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GUTE-NACHT/2738: Doktor Teddy auf dem Dachboden (SB)


Schwester Olga, die Puppe ohne Haare, erinnert Doktor Teddy an die beiden gestern neu eingetroffenen Patienten. "Wo wurden der Igel und die Tastatur untergebracht?" fragt der Doktor. Schwester Olga erklärt: "Die Tastatur, die darauf besteht, kein Kind mehr zu sein, habe ich in die Abteilung der kaputten Elektoteile geschickt. Dort hat sie Gesellschaft von dem defekten Kassettenrekorder, der nicht mehr sprechen kann, wahrscheinlich weil seine Batterien ausgelaufen sind. Den Igel mit seinem wirklich arg ramponierten Gesicht habe ich persönlich bei den nettesten Kuscheltieren abgegeben. Unter ihnen ist das Äffchen, welches seinen Kopf in den Händen trägt, weil dieser ihm abgerissen wurde. In der gleichen Abteilung sind auch die Bobbels ohne Nase." - "Das war eine gute Wahl", lobt Doktor Teddy.

Die Zeit des Doktors reicht nicht aus, alle Spielzeuge auf einmal und sofort zu heilen. Deshalb ist jedes Mal nur ein Spielzeug an der Reihe. Die am schlimmsten getroffenen Patienten kommen zuerst dran und natürlich die Notfälle. "Wen haben wir für heute vorgesehen?", möchte Doktor Teddy wissen. Schwester Olga schaut auf ihrem Block nach. "Das Äffchen mit dem losen Kopf ist wohl an der Reihe. Auch wenn es dem Igel ganz gut tut, zu sehen, daß es anderen Spielzeugen noch schlechter geht als ihm selber." Doktor Teddy zeigt ein nachdenkliches Gesicht. "Es wird schwierig werden, das Gesicht des Igels wieder zusammen zu flicken. Wahrscheinlich werden wir ein neues erstellen. Aber ob der Igel damit einverstanden sein wird?", Doktor Teddy ist sich da nicht so sicher. Er beschließt einen Rundgang, um allen Patienten einen Besuch abzustatten. "Schwester Olga, kommen sie bitte mit!"

Leider befindet sich das Krankenareal auf einem Dachboden in einer alten Schule. Der Schulbetrieb ist längst eingestellt worden, aber der Dachboden steckt noch voller Überraschungen. Nach Beendigung des Schulbetriebs lebten in den Räumen Familien mit Kindern. Viele Dinge, die nicht mehr gebraucht wurden, kamen einfach auf den Dachboden zur Aufbewahrung. Als die Schule dann geräumt wurde, weil sie abgerissen werden sollte, ließen die Bewohner die kaputten und alten Sachen einfach auf dem Dachboden zurück. Was sollten sie sich auch noch damit abschleppen. Das alles kam doch sowieso auf den Müll. Hier würden die Bagger gleich alles einreißen und die alten Sachen unter dem Schutt mit begraben. Doch es kam anders. Eine Initiative von Anwohnern bewirkte, daß noch einmal über den Abriß der alten Schule verhandelt wurde. Schließlich fanden die Anwohner, sollte das alte Gebäude lieber unter Denkmalschutz gestellt werden. Bisher wurde darüber aber noch nicht entschieden.

Auf dem Dachboden hoffen Doktor Teddy und Schwester Olga ebenfalls, daß die Schule erhalten bleibt. Damals als die Anwohner sich trafen, um über den Abriß und den Denkmalschutz zu sprechen, waren glücklicherweise Doktor Teddy und Schwester Olga mit anwesend. Sie waren einst die Maskottchen der Schule und so saßen sie in den Räumen, als die Anwohner tagten. Zuerst war ihnen nicht klar, worum es hier ging. Doch nach und nach kam alles zur Sprache und bald wußten auch die beiden, wie es um die alte Schule steht. Auch sie wollten mithelfen und retten, was zu retten ist. Nachdem die Anwohner wieder gegangen waren und die Schule erneut menschenleer war, zogen die beiden durch alle Räume und inspizierten auch den Keller und den Dachboden. Doch davon ein anderes Mal mehr.

