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GUTE-NACHT/3350: Der kleine Nachtwächter kehrt zurück (SB)


Gute Nacht Geschichten von dem kleinen Nachtwächter


Eine Weile ist es her, daß wir dem kleinen Nachtwächter begegnet sind. Ärger und Kummer ließen ihn seine Stadt verlassen, in der er bis dahin jede Nacht seine Runden zog und auf die Bewohner Acht gab.

Jetzt ist der kleine Nachtwächter wieder da. Nicht in seiner Heimatstadt, sondern auf dem Weg durch die Lande, um mal hier und dann wieder dort die Nächte durch aufzupassen.

In dieser Nacht wacht er auf einer Weide außerhalb des Dorfes, auf der vier Pferde und ein Pony zuhause sind. Er hat sich auf den aufgeschichteten Strohballen niedergelassen und betrachtet die feine Gesellschaft.

Es ist kalt hier draußen in der Nacht. Aber auf der Weide stehen Unterstände, die nur zu einer Seite hin offen sind und in denen die Pferde Schutz suchen können.

"Na, Grauer! Du bist wohl der Wildeste unter euch", spricht der kleine Nachtwächter sanft. Doch das graue Pferd macht keine Anstalten, um näher zu ihm zu gelangen. Dafür kommt das Pony ganz nahe heran. Es läßt sich sein Fell kraulen und nimmt auch ein Stückchen von dem Apfel, den ihm der kleine Nachtwächter reicht. Dann zieht es sich zurück in einen der Unterstände. Dort steht auch ein fast schwarzes Pferd.

Der kleine Nachtwächter steigt von den Strohballen herunter und geht langsam auf den dunklen Wallach zu. Er spricht in sanft an, hält ihm seine Hand zum Schnuppern hin und darf das dunkle Pferd alsbald streicheln.

Plötzlich vernimmt der kleine Nachtwächter in Gedanken die Stimme des Wallachs: "Oh wie gut das tut!" Der kleine Nachtwächter lächelt und flüstert: "Davon kannst du noch mehr bekommen." Und er krault den Alten lange Zeit.

"Sag, was bedrückt dich?", fragt der kleine Nachtwächter nach einer Weile? Erst zögernd, doch dann ohne Scheu berichtet der dunkle Wallach, was ihn sorgt: "Dies hier ist meine Herde und ich passe auf sie auf bei Tag und bei Nacht. Doch seit geraumer Zeit ist der Graue zu uns gestoßen und er versucht mir das Kommando abspenstig zu machen. Ich habe schon viele Jahre auf dem Buckel. Noch kann ich mich verteidigen und mein Vorrecht halten. Aber was wird im nächsten Sommer sein. Der Graue wird mich wieder herausfordern und mich in seine Schranken verweisen wollen. Er will Anführer der Herde werden. Ich bin wohl auch wirklich bald zu alt. Doch leicht werde ich es dem Grauen nicht machen."

"Mhm!", überlegt der kleine Nachtwächter und sagt dann, "ist es denn so schlimm für dich, dem Jüngeren deine Stellung zu überlassen? Sehnst du dich denn nicht manchmal danach, nicht immer auf alles und jeden Acht geben zu müssen?" Der dunkle Wallach nickt mehrmals mit seinem Kopf und gibt ein leises Wiehern von sich, das so viel bedeutet wie: "Aber es ist schwer, Platz zu machen!"

"Du machst nicht nur Platz!", vertraut der kleine Nachtwächter dem Dunklen ein Geheimnis an, "du überläßt dem Jüngeren und Stärkeren auch die Verantwortung für alles und kannst dich endlich zurückziehen, dich ausruhen und an dich selbst denken. Und wenn der Graue nicht zurecht kommt, dann wird er deinen weisen Rat gewiß erfragen und auf dich hören."

Bei diesen Worten graut der Morgen und der kleine Nachtwächter zieht sich auf die Strohballen zurück, deckt sich mit einer alten Pferdedecke zu und schläft ein.

Der alte Wallach behält ein Auge auf den neuen Freund und wünscht ihm eine: "Gute Nacht!"

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16. Februar 2011