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GUTE-NACHT/2563: Tygggy lauscht dem Regenwurm (SB)


Tygggy Tausendfuß

Ausgiebig Putzen, etwas Fressen und dann eine Runde Bewegung und alles im dunklen Schoß der Erde. Doch was ist das? Plötzlich bebt der Boden, er wird sogar aufgerissen und das grellste Licht, das Tygggy je getroffen hat, breitet sich über ihm aus. Dann die nächste Erschütterung und alles wird wieder dunkel.

Tygggy's Unterschlupf ist jetzt zerstört. Dort wo sich zuvor eine kleine Höhle befunden hat, ist nun ein viel größerer Raum entstanden. Dennoch ist er wieder bedeckt von dunkler Erde. Nicht nur Tygggy ist bei dieser Erschütterung aus seinem Heim gerissen worden. Auch die anderen winzigen Erdbewohner sind in diese Erdbewegung geraten. Und das alles nur weil...

Tygggy erfährt es bald. Schnell erholt er sich von dem Schock. Dann macht er sich auf den Weg, eine neue heimelige Höhle zu finden. Auf seinem Weg trifft er viele verstörte Erdbewohner an. Auch einen Regenwurm. Meist verschwinden diese beinlosen Wesen, wenn sie Tausendfüßer wittern. Denn die können einem Regenwurm ganz schön zu Leibe rücken, sie glatt erledigen. Doch der Regenwurm, den Tygggy gerade trifft, ist ebenso verstört wie Tygggy es gerade noch war.

"Was ist los?" fragt Tygggy Tausendfuß den Regenwurm. Der beginnt zu erzählen: "Was ich gerade erlebt habe, hätte ich nie und nimmer für möglich gehalten. Ich war in meiner geliebten Komposterde und habe die leckersten abgestorbenen Pflanzenreste verspeißt, da bin ich doch so mir nichts dir nichts gepackt worden und mit der wunderbaren Erde um mich herum in eine ganz andere Gegend versetzt worden. Mir war das zuerst gar nicht klar. Ich hatte nur das Gefühl von einem Zittern. Als sich die Erde wieder beruhigt hatte, dachte ich, ich könnte mal nachsehen, was da gerade los war und kletterte durch die Erdschichten nach oben."

Hier macht der Regenwurm eine Pause. Tygggy wundert sich und fragt: "Du gehst freiwillig dem grellen Licht entgegen?" Der Regenwurm ergreift erneut das Wort: "Ach, das macht uns Regenwürmern nichts. So ab und an ein kleines Sonnenbad unter einem grünen Blatt an der Erdoberfläche schadet uns nichts, wenn das Gras oder die Erde rundherum nur schön frisch und feucht ist. Doch lange halten wir es da oben nicht aus. Ich will also nachsehen, was da oben los ist und entdecke, daß ich nicht mehr aus meinem schönen Komposthaufen den Kopf herausstrecke, sondern ich befinde mich in einer aus Stein umgrenzten Fläche. Also grabe ich mich nach unten, um unter der Begrenzung hindurch zu gelangen und auf der anderen Seite wieder in meinem Komposthaufen zu stecken. Aber was soll ich sagen, ich stoße auch weiter unten immer nur an diese steinige Grenze. Wie kann ich mich also befreien? Ich klettere wieder nach oben auf die Erde und versuche über die Steine hinaus zu kommen. Gerade bin ich auf dem oberen Rand des Steines, da erkenne ich, daß die Welt zu Ende ist. Nirgends mehr Erde außer in dem kleinen Areal, das von der Steinmauer umgrenzt ist. Ich betrachte diese Steinmauer genauer und kann mich nur wundern wie gleichmäßig sie ist, grad wie ein riesiger Wurm, der sich um ein Stückchen Erde geringelt hat und ich bin mittendrin. Schon will ich verzweifeln, da taucht aus dem Erdboden ein anderer Krabbeler auf. Er stellt sich vor: 'Gestatten mein Name ist Herr von Küchenschabe. Freue mich, ihre Bekanntschaft zu machen. Habe lange kein Getier mehr aus der anderen Welt getroffen. Sind sie neu hier?' - 'Tut mit leid', sage ich, 'ich weiß überhaupt nicht, wo ich mich befinde.' Gerade da werde ich schon wieder hochgenommen. Diesmal aber ohne Erde. Ich baumele geradewegs zwischen zwei Umklammerungen völlig in freier Luft. Ich wehre mich nach Wurmes- kräften. Von unten schreit Herr von Küchenschabe: 'Nehmen sie mich doch mit. Ich will hier nicht alleine bleiben.' Da wird es eng und dunkel um mich. Aber keine Erde umschließt mich, sondern etwas Weiches und Warmes, das sich fast wie mein eigener Körper anfühlt, nur viel viel größer ist. Nicht lange und die Umhüllung öffnet sich und ich spüre, daß mich mein Wurmleib nach unten zieht. Dann ist es wieder dunkel um mich. Diesmal umschließt mich kalte Erde. Der Geruch sagt mir, daß ich in Komposterde stecke. 'Bin ich etwa wieder Zuhause?' frage ich mich? Vielleicht können sie mir das beantworten, Herr Tausendfuß?" Tygggy Tausenfuß kratzt sich mit einem seiner beiden ersten Beinchen die Fühler: "Ist das denn so wichtig, ob sie wieder Zuhause sind? Ich durchziehe die Erde Tag für Tag und immer wieder aufs Neue. Gibt es nichts mehr zu fressen, ziehe ich weiter. Wo ich vorher war, spielt dann keine Rolle mehr. Vielleicht sehen wir uns eines Tages einmal wieder, vielleicht auch nicht. Also..."


Gute Nacht,
Tygggy Tausendfuß -
was auch immer du dem Regenwurm gewünscht hast,
wir wünschen euch beide eine gute Nacht.

25. Februar 2008

Gute Nacht