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GUTE-NACHT/2400: Miranda (SB)


Miranda kann nicht einschlafen. Ihr gehen zu viele Dinge durch den Kopf. Was ist heute alles passiert. Mama und Papa haben sich gestritten. Das hat Miranda noch nie sonst gesehen. Es war, als würde der Boden unter Mirandas Füßen in zwei Hälften geteilt. Miranda war in ihr Zimmer gelaufen und hatte sich das Kissen über den Kopf gezogen. Sie wollte nichts hören. Mama und Papa waren so mit sich selbst beschäftigt gewesen, daß sie beide anscheindend gar nicht mitbekommen hatten, das Miranda in der Tür stand, während sie beide sich anschrien. Am Abend beim Abendbrot verhielten sich die beiden sehr ruhig, eigentlich wie immer. Doch Miranda konnten sie nicht darüber hinwegtäuschen, daß irgend etwas nicht stimmte. Was verheimlichten sie ihr?

Darüber denkt Miranda jetzt in ihrem Bett nach. Plötzlich hört sie ein Geräusch. Irgendetwas versteckt sich da in ihrem Zimmer, das dieses Geräusch verursacht hat. "Ist da wer?" fragt Miranda sehr leise, zieht sich dann aber ihr Kissen wie am Nachmittag über den Kopf. So kann sie natürlich eine Antwort auf ihre Frage nicht mitbekommen. Vorsichtig späht sie unter dem Kissen hervor und erschrickt. Denn ein kleines Wesen steht auf ihrer Brust. Schnell zieht sie das Kissen wieder über ihr Gesicht. Doch nun wird das Kissen leicht angehoben. Mirandas Neugier verschlägt ihr die Sprache und sie schreit nicht. Das kleine Wesen nimmt einen seiner Finger und kitzelt Miranda an der Nase, daß sie losniest. Dieses Niesen haut das kleine Wesen um, denn es ist sehr sehr leicht. Es fällt rücklings um und fliegt sogar noch einige Zentimeter weiter fort.

Daß dieses Wesen so leicht von den Füßen zu befördern ist, nimmt Miranda die Angst. Miranda setzt sich auf, was dem kleinen Wesen gleich noch einmal einen Schubs versetzt und es erneut rückwärts fällt. "Entschuldigung", sagt Miranda und reicht dem Wesen ihre Hand, um ihm auf zu helfen. Doch das Kerlchen stellt sich von alleine auf die Beine. "Wer bist du?" fragt Miranda ohne zu überlegen, ob das Wesen sie verstehen, geschweige denn überhaupt eine Sprache sprechen kann. Der kleine Kerl stemmt die Arme in seine schmale Taillie und blickt Miranda böse an. Miranda entdeckt einen langen Schwanz, der sich um den linken Arm ringelt.

"Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, weil du so traurig bist. Aber du schmeißt mich gleich zweimal um!" schimpft das Kerlchen jetzt los. "Ich habe mich doch entschuldigt", entgegnet Miranda, "das habe ich wirklich nicht gewollt. Außerdem hast du mich an der Nase gekitzelt und dann niese ich jedesmal."

Jetzt blicken sich die beiden lange in die Augen. Es ist Miranda, die zuerst zwinkert und den Bann bricht. Ihre unbeantwortet gebliebene Frage stellt sie jetzt noch einmal: "Wer bist du?" - "Wer bist du?" fragt das Kerlchen zurück. "Ich habe zuerst gefragt", protestiert Miranda. "Aber ich habe zuletzt gefragt. Wie ist die Antwort!" kontert das Kerlchen. "Ich bin Miranda! Meine Freundinnen rufen mich nur Mira." - "Mein Name ist Arim."

"Woher kommst du?" fragt Miranda. "Ich weiß nicht, ob ich dir das sagen kann", ist Arims Antwort. "Weißt du es denn nicht?" mutmaßt Miranda. "Ich weiß sehr wohl, woher ich komme. Aber wirst du es mir glauben?" stellt das Kerlchen jetzt die Gegenfrage. Miranda überlegt, woran glaubt sie denn? Mama will immer, daß sie betet und an Gott glauben soll. Aber Gott hat noch nie zu ihr gesprochen und gesehen hat sie ihn auch noch niemals. Jetzt aber steht hier ein Männchen, das sie noch niemals zuvor gesehen und von dem ihr noch nie einer etwas erzählt hat. Aber es ist da und so glaubt sie, daß es Arim gibt. Wenn er ihr also etwas ganz Außergewöhnliches zu berichten hat, wird sie ihm das bestimmt auch glauben. Er ist ja schließlich der Beweis für etwas Unvorstellbares. Deshalb sagt sie einfach: "Ich glaube dir, was du sagst." Arim sieht Miranda lange in die Augen und weiß dann, daß sie die Wahrheit spricht.

"Gut, ich verrate es dir. Es war so. Ich stand gerade vor meinem Haus, da öffnete sich über mir der Himmel und es wurde ganz dunkel. Dann aber schien sich die Dunkelheit erneut zu öffnen und Licht fiel auf mich und sog mich geradezu an. ich schloß die Augen und als ich sie wieder öffnete war ich hier bei dir."

Miranda hört sich Arims Erklärung an, doch sie wurde nicht gerade schlau daraus. Jedoch scheint es sich um eine längere Reise zu handeln, die Arim hinter sich gebracht hat. Wenn Miranda von einer langen Reise zurückkehrt, ist sie immer sehr müde. Ob Arim jetzt auch sehr müde ist?

"Bist du müde?" fragt Miranda und ohne eine Antwort abzuwarten, klettert sie aus ihrem Bett und schiebt das Puppenbett an ihr eigenes heran. "Hier kannst du dich richtig ausruhen, wenn du magst." Arim springt von Mirandas großem Bett auf das Puppenbett. Gut, daß er so leicht ist, wer weiß wie sonst das Puppenbett reagiert hätte. Miranda nimmt die Puppendecke und wartet bis sich Arim hingelegt hat. Nun deckt sie den kleinen Kerl zu und schlüpft wieder selber unter ihre eigene Decke. "Erzählst du mir morgen, was du heute Nacht träumst?" fragt Miranda. "Warum möchtest du das wissen?" fragt Arim. "Meine Mama sagt, wenn man das erste Mal in einem fremden Bett schläft und etwas träumt, kann das in Erfüllung gehen." Das Kerlchen schließt die Augen und dreht sich auf die linke Seite, so daß Miranda sein Gesicht sehen kann. "Ich glaube, ich werde es dir erzählen." Mehr sagt das Kerlchen nicht mehr. Miranda sieht noch lange auf das Puppenbett. Irgendwann aber schläft sie ein, ohne es zu bemerken.

13. August 2007

Gute Nacht