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GUTE-NACHT/3445: Knopf und Knöpfchen verschlafen das Gewitter (SB)




K N O P F   &   K N Ö P F C H E N

verschlafen das Gewitter


Es war die erste Nacht, die Knöpfchen, Knopf und Auge außerhalb der Knopfkiste verbrachten. Während Knopf und Knöpfchen aneinander gekuschelt vor sich hin träumten, hielt Auge Wache. Es konnte auch kein Auge zumachen, war es doch viel zu aufgeregt. Was erwartete sie hier in der Fremde, und würden sie ihr Ziel erreichen und den alten Teddybären finden?

Doch die Dunkelheit war näher als die Zukunft. Diese Dunkelheit war anders als die in der Knopfkiste. Sie war bedrohlich. Hier waren auch die Geräusche andere als in der Knopfkiste. Es klang alles so nah und gleichzeitig fern.

Doch was war das plötzlich für ein Geräusch? Es schien ganz aus ihrer Nähe zu kommen. Auge rollte ein Stück zurück. Da war das Geräusch schon wieder. "Ich bin der Wächter hier, also will ich auch schauen, was los ist", sprach sich Auge Mut zu und rollte etwas nach vorn. Kurz vor der Ecke der Kiste, hinter der die drei ihr Nachtquartier gefunden hatten, hielt Auge an und lauschte. "Nichts, ich höre nichts mehr", dachte Auge. Es blieb eine Weile ganz still. Dann plötzlich blitzte ein ganz grelles Licht auf und zerriß die Dunkelheit. Für einen Moment war es heller Tag. Doch noch ehe Auge den Gedanken zu Ende gedacht hatte, war die Helligkeit auch schon wieder dem Dunkel gewichen.

Nicht lang, erschrak Auge ein zweites Mal. Dem grellen Lichtblitz folgte ein Gedonnere, daß es nur so krachte. Es war so laut, daß Auge nicht einmal seinen eigenen Schrei vernahm, der ihm vor lauter Schreck entfuhr.

Irgendwie hatte Auge das schon einmal erlebt und er erinnerte sich. Damals war er noch das linke Auge des alten Teddys. Der Teddy schlief immer mit in Maria-Luisas Bett. An diesem Abend hatte der Teddy nicht einschlafen können. Von der Straße her fiel Licht durch das Fenster. Und weil er eben nicht schlafen konnte, sah er sich im Zimmer um mit seinem linken und seinem rechten Auge.

Beide Augen erzählten, was sie alles sehen konnten. Manche Dinge sahen beide gleich gut, andere konnte nur das rechte Auge, wieder andere nur das linke Auge sehen. Da war ein kleines Bild an der gegenüberliegenden Wand. Es zeigte eine weiße Gestalt mit Flügeln, die zwei Kinder über eine Brücke begleitete. In diesem Dämmerlicht konnten die beiden Augen das gar nicht so gut sehen. Doch da sie oft auch tagsüber auf dieses Bild starrten, immer wenn Maria-Luisa in der Schule war und der Teddy gelangweilt auf ihrem Bett saß und auf die kleine Freundin wartete, wußten beide Augen ganz genau, was auf dem Bild zu sehen war.

Sie hatten auch erfahren, daß die weiße Gestalt mit den Flügeln ein Engel war. So hatte Maria-Luisas Mutter von ihr einmal erzählt. Sie sagte, daß so ein Engel über jeden kleinen Menschen wache und auf ihn aufpasse. Maria-Luisa brauche sich also keine Sorgen zu machen. Die Kleine hatte damals gefragt, ob der Engel, denn auch über ihren Teddy wachen würde. "Ganz bestimmt", hatte Mutter versichert. Dann meinte sie noch: "So jetzt ist das Gewitter vorbei. Jetzt wird kein Blitz oder Donner mehr hier eindringen ...!"

Auge erinnerte das jetzt alles wieder, auch wie sich die beiden Augen an besagtem Abend, an dem Teddy nicht einschlafen konnte, über Gewitter, Donner und Blitz, über all das, was Mutter Maria-Luisa erzählt hatte, sprachen und sich sogar ein bißchen stritten. Ja, Auge wußte nun wieder, daß das helle Licht und das laute Geräusch eben Blitz und Donner gewesen waren. Gewitter nannten die Menschen beides zusammen. Auge beruhigte sich. Sicher war das Gewitter jetzt vorbei. Auge dachte erneut an das Bild an der Wand, an die Brücke und an den Engel.

Wenn der Engel über Teddy gewacht hatte, dann mußte er auch über Auge selbst wachen, denn schließlich war er ja ein Teil von Teddy, und der Teddybär war der Freund von Maria-Luisa. Also wachte ein Engel auch über Freunde. Das bedeutete, jetzt wurden also nicht nur er selbst, sondern auch Knopf und Knöpfchen von dem Engel beschützt. Das beruhigte Auge. Aber trotzdem wollte er weiter die ganze Nacht Wache halten. Es konnte schließlich nichts schaden, auch noch selbst auf sich und seine Freunde aufzupassen. Knopf und Knöpfchen sollten sich auf ihn verlassen können. Auge warf einen Blick auf die beiden. Sie hatten sich von dem Gewitter nicht beeindrucken lassen. Leise flüsterte Auge:

"Euch beiden eine gute Nacht."

Knopf und Knöpfchen - Buntstiftzeichnung: © 2011 by Schattenblick

zum 4. August 2011