Schattenblick →INFOPOOL →KINDERBLICK → GESCHICHTEN

GUTE-NACHT/2439: Von der Zehn, die auf einen schrumpft (SB)


Zehn

Auch Nils ging in die erste Klasse und hatte die Hausaufgabe erhalten, herauszufinden, ob es irgendeinen Raum bei ihm zuhause gab - und sei es auch nur der kleinste -, in dem keine Zahl zu finden sei.

Auf dem Nachhauseweg freute sich Nils schon auf seine Hausaufgabe. Die kam ihm vor wie ein Detektivspiel. Im Gegensatz zu dem, was sein großer Bruder immer sagte, war Schule also gar nicht so übel.

Nach dem Mittagessen legte sich Nils auf sein Hochbett und ging in Gedanken die Wohnung durch. Warum sich anstrengen und suchen, wenn man die Aufgabe auch im Liegen erledigen konnte. Ein bißchen kam sich Nils jetzt wie Kwiatkowski vor. Nils hatte sich von seinem Vater alle Bücher von diesem Detektiv vorlesen lassen. Kwiatkowski war nicht viel älter als Nils. Jedesmal wenn er einen Fall zu erledigen hatte, trank er Mengen an Milch und kaute ständig seine Lieblingskaugummis. Nils mochte keine Milch, aber gegen einen Kaugummi hatte er nichts einzuwenden. So steckte er sich einen in den Mund. Es war der letzte Streifen, den er in seiner Süßigkeiten- Dose fand.

Nachdem das Kaugummi gut eingekaut war, ging Nils alle Zimmer der Wohnung durch. Er brauchte ja nicht lange überlegen. Nur eine Zahl reichte schon aus, um den Raum abzuhaken.

In der Küche war es kein Problem eine Zahl zu finden. Allein am Herd gab es drei Drehknöpfe mit den Zahlen von eins bis drei. Sie sollten anzeigen, wie heiß die Herdplatten eingestellt werden konnten. Im Kühlschrank dagegen ging es um Kälte. Da gab es ein Rädchen mit den Ziffern von eins bis sieben. Je höher die Zahl, je kälter wurde der Kühlschrank. An diesem Rädchen durfte keiner außer Mama drehen, sonst wurde sie fuchsteufelswild.

Nils ging in Gedanken über den Flur. Hier befand sich eine Tür mit zwei Nullen. Was das bedeutete, war ja klar.

Durch diese Tür schritt er nun. Auch in diesem kleinen Raum gab es Zahlen. Über dem Waschbecken hing ein Spiegel. Unten rechts in der Ecke befand sich ein Aufkleber. Darauf stand eine Adresse. Die Postleitzahl und die Hausnummer waren hier durch Zahlen dargestellt.

Weiter betrat Nils das Spielzimmer seines kleinen Bruders. Ob es auch hier Zahlen gab? Flori ging doch noch nicht einmal zur Schule so wie er jetzt. Doch dann erinnerte sich Nils, daß er seinem kleinen Bruder alle Bilderbücher geschenkt hatte, einen Tag bevor er selber ein Schulkind wurde. Unter diesen Büchern befand sich auch das Buch von den zehn Wichteln, von denen immer einer nach dem anderen verlorenging bis nur noch einer übrig geblieben war. Der war dann so traurig, daß er in die Welt hinauszog, die anderen zu finden, um nicht mehr allein zu sein. Ob ihm das gelungen war?

Bei dieser Frage kam Mama ins Zimmer. "Ich dachte du machst Hausaufgaben?", schalt sie Nils. "Aber das mache ich doch auch!" gab Nils vom Hochbett herunter zur Antwort. "Das sind ja schöne Hausaufgaben, bei denen man im Bett liegen kann!" konterte Mama. "Unsere Lehrerin ist eben richtig klasse!" Nils kletterte vom Hochbett herunter und erklärte Mama die Art der Hausaufgabe. Dann lieh er sich von Flori das Wichtelbuch aus, um es morgen mit in die Schule zu nehmen. Manchmal konnten eben auch Bilderbücher für die Schule zu gebrauchen sein.

28. September 2007

Gute Nacht