringt die Schwächung Syriens seinen muslimischen Nachbarn etwas? Führt die Zerstörung Syriens zur Stärkung der Türkei, Jordaniens, Saudi-Arabiens, Katars, der Vereinigten Arabischen Emirate und anderer Länder? Wer anders außer Israel ist über die Zerstörung erfreut?"


VERÖFFENTLICHUNG EINES CHATAMI-INTERVIEWS MIT JURISTISCHEN FOLGEN

Die in Teheran erscheinende Tageszeitung Etelaat hatte am 6. Dezember ein Interview des ehemaligen Staatspräsidenten Mohammad Chatami, das dieser zuvor mit der libanesischen Zeitung Al-Safir geführt hatte, unter dem Titel "Wir müssen einen Dialog führen" veröffentlicht. Etelaat ist neben Keyhan die einzige Zeitung, deren verantwortlicher Herausgeber vom Revolutionsführer ernannt wird. Mahmud Doai, der zu den moderaten Geistlichen gehört, wurde bereits 1981 vom damaligen Revolutionsführer Ayatollah Chomeini mit der Herausgabe der Zeitung beauftragt. Nach Chomeinis Tod bestätigte sein Nachfolger Ali Chamenei die Ernennung Doais.

Es gibt eine Anweisung der Justiz, wonach die Berichterstattung über Chatami, Interviews mit ihm sowie Veröffentlichung von Fotos von ihm verboten sind. Begründet wird diese ungewöhnliche Maßnahme mit der Unterstützung, die Chatami den Protesten von 2009 gegen die Wiederwahl des Präsidenten Ahmadinedschad gewährte. Er war auch später nicht bereit seine Position und Stellungnahmen zu widerrufen. Chatami gilt auch als Vater der islamischen Reformbewegung und wird daher von radikalkonservativen stark angefeindet. Das Verbot seiner Medienpräsenz beruht nicht auf einem ordentlichen Gerichtsurteil. Es wurde lediglich im Februar 2015 vom Sprecher der Justiz, Gholamhossein Mohseni Ejehi, verkündet. Nun soll Doai den Angaben der Pressestelle der Justiz vom 7. Dezember zufolge vor einem Sondergericht für Geistlich angeklagt werden.

Am 9.Dezember gab Ejehis Büro bekannt, Doai sei von dem Sondergericht für Geistliche vorgeladen worden. Er habe dort eine eidesstaatliche Erklärung abgegeben. Doai selbst erklärte gegenüber der Presse, er werde unter keinen Umständen das Veröffentlichungsverbot gegen Chatami akzeptieren. Er sei auch nicht beim Sondergericht für Geistliche gewesen. Die Zeitung Etelaat werde weiterhin Berichte über Chatami veröffentlichen. Zudem forderte Doai Präsident Rohani auf, die Affäre zu beenden. Für das Verbot gebe es keine gesetzliche Grundlage, sagte er der Agentur IRNA, sondern nur eine politisch motivierte Anweisung der Generalstaatsanwaltschaft. In dem Brief an Rohani schrieb Doai, er sei von vornherein gegen das Verbot gewesen. Das habe er auch dem Staatsanwalt mitgeteilt.

Am 12. Dezember erklärte Ejehi vor der Presse, Doai sei zum zweiten Mal vor dem Sondergericht für Geistliche erschienen und sei über die Anklage informiert worden.

Darauf reagierte Doai mit einer Notiz, die die Agentur Fars veröffentlichte. Er habe, nachdem ein Mitarbeiter des Revolutionsführers ihn wegen Veröffentlichung von Berichten über Chatami kritisiert habe, einen Brief an den Revolutionsführer geschickt, in dem er seine Loyalität zu Chatami erläutert und Chamenei um Erlaubnis gebeten habe, weiterhin dem früheren Präsidenten die Treue halten zu dürfen. Daraufhin habe Chamenei geschrieben: "Ich denke genauso wie du, aber ich habe kein so weiches Herz wie du." Daher habe er (Doai) weiterhin über Chatami berichtet.

Am 14. Dezember nahm auch das Kulturministerium zu dem Fall Stellung. Ministeriumssprecher Hossein Nuschabadi sagte, sein Ministerium werde sich an die Pressegesetze halten. Bislang habe das Ministerium keinen Beschluss des Nationalen Sicherheitsrats zu dem Verbot, das zudem auch vom Revolutionsführer unterzeichnet werden müsste, erhalten. Die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft sei lediglich eine juristische Meinungsäußerung. Sie sei für das Kulturministerium nicht bindend.


ZU VIELE FRAUEN AUF DEM ARBEITSMARKT, KRITISIERT EIN AYATOLLAH

Der Freitagsprediger der Stadt Isfahan, Ayatollah Jussef Tabatainejad, kritisierte die Frauenpolitik der Regierung Rohani. Es gebe zu viele Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Gleichzeitig seien viele Männer arbeitslos. Das sei unislamisch. Aus islamischer Sicht seien die Männer für die Ernährung der Familie zuständig, nicht die Frauen.

Rohanis Regierung habe mit ihrer frauenfreundlichen Politik nicht nur den Arbeitsmarkt für Frauen geöffnet, sie ebne auch Frauen den Weg in die Politik. Frauen dürften nun auch die Posten von Gouverneuren übernehmen, obwohl Männer dafür besser geeignet seien, meinte der Ayatollah. Er verwies auf die zunehmende Scheidungsrate, die seiner Ansicht nach darauf zurückzuführen sei, dass Frauen nun Geld verdienten und selbstständig geworden seien.

Der Ayatollah steht offenbar nicht allein mit seien Ansichten. Ein Teil der Geistlichkeit und der Politiker sowie Teile der Bevölkerung sind derselben Meinung wie folgender Vorfall aus der Provinz Chusestan im Südwesten Irans zeigt.

Anfang Dezember meldeten iranische Medien, dass acht Frauen aus der Provinz Chusestan zu Bezirksvorsitzenden ernannt worden seien. In den Tagen darauf hieß es jedoch in manchen Zeitungen, es sei möglich, dass die Ernennung zurückgenommen werde. Die Webseiten Asre Ahwas und Karum Press schrieben, ein Verantwortlicher der Provinzregierung habe erklärt, die Ernennungen würden vorläufig zurückgestellt, obwohl der Vizegouverneur Faradschallah Chobeir gesagt habe, eine solche Maßnahme sei nicht beschlossen worden. Ein anderer Verantwortlicher der Provinzregierung, Dschamal Darwisch, sagte der Webseite Howar News, die Ernennungen seien nicht zurückgenommen worden, aber einige der ernannten Frauen hätten die Ernennung nicht angenommen, weil sie sich für die Aufgaben "nicht geeignet" fühlten.

Am 16. Dezember zitierte die Webseite Asre Ahwas einen nicht genannten Verantwortlichen, der berichtet habe, dass nach der Bekanntgabe der Ernennungen zahlreiche Geistliche dagegen protestiert hätten.

Doch allen diesen Protesten und Widerständen zum Trotz haben sich die Frauen in Iran durch ihren Jahrzehnte langen Kampf schon längst einen Weg in die Gesellschaft geebnet. Seit Jahren schon gibt es an den Universitäten mehr Studentinnen als Studenten. Heute werden große Unternehmen von Frauen geleitet, Frauen haben hohe Posten in der Regierung inne und sind im Parlament vertreten. Das darf zwar nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gleichberechtigung, die von Frauen in Iran angestrebt wird, noch längst nicht erreicht ist, aber es zeigt, dass sie auf diesem Weg ein wichtiges Stück vorangekommen sind.

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KULTUR

• 137 Filmemacher protestieren gegen Karimis Verurteilung • Reporter ohne Grenzen: Iran drittgrößtes Gefängnis für Journalisten • Streit um Sozialkunde-Unterricht an Schulen • Eklat wegen Ausschluss von Musikerinnen aus Orchester


137 FILMEMACHER PROTESTIEREN GEGEN KARIMIS
VERURTEILUNG

137 iranische Filmemacher haben am 6. Dezember in einem offenen Brief an die Justiz die Freilassung des Regisseurs Keywan Karimi gefordert. Der 30 Jahre alte Karimi wurde im November 2014 vor ein Revolutionsgericht gestellt, das ihn zu sechs Jahren Gefängnis plus 223 Peitschenschlägen verurteilte. Das Urteil wurde im Oktober 2015 bekannt gegeben. Karimi wurde beschuldigt, in seinem Film "Graffitis" religiöse Heiligtümer beleidigt zu haben. Der Dokumentarfilm beschäftigt sich mit politischen und sozialkritischen Graffitis in der Hauptstadt Teheran.

"Wir sind erstaunt über das Urteil gegen unseren jungen Kollegen Keywan Karimi und fordern das Revisionsgericht dazu auf, in seinem Urteil Gerechtigkeit walten zu lassen", schreiben die Unterzeichner. "Wir hoffen, dass mögliche Missverständnisse sich rasch klären lassen und Karimi freigesprochen wird. Wir möchten mit Nachdruck an unsere berufliche Sicherheit erinnern und daran, dass iranische Filmemacher wie andere Künstler und Kulturschaffende in unserem Land für sich das Recht beanspruchen, in einer sicheren und freien Atmosphäre und ohne Schuldzuweisungen ihre schöpferische Tätigkeit fortzusetzen."

Zuvor hatte bereits der iranische Schriftstellerverband die bedingungslose Freilassung von Karimi sowie der Lyrikerin Fatemeh Ekhtesari und dem Lyriker Mehdi Mussavi gefordert. Ekhtesari wurde zu 11,5 Jahren Gefängnis und 99 Peitschenschlägen und Mussavi zu neun Jahren Gefängnis und 99 Peitschenschlägen verurteilt.


