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GUTE-NACHT/3367: Der kleine Nachtwächter findet etwas (SB)


Gute Nacht Geschichten vom kleinen Nachtwächter


"Rebell!", ruft der kleine Nachtwächter und ist wie jeden Abend in der Stadt unterwegs - in der einen Hand die Taschenlampe und in der anderen die Laterne. Hund und Herrchen durchqueren die Straßen der Stadt. Sie sind menschenleer. Die Bewohner bleiben lieber zuhause. Es ist mal wieder schneidend kalt.

"Wir haben eigentlich Frühling vom Kalender her und sogar Sommerzeit, bei der die Uhr in der Nacht zum vergangenen Sonntag um eine ganze Stunde vorgestellt wurde, und dennoch ist das Wetter fast wie im Winter", stellt der kleine Nachtwächter fest und hofft inständig, daß es bald wärmer wird. Er denkt an die hellen Abende und Nächte, wenn die Sonne fast gar nicht untergegen will und wenn es selbst nach Mitternacht noch viel zu warm ist. "So wie es jetzt ist, mag sich jeder wohl am liebsten unter eine Decke kuscheln."

"Doch was ist das?", fragt sich der kleine Nachtwächter, "es ist zwar keine Decke, aber ein weicher, kuscheliger Sessel. Was macht so ein Möbel mitten auf dem Bürgersteig? Ob ihn die Hausfrau zum Ausklopfen hinaus gestellt und vergessen hat?" - "Iwoh!", schimpft da eine Stimme, "morgen ist Sperrmüll."

Der kleine Nachtwächter dreht sich nach allen Seiten um, kann aber niemanden entdecken. Da vernimmt er wieder die Stimme. Jetzt erkennt er, daß es der Sessel selber ist, der zu ihm spricht: "Sperrmüll ist morgen. Da wurde ich einfach auf die Straße gestellt, weil ich schon so alt bin." Der kleine Nachtwächter leuchtet mit seiner Laterne um den Sessel herum. "Aber du siehst doch sehr gut aus. Darf ich mal auf dir Platz nehmen?" - "Nur zu. Dann wirst du sehen, wie gut meine Federung noch ist."

Der kleine Nachtwächter nimmt Platz. "Ja wirklich, angenehm bequem", kann der kleine Nachtwächter nur zustimmen. Er steht wieder auf und dreht erneut eine Runde um den Sessel. "Es muß einen anderen Grund geben, warum du hinaus gestellt wurdest", meint er dann. "Ja, den gibt es. Morgen kommen neue Möbel ins Haus. Da ist kein Platz mehr für mich. Auch sitzt keiner mehr auf mir und liest mir Geschichten vor", beklagt sich der Sessel. "So? Wer hat dir denn sonst Geschichten vorgelesen?", hat die Neugierde den kleinen Nachtwächter gepackt. "Der Großvater, und der ist leider gestorben. Zugegeben, er hat die Geschichten nicht mir, sondern seinem Enkelkind vorgelesen, dem kleinen Hans. Aber ich habe immer zugehört."

"Hans?", staunt der kleine Nachtwächter, "daß du Geschichten gehört hast, muß aber schon ziemlich lange her sein." - "Ja, aber ich höre den Großvater sie noch immer vorlesen. Aber wieso weißt du das?", fragt der Sessel. "Nun, Hans ist schon ein sehr alter Name. Heute heißen die Jungen ganz anders - Nils, Marco, Tim oder auch Colin ..."

Der Sessel unterbricht den kleinen Nachtwächter bei seiner Namensaufzählung: "Was soll ich denn jetzt machen, ich will nicht auf den Sperrmüll und platt gedrückt werden und auch nicht zum Schrotthändler, der mir meine Metallfedern aus dem Leib herausreißt."

Der kleine Nachtwächter blickt betreten zu Boden und überlegt, wie er dem Sessel helfen kann. Plötzlich hat er eine Idee. "Ich möchte nicht, daß du weggeworfen wirst. Ich nehme dich einfach mit zu mir nach Hause." Vor Freude juchzt der Sessel auf.

Doch gesagt ist leider noch nicht getan. Der Sessel ist für den kleinen Nachtwächter viel zu schwer, um ihn alleine fort zu tragen. Da wird er Hilfe brauchen, um den Sessel zu sich nach Hause zu bewegen. "Was machen wir bloß!", grübelt der kleine Nachtwächter, "ich könnte eine Schubkarre holen, aber das gelingt mir erst morgen früh, denn ich muß mir eine ausborgen." - "Laß mich bitte nicht allein, nicht allein!", fleht der Sessel, "sonst kommen die Müllmänner und nehmen mich doch noch mit, bevor du mit der Schubkarre hier bist." - "Beruhige dich. Ich bleibe, und den ersten, der hier vorbei kommt, den bitte ich um Hilfe."

Aber bis zum Morgen um den Sessel herumstehen, kann der kleine Nachtwächter nicht. Daher nimmt er in dem Sessel Platz. Doch so ein bequemer Sessel hat es in sich und läd zum Träumen ein. Schnell ist der kleine Nachtwächter eingeschlafen und träumt von Hans und dem Großvater. Rebell legt sich zu seinen Füßen und paßt in dieser Nacht doppelt auf.

Sessel - © 2011 by Schattenblick

29. März 2011