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GUTE-NACHT/3072: Mein erster Tag in der Kate (SB)


Gute Nacht Geschichten

Hallo! Schaut nur herein - hier in meine kleine Kate. Mozart wartet auch bereits auf euch am warmen Ofen. Jetzt zu dieser feuchten Herbstzeit ist es vor dem Kamin, der knackt und lodert, doch am gemütlichsten. Aber nun zu eurer Geschichte. Ihr wollt sicher hören, wie ich meinen ersten ganzen Tag in Tante Eddas Haus erlebte.

Raute

Zum Frühstück war ich von meinem Nachbarn eingeladen worden. Pünktlich um neun Uhr - was für manche Bürger fast noch nachtschlafende Zeit ist - klingelte er an meiner Haustür. Er hielt die Tageszeitung in der Hand. Jeden Morgen, außer am Sonntag, wird sie von einem Boten in einen kleinen Kasten vorne an der Straße geworfen. "Hier, die Zeitung ihrer Tante", sagte der Nachbar und hielt sie mir entgegen, "ich habe schon ein bißchen darin gelesen. Ihre Tante und ich haben uns die Zeitung immer geteilt. Bislang war niemand da, der die Zeitung abbestellt hat, aber vielleicht wollen sie sie ja ebenfalls regelmäßig beziehen? Dann wäre ich bereit, sie auch mit ihnen zu teilen." Das sagte er in einem Ton der Überzeugung, als wenn ich von nun an für immer hier bleiben würde. Wie kam er nur darauf? Ich wollte schnell alles erledigen, was es zu erledigen gab, und dann wieder nach Hause fahren.

Der Nachbar sah meine Verlegenheit und lud mich nun ein, zu ihm hinüber zu kommen. Ich hatte mich aber noch gar nicht fertig gemacht. Also sagte ich: "In ein paar Minuten bin ich bei ihnen." Schnell wusch ich meine Hände und mein Gesicht, kämmte mir die Haare und zog eine warme Jacke an. Das Haus des Nachbarn liegt nicht weit entfernt. Dennoch kann man es von Tantes Hof aus im Sommer nicht sehen. Denn es verläuft eine Hecke zwischen dem Grundstück des Nachbarn und dem meiner Tante. Auf der Seite meiner Tante wachsen zudem einige Bäume, sodaß das Haus des Nachbarn dahinter verschwindet. Nur im Herbst, wenn die Blätter fallen, taucht allmählich das Nachbarhaus zwischen den Zweigen auf, ist stärker zu sehen im Winter, wenn der Schnee es nicht gerade verschluckt hat und verschwindet dann wieder wenn im Frühjahr die ersten Blätter sprießen.

Zum Frühstück gab es Kaffee mit frischer Milch und Brote mit verschiedensten Marmeladen. Die schienen fast alle selbstgekocht. Das Frühstück schmeckte lecker, besonders weil ich mir nie groß die Zeit zum Frühstücken nehme. Diesmal aber konnte ich gleich das Gemütliche mit dem Nützlichen verbinden. So fragte ich den Nachbarn nach allem was mir wichtig erschien aus.

Dann wurde es Zeit für einen Rundgang. Gemeinsam gingen wir über Tantes Hof. "Hier sind die Stallungen!", sagte der Nachbar. Doch das wußte ich. Den Hof kannte ich ja noch von früher, und an den Gebäuden hatte sich scheinbar nichts verändert. Ich erwartete in den Ställen vier Pferde vorzufinden. Doch da stand nur noch das kleine Pony namens Blinker. "Sind Schoko, Monkey und Erna gestorben? Die waren doch noch nicht so alt", wollte ich wissen und bekam zur Antwort: "Nun, die Pferde nicht, aber ihre Tante. Darum hat sie sie schweren Herzens weggegeben. Nur Blinker durfte bleiben. Damit er nicht so einsam war, kam Dolles Esel an manchen Tagen zu Besuch." - "Und das Pony und der Esel haben sich verstanden?", fragte ich. "Aber ja doch. Blinker ist ein äußerst liebenswerter Zeitgenosse. Kommen sie, wir lassen ihn jetzt aus dem Stall hinaus auf die Weide."

Die Weide schließt direkt an den Hof und den kleinen Reitplatz an. Ein Zaun trennt beides. Blinker wieherte und bekam zur Begrüßung gleich ein Stückchen trockenes Brot. Allerdings nicht von mir. Wirklich, ich hätte ihm auch eine Möhre oder ein Stückchen Apfel mitbringen können. So als erste Begrüßung und Vorstellung meinerseits. Doch Blinker folgte uns auch ohne weitere Leckereien auf die Wiese, die rundherum eingezäunt ist.

"Jetzt möchten sie sicher den Papierkram erledigen?", sagte der Nachbar leicht fragend, aber doch eher wie eine zugeteilte Aufgabe. "Ich habe die Post gesammelt und auf den Schreibtisch im Haus gelegt. Dort finden sie alles. Außerdem sind in der Speisekammer ein paar Vorräte. Auch für die Katzen ist gesorgt. Es gibt noch jede Menge Dosen mit Katzenfutter." - "Katzen? Ich habe noch gar keine gesehen!", sagte ich erstaunt. "Nunja, meist kommen sie abends heim und ziehen morgens wieder los. Haben sie denn heute Nacht die Katzenklappe denn nicht geöffnet?" - "Von einer Katzenklappe hatte ich keine Ahnung", sagte ich bestürzt. "Nun daran hätte ich gestern abend auch denken können", gab der Nachbar zu. Dann zog er sich zurück.

Raute

Nun, ich weiß nicht, ob ihr viel Lust habt, mit mir den Papierkram durchzusehen. Ich glaube, davon berichte ich euch morgen kurz und bündig. Auf jeden Fall will ich euch noch sagen, daß ich an diesem Abend, als der Nachbar mich noch einmal besuchte, mir die Katzenklappe zeigen ließ. Zuerst kam aber keine Katze nach Hause. "Die liegen sicher im Stall im Stroh", versicherte mir der Nachbar. Das hätte er mir auch schon am Vormittag mitteilen können. Denn dann hätte ich wegen der Katzen nicht so ein schlechstes Gewissen gehabt, daß sie wegen mir, die letzte Nacht in der Kälte verbringen mußten. Sowas passiert auch nur einem Stadtkind. Kinder vom Land wissen, daß sich Katzen gemütliche Plätze in Scheunen und dergleichen zum Schlafen suchen.

12. November 2009

Gute Nacht