REPORTER OHNE GRENZEN: IRAN DRITTGRÖßTES GEFÄNGNIS FÜR JOURNALISTEN

Die Organisation Reporter ohne Grenzen schreibt in ihrem am 15. Dezember veröffentlichten Jahresbericht: "Zurzeit befinden sich 153 Journalisten in Haft. China stellt das größte Gefängnis für Journalisten in der Welt dar, gefolgt von Ägypten, Iran, Eritrea und der Türkei." In Iran habe es Anfang November eine Welle von Verhaftungen von Journalisten gegeben, denen die Beteiligung an einem Spionagenetzwerk unterstellt worden sei.


STREIT UM SOZIALKUNDE-UNTERRICHT AN SCHULEN

Esfandiar Tschaharband, Leiter des Teheraner Amts für Lehre und Bildung, sagte am 6. Dezember, ab nächstes Jahr (21. März 2016) würden an den staatlichen Schulen die Fächer Literatur und Sozialkunde aus dem Lehrplan gestrichen. Diese Fächer würden nur noch an den Kulturoberschulen unterrichtet. Zurzeit gebe es in Teheran zwölf Kulturschulen. Da jeder Stadtbezirk mindestens eine Kulturschule haben müsse, werde es bis zum nächsten Jahr 24 Kulturschulen in Teheran geben. Ziel sei es, die Schüler stärker auf das Studium technischer Fächer vorzubereiten.

Über die Sozialwissenschaften wird seit der Gründung der Islamischen Republik gestritten. Während die islamische Staatsführung, vor allem die konservative Geistlichkeit, die Sozialwissenschaften im Rahmen der islamischen Theologie erörtert haben möchte, sind andere bestrebt, den Schülern und Studenten moderne Sichtweisen der Sozialwissenschaften zu vermitteln. Die konservative Geistlichkeit beruft sich auf Ayatollah Chomeini, der 1982 gesagt hatte: "Sozialwissenschaften setzen pflichtbewusste Menschen (gegenüber dem Islam) voraus. Menschen, die sich den islamischen Grundsätzen gegenüber nicht verpflichtet fühlen, werden nichts anderes tun, als andere auf Irrwege zu führen. Das ist nicht akzeptabel."

Auch Revolutionsführer Chamenei teilt Chomeinis Skepsis. Nach den Protesten gegen die umstrittene Wiederwahl von Präsident Ahmadinedschad (2009) sagte er, die Art, in der Sozialwissenschaften an den Universitäten gelehrt würden, stehe im Widerspruch zu den Grundsätzen des islamischen Glaubens. Nach dieser Stellungnahme erteilte der damalige Präsident Mahmud Ahmadinedschad den staatlichen und privaten Bildungseinrichtungen die Anweisung, eine Fachkommission zu bilden, die unter der Aufsicht des Obersten Rats der Kulturrevolution eine Reformierung der Sozialwissenschaften und deren Anpassung an islamische Grundsätze durchführen sollte. Ziel dieser Maßnahme war es vor allem, "materialistische und westliche" Sichtweisen auszuschließen. Zudem bildete der Oberste Rat der Kulturrevolution eine Fachgruppe, die Lehrpläne für die Vermittlung von "islamischen" Sozialwissenschaften an Schulen und Universitäten ausarbeiten sollte.

Am 7. Dezember erklärte das Ministerium für Lehre und Bildung, das Fach Sozialkunde werde doch nicht aus dem Lehrplan gestrichen. Sämtliche Schulen, in denen dieses Fach zurzeit unterrichtet werde, würden auch im nächsten Jahr das bisherige Lehrprogramm fortsetzen. Der weitere Ausbau der Kulturschulen in der Hauptstadt bedeute keineswegs, dass in anderen Schulen das Fach Sozialkunde vom Lehrplan gestrichen werde. Die Äußerungen von Tschaharband seien missverstanden worden. Er habe lediglich bekannt geben wollen, dass die Kulturschulen weiter ausgebaut werden würden.

Mit diesem Dementi kann das Problem jedoch nicht als gelöst betrachtet werden. Der Vorfall ist ein weiteres Indiz für den Widerspruch zwischen Tradition und Moderne, mit dem die Islamische Republik seit Jahren ringt.


EKLAT WEGEN AUSSCHLUSS VON MUSIKERINNEN AUS ORCHESTER

Kurz vor dem Auftritt des Teheraner Symphonieorchesters, das zum Abschluss eines internationalen Ringkampfwettbewerbs in Teheran am 29. November die iranische Nationalhymne spielen sollte, erhielt der Dirigent die Anweisung, die Frauen aus dem Orchester zu suspendieren. Daraufhin weigerte sich der Dirigent, Ali Rahbari, aufzutreten.

Rahbari schilderte den Vorfall in einem Interview mit der Agentur ISNA wie folgt: "Der Grund, warum ich mich weigerte, zu spielen, war einfach. Wir wurden in das Asadi-Stadion eingeladen, alles war vorbereitet. Die Stühle für die Musiker waren aufgestellt. Alles schien in Ordnung zu sein. Doch etwa eine Viertelstunde vor unserem Auftritt kam die Anweisung, Frauen dürften nicht auftreten. Ich war schockiert und sagte, diese Beleidigung werde ich nicht hinnehmen. Entweder werden wir alle an der Aufführung teilnehmen oder wir werden nicht auftreten. Einige Leute versuchten zu vermitteln. Dennoch hieß es, Frauen dürften nicht auftreten. Daraufhin sagte ich, dann tritt niemand auf."

Rahbari bezeichnete den Vorfall als "beschämend". Die Frauen hätten keine andere Rolle gehabt, als die Nationalhymne zu spielen. "Warum sollten sie das nicht tun? Ich bin in diesem Land aufgewachsen, ich kenne die roten Linien. Doch solange ich ein Orchester dirigiere, werde ich ein solches Vorgehen nicht dulden. Wir wurden eingeladen und dann beleidigt."

Die Suspendierung von Musikerinnen in Orchestern hat in den letzten Monaten zugenommen. Die Agentur ISNA schrieb, "in den Provinzen ist die Ausgrenzung von Frauen bei Musikaufführungen zu einer Normalität geworden. Doch bislang gab es in der Hauptstadt kein Hindernis für islamisch gekleidete Frauen, in einem Orchester zu spielen."

Das Kulturministerium, das unter anderem für Musikveranstaltungen verantwortlich ist, erklärte, es habe für die Aufführung die Genehmigung erteilt. Für die Maßnahmen, die vor Ort getroffen würden, sei das Ministerium nicht verantwortlich.

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WIRTSCHAFT

• Atomabkommen • Mehr als die Hälfte der iranischen Wirtschaft zahlt keine Steuern • Raketentest war Verstoß gegen UN-Resolution • Russland hat mit der Lieferung von S-300 Raketen begonnen • Ölminister: Iran benötigt keine Erlaubnis für Erhöhung der Fördermenge • Iran strebt Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation an • Air France nimmt wieder Direktflüge nach Teheran auf


ATOMABKOMMEN

Der mit großem Interesse erwartete Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) über das iranische Atomprogramm fiel für alle Verhandlungspartner (die 5+1 Gruppe und Iran) zufriedenstellend aus. In dem Abschlussbericht über die Inspektionen der IAEA, den der Generalsekretär Yukia Amano am 2. Dezember dem Gouverneursrat vorlegte, heißt es, Iran habe bis 2003 und kurz danach an einem geheimen Forschungsprogramm zur Entwicklung von Nuklearwaffen gearbeitet. Noch bis 2009 habe es Computer-Simulationen gegeben. All dies habe im Rahmen von Wissenschaftsstudien stattgefunden. Es sei kein Nuklearmaterial für militärische Zwecke beiseite geschafft worden. Seither gebe es keinerlei Anzeichen für Versuche zur Herstellung von Atombomben.

Marc Toner, Sprecher des US-Außenministeriums, sagte zu dem IAEA-Bericht, dieser habe den Verdacht bestätigt, dass Iran an einem Atomwaffenprogramm gearbeitet habe. Teheran hingegen bestritt das Ergebnis der IAEA-Untersuchungen. Vizeaußenminister Abbas Araghtschi sagte, die Atomforschungen Irans seien stets standardgemäß gewesen und hätten immer nur friedliche Zwecke verfolgt. Dennoch bezeichnete er den Bericht als "insgesamt positiv". Er bestätige den friedlichen Charakter des iranischen Atomprogramms, sagte er im iranischen Fernsehen am 2. Dezember. Er sei zuversichtlich, dass die Akte über das iranische Atomprogramm nach diesem Bericht endgültig geschlossen werde.

Auch die USA hielten den Bericht für ausreichend, um die Akte Irans bei der IAEA zu schließen. Der Bericht habe alle offenen Fragen zum iranischen Atomprogramm befriedigend beantwortet, sagte Marc Toner am 2. Dezember.

Auch Israel nahm zu dem Bericht Stellung. In einer Erklärung des Büros von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wurde die Verschärfung der Kontrollen des iranischen Atomprogramms gefordert. Die Untersuchungen der Atomenergiebehörde bewiesen, dass Iran - wie zuvor bereits von Israel festgestellt - auch nach 2003 ein geheimes Projekt zum Bau von Atomwaffen betrieben habe. Ohne weitere, verschärfte Untersuchungen werde die Weltgemeinschaft nicht in der Lage sein, festzustellen, welches Ziel das iranische Atomprogramm tatsächlich verfolge und wie weit es sein Ziel erreicht habe. Israel erwarte, dass alle Mittel eingesetzt würden, um Iran an dem Bau von Nuklearwaffen zu hindern.

Am 16. Dezember stellte die IAEA nach zwölf Jahren Verhandlungen ihre Ermittlungen gegen das iranische Atomprogramm ein. Die Akte Irans wurde geschlossen. Gemäß dem im Juli abgeschlossenen Abkommen wird die Atomenergiebehörde noch 25 Jahre lang das iranische Atomprogramm überwachen. Der 35-köpfige Gouverneursrat erklärte den Fall Iran in einer Resolution für abgeschlossen, das Gremium werde sich nicht mehr damit befassen.

