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GUTE-NACHT/2230: Fett, das schützt (SB)


Das alte Schulhaus im Januar

Wollfett schützt die Schafe vor Nässe


Nebel liegt über dem alten Schulhaus, und kalt ist es geworden. So kalt, daß die Büsche und Bäume im alten Schulgarten Rauhreif angesetzt haben. Wenn der Nebel nicht allzubald verschwindet und die Sonne sich weiter versteckt, wird der bizarre Anblick den Bewohnern des früheren Schulhauses eine Weile erhalten bleiben.


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"Bei dieser Kälte geht doch keiner gern vor die Tür", sagt sich Willi, der frühere Hausmeister. Er blickt aus seinem Fenster hinüber zur Wiese hinter der Straße. Gestern konnte er hier noch die Schafe grasen sehen. Doch jetzt hat der Nebel sie alle verschlungen? "Sie haben nicht einmal einen Unterstand bei Regen und keinen Baum, der ihnen Schatten spendet, wenn die Sonne scheint", denkt Hausmeister Willi, "da haben es die Tiere meines Vaters aber besser gehabt. Sie hatten einen Unterstand auf der Weide und einen Schuppen für die kalte Jahreszeit."

Willi sucht erneut nach den Schafen auf der anderen Straßenseite. "Die Schafe meiner Eltern hatten wenigstens ein Herrchen und ein Frauchen, die sich Gedanken darüber machten, wie es ihren Tieren geht", überlegt Willi und grübelt weiter, "zum Glück hat die Natur den Tieren ein Fell gegeben, das gegen Kälte und Regen schützt. Besonders die Wolle der Schafe ist voller Wollfett. Da kommt so leicht keine Feuchtigkeit bis ganz auf die Haut."

Hausmeister Willi denkt daran, wie er ein Junge war. Mit seinen Eltern wohnte er auf einem Bauernhof, auf dem neben den Schafen auch ein Pferd, Hühner und Puten gehalten wurden. Einen Hund gab es auch und jede Menge Katzen. Willi erinnert sich: "Früher wurde die Wolle der Schafe, nachdem sie vom Schäfer geschoren worden waren, gewaschen, getrocknet und gekämmt. Dabei blieb noch jede Menge Wollfett in der Wolle drin. Die Wolle wurde gesponnen und konnte verstrickt werden. Aus dieser fetthaltigen Wolle entstanden bald Windelhöschen oder Jacken."


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"Windelhöschen aus Wolle, kratzt das nicht?" fragt ihr euch. Unter den Windelhöschen trugen die Babys Mullwindeln. Nun denkt ihr, wenn die Kleinen da hineinpullerten, käme doch unten alles wieder heraus. Doch dem war nicht so. Wenn die Wollhöschen noch das natürliche Wollfett der Schafe enthielten, hielt das die Feuchtigkeit in der Windel fest. War das nicht einfach prima? Die Babys von früher brauchten keine Plastikwindeln. So gab es viel weniger Müll als heute.

Auch für die Bettdecken wurde die fettige Schafwolle benutzt. Sie sollte besonders gut gegen Rheuma helfen. Auf großen Kammaschinen wurde die Wolle zu großen Vliesen gekämmt, aus denen dann die Decken entstanden. Heutzutage gibt es diese fettige Schafwolle kaum noch. Denn in den Kämmereien wollen sie die fettige Wolle nicht mehr annehmen. Das Fett muß vorher herausgewaschen sein, damit es nicht die Maschinen verschmutzt. Wenn man Glück hat und noch einen alten Kämmerer kennt, der zudem noch eine der alten Maschinen bedient, dann bekommt man ein so gutes Wollvlies wie das Fell der Schafe selbst. Darunter läßt es sich behaglich schlafen.


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Hausmeister Willi hat noch so eine Wolldecke aus einem Wollvlies. Dahinein kuschelt er sich jetzt am Abend.


Gute Nacht