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GUTE-NACHT/2936: Frau Löwenzahn fliegt mit ihrer Schwester (SB)


Gute Nacht Geschichten


Frau Löwenzahn stand wie jeden Tag auf der Wiese im Garten und war in guter Gesellschaft. Viele der Nachbarn waren ihre Verwandten und stammten ebenfalls aus der Familie derer von Löwenzahn. Es war ein herrlicher Tag. Die Sonne schien und die Löwenzahnkinder wiegten sich hin und her und lockten mit ihrem Leuchten viele Spielgefährten an. Besonders gern kamen die Bienen vorbei. Doch sie blieben nie lange. Sie hatten es immer eilig. Den ganzen Tag hatten sie Nektar zu sammeln. Der wurde für den leckeren Honig gebraucht. Ja, Bienen waren fleißig. Deshalb hatten sie fast keine Zeit für sich selbst.

Die Kinder von Mutter Löwenzahn lachten und scherzten nun schon den ganzen Tag. Langsam neigte sich dieser dem Ende zu, und Mutter Löwenzahn sprach: "Kinder, husch, "husch ins Körbchen. Es ist Zeit zum Schlafengehen. Kuschelt euch zusammen!" Das taten die Kleinen gern. Vom langen Spielen waren sie schon recht schläfrig. Doch für eine Geschichte waren sie noch längst nicht zu müde. Sie wollten von der großen Reise hören. Der Reise, die ihre Mutter hier an diesen Ort geführt hatte, wo sie schließlich Wurzeln schlug.

"Aber Kinder, ich habe euch die Geschichte doch schon so oft erzählt, wie ich zuerst so ängstlich war, wie mir dann der Wind einen Schubs gegeben hat und ich gerade noch die Hand meiner Schwester ergreifen konnte. So flogen wir zusammen ein Stückchen los und sahen die Welt von oben. Wie klein sahen all die Grashalme, Blumen und sogar die Büsche aus. Der Wind trieb uns immer weiter, hoch hinauf flogen wir. Die Welt unter uns schien zu verschwinden. Wir schauten nach oben und da lachte die Sonne. Wir mußten gleich unseren Blick abwenden, so strahlte sie. Meine Schwester und ich hielten uns noch immer an den Händen. Das Fliegen machte Spaß. Deshalb ließen wir uns an einer Hand los. Wir wollten nebeneinander fliegen, um die Welt noch besser sehen zu können. Doch da passierte es. Der Wind stieß uns erneut kräftig an. Ich konnte die Hand meiner Schwester nicht mehr festhalten. Der Wind hatte uns auseinander getrieben. 'Wo fliegst du hin?', schrie ich meiner Schwester hinterher. Doch sie hörte mich nicht mehr. Der Wind hatte uns entzweit. Ich wurde traurig, denn mich trieb es in eine andere Richtung. Jetzt konnte ich meine Schwester nicht einmal mehr sehen. Deshalb wurde mein Herz so schwer und ich begann zu weinen. Die Tränen fielen zu Boden und ich wurde leichter und leichter. Mit jedem Tränentropfen, der mir entwich, stieg ich höher und höher in den Himmel hinauf, bis ich meinen Kopf an einer Wolke stieß. Doch von der Bekanntschaft mit der Wolke will ich euch morgen erst erzählen."

Erstveröffentlichung im Jahr 2000

19. Mai 2009

Gute Nacht