Irans Botschafter bei der IAEA, Resa Nadschafi, sprach von einem "neuen Kapitel für die Zusammenarbeit zwischen Iran und der Behörde". Die USA sowie andere Verhandlungspartner Irans begrüßten den Abschluss der Verhandlungen. Nun ist der Weg für die Aufhebung der Sanktionen gegen Iran geebnet. Jetzt beginnt die Phase der Umsetzung. Beide Seiten müssen laut Abkommen bestimmte Pflichten erfüllen. Teheran hofft, die Aufhebung der Sanktionen vor den Parlamentswahlen im Februar erreichen zu können. "Nun können wir uns auf eine Blüte unserer Wirtschaft vorbereiten", sagte Präsident Rohani. Er forderte in- und ausländische Investoren auf, die Regierung zu unterstützen.

Am 20. Dezember gab Ali Akbar Salehi, Leiter der iranischen Atomenergiebehörde, bekannt, dass Iran gemäß dem Atomabkommen mit dem Abtransport von angereichertem Uran nach Russland begonnen habe. Es seien bereits neun Tonnen verschifft worden. Im Gegenzug erwarte Iran 137 Tonnen "Yellowcake" aus Russland. Mit dem Yellowcake, einem pulverigen Gemisch aus Uranverbindungen, lassen sich Brennelemente herstellen.

Der Abtransport gehört, neben der Reduzierung der Zentrifugen von 19.000 auf 5.060, zu den wichtigsten Punkten des Abkommens.

In einem Interview mit der dpa vom 28. Dezember äußerte sich Amano zuversichtlich, dass Iran angesichts der strengen Inspektionen in den nächsten 25 Jahren nicht die Möglichkeit haben werde, Nuklearwaffen zu produzieren. "Wenn sie versuchen, etwas zu verstecken, werden wir normalerweise irgendwo Hinweise dafür finden und anfangen, Fragen zu stellen", sagte Amano. Auch John Kerry äußerte sich anerkennend zu dem Abtransport von angereichertem Uran nach Russland. Er bestätigte in einer Erklärung vom 29. Dezember, dass Iran seine Reserven von ca. 8,5 Tonnen angereichertem Uran nahezu vollständig exportiert habe. Damit habe Iran einen der wichtigsten Schritte zur Umsetzung des Atomabkommens unternommen, sagte Kerry. Damit werde die Zeitspanne, die Iran benötige, um an Nuklearwaffen zu gelangen, von zwei bis drei Monaten auf sechs bis neun Monaten verlängert. Auch Russland bestätigte, dass Iran "alles, was im Abkommen zum Export vorgesehen ist, bereits exportiert hat".

Der Umbau des Schwerwasserreaktors in Arak ist die noch verbliebene Pflicht, die Iran erfüllen muss. Der Umbau soll dazu führen, dass der Reaktor kein Plutonium mehr abwirf, mit man Atombomben herstellen kann. Dazu seien "die Vorbereitungen getroffen", sagte Behrus Kamalwandi, Sprecher der iranischen Atomenergiebehörde am 29. Dezember.

Angesichts der Pflichterfüllung beider Vertragspartner, kann nun damit gerechnet werden, dass in wenigen Wochen die über Iran verhängten Sanktionen ausgesetzt werden. Am Tag der Aussetzung werden rund 100 Milliarden Dollar iranischen Kapitals, das auf gesperrten Konten in den USA und der EU liegt, freigegeben. Mit der Aussetzung der Sanktionen gegen Banken, Handel, Transport und nicht zuletzt die iranische Öl-Industrie hofft die iranische Regierung, die seit Jahren herrschende Wirtschaftskrise überwinden und einen Aufschwung einleiten zu können.


MEHR ALS DIE HÄLFTE DER IRANISCHEN WIRTSCHAFT ZAHLT KEINE STEUERN

Der frühere Leiter des Steueramtes, Aki Asgari, sagte in einem Interview mit der in Teheran erscheinenden Zeitschrift "Tedscharat Farda" am 16. Dezember, gegenwärtig seien 40 Prozent der iranischen Wirtschaft von Steuern befreit, weitere 20 Prozent operierten auf dem Schwarzmarkt und würden dementsprechend ohnehin keine Steuern zahlen.

Im Vergleich zu anderen Staaten seien die Wirtschaftsbereiche, die von Steuern befreit seien, viel zu weitgefasst, sagte Asgari. Das müsse geändert werden, vor allem in den Bereichen Landwirtschaft, Handel und bei Wirtschaftsaktivitäten in Freihandelsgebieten, in denen Gewinne erzielt würden.

Laut Asgari sind 23 Prozent der Händler und Kaufleute von Steuern befreit. Das Steuersystem sei undurchsichtig und nicht effektiv, sagte er. Obwohl Händler und Kaufleute 33 Prozent des Bruttosozialprodukts erwirtschafteten, seien sie im Jahr 2013/2014 lediglich mit fünf Prozent an den Gesamtsteuern beteiligt gewesen. Asgari war zehn Tage vor dem Interview von seinem Posten zurückgetreten. Politische Beobachter meinten, der Rücktritt sei unter Druck erfolgt.


RAKETENTEST WAR VERSTOß GEGEN UN-RESOLUTION

Die in Iran am 10. Oktober getestete Rakete hat im Westen Proteste hervorgerufen. Nach iranischen Angaben handelte es sich bei der Rakete vom Typ "Emad" um die erste Boden-Boden-Rakete mit einer Reichweite von mehreren Tausend Kilometern. Das US-Außenministerium erklärte am 8. Dezember, es werde prüfen, ob der Test einen Verstoß gegen UN-Resolutionen darstelle. "Wir sind dabei, die Angelegenheit ernsthaft zu prüfen", sagte der Sprecher. Im Augenblick sei er zu einer eindeutigen Stellungnahme nicht in der Lage.

Der UN-Sicherheitsrat hatte Iran 2010 in einer Resolution untersagt, Raketentests durchzuführen. Nach der Unterzeichnung des Atomabkommens wurden in der Resolution 2231 die Sanktionen gegen den Raketenbau in Iran um weitere acht Jahre verlängert. Zudem wurde Iran verboten, in den nächsten fünf Jahren Raketenteile zu kaufen oder zu verkaufen. Das Land wurde ferner aufgefordert, Tests von Raketen zu unterlassen.

Nach dem Raketentest haben die USA, Frankreich, Großbritannien und Deutschland in einem gemeinsamen Schreiben an das Sanktionskomitee des UN-Sicherheitsrats eine gebührende Reaktion gefordert. Am 15. Dezember erklärte Spaniens UN-Botschafter Roman Oyarsun Machesi, der das Sanktionskomitee leitet, vor dem UN-Sicherheitsrat in New York, mit dem Test einer ballistischen Mittelstreckenrakete habe Iran gegen bestehende Sanktionen verstoßen.

Indes erklärten die USA, die Rakete vom Typ Emad sei in der Lage, einen atomaren Gefechtskopf zu tragen. Die Raketensanktionen gehören nicht zum Atomabkommen. Das hatten auch die USA ausdrücklich betont. Irans Außenminister Dschawad Sarif sagte, Iran habe nicht die Absicht, die Rakete mit einem atomaren Gefechtskopf zu bestücken.

Wegen des Verstoßes könnte der UN-Sicherheitsrat theoretisch neue Sanktionen gegen Iran beschließen. Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, dass Russland und China einer solchen Maßnahme zustimmen würden.

Einen Tag nach der Stellungnahme des UN-Sanktionskomitees forderten 35 republikanische und 21 demokratische US-Senatoren Präsident Barack Obama auf, die noch bestehenden Sanktionen gegen das iranische Atomprogramm nicht auszusetzen. Der Raketentest sei eine "Missachtung internationaler Vereinbarungen" seitens Iran, erklärten die republikanischen und demokratischen Senatoren in getrennten Schreiben an den Präsidenten.

Am 17. Dezember erklärte Steven Mull, ein hochrangiger Politiker der Obama-Regierung im US-Senat, der Raketentest sei eine Verletzung der UN-Resolution. "Wir sind dabei zu prüfen, wie wir auf den Test angemessen reagieren sollen."

Senator Bob Corker, der zu den entschiedensten Gegnern des Atomabkommens gehört, bezeichnete die Iran-Politik der Regierung als "zu schwach". "Seit der Unterzeichnung des

Vertrags hat Iran einen Journalisten der Washington Post vor Gericht gestellt, gegen das US-Außenministerium Cyber-Attacken durchgeführt, Ghassem Soleimani (Oberbefehlshaber der Al-Kuds Brigaden) trotz eines bestehenden Reiseverbots nach Moskau geschickt und durch Raketentests UN-Resolutionen verletzt", sagte er.

Am 31. Dezember berichteten das Wall Street Journal und Reuters unter Berufung auf Regierungskreise, dass die US-Regierung neue Sanktionen gegen 12 Firmen und Personen aus Iran, Hongkong und den Arabischen Emiraten plane, die bei dem Bau von iranischen ballistischen Raketen eine Rolle gespielt haben. Zu den Berichten gab es bislang seitens des US-Finanzministeriums oder der iranischen Regierung keine Stellungnahmen. Neue Sanktionen könnten das im Juli vereinbarte Atomabkommen gefährden.


RUSSLAND HAT MIT DER LIEFERUNG VON S-300 RAKETEN BEGONNEN

Der Berater des russischen Präsidenten für militärische Angelegenheiten, Wladimir Koschin, gab am 3. Dezember bekannt, dass Russland mit der Lieferung von Flugabwehrraketensystemen vom Typ S-300 an Iran begonnen habe. "Wir sind dabei, den Vertrag zwischen Iran und Russland über die Lieferung von Flugabwehrraketen umzusetzen", sagte Koschin. Ob die erste Lieferung bereits in Iran eingetroffen ist, sagte er nicht.