Jetzt werden erst einmal die Patienten besucht. Die Abteilung der kaputten Elektroteile wird als erste betreten. Ein alter Pappkarton, in dem einst eine Waschmaschine verpackt angeliefert worden war, ist der ganze Bereich. Hierin befindet sich der nicht mehr funktionierende Kassettenrekorder, mehrere Lampen und die frisch eingelieferte Tastatur. "Guten Morgen!", begrüßt Doktor Teddy seine Patienten. Alle reden durcheinander. Sie fragen, wann sie endlich repariert werden. Doktor Teddy beruhigt sie alle. "Schwester Olga, wir benötigen ein Nachschlagewerk, daß uns zeigt, wie diese Patienten wieder in Ordnung gebracht werden können." Schwester Olga notiert den Auftrag auf ihrem Block.

Alsbald geht es in die nächste Abteilung. In mehreren Säcken liegen viele Kuscheltiere über- und untereinander. "Hatte ich nicht bereits angeordnet, daß jeder ein eigenes Bett erhalten soll?", wundert sich Doktor Teddy über diesen Zustand. "An Pfleger Braun habe ich den Auftrag weitergegeben. Aber er ist plötzlich verschwunden und keiner weiß, wo er steckt", erklärt Schwester Olga. "Dann ist dies heute unser dringenstes Anliegen, allen Patienten einen ordentlichen Schlafplatz zu verschaffen", bestimmt Doktor Teddy. Schwester Olga ist schon dabei, die Knoten an den Säcken zu lösen, um die Kuscheltiere heraus zu lassen. Die Tiere kriechen hervor, recken und strecken sich und fühlen sich sichtlich erleichtert - der Elefant wie die Maus, der einäugige Wolf wie der Affe ohne Kopf. Der kleine Igel mit seinem kaputten Gesicht, der bisher vor einem der Säcke gehockt hat, freut sich über die neue Gesellschaft. Dem Affen ohne Kopf scheint seine ganze Aufmerksamkeit zu gelten.

"Wo können wir diese Patienten nur unterbringen?", flüstert Doktor Teddy Schwester Olga ins Ohr. Da meldet sich der Kopf des Affen zu Wort. Denn er hatte das Flüstern mit angehört. "Affen klettern immer gern und sind sehr neugierig. Als ich damals hier oben auf den Dachboden gebracht wurde, steckte ich noch in keiner Tüte. So konnte mein Affenkörper, selbst mit meinem losen Kopf, weiter seinen Gewohnheiten nachgehen und ausgiebig auf dem Dachboden herumklettern. Dabei hielten die Hände immer den Kopf fest. Wir entdeckten dort hinten einen weichen Boden, da haben wir alle Platz!", erklärt das Äffchen.

Doktor Teddy weiß sofort, von welchem weichen Boden die Rede ist. Es sind Matratzen, die die früheren Bewohner mit all den anderen Sachen hier oben auf dem Boden zurückgelassen haben. Doktor Teddy erinnert sich. Er hatte die Matratzen bei seinem ersten Erkundungsgang ebenfalls entdeckt. Warum hatte er nur nicht mehr an sie gedacht? "Ab marsch! Alle Kuscheltiere zur weichen Fläche", weist Doktor Teddy seine Patienten an, "und vergeßt eure losen Arme und Beine oder was ihr sonst so verloren habt nicht."

Alle helfen mit. Es geht von einer Ecke des Dachbodens in die andere. Hier liegen drei Stapel Matratzen, verschieden hoch aufgetürmt. Alle Kuscheltiere verteilen sich darauf. Den ein oder anderen Platzkampf hat Doktor Teddy zu schlichten. Aber ansonsten ist der Auszug aus den Säcken auf die Matratzen gut verlaufen. Am Ende sind alle erschöpft und brauchen ein kleines Schläfchen.

17. September 2008

Gute Nacht