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GUTE-NACHT/3546: Eine außergewöhnliche Bande - Teil 21 (SB)


Gute-Nacht-Geschichten

Eine außergewöhnliche Bande



Am Morgen, als Willi der Landstreicher erwacht, sieht er vor der Bank, auf der er geschlafen hat, eine ganze Menge Schuhpaare stehen. "Da hört sich doch alles auf!", schimpft Willi, "sehe ich jetzt anstelle von weißen Mäusen gar lauter Schuhe?" Willi nimmt seine Füße von der Bank, die er mit einigen Zeitungen zugedeckt hatte, um sich zu wärmen, und stupst einen der Schuhe an. Ganz überrascht, daß dieser wirklich da ist, stößt Willi auch den Schuh daneben an und zu seiner Freude stellt er fest, daß alle Schuhe, die er da vor sich sieht, auch wirklich vorhanden sind.

Willi ruft seine Kumpel herbei: "Schaut mal, bei mir war heute Nacht wohl der Nikolaus!" Willi probiert die Schuhe vor sich an. Doch keiner will so recht passen. So schlüpft er dann doch wieder in seine neuerworbenen Herrenschuhe und ärgert sich, daß ihm nicht die Stiefel passen. Er nimmt einen der Stiefel und hält ihn in die Höhe. "Vielleicht sollte ich einfach vorne die Spitze abschneiden", überlegt Willi laut, "dann werden sie schon passen. Willis Idee ist den Stiefeln aber gar nicht recht. Sie wollen überhaupt nicht gestutzt werden.

Auch die anderen Schuhe schrecken jetzt zurück und haben dabei sogar einen kleinen Satz nach hinten gewagt. Willi ist total erschrocken. War das nur ein Hirngespinst oder hatten sich die Schuhe wirklich von der Stelle bewegt? Willi glaubt an eine Fatamorgana.

Willis Freunde sind alle herbeigeeilt. Die Schuhe sehen und sich auf sie stürzen ist eins. Die kleine rundliche Frau mit den langen Strähnen greift sogleich nach den goldenen Damenschuhen. "Mit denen kannst du aber nicht den langen Marsch nach Italien wagen", sagt einer der anderen Landstreicher. "Wer sagt denn, daß ich darin bis nach Italien laufen will? Häh! Dafür nehme ich doch glatt hier diese Wanderschuhe!" Und sie probiert die echten Damenwanderschuhe sogleich an. "Sie passen wie angegossen. Die hier", sie hält die Goldenen hoch, "die nehme ich in meinem Rucksack mit, für alle Fälle."

Bei diesen Worten freuen sich die goldenen Damenschuhe. Kommen sie doch mit nach Italien, ohne selber dorthin laufen zu müssen. Den Wanderschuhen werfen die Goldenen schnell einen gehässigen Blick zu, bevor sie im Rucksack der rundlichen Frau verschwinden.

Inzwischen haben alle Schuhe einen Abnehmer gefunden. Die Badelatschen wandern ebenfalls zu den goldenen Damenschuhen in den Rucksack und auch alle anderen kommen an den Mann oder die Frau. Nur die kleinen Turnschuhe stehen noch herum und sind schon ganz traurig, gleich zurückgelassen zu werden.

"Willst du die nicht auch noch einpacken?", fragt da Willi die rundliche Frau. "Pah! Was will ich denn damit? Meine Füße werden ja nicht schrumpfen und Kinder habe ich ja keine, was mir verdammt nochmal recht ist." Willi, der von dem ganzen Nikolaussegen bisher nichts abbekommen hat, schaut sich die kleinen Turnschuhe noch einmal genau an. Sie sind total in Ordnung, findet er. So steckt er die beiden selber in seinen Rucksack - sind ja nicht sehr schwer - und hebt sie auf für schlechte Zeiten. Vielleicht kann er sie einmal gegen etwas Brot oder einen Schnaps eintauschen.

Es dauert eine Weile bis Willi und seine Freunde alles gepackt haben. Aber dann geht es los, querfeldein. Einen weiten Weg bis nach Italien haben diese Leutchen mit ihren Schuhen noch vor sich. Schließlich haben sie nicht das Geld, sich einfach in den Zug zu setzen und nach Italien nur innerhalb eines Tages zu reisen. Wer weiß, was diese außergewöhnliche Bande noch so alles auf ihrem Weg erleben wird?

Guten Nacht



zum 22. März 2012