Die iranische Nachrichtenagentur Tasnim schrieb zu dem Bericht, offiziell sei noch nicht bekannt, welcher Typ der Rakete S-300 an Iran geliefert werde, die S-300 SPMU, deren Produktion eingestellt worden sei, oder die S-300 WM.

Iran hatte vor acht Jahren einen Vertrag mit Russland über die Lieferung von S-300 Raketen unterzeichnet. Doch nachdem der UN-Sicherheitsrat gegen Iran Sanktionen verhängte, weigerte sich Russland, die Raketen zu liefern. Erst im vergangenen Sommer, nachdem die Atomverhandlungen mit Iran erfolgreich abgeschlossen wurden, hob Präsident Putin das Verbot der Lieferung von Raketen auf.

Irans Verteidigungsminister Hossein Dehghan sagte, Iran werde auch Kampfflugzeuge aus Russland kaufen. Seit 25 Jahren hat Iran keine Kampfjets aus dem Ausland gekauft. Zurzeit besitzt die iranische Luftwaffe die ältesten Kampfflugzeuge in der gesamten Region des Nahen und Mittleren Ostens. Russlands Außenminister Sergey Lawrow erklärte nach einem Treffen mit Irans Außenminister Sarif, Russland werde nach der Aufhebung der Sanktionen Waffen an Iran liefern.

Einer Meldung der Nachrichtenagentur ISNA vom 22. Dezember zufolge wird Iran mit russischer Unterstützung mit dem Bau von zwei neuen Atomkraftwerken beginnen. Die Kraftwerke sollen, wie der Sprecher der iranischen Atomenergiebehörde, Behrus Kamalwandi, mitteilte, in Bushehr am Persischen Golf gebaut werden. Dort steht auch das erste und einzige Atomkraftwerk Irans. Das gemeinsame Projekt ist nach der Unterzeichnung des Atomabkommens vom Juli vereinbart worden.


ÖLMINISTER: IRAN BENÖTIGT KEINE ERLAUBNIS FÜR ERHÖHUNG DER FÖRDERMENGE

Im Vorfeld der Tagung der Öl produzierenden Länder (OPEC) schickte Irans Ölminister Bijan Sangeneh ein Schreiben an die Mitglieder, in dem er sie auf die eingegangene Verpflichtung hinwies, die Förderobergrenze der OPEC von 30 Millionen Barrel pro Tag einzuhalten. Zudem betonte er, dass Iran von keinem Land eine Erlaubnis benötige, um seine Ölproduktion zu steigern. Der Presse sagte Sangeneh am 2. Dezember, er habe das Schreiben nicht geschickt, um dafür eine Bestätigung der Mitgliedsländer zu erhalten. Er habe damit die Mitglieder erstens an die vereinbarte Förderobergrenze erinnern wollen und zweitens daran, dass die iranische Ölproduktion einen Teil der vereinbarten Fördermenge stellen werde.

Die Sanktionen gegen die iranische Öl-Industrie durch die USA und die EU hatte in den letzten Jahren zu einem drastischen Rückgang der iranischen Ölproduktion geführt und den Rang Irans unter den Öl produzierenden Ländern herabgestuft. "Der Ausschluss Irans aus dem Ölmarkt ist ungerecht und illegal, daher bedarf unsere Rückkehr auf den internationalen Ölmarkt keine Erlaubnis von niemandem", sagte Sangeneh drei Tage vor dem Beginn der OPEC-Tagung, die in Wien stattfand. Auf der Tagesordnung standen unter anderem der kontinuierliche Verfall des Ölpreises, die Aufhebung der Sanktionen gegen Iran, die Rückkehr Irans auf den Markt, die Aufnahme Indonesiens als neues Mitglied und der Antrag Irans zur Neubestimmung der Marktanteile und der Fördermengen.

Mehdi Assali, Leiter der Abteilung für OPEC-Angelegenheiten, erläuterte, das Schreiben von Sangeneh an die Mitglieder habe zur Konsequenz, dass Saudi-Arabien und einige andere Mitgliedstaaten ihre Produktion um 1,5 Millionen Barrel pro Tag reduzieren müssten, wenn Iran auf den Markt zurückkehrt und seine Produktion entsprechend erhöht..

Nach der OPEC-Tagung sagte der Generalsekretär der Organisation, die Mitglieder hätten keine Entscheidung über die Fördermenge treffen können, weil sie nicht absehen konnten, wie hoch die Produktion der einzelnen Länder nach der Aufhebung der Sanktionen gegen Iran insgesamt sein werde. Auch in der Abschlusserklärung der Tagung wurde die Fördermenge nicht erwähnt.

Sangeneh hatte vor Beginn der Tagung vor Journalisten gesagt, Iran werde auf jeden Fall nach der Aufhebung der Sanktionen seine Produktion um mindestens 500 Barrel pro Tag erhöhen.

Die OPEC-Länder produziert ein Drittel des auf dem Weltmarkt angebotenen Erdöls. Die von der Organisation festgelegte Förder-Obergrenze wird nach Schätzung von Experten nicht eingehalten, weil einige Länder mehr produzieren als der ihnen zustehende Marktanteil. Derzeit liegt die Gesamtproduktion der OPEC bei etwas mehr als 31 Millionen Barrel pro Tag.

Iran warf den OPEC-Mitgliedern vor, durch ihre großzügige Förderpolitik den Preisverfall des Öls auf dem Weltmarkt verursacht zu haben. "Es ist bekannt, welche Länder derzeit ein übermäßiges Angebot haben, und es gibt keine zwei Meinungen, wer da gemeint ist", sagte Sangeneh laut Reuters vom 6. Dezember. "Die Ölmärkte haben eben der OPEC-Entscheidung Rechnung getragen und die Länder mit einer übermäßigen Förderung sind dafür verantwortlich."


IRAN STREBT MITGLIEDSCHAFT IN DER WELTHANDELSORGANISATION AN

Während Iran sich auf die Aufhebung der von der UNO, den USA und der EU verhängten Sanktionen vorbereitet, äußerte der Minister für Industrie, Bergbau und Handel, Mohammad Resa Nematsadeh, den Wunsch nach Aufnahme in die Welthandelsorganisation (WTO). Iran sei für die Aufnahme bereit, sagte der Minister.

Nematsadeh war am 17. Dezember zur Teilnahme an dem Ministertreffen der WTO nach Nairobi gereist. Die Versammlung, die alle zwei Jahre stattfindet, ist das höchste Entscheidungsgremium der Organisation. "Iran betont den Wunsch nach Aufnahme in die WTO und hofft, dass die Mitglieder die Aufnahme aller Länder fördern und damit ihre strategischen Pflichten erfüllen", sagte Nematsadeh. Teheran habe einen überarbeiteten Bericht über das iranische Handelsregime erstellt und sei nun für die Verhandlung über seine Mitgliedschaft vorbereitet.

Bereits während der Präsidentschaft von Mohammad Chatami (1997-2005) hatte Iran versucht, die Mitgliedschaft der WTO zu erwerben. Doch das Land wurde 2005 zunächst nur als Mitglied mit Beobachterstatus aufgenommen. Der Atomkonflikt brachte die Verhandlungen ins Stocken. Nach dem nun der Konflikt beigelegt ist, hofft Teheran, bald als reguläres Mitglied aufgenommen zu werden. Die Mitgliedschaft erleichtert ausländische Investitionen und begünstigt den Außenhandel.


AIR FRANCE NIMMT WIEDER DIREKTFLÜGE NACH TEHERAN AUF

Die Fluggesellschaft Air France-KLM gab am 8. Dezember bekannt, dass sie in wenigen Monaten ihre Direktflüge nach Teheran wieder aufnehmen werde. Demnach wird die Gesellschaft wöchentlich dreimal (mittwochs, freitags und sonntags) vom Pariser Flughafen Charles de Gaulle den Teheraner Flughafen Imam Chomeini direkt anfliegen.

Die Air France Flüge wurden 2008 aus finanziellen Gründen eingestellt. Auch andere Flüge aus Europa nach Teheran wurden in den letzten Jahren aufgrund der gegen Iran verhängten Sanktionen ausgesetzt.

"Air France möchte die Wiederaufnahme der Wirtschaftsbeziehung zu Iran unterstützen, denn die Europäische Union ist der viertgrößte Handelspartner Irans", hieß es auf der Webseite der Gesellschaft. Mit der Wiederaufnahme dieser Flugverbindung zeigt die Fluggesellschaft Air France, dass sie alle lukrativen Möglichkeiten wahrnehmen möchte", sagte Frederic Gagi, Geschäftsführer der Fluggesellschaft.

Frankreich zählt zu den wichtigsten Handelspartnern Irans, insbesondere in der Öl- und Autoindustrie. Allerdings waren die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Ländern in den letzten Jahren infolge der Sanktionen eingeschränkt worden. Frankreich gehörte auch der 5+1-Gruppe an, die mit Iran über den Atomkonflikt verhandelte. Dabei stellten die Franzosen zumeist die härtesten Forderungen.

