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GUTE-NACHT/3005: Heiß und kalt (SB)


Gute Nacht Geschichten


"Jetzt habe ich gestern in der Stadt die ganzen Würstchen gekauft, um mit den Kindern zu grillen und was ist los? Meine lieben beiden kommen nun doch nicht, sondern erst am nächste Wochenende. Denn sie sind mit ihren Freunden in einen Freizeitpark gefahren. Das ist wirklich ärgerlich - nicht für den Freizeitpark, sondern für unsere Würstchen. Die werden doch bis zur nächsten Woche nur schlecht."

Sandmann blickt auf den Tisch und die daraufliegenden Würstchen. Nun, schlecht zu werden brauchen die Leckerbissen mit Sicherheit nicht. Sandmann entwickelt gerade großen Appetit und würde sich am liebsten sogleich einige schnappen.

"Untersteh dich! Du bekommst schon noch was ab. Leider kann ich die Würstchen nicht einfrieren. Denn ich habe keine Kühltruhe. Und in meinem Tief-Kühlschrank in der Erde sind sie bis zum nächsten Wochenende nicht haltbar. Sie würden nur verkommen. So ein Ärger. Wir kommen also nicht darum herum, den Grill anzufeuern und gemeinsam ein Grillfest zu feiern. Kennen wir noch jemanden, den wir einladen könnten. Aber außer Nachbars Kater fällt mir wirklich keiner so auf die Schnelle ein. Und ich glaube, im Angesicht des Ernstes dieser Lage würdet ihr beide euch noch nicht verstehen."

Aus der Tonlage seines Herrchens entnimmt Sandmann, daß diesen zwar etwas ärgert, aber auch bald etwas Freudiges geschehen wird.

"Komm auf die Terasse! Da draußen richten wir uns ein und futtern den ganzen Tag nur Würstchen. Das könnte ziemlich anstrengend werden. Aber wir wollen ja nichts verkommen lassen."

Mit großer Aufmerksamkeit verfolgt Sandmann, wie Jan viele Dinge auf den Gartentisch stellt, rote und gelbe Flaschen, Teller und Gabeln, eine große Würstchenzange, jede Menge Früchte, von denen Sandmann auch ganz gern mal ein Häppchen nascht, aber im Grunde wartet er auf die große Schüssel mit den abervielen Würstchen, die im Moment oben auf dem Küchenschrank steht, vorsorglich, daß Sandmann sich nicht schon einmal bedient. Endlich ist alles herbeigeschafft, auch die Grillkohle und die Anzünder und zu allerletzt auch die Schüssel mit den Würstchen.

"Es sieht bei uns jetzt aus wie im Schlaraffenland mit all den leckeren Soßen, den Würstchen und den vielen Früchten, die ich eingekauft habe. Aber leider sind wir nicht dort, wo die gebratenen Hähnchen durch die Luft fliegen und die Würstchen die Gartenzäune ersetzen. Bei uns verlieren die Nahrungsmittel ihre Frische und verderben im Laufe sehr kurzer Zeit."

Gespannt blickt Sandmann auf dieses dunkle Gestell, an dem Jan gerade herum hantiert. Das sieht irgendwie gefährlich aus. Als Jan dann auch noch Feuer darauf anzündet und es qualmt, zieht sich Sandmann unter die Terassenbank zurück.

"Jetzt die Würstchen. Was ist denn mit dieser Packung los? Die bläht sich ja schon auf. Da habe ich doch gestern beim Einkaufen nicht aufgepaßt. Hier auf dem Etikett steht das Haltbarkeitsdatum. Genau bis gestern war die Wurst haltbar. Ob der Grill sie noch rettet? Nehmen wir lieber die anderen Würstchen. Am besten gleich eine ganze Ladung."

Gesagt, getan. Sandmann hat sich wieder unter der Bank hervorgetraut, bleibt aber immer noch in gebührendem Abstand zu dem Grill und schaut von da aus zu, wie Jan die Würstchen auf dem Grill wendet. Ihm läuft das Wasser im Mund zusammen. Aber soviel hat er bei Jan schon gelernt, wenn er quengelt, gibt es gar nichts. Also verhält sich Sandmann ganz friedlich und wartet ab.

"Man dieser Berg an Würsten. Ich habe es ja nicht so mit den elektrischen Geräten. Aber vielleicht sollte ich doch einmal über eine Kühltruhe nachdenken. Aber was will ich als einzelne Person mit so einer großen Truhe. Es war schon richtig, daß meine Frau, als sie auszog, unsere mitgenommen hat. Auch den Kühlschrank hat sie mir nicht gelassen. Aber mit meinem Erdloch ist das auch nicht so verkehrt. Vielleicht sollte ich mir ein Kühlfach im Dorf mieten. Zuhause, als ich noch jünger war, gab es diese Kühlhäuser in jedem Dorf. Die Bauern mieteten sich Kühlfächer oder wenn sie schlachteten auch für ein paar Tage den ganzen Kühlraum zum Abhängen der geschlachteten Hälften."

Sandmann wagt sich ein bißchen näher an den Grill heran.

"Wie war das eigentlich früher, als es noch keine Kühlschränke, Kühltruhen oder Kühlhäuser gab? Vor Jahren habe ich ein Sommerschloß in der Nähe von Kassel besucht und an einer Führung teilgenommen. Da erzählte uns der Führer, daß für die Feste die meisten Lebensmittel gekühlt werden mußten, damit sie nicht verdarben. Er zeigte auf Erdhügel weit hinten im Garten und erklärte uns, daß darin Eis gelagert wurde. Im Winter, wenn die Flüsse und Seen dick gefroren waren, schlug man das Eis heraus und lagerte es in solchen Kühlhügeln, sogenannten Eiskellern. Bis in den Sommer hinein hielt sich darin das Eis, wenn die Wände ganz dick und das Eis schön dicht gestapelt wurde. Auch mußte dafür gesorgt werden, daß keine Wärme von draußen herein kam. Autsch! Im Moment habe ich es nicht mit Kälte, sondern mit Wärme zu tun und zwar mit großer Hitze. Beinahe hätte ich mir die Finger verbrannt. Ich sollte eben nicht träumen, wenn ich mit wichtigen Dingen beschäftigt bin."

Sandmann wagt sich noch ein bißchen vor.

"Zurück Sandmann, sonst verbrennst du dich noch. So, die Wurst ist fertig. Aber jetzt ist sie viel zu heiß für dich. Lassen wir sie ein bißchen abkühlen."

Da klingelt das Telefon.

"Wer will denn da etwas von uns?"

Sandmann blickt seinem Herrchen nach, wie dieser im Haus verschwindet. Er nutzt die Gelegenheit ebenfalls etwas verschwinden zu lassen. Mit unschuldiger Mine legt er sich anschließend auf den Platz unter der Bank zurück. Es dauert nicht lang, da erscheint Jan. Mit Kennerblick registriert er, was geschehen ist. Doch er läßt sich nichts anmerken.

"Was weg ist, ist weg und kann uns nicht mehr stören. Wir wollen uns ja schließlich nicht den Tag verderben. Allerdings auch nicht unsere Mägen. Also lassen wir es langsam angehen."

So bruzeln und futtern die beiden den lieben langen Tag um die Wette, bis sie am Abend zu müde sind, um noch ins Bett zu gehen, und darum auf der Terasse in den beiden Liegestühlen liegenbleiben und sich dort "Gute Nacht" sagen.

15. August 2009

Gute Nacht