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GUTE-NACHT/2863: Der Geist in Pantoffeln und das Versteck hinter dem Misthaufen (SB)


Gute Nacht Geschichten


Das Telefongespräch ist beendet und Großmutter legt den Hörer auf. Paddy nimmt ihre Großmutter bei der Hand. "Darf ich heute nacht bei dir schlafen?", fragt sie. Großmutter ist einverstanden. In diesem alten und großen Bauernhaus so ganz alleine zu sein, ist doch ein bißchen zum Fürchten. "Ist in Ordnung, aber du mußt rasch noch ins Bad und Zähneputzen. Dann kann ich dir noch etwas vorlesen."

Während Großmutter die Bettdecken in ihrem Doppelbett aufschüttelt, verschwindet Paddy im Bad. Irgendwie mag sie dieses Bad nicht. Hier ist alles so kahl und leer. Keine Pflanze steht hier herum und auch sonst ist es nicht so wie es früher in der alten Wohnung gewesen war. Doch Mutter hat versprochen, daß sich hier noch einiges ändert. Paddy ist heute schnell fertig. Plötzlich hört sie ein merkwürdiges Geräusch. Sie dreht sich erschrocken um, aber da ist nichts.

Der Flur des Hauses ist noch in einem recht dürftigen Zustand. Vorsichtig späht Paddy um die Ecke, ob da nicht irgendwas auf sie lauert." Doch hier ist nichts. Schnell flitzt Paddy über den Flur und steigt die wenigen Stufen zu Großmutters Räumen hinauf.

Großmutter hat sich schon bettfertig gemacht und eine Wärmflasche für Paddy bereit gelegt. Nun kuscheln die beiden zusammen. Auch Omas Katze Mickey schmiegt sich an. "Was möchtest du, daß ich dir vorlese?", fragt Großmutter. "Ich möchte lieber, daß du mir etwas erzählst", sagt Paddy. "Nun, was möchtest du hören?" Paddy überlegt und denkt dabei an das Zimmer des Gehängten: "Hast du schon einmal einen Gehängten gesehen?" Großmutter sagt sofort: "Nein." Doch dann fällt ihr etwas ein. Aber ob sie davon Paddy etwas erzählen soll?"

Paddy merkt, daß Großmutter ihr irgendetwas verschweigt und so hakt sie nach. "Nunja", beginnt Großmutter, "als ich noch sehr klein war, kleiner als du, da gab es noch nicht so schöne Bäder und Toiletten in den Häusern. Da konnten wir nur aufs Plumpsklo gehen oder aufs Töpfchen. Die alten Leute allerdings hatten einen Stuhl im Zimmer mit einem Deckel und darunter war der Topf für die Nacht. Im Krankenhaus nennen sie so etwas "Schieber". Ich aber ging nicht auf einen solchen Stuhl und auch nicht mehr aufs besagte Töpfchen. Eines Abends, es war wohl im Winter, denn es wurde schon früh dunkel, ging ich zum Plumpsklo. Ich hatte einen Onkel, der war nur ein paar Jahre älter als ich und ärgerte andere ausgesprochen gern. Dieser Junge kam nun hinter mir her und versuchte mir Angst einzujagen. Die ganze Zeit auf dem Weg bis hinter die Scheune redete er mir ein, da hinten im Garten an dem großen Birnbaum habe sich einer erhängt. Ich solle nur genau hinschauen, er hinge noch da.

Zuerst wehrte ich seine Reden ab. Ich sagte, da hängt doch keiner. Das sehe ich doch. Aber er behauptete felsenfest, daß da bestimmt einer hängen würde. Nach einer Weile packte mich so die Angst, daß ich nur noch hinter den Misthaufen lief, um mich dort zu verstecken. Ich hielt mir die Ohren zu und schrie so laut ich konnte. Noch heute weiß ich nicht, wie ich mich wieder vom Misthaufen davon gemacht habe oder wer mich dort gefunden hat. Ob es den Gehängten nun gegeben hat oder nicht, kann ich auch nur vermuten." - "Das war aber sehr gemein von deinem Onkel", findet Paddy. "Das dachte ich auch immer. Doch heute denke ich, vielleicht ist mein Onkel selber so schrecklich geärgert worden und hat seine Angst auf diese Weise weitergegeben. Hoffentlich hast du jetzt keine Furcht, wenn du auf Klo mußt?", sagt Großmutter. "Da brauchst du dich nicht zu sorgen", meint Paddy, "ich hab sowieso schon immer ein bißchen Angst in diesem kalten Bad gehabt und weißt du was?" - "Nun", deutet Großmutter Paddy an, weiterzusprechen. "Eben beim Zähneputzen habe ich mich schon wieder so unwohl gefühlt. Es ist manchmal so, als wenn da einer hinter mir steht und ich kann ihn nicht sehen." - "Gut, daß deine Mutter jetzt nicht da ist. Die würde doch gleich wieder meinen, du hättest den Geist in Pantoffeln gespürt." Großmutter und Paddy lachen. Dann kuscheln sie enger aneinander und wünschen sich und Mickey eine: "Gute Nacht!"

20. Februar 2009

Gute Nacht