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AUSSENPOLITIK

• Konflikt zwischen Iran und Saudi-Arabien spitzt sich zu • Protest gegen Angriff auf Schiiten in Nigeria • Iranische Raketen in der Nähe von US-Kriegsschiffen abgefeuert • Unbestätigte Berichte über Besuch Soleimanis in Moskau • Ehemalige US-Geiseln werden entschädigt • Protest gegen neue Einreisebestimmungen der USA • Bilaterale Beziehungen zu den USA unter bestimmten Bedingungen möglich • Resaian durfte Weihnachten mit seiner Familie im Gefängnis feiern • Iran und Syrien • Iran und die Türkei • Lob und Tadel der UNO für die Menschenrechtspolitik Irans • Orban in Teheran


KONFLIKT ZWISCHEN IRAN UND SAUDI-ARABIEN SPITZT SICH ZU

Die Hinrichtung von 47 Häftlingen in Saudi-Arabien am 2. Januar, denen terroristische Aktivitäten vorgeworfen wurden, hat in Iran heftige Proteste ausgelöst. Der Prost entzündete sich vor allem daran, dass sich unter den Hingerichteten der einflussreiche schiitische Geistliche Scheich Nimr al-Nimr und vier weitere Schiiten befanden. Al-Nimr spielte bei den Protesten der Schiiten in Saudi-Arabien während des "arabischen Frühlings" eine führende Rolle.

Iran verurteilte die Hinrichtungen scharf. Revolutionsführer Ali Chamenei warnte die Saudis vor der "Rache Gottes". "Das ungerechtfertigt vergossene Blut dieses Märtyrers wird rasche Konsequenzen haben und die Hand Gottes wird Rache an der saudi-arabischen Führung nehmen", sagte Chamenei.

Wenige Stunden nach der Hinrichtung stürmte eine wütende Menge die saudische Botschaft in Teheran und setzte Teile des Gebäudes in Brand. Auch das saudische Konsulat in Maschad, im Nordwesten Irans, wurde angegriffen. Laut Angaben der Polizei wurden in Teheran 40 und Maschad vier Personen festgenommen.

Der ultra-konservative Teheraner Freitagsprediger, Ayatollah Ahmad Chatami, prophezeite, die Exekution der Schiiten werde die saudische Führung zum Sturz bringen und die sunnitische Herrscherfamilie aus den Geschichtsbüchern löschen. Und der einflussreiche Geistliche Ayatollah Makaram Schirasi warf den Saudis vor, unter Schiiten und Sunniten Zwietracht säen zu wollen. "Darüber können sich nur die USA und die Zionisten freuen", sagte Schirasi.

Anders als die geistlichen Instanzen und die konservativen Politiker, versuchte die Regierung von Präsident Hassan Rohani die Auseinandersetzung zu deeskalieren. Auch Rohani verurteilte die Hinrichtung der Schiiten als ein Akt, der die Spaltung der Muslime befördere und nur den Terroristen nütze. Er warnte aber zugleich davor, dass die Demonstranten in Iran dem Ansehen der Islamischen Republik durch ihre illegalen Handlungen Schaden zufügen könnten. Er verurteilte die Angriffe auf saudische Einrichtungen und ordnete an, die Täter festzunehmen und zu bestrafen.

Auch das Teheraner Außenministerium verbot in einer Erklärung alle Versammlungen vor den saudischen Vertretungen in Iran. "Wir verstehen die Wut der Bürger, aber trotzdem sollten sie sich vor keiner der diplomatischen Vertretungen Saudi-Arabiens versammeln", sagte Außenamtssprecher Dschaber Ansari. Er betonte, dass die Polizei Versammlungen nicht dulden und falls nötig auflösen werde. An die Saudis gerichtet sagte er, sie könnten ihre inneren Probleme nicht lösen, indem sie sie nach außen tragen würden. Er warnte die Saudis davor, ihre "Politik der Spannung und Konfrontation" fortzusetzen.

Riad reagierte auf die Proteste mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Iran und zog sein Botschaftspersonal aus Teheran ab und forderte die iranischen Diplomaten auf, binnen 48 Stunden das saudische Königreich zu verlassen. Außenminister Al-Dschubair bezeichnete den Angriff auf die saudische Botschaft als "schwerwiegenden Bruch internationaler Konvention". Er bezichtigte Iran der Unterstützung der Terror-Organisation Al-Kaida und des Waffenschmuggels. "Wir lehnen es ab, mit einem Staat zu tun zu haben, der Terrorismus unterstützt und Chaos und sektiererische Spannungen in der islamischen Welt verbreitet", sagte der Minister.

Irans Vizeaußenminister Hossein Amir Abdollahian kritisierte die Entscheidung Riads, die diplomatischen Beziehungen zu Teheran abzubrechen. Wieder einmal begehe Saudi-Arabien einen strategischen, voreiligen und unbedachten Fehler, der zur Verschärfung der Lage in der Region führen und den Terrorismus und Extremismus fördern werde.

Indes brach auch das Königreich Bahrain seine diplomatischen Beziehungen zu Teheran ab. Damit reagierte das Land nach eigenen Angaben auf die zunehmende "offene und gefährliche Einmischung" Irans in die Angelegenheiten Bahrains und anderer arabischen Staaten. Auch die Arabischen Emirate haben ihre Beziehungen zu Teheran herabgestuft. Zuletzt brach auch Sudan seine Beziehungen zu Iran ab.

Die USA und andere Staaten warnten vor einer Eskalierung des Streits zwischen Teheran und Riad. Russland versucht nun zwischen den beiden Staaten zu vermitteln wie aus Diplomatenkreisen berichtet wurde. Moskau habe gute Beziehung zu beiden Staaten und hoffe, den Konflikt schlichten zu können.


PROTEST GEGEN ANGRIFF AUF SCHIITEN IN NIGERIA

Bei einem Telefongespräch mit dem nigerianischen Präsidenten Muhammadu Buhari am 15. Dezember zeigte sich Irans Präsident Hassan Rohani besorgt über das Schicksal des Anführers der nigerianischen Schiiten Ibrahim Zakzaky. Er forderte die Einberufung einer Wahrheitskommission, die den Angriff der Militärs gegen die Schiiten in Nigeria untersuchen solle. Zugleich bot er an, zur Behandlung der Verletzten ein medizinisches Team nach Nigeria zu entsenden.

Es gäbe Gruppen, die zwischen den Muslimen Zwietracht säen wollten, sagte Rohani. "Wir dürfen nicht zulassen, dass kleine Meinungsverschiedenheiten zu tiefen Auseinandersetzungen führen."

Das Militär hatte am 12. Dezember einen Angriff gegen die "Islamischen Bewegung von Nigeria" (IMN) und deren Anführer Zakzaky gestartet. Dabei soll es laut Medien mehrere Tote und zahlreiche Verletzte gegeben haben. Laut Angaben von IMN soll der Angriff zwei Tage lang gedauert haben. Es seien "Hunderte Schiiten" im sunnitisch dominierten Zaria getötet worden. Zu den Opfern sollen auch Zakzakys Frau und Sohn gehören. Zakzaky selbst sei festgenommen worden.

Der Angriff sei erfolgt, weil die IMN ein Attentat auf den Oberbefehlshaber der Streitkräfte geplant habe, erklärte die militärische Führung. IMN bestreitet derlei Absichten vehement.

Wie das Büro Rohanis berichtete, habe Buhari bei dem Telefongespräch erklärt: "Ich habe einen detaillierten Bericht des Vorfalls und klare Stellungnahmen der Verantwortlichen angefordert. Wir werden alles versuchen, um wieder Ruhe herzustellen. Zudem werden wir die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen."

In Teheran protestierten mehrere Hundert Demonstranten vor der nigerianischen Botschaft. Parlamentspräsident Ali Laridschani verurteilte in einem Schreiben an den nigerianischen Parlamentspräsidenten den Angriff gegen die Schiiten und forderte die sofortige Freilassung Zakzakys und die Bestrafung der Verantwortlichen.


IRANISCHE RAKETEN IN DER NÄHE VON US-KRIEGSSCHIFFEN ABGEFEUERT

Nach Angaben von US-Militärs haben die iranischen Revolutionsgarden am 30. Dezember mehrere Raketen in der Nähe von amerikanischen Kriegsschiffen abgefeuert. Der Vorfall habe sich in der Straße von Hormos ereignet, sagte der Sprecher des US-Zentralkommandos, Kyle Raines. Er bezeichnete den Vorfall als "höchst provokativ" und gefährlich, er stelle Irans Pflicht, die Sicherheit des internationalen Wasserweges zu gewährleisten, in Frage.

Einem Bericht der NBC zufolge zielten die Raketen nicht direkt auf die Kriegsschiffe. Die iranischen Schiffe hätten die Übung 23 Minuten zuvor angekündigt. Die Straße von Hormos gilt als einer der wichtigsten Handelswege der Welt. Hier wird fast ein Drittel des gesamten Ölhandels abgewickelt.


UNBESTÄTIGTE BERICHTE ÜBER BESUCH SOLEIMANIS IN MOSKAU

Die englischsprachige Abteilung der Agentur Fars berichtete am 16. Dezember unter Berufung auf ungenannte Quellen, der legendäre General Ghassem Soleimani, Oberbefehlshaber der Al-Kuds Brigade, sei zu einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau gewesen. Die Al-Kuds Brigade ist die Abteilung der Revolutionsgarden (Pasdaran), die für Auslandseinsätze zuständig ist. Sie ist gegenwärtig sowohl in Syrien als auch im Irak besonders aktiv. Anlass des Besuchs seien klärende Gespräche über die Themen, die beim Treffen von Putin mit Revolutionsführer Ali Chamenei im vorigen Monat in Teheran erörtert worden seien, gewesen. Dazu zählten vor allem die Aktivitäten Russlands und Irans in Syrien gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS). Wie Fars berichtet, soll Putin Soleimani bei dem Treffen mit Chamenei als "meinen Freund" bezeichnet haben.

Dem Bericht von Fars zufolge, soll Soleimani sich drei Tage lang in Moskau aufgehalten haben. Neben Putin habe er auch andere führende russische Politiker getroffen.

Demgegenüber berichtete die Agentur Tasnim, die Pasdaran hätten die Nachricht über den Besuch dementiert. Bereits im vergangenen Sommer, kurz vor dem Beginn der Luftangriffe Russlands gegen Stellung des IS, berichteten Medien im In- und Ausland über ein Treffen Soleimanis mit Putin.

