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GUTE-NACHT/3227: Der kleine Nachtwächter ist empört (SB)


Gute Nacht Geschichten

Nach zwei Runden durch die Stadt und einem Gang auf der Stadtmauer sitzt der kleine Nachtwächter geschützt in einer Ecke auf einem Holzfaß. Hier ruht er sich jeden Abend ein wenig aus, bevor er erneut seine Runden dreht. Das Faß steht im Dunklen, während die Stadtmauer vor ihm vom Licht des Mondes beschienen wird.

Gerade will der kleine Nachtwächter in sein Butterbrot beißen, da nimmt er aus den Augenwinkeln vor ihm auf der Mauer ein Huschen wahr. "Was war denn das?", fragt sich der kleine Nachtwächter. Doch da nichts weiteres nachfolgt, wendet er sich wieder seinem Brot zu.

Im nächsten Augenblick huscht erneut etwas vor ihm vorbei. Diesmal meint der kleine Nachtwächter, etwas sehr Kleines von einer Seite zur anderen sich dahinbewegt gesehen zu haben. "Potzblitz! War das ein Mäuschen? Hatte es nicht irgendetwas im Maul? Das kann nicht sein. Wie schnell die Kleinen sind. Trotz der kurzen Beinchen können sie so gut laufen", staunt der kleine Nachtwächter jedes Mal, wenn er eine Maus laufen sieht.

Der kleine Nachtwächter hat nichts gegen die kleinen pelzigen Tierchen, die so niedlich aussehen. Auch wenn sie einen ganz schön starken Geruch hinterlassen können. Schließlich hält er sich diese Tiere ja nicht in seinem Zimmer. Hier draußen können sie sich ruhig ihr Nest bauen.

Genüßlich wischt sich der kleine Nachtwächter über seinen Mund und greift zur nächsten Stulle. Er tastet und tastet, findet sie aber nicht. Er blickt an seiner rechten Seite herunter, wo die Tüte mit den zusammengeklappten Brotscheiben eigentlich liegen sollte. Aber da ist nichts.

Mit einem Satz steht der kleine Nachtwächter auf seinen Beinen. Er bückt sich und sucht nach der vermißten Tüte. Endlich fällt ihm ein, daß er ja seine Taschenlampe anschalten und damit neben dem Faß den Boden ableuchten kann. Sogleich ist das Licht angeknipst. Ein Stückchen vom Faß entfernt in Richtung Mauer findet er die vermißte Tüte. "Was macht sie denn bloß hier?"

Der kleine Nachtwächter hebt die Tüte auf und findet darin nur noch einen kleinen Rest der letzten Stulle. Deutlich kann er die Zahnabdrücke erkennen, die den weggebissenen Teil des Brotes abgenagt haben. "So ein freches Volk!", schimpft der kleine Nachtwächter. Dann besinnt er sich aber wieder. "Sie hätten mich gern fragen können. Ich hätte ihnen ganz bestimmt etwas abgegeben", sagt der kleinen Nachtwächter, zuckt die Achseln und begibt sich dann erneut auf seinen Rundgang. Schließlich könnten woanders in der Stadt ebenfalls seltsame Dinge geschehen, wenn er nicht aufpaßt.


6. Juli 2010