Schattenblick →INFOPOOL →KINDERBLICK → GESCHICHTEN

GUTE-NACHT/3525: Im Schuhschrank ist die Hölle los - Teil 20 (SB)


Gute-Nacht-Geschichten

I m   S c h u h s c h r a n k   i s t   d i e   H ö l l e   l o s


Im Schuhschrank wurde heute aufgeräumt. Nicht nur dort. Die Familie trug aus dem ganzen Haus sämtliche Schuhe zusammen, sortierte sie nach brauchbaren und unbrauchbaren, stellte die ersteren in den Schuhschrank zurück und warf die unbrauchbaren in einen Altkleidersack. Die letztere Aufgabe übernahm Mutter allein. Sie hatte ihren Grund dafür.

Ja, und so sieht es jetzt im Schuhschrank aus. Im oberen Fach stehen Mutters neue Schuhe, die der Postbote in den letzten Tagen gebracht hat. Auch ein paar Damenhalbschuhe, besonders teure, stehen dort. Daneben ist noch mindestens für drei Paar Schuhe Platz. Sicher wird es nicht lange dauern bis der Postbote die nächsten Schuhe bringt. Das wissen zumindest die ganz neuen Damenschuhe zu berichten. Denn sie waren dabei, als Mutter im Katalog blätterte und Kreuzchen zeichnete. Im Schuhfach darunter stehen zwei Paar Herrenschuhe, fast noch nie getragen. Mutter hatte sie aus Vaters Kleiderschrank geholt und dafür seine geliebten Schwarzen und seine Stiefel in den Altkleidersack gesteckt. Die Schuhe der beiden Schwestern stehen nicht im Regal. Die beiden sollen ihre Schuhe ab jetzt unter ihr Bett. stellen. Im Schuhschrank sei einfach zu wenig Platz für alle Schuhe, meinte Mutter. Sie dachte dabei sicher an die Päckchen, die der Postbote in den nächsten Tagen bringen wird.

Ganz unten im letzten Fach des Schuhregals stehen die kleinen Turnschuhe von Toni, daneben liegen seine Gummistiefel. Mutter hatte sie ins Schuhfach gestellt und dabei angemerkt, daß Toni wohl bald wieder neue Turnschuhe brauche. "Seine Füße wachsen ziemlich schnell", sprach Mutter zu sich selbst.

Im Haus ist es still. Die kleinen Turnschuhe denken an all ihre Freunde. Die stecken jetzt in einem Sack und sollen morgen fortgebracht werden. Hier im Schuhschrank fühlen sich die kleinen Turnschuhe gar nicht mehr wohl, bei all den fremden, neuen Schuhen. Außerdem ist da noch etwas. Mutter sagte, daß Toni bald neue Turnschuhe brauche. "Dann werden wir sicher auch bald in einen Sack gesteckt, ganz allein ohne Freunde. Denn die sind dann ja schon wer weiß wo", grübeln die Turnschuhe und der rechte Turnschuh sagt zu dem linken: "Ich werde hier nicht bleiben, auch wenn ich Toni mag. Aber ich will nicht in einen Sack gesteckt und hinausgeworfen werden wie die anderen Schuhe." Da will der linke kleine Turnschuh auch nicht mehr bleiben: "Ich komme mit dir! Aber wie wollen wir zu den anderen in den Sack gelangen." - "Das ist nicht schwer", beruhigt der kleine Rechte, "ich habe eine Idee, folge mir!" Die beiden Turnschuhe stoßen vorn gegen die Klappe des Schuhschranks. Leicht fällt die Klappe auf. Die beiden Brüder hopsen heraus und gehen in Richtung Kellertür. Durch die Katzenklappe gelangen sie in den Keller. "Vorsicht!" warnt der kleine Rechte seinen Bruder, "hinter der Klappe ist gleich die Treppe." Ja, und da auf der Treppe steht auch der Altkleidersack mit all den aussortierten Schuhen. Die Katzenklappe fällt nicht wieder zu, sie hängt an dem Altkleidersack fest, so fällt etwas von dem spärlichen Flurlicht auch in den Keller hinein.

"Wie kommen wir jetzt in den Sack?" fragt der linke Turnschuh, "der Sack ist fest zugebunden." - "Das haben wir gleich", gibt der rechte Turnschuh zur Antwort, "wir rufen meine Freundin." Schon gibt der rechte kleine Turnschuh einen merkwürdigen Laut von sich. Erst geschieht nichts, doch dann huscht ein kleines Wesen herbei. Es hat einen besonders langen Schwanz. "Hallo, Maus. Könntest du mir bitte helfen?" fragt der kleine Turnschuh. Ohne eine Antwort abzuwarten schildert er weiter die Lage: "Das hier ist mein Bruder, ich habe dir von ihm erzählt. Wir möchten in diesen Sack zu unseren Freunden, den anderen Schuhen. Sie werden morgen fortgebracht und wir wollen mit."

Die Maus überlegt nicht lange. Sie ist dem kleinen Turnschuh noch immer dankbar, daß er sie einmal vor der Katze gerettet hat. Schnell klettert die Maus auf den Sack hinauf und knabbert gleich ein Loch in den Plastiksack gleich unter dem Knoten. Das Loch wird groß genug, daß jeweils ein Turnschuh hindurch hindurchpaßt. "Toll, danke!" lobt der kleine Turnschuh, während die Maus schnell ein "Lebewohl" quieckt und davon huscht. Der rechte Turnschuh klettert zuerst den Sack hinauf. "Das ist ja wie Bergsteigen!" meint er. Der linke Turnschuh folgt seinem Beispiel und erklimmt den Berg ebenfalls. Oben angekommen ruft der rechte Turnschuh durch das Loch in den Sack hinein: "Macht Platz, wir wollen auch mit." Schon zwängt er sich als erster in den Sack und wartet auf seinen Bruder. Auch der zweite kleine Turnschuh kriecht in den engen Sack hinein. Die Schuhe in ihren nicht bequemen Lagen stöhnen ein bißchen, aber sie freuen sich, daß die kleinen Turnschuhe mit dabei sind, wenn es morgen früh auf Reisen geht. Es ist eng für alle Schuhe in dem Sack. Doch mit Ausblick auf ein großes Abenteuer läßt sich das aushalten für eine Nacht. Und vor der großen unbekannten Reise wollen sich alle noch einmal ausruhen - so gut es in ihrer gequetschten Lage eben geht. Leise ist hier und da ein

"Gute Nacht."


zu hören.


zum 6. Februar 2012