Russland dementierte am 16. Dezember die Berichte über den Besuch Soleimanis in Moskau.


EHEMALIGE US-GEISELN WERDEN ENTSCHÄDIGT

Der US-Kongress verabschiedete am 25. Dezember das neue Ausgabengesetz, in dem auch die Entschädigung der 53 Angehörigen der US-Botschaft vorgesehen ist, die im November 1979 in Teheran Opfer einer Geiselnahme wurden. Die meisten von ihnen verbrachten 444 Tage in der Geiselhaft. Dem Beschluss des Kongresses entsprechend sollen die Betroffenen bzw. die Hinterbliebenen für jeden der 444 Tage 10.000 US-Dollar, d.h. insgesamt bis zu 4,4 Millionen Dollar, erhalten.

Die Opfer hatten in den vergangenen 35 Jahren mehrmals vergeblich versucht, Entschädigung zu erhalten. "Es war ein langer mühsamer Kampf", sagte einer der Anwälte, Thomas Lankford, der Nachrichtenagentur AFP. "Ich hätte mir nie träumen lassen, als ich mich 1999 indem Fall engagierte, dass ich 16 Jahre damit befasst sein würde."

Wie die New York Times berichtete, sollen die Entschädigungen finanziell durch die Strafzahlungen der französischen Bank BNP Paribas gedeckt werden. Die Bank musste rund neun Milliarden Dollar Strafe zahlen, weil sie in der Vergangenheit Sanktionen gegen Iran, Sudan und Libyen missachtet hatte.


PROTEST GEGEN NEUE EINREISEBESTIMMUNGEN DER USA

"Sollten sich die neuen Einreisebestimmungen der USA im Widerspruch zu dem Atomabkommen befinden, werden wir dagegen vorgehen", sagte Vizeaußenminister Abbas Araghtschi, der auch zuletzt die iranische Delegation bei den Atomverhandlungen führte. Die vom US-Repräsentantenhaus beschlossenen Einreisebestimmungen hätten "verschiedene juristische Aspekte". Darüber verhandele Teheran derzeit mit der 5+1-Gruppe und der Europäischen Union.

Das US-Repräsentantenhaus hatte am 8. Dezember Einschränkungen für Angehörige von 38 Staaten beschlossen, die ohne Visum in die Vereinigten Staaten einreisen dürfen. Sollten diese in den vergangenen fünf Jahren in Syrien, Irak, Iran oder Sudan gewesen sein, benötigen sie ein Einreisevisum. Staatsbürger der genannten vier Staaten brauchen ebenfalls ein Visum, selbst dann, wenn sie ebenfalls eine Staatsbürgerschaft jener Staaten besitzen, deren Angehörige keine Visumspflicht haben. Der Beschluss des Repräsentantenhauses wurde vom US-Senat verabschiedet und vom Präsidenten unterzeichnet.

Araghtschi erläuterte die Widersprüche, die er zwischen den neuen Einreisebestimmungen und dem Atomabkommen sieht, allerdings nicht.

US-Außenminister John Kerry versicherte am 20.Dezember in einem Brief an Irans Außenminister Dschawad Sarif, der Beschluss werde so umgesetzt, dass er den berechtigten iranischen Handelsinteressen nicht schade. "Ich bin sicher, dass die neuen Einreisebestimmungen unter keinen Umständen unsere im Atomabkommen vereinbarten Verpflichtungen infrage stellen oder die wirtschaftlichen Interessen Irans antasten werden. Um dies zu garantieren, stehen der amerikanischen Regierung bestimmte Instrumente zur Verfügung, zum Beispiel ein Handelsvisum für die Dauer von zehn Jahren mit mehrmaliger Einreiserlaubnis, rasche Erteilung von Handelsvisa und bestimmte Ausnahmeregelungen."

Der Brief des US-Außenministers biete eine ausreichende Garantie dafür, dass das Atomabkommen nicht durch die neuen Einreisebestimmungen beeinträchtigt werde, sagte Araghtschi am 21. Dezember. Zugleich betonte er, sollten die neuen Vorschriften doch die Handelsinteressen Iran infrage stellen und das Atomabkommen verletzen, werde Teheran die gemeinsame Kommission zur Überwachung des Atomabkommens einberufen. Weiter sagte Araghtschi, verschiedene Lobbyisten, wie die der Zionisten, hätten in den vergangenen Monaten versucht, die Umsetzung des Atomabkommens zu verhindern. Iran werde das Verhalten der USA genau beobachten und darauf achten, dass sie ihre eingegangenen Pflichten einhalten. Seiner Meinung nach seien auch die Europäer gegen die neuen Einreisebestimmungen.

Auch Außenminister Sarif sagte am 25. Dezember auf einer Pressekonferenz in Teheran, die neuen Einreisebestimmungen stellten einen Verstoß gegen das Abkommen dar. "Die Umsetzung der neuen Bestimmungen, so wie vom US-Kongress verabschiedet, sind eindeutig ein Verstoß gegen das Atomabkommen", sagte der Minister. Man müsse nun abwarten und prüfen, inwieweit es der US-Regierung gelingen werde, ihre Möglichkeiten einzusetzen, um Verstöße gegen das Abkommen zu verhindern. "Wir haben unsererseits alles unternommen und werden uns weiterhin darum kümmern, um diese Angelegenheit zu klären. Unser Verhandlungspartner ist die US-Regierung. Was der Kongress beschließt, kümmert uns nicht. Die US-Regierung hat bestimmte Verpflichtungen übernommen. Es ist nun ihr Problem, wie sie die innenpolitischen Schwierigkeiten überwindet."

Indes haben einige Kongress-Mitglieder Außenminister Kerry wegen des Briefs an Sarif scharf kritisiert. Zwanzig Mitglieder unterzeichneten einen Brief an Kerry, in dem es heißt: "Wir verurteilen die von Ihnen erteilte Zusicherung scharf, nötigenfalls die neuen Einreisebestimmungen auszusetzen, das heißt Bestimmungen auszusetzen, die verhindern sollen, dass Personen, die die Sicherheit der Vereinigten Staaten bedrohen könnten, einreisen. " Es gebe keinen nachvollziehbaren Grund, ein Gesetz, das sich gegen den Terrorismus richtet, nicht auf ein Land wie Iran anzuwenden.

Die neuen Einreisbestimmungen forderten auch die Kritik europäischer Staaten heraus. In einem offenen Brief, der von der EU-Außenbeauftragten und 28 EU-Botschaftern unterzeichnet wurde, wurde kritisiert, dass Bürger europäischer Staaten mit doppelter Staatsbürgerschaft, die aus den Ländern Irak, Syrien, Sudan oder Iran stammten, Nachteile in Kauf zu nehmen hätten. Die Botschafter warnen, dass die neuen Einreisebestimmungen auch zu Maßnahmen führen könnten, die sich gegen die Bürger der Vereinigten Staaten richteten. "Ohne mehr Sicherheit zu bieten, werden die neuen Bestimmungen der Wirtschaft der Länder dies und jenseits der Atlantik Schaden zufügen", hieß es in dem Brief. Hinzu kämen die erheblichen Einschränkungen für 13 Millionen europäische Staatsbürger, die jährlich in die USA reisten. Außerdem seien auch jene EU-Bürger betroffen, die nach Syrien und in den Irak reisten. Dies seien vorwiegend Journalisten und Menschen, die medizinische Hilfe leisteten oder andere humanitäre Aufgaben übernähmen.


BILATERALE BEZIEHUNGEN ZU DEN USA UNTER BESTIMMTEN BEDINGUNGEN MÖGLICH

Im Gegensatz zu Revolutionsführer Ali Chamenei und den Radikalkonservativen will die Regierung Rohani bilaterale Beziehungen zu den Vereinigten Staaten nicht kategorisch ausschließen. Voraussetzung sei jedoch die seriöse Umsetzung des im Juli vereinbarten Atomabkommens, sagte Regierungssprecher Dschaber Ansari. "In dem Fall könnte dies den Weg für eine weitere Zusammenarbeit beider Länder ebnen."

Während die Regierung von Präsident Rohani eine Öffnung nach außen anstrebt, was auch die bilateralen Beziehungen zu den USA einschließt, befürchten die Konservativen, eine Zusammenarbeit mit den USA könnte das Land wieder in die Abhängigkeit des Westen bringen und noch wichtiger, dem Westen den Weg für eine kulturelle Unterwanderung öffnen. Ihnen ist auch bewusst, dass eine Annährung Irans an den Westen und damit ein Ende der 35 Jahre lang praktizierten Feindschaft zum Westen die Legitimation des islamischen Regimes in Frage stellen würde. Die Kontroverse über die Beziehungen zu den USA und insgesamt zum Westen haben daher längst zu einer Frontbildungen geführt, die sich wahrscheinlich in den nächsten Jahren weiter verschärfen wird.


RESAIAN DURFTE WEIHNACHTEN MIT SEINER FAMILIE IM GEFÄNGNIS FEIERN

Einem Bericht der Washington Post vom 25. Dezember zufolge durfte ihr Reporter Jason Resaian, der seit mehr als 500 Tagen in einem Teheraner Gefängnis festgehalten wird, das Weihnachtsfest mit seiner Frau und seiner Mutter feiern. "Nach langen Bemühungen durch mich und Jeganeh (Resaians Frau) ist es uns gelungen, die Erlaubnis zu einem Besuch zu erhalten", sagte die Mutter. "Es war das erste Mal in diesem Jahr, dass wir Jason im Gefängnis besuchen konnten. Wir haben ihm selbstgekochtes Essen gebracht. Es waren schöne Stunden, die uns an gemeinsame frühere Ferien erinnerten."

Resaian, 39, besitzt sowohl die iranische als auch die amerikanische Staatsbürgerschaft. Seine Mutter ist Amerikanerin, sein Vater Iraner.

Martin Baron, Chefredakteur der Washington Post, begrüßte den Besuch und sagte, es sei bemerkenswert, dass dieser Besuch ein "sehr seltenes Ereignis" in den 522 Tagen bilde, die ein guter, ehrwürdiger und unschuldiger Mensch zu Unrecht in Haft verbracht habe.

Resaians Anwältin, Leila Ehsan, kritisierte, dass das Urteil gegen ihren Mandanten bereits im Oktober gefällt worden sei, aber weder sie noch Resaian darüber informiert worden seien. Resaian wurde nach Aussagen des Generalstaatsanwalts Mohseni Ejehis wegen Spionage für ausländische Geheimdienste und Propaganda gegen die Islamische Republik verurteilt. Resaian sowie die Washington Post und die US-Regierung bestreiten die Vorwürfe und bezeichnen sie als "absurd".


IRAN UND SYRIEN

Am 2. Dezember starb ein weiterer hochrangiger Offizier der iranischen Revolutionsgarden (Pasdaran) in Syrien. Nach Agenturmeldungen wurde General Abdol-Raschid Raschwand in Aleppo getötet. Das Engagement Irans im syrischen Krieg hat besonders nach Beginn der russischen Luftangriffe zugenommen, obwohl Teheran weiterhin behauptet, militärisch in Syrien nur beratend tätig zu sein.

Den Einsatz Deutschlands und Großbritanniens im syrischen Krieg bezeichnete Teheran als illegitim. Vizeaußenminister Hossein Abdollahian sagte am 3. Dezember, das Engagement der beiden Länder sei ohne Absprache mit der syrischen Regierung erfolgt und sei daher als Einmischung in die Angelegenheiten eines souveränen Landes rechtswidrig. Demgegenüber sein der Einsatz Russlands, genauso wie auch der Irans, mit der Zustimmung der syrischen Regierung erfolgt.

Am 6. Dezember sagte der außenpolitische Berater des iranischen Revolutionsführers, Ali Akbar Welayati, nach einem Treffen mit dem syrischen Präsidenten Assad, Iran unterstütze sowohl politisch als auch militärisch das syrische Regime. Er betonte: "Assad ist die rote Linie der Islamischen Republik." Im iranischen Fernsehen sagte er, wenn die Unterstützung Irans nicht gewesen wäre, wäre die syrische Regierung längst gestürzt. Es sei durchaus möglich, dass auch China aus Sorge um die Einflussnahme der Wahabiten auf die chinesischen Muslime in Syrien aktiv werde. Die Russen seien bemüht, ihre Aktivitäten in Syrien mit denen Irans zu koordinieren. "Früher hatten wir manchmal unterschiedliche Positionen, doch nach unseren Gesprächen haben wir unsere Standpunkte vereinheitlicht", sagte Welayati. Denn die strategische, militärische und politische Zusammenarbeit zwischen Russland und Iran sei neu und die Annäherung der Standpunkte habe Zeit gebraucht.

Welayati kritisierte andere Staaten, die sich ohne Zustimmung der syrischen Regierung militärisch im Land engagierten. Früher habe man von einer "Neuordnung des Nahen Ostens" gesprochen. Das eigentliche Ziel sei jedoch die Zerstörung der gesamten Region gewesen. Die Lage in Libyen, Syrien, Irak, Jemen, Somalia und Afghanistan veranschauliche die westliche Politik.

Welayati war am 29. November mit einer Delegation zum "Treffen mit hochrangigen Politikern Syriens" nach Damaskus gereist. Wie das iranische Fernsehen berichtete, sagte Assad beim Treffen mit ihm: "Die jüngsten Erfolge der syrischen Streitkräfte im Kampf gegen terroristische Gruppen sind einzig durch die Hilfe befreundeter und verbündeter Staaten, vor allem Irans und Russlands möglich gewesen."

Indes äußerte sich US-Außenminister John Kerry optimistisch über die zweite Runde der Wiener Verhandlungen zur Lösung der Syrienkrise. Er hatte zuvor die Möglichkeit erwogen, die syrischen Streitkräfte in den Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) einzubeziehen, sogar vor einer Einigung über das Schicksal von Präsident Assad. Man hatte sich bei der Syrien-Konferenz in Wien, an der auch Iran zum ersten Mal teilnahm, darüber verständigt, innerhalb der nächsten sechs Monate eine provisorische Regierung zu bilden und achtzehn Monate danach Wahlen abzuhalten. Die Verhandlungen zur Bildung der Interimsregierung sollen Anfang Januar beginnen.

Das Hauptproblem bei den Verhandlungen ist nach wie vor das Schicksal von Präsident Assad. Die westlichen Staaten, allen voran die USA, bestehen darauf, dass Assad bei der Bildung der neuen Regierung keine Rolle spielen soll. Demgegenüber halten Russland und Iran an dem Grundsatz fest, dass einzig und allein das syrische Volk über die Zukunft des Landes entscheiden solle. Aus dieser scheinbar unüberbrückbaren Haltung ist Frankreich nun ausgeschert. Nach den Anschlägen von Paris sagte Außenminister Laurent Fabius, ein Rücktritt Assads sei vor einem Machtwechsel in Syrien nicht notwendig. Der Krieg gegen den IS sei ernst. Er könne nur dann zum Erfolg führen, wenn alle Kräfte in Syrien und in der Region an einem Strang zögen, sagte der Minister.

Indes einigten sich die wichtigsten syrischen Oppositionsgruppen, die sich auf Initiative Saudi-Arabiens am 10. Dezember in Riad getroffen hatten, auf einen ersten Fahrplan. Sie erklärten sich in einem Abschlussdokument bereit, mit der syrischen Führung zu verhandeln, betonten aber zugleich, dass Präsident Assad zu Beginn der Übergangsphase seine Macht abgeben müsse.

Das Treffen in Riad löste in Teheran Kritik aus. Unter den Gruppen, die sich getroffen haben, gebe es einige "Terrorgruppen", die zum Teil auch mit dem IS verbündet seien, sagte Vize-Außenminister Hossein Amirabdollahian. Auch die USA äußerten sich zurückhaltend zu dem Treffen. Außenminister Kerry sagte, es gebe noch offene Fragen und "etliche Knoten", die "entwirrt werden" müssten. "Ich muss hören, welche Antworten es auf einige Fragen gibt, die sich uns heute stellen."

Am 14. Dezember dementierte Iran abermals Berichte über einen Truppeneinsatz in Syrien. Alle iranischen Kräfte, die in Syrien seien, hätten ausschließlich eine beratende Funktion, sagte Militärsprecher Dschaber Ansari. Sollte es allerdings eine Anfrage der syrischen Regierung geben, werde man sie prüfen und dann eine Entscheidung treffen, zitierte ihn dpa in einer Meldung vom 14. Dezember. Wie es in dem Bericht heißt, hatte zuvor die Nachrichtenagentur Bloomberg gemeldet, Iran habe, nach dem einige seiner ranghohen Offiziere in Syrien getötet oder verletzt worden seien, mit dem Abzug eines erheblichen Teils seiner Elitesoldaten aus dem Land begonnen. Heute seien noch rund 700 Mitglieder der Revolutionsgarden in Syrien. Sie kooperierten mit der russischen Luftwaffe im Kampf gegen Terroristen.

Irans Außenminister Sarif äußerte sich am 16. Dezember auf dem Weg zur Teilnahme an der nächsten Syrien-Konferenz in New York skeptisch über die Erfolge der vorherigen Konferenz. Neben dem Schicksal Assads gehe es um die syrischen Oppositionsgruppen, die ab dem 1. Januar an den Friedensverhandlungen teilnehmen sollen. Umstritten sind jene Gruppen, die aus der Sicht des syrischen Regimes, Teherans und Moskaus als terroristisch betrachtet, aber von Saudi-Arabien, der Türkei und anderen Staaten unterstützt werden.

Die Gespräche in New York, die am 18. Dezember stattfanden, brachten nichts wesentlich Neues. Unter den rund zwanzig Teilnehmern, darunter auch die Kontrahenten Iran und Saudi-Arabien, zeigten sich einige skeptisch, ob die vereinbarten Gespräche zwischen dem Regime und den Oppositionsgruppen tatsächlich am 1. Januar beginnen könnten. Irans Präsident Hassan Rohani sagte am 20. Dezember bei einem Treffen mit dem französischen Senatschef Gérard Larcher in Teheran: "So lange der IS in Syrien ist, kann man in dem Land keinen demokratischen Wandel planen", und auch nicht den Flüchtlingsstrom stoppen. Daher gehe es zunächst darum, den IS aus Syrien zu verdrängen. So betrachtet sei eine Schwächung des syrischen Regimes kontraproduktiv. "Wir können nicht die Machtzentrale in Syrien schwächen und gleichzeitig behaupten, den Terrorismus dort bekämpfen zu wollen", zitierte dpa den Präsidenten in einem Bericht vom 27. Dezember.


IRAN UND DIE TÜRKEI

In den letzten Monaten hat sich das Verhältnis zwischen den Nachbarstaaten Iran und Türkei spürbar verschlechtert. Hauptkonfliktpunkte sind der Krieg in Syrien und der Kampf gegen den Terrorismus, allen voran gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS).

Anfang Dezember warnte die iranische Parlamentsabgeordnete Laleh Eftekhari die Türkei in einem Brief an die Frau von Präsident Erdogan vor der Unterstützung des IS. In dem Brief, der am 2. Dezember veröffentlich wurde, äußert Eftekhari ihre Verwunderung über ein Foto, auf dem der Sohn Erdogans, Balal, mit den Führern des IS zu sehen ist und schreibt: "Meine liebe Schwester, wir sind beide Mütter. Es ziemt sich nicht, wenn eine Mutter (über solche Ereignisse) schweigt und sich gleichgültig verhält."

"Ich schreibe Ihnen diesen Brief, weil ich bisher glaubte, Sie seien gegen die Unterstützung Ihres Landes für den IS, und sie seien traurig über die syrischen Frauen und Kinder auf den kalten Straßen Ihres Landes", heißt es in dem Brief. "Als ich aber das Foto sah und feststellte, dass Sie dazu geschwiegen haben, war ich sehr verwundert. Sie leben in einem Land, das den IS in seinem Schoß großgezogen hat und ihn in seinem Kampf gegen unschuldige Menschen in Syrien unterstützt. Heute erleben wir, dass Feinde versuchen, mit Plänen, die sie als britischen und amerikanischen Islam bezeichnen und mit denen sie den IS hervorgebracht haben, einen verzerrten, aggressiven, erbarmungslosen, unmenschlichen Islam zu präsentieren. In dieser Lage haben alle die Pflicht (...) das wahre Gesicht des Islam zu zeigen." Zum Schluss äußert Eftekhari die Hoffnung, dass Balal Erdogan und ihr Mann ihre Meinung änderten und entsprechende Schritte gegen den IS einleiten werden.

Erdogan bestritt den auch von Russland erhobenen Vorwurf, den IS unterstützt und mit ihm Geschäfte gemacht zu haben. Er sagte, er habe Präsident Rohani in einem Telefongespräch aufgefordert, dafür zu sorgen, dass solche Behauptungen gegen seine Regierung und seine Familien in den iranischen Medien unterlassen würden.

Dazu nahm der iranische Regierungssprecher Mohammad Bagher Nobacht am 8. Dezember vor der Presse Stellung. Falls es stimme, dass Erdogan Drohungen gegen Iran ausgesprochen habe, sollte er wissen, dass Irans Außenminister noch größeren Leuten als ihn gewarnt habe, niemals einem Iraner zu drohen. Es sei fraglich, welchen Rat die Berater Erdogans ihm gegeben hätten. Heute sei die Türkei im Streit mit dem Irak, mit Syrien und Russland und nun solle auch noch Iran dazukommen. Die Türkei sollte keine Abenteuer wagen und versuchen, eine verantwortungsvolle Politik zu praktizieren, sagte Nobacht.

Am 24. Dezember sagte Irans Parlamentspräsident Ali Laridschani vor einer Versammlung von Geistlichen in der heiligen Stadt Ghom, manche Länder in der Region verfolgten eine falsche Politik und manche möchten ein längst untergegangenes Imperium neu beleben. Dabei seien die Zeiten von Imperien längst vorbei und der Glaube an eine Auferstehung sei ein Irrglaube. Solche Gedanken und Vorstellungen richteten viel Schaden in der Region an. Laridschani vermied es jedoch, die Türkei und Saudi-Arabien beim Namen zu nennen.

Am 27. Dezember warf Erdogan Iran in einer Fernsehansprache vor, eine spalterische Politik zu betreiben. "Wenn Iran nicht mit seiner spalterischen Politik das Regime von Assad unterstützt hätte, würden wir vielleicht heute nicht über das Syrienproblem sprechen", sagte er. Wenige Tage zuvor hatte Erdogan erklärt, er habe den Vorschlag, sich der Koalition von Russland, Iran, Irak und Syrien anzuschließen, abgelehnt. Er habe Putin gesagt, er könne nicht neben Assad sitzen, denn dessen Regierung sei nicht legitim.


LOB UND TADEL DER UNO FÜR DIE MENSCHENRECHTSPOLITIK IRANS

Die UN-Vollversammlung hat am 18. Dezember eine Resolution verabschiedet, in der die Verletzung der Menschenrechte in Iran und Nordkorea verurteilt werden. Der von Kanada vorgelegte Resolutionsentwurf erhielt die Zustimmung von 81 Mitgliedern, 37 Staaten stimmten dagegen, 67 Staaten enthielten sich. Die Resolution verurteilt Iran wegen Repressionen gegen politische und gesellschaftliche Aktivisten und gegen Journalisten. Gerügt wird das Land auch wegen der Zunahme der Hinrichtungen.

Zugleich begrüßten die Versammelten die Bemühungen Präsident Rohanis in Bezug auf die Rechte von Frauen und Minderheiten sowie auf das Recht auf freie Meinungsäußerung.

Iran bezeichnete die Resolution als "politisch tendenziös". Die Resolution werde just in der Zeit verabschiedet, in der "Teheran eine Kooperation mit der Außenwelt anstrebt", hieß es in einer Stellungnahme des Außenministeriums.

Indes begrüßte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch eine neue Gesetzesvorlage im iranischen Parlament, in der die Aussetzung der Todesstrafe für Drogenhändler vorgeschlagen wird. Dem Bericht des UN-Menschenrechtsbeauftragten für Iran zufolge, richten sich mehr als zwei Drittel der Todesurteile in Iran gegen Drogenhändler.

Laut Angaben des Rechtsausschusses im islamischen Parlament hat eine Gruppe von Abgeordneten dem Parlament einen Gesetzesentwurf vorgelegt, in dem vorgeschlagen wird, künftig die Todesstrafe für Drogenschmuggler in eine lebenslange Haft umzuwandeln. Die Todesstrafe soll nur noch gegen Waffenschmuggler verhängt werden. Die Vorlage wird von 70 Abgeordneten unterstützt.

Iran verzeichnet nach China weltweit die höchste Anzahl an Hinrichtungen. In den vergangenen Jahren verlief durch Iran die wichtigste Route für den Drogenschmuggel aus Afghanistan. Einer Mitteilung der Polizei zufolge wurden mehr als 4.000 Polizisten im Kampf gegen die Schmuggler getötet.

In der Erklärung der Organisation Human Rights Watch heißt es, Hinrichtungen könnten das Drogenproblem nicht lösen. "Unsere Organisation ist grundsätzlich gegen die Todesstrafe, sie begrüßt aber auch Bemühungen, um die Todesstrafe einzuschränken."

In Iran werden alle, die Drogen produzieren, schmuggeln oder im Besitz von mehr als fünf Kilogramm Opium, mehr als 30 Gramm Heroin, Morphium oder anderen Drogen wie Glass sind, mit dem Tode bestraft.

Bereits vor geraumer Zeit hatte der Menschenrechtsbeauftragte der iranischen Justiz, Dschawad Laridschani, gesagt, mit einer einzigen Gesetzesänderung könnten 80 Prozent der Hinrichtungen abgeschafft werden. Er und sein Team würden sich für diese Änderung einsetzten, versprach er.

Die nun eingebrachte Gesetzesvorlage der 70 Abgeordneten hat auch entschiedene Gegner. Zum Beispiel Ali Moajedi, den Chef der Antidrogenabteilung der Polizei. Er kritisierte die Vorlage und sagte, es gehe nicht allein um Drogendelikte sondern auch um andere Straftaten, die mit der Drogenkriminalität zusammenhingen.

Human Rights Watch kritisiert, dass Drogenschmuggler nicht einmal nach den bestehenden Gesetzen behandelt würden. "Sie werden durch Folter zu Geständnissen gezwungen, bekommen keinen Anwalt und bei der Prozessführung werden die Regeln nicht eingehalten." Es gebe Prozesse, die nur fünf Minuten dauerten, heißt es in dem Bericht. Es gebe Gefangene, die länger als fünf Jahren in Untersuchungshaft gehalten worden seien. Ein Gefangener sei zwanzig Tage lang an die Decke gehängt und geschlagen worden. Gefangene müssten schriftliche Geständnisse unterschreiben, ohne den Inhalt zu kennen. Beim Gericht werde ihnen nicht erlaubt, sich selbst zu verteidigen.

Indes wurde offiziell bekannt, dass Mitte Dezember, innerhalb einer Woche, mindestens 24 Personen hingerichtet wurden, 16 von ihnen in Ghaswin wegen Drogenschmuggel und eine Person wegen Mordes, fünf in der Provinz Hormosgan als "bewaffnete Drogenschmuggler" und zwei in Schiras wegen Raubüberfällen.


ORBAN IN TEHERAN

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban traf am 1. Dezember zu einem offiziellen Besuch in Teheran ein. Als Geschenk für seinen Amtskollegen Hassan Rohani brachte er eine 175 Jahre alte geografische Karte Irans mit. Die Karte stammt aus dem Jahre 1840 und gehörte zu der nationalen Dokumentensammlung Ungarns.

Es war der erste Besuch eines ungarischen Ministerpräsidenten nach 37 Jahren. Orban wurde auch von Revolutionsführer Ali Chamenei empfangen. Bei seinem Treffen mit Rohani kritisierte er die Syrienpolitik der EU und forderte eine stärkere Einbindung Irans im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS). "Leider gibt es in der EU und im Westen keine klare und positive Linie für die Lösung der Krise in Syrien", zitierte ihn die dpa in einer Meldung vom 1. Dezember. Die EU müsse mehr mit Ländern wie Iran zusammenarbeiten, die in der Region größeren Einfluss hätten. Anders sei die Krise in Syrien nicht zu bewältigen.

Rohani sagte, über das Schicksal Syriens müsse einzig das syrische Volk entscheiden. Den IS bezeichnete er als ein Virus, der die ganze Welt zu verseuchen drohe. Auch in Syrien gehe es in erster Linie um den Kampf gegen den Terrorismus. Nicht Assad und sein Regime seien das Problem sondern der IS und andere terroristische Organisationen. Über das Schicksal Assads könne das syrische Volk, sobald die Voraussetzungen dafür geschaffen seien, in einer freien Wahl entscheiden.

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Impressum:
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Bauke Baumann
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15. Jahrgang

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Quelle:
Iran-Report Nr. 1/2016 - Januar 2016 / 15. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Februar 2016

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