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KALENDERGESCHICHTEN/018: 06-2012   Grimbart Wohlgemut - Gretchen und Grimmy suchen den Uhu (SB)



Buntstiftzeichnung: © 2012 by Schattenblick
Gretchen und Grimmy suchen den Uhu

"Meinst du, dass das echte Schneeflocken waren, die dort über dem Tümpel tanzten?", Gretchen war ganz unsicher geworden.

"Ich weiß auch nicht recht, und diese merkwürdige Farbe, das Wasser schien gar keines zu sein, irgendwie sah es falsch aus", pflichtete Grimmy ihr bei.

"Ja, ganz weiß und glänzend, sehr merkwürdig. Irgendwie fühlte ich mich gar nicht wohl - und das lag am Wasser, das weiß ich. Es war unheimlich", haspelte sie die Worte hervor.

Eichhörnchen und Dachs krabbelten durch das dichte Grasgestrüpp, weg von Silvanas Lieblingsplatz. Sie schüttelten ihr Fell und putzten sich. Gretchen hatte sich inzwischen wieder beruhigt. "Stell dir mal vor Grimmy, wir hätten von dem Wasser getrunken! Was wäre wohl geschehen, wenn ich nicht an deinen Dachsbau gedacht hätte, sondern an eine riesige Haselnuss?"

"Du liebe Güte, nein, Gretchen, vielleicht wären wir dann in einer Haselnuss gelandet. Die Kröte Silvana sagte ja, dass wir an dem Ort in Nullkommanix ankommen, an den wir denken - in eine Haselnuss, nein, nein. Nur gut, dass wir das nicht ausprobiert haben", malte Grimmy sich aus. "Nun, Gretchen, dann suchen wir jetzt den Uhu. Hast du eine Idee, wie oder wo wir beginnen wollen?", erwartungsvoll blickte der kleine Dachs zum Eichhörnchen hinüber.

Gretchen beschäftigte sich intensiv mit einer kleinen Klette, die sich in ihrem Fell festgehakt hatte. Endlich - die Klette fiel zu Boden und das Eichhörnchen hob zufrieden seinen Kopf: "Was, was hast du gesagt?"

"Ob du vielleicht schon eine Idee hast, wie wir den Uhu finden können?", wiederholte Grimmy seine Frage.

"Hmmm, nein, eigentlich habe ich mir noch gar nichts überlegt", gestand sie. "Aber eines weiß ich, der Uhu soll ein ziemlich riesiger Vogel sein."

"Na, dann", brummte Grimmy, "werden wir ihn ja schnell finden. Lass uns zurück zum Holzhaufen gehen. Ich habe Hunger, mordsmäßigen Hunger, und müde bin ich auch."

"Gute Idee", stimmte Gretchen zu, "wir essen und schlafen, danach können wir bestimmt besser nachdenken. Weißt du, früher, als ich noch im Nest auf dem Baum wohnte, da habe ich Geschichten vom Uhu gehört - viele von uns haben ihn irgendwo im Baum schlafen gesehen - am Tage. Nachts oder in der Dämmerung aber soll er stets unterwegs sein. Vielleicht können wir uns heute spät abends irgendwo hinlegen und in den Himmel gucken, ob wir ihn dort sehen - könnte doch sein, oder?"

"Ja, wir machen es uns recht gemütlich und halten Ausschau nach dem riesigen Uhu. Bestimmt fliegt er vorbei, dann rufen wir ihn und fragen, ob er uns suchen helfen will!", schlug Grimmy vor.

"Das hört sich gut an, ja, so wird 's gehen", freute sich das Eichhörnchen und sprang sogleich in Richtung Holzhaufen davon. Geschwind hoppelte Grimmy hinterher.

Plötzlich war Gretchen stehengeblieben. Hin und her bewegte sie ihr Köpfchen, hoch und runter, dann drehte sie sich einmal um sich selbst im Kreis und schrie: "Wo ist unser Holzhaufen geblieben?"

Jetzt hatte auch Grimmy den Platz erreicht und staunte: kein Holzhaufen mehr zu sehen! Vor ihnen lagen noch nur einige Baumstämme und dicke Äste. Was war hier geschehen? Der kleine Dachs krabbelte über einen Stamm hinweg, wühlte in den Zweigen und Blättern. Gretchen sprang an seine Seite und schnupperte. Beide sahen sich an und nickten.

"Das ist unsere Holzhaufenhöhle gewesen, ich rieche es genau", behauptete Gretchen sicher. "Ganz genau, das stimmt. Aber was mag hier vorgegangen sein?" Sie fanden keine Erklärung für die Verwüstung ihres Unterschlupfes.

"Warte mal, ich sehe nach, ob noch etwas von unseren Vorräten zu finden ist...", rief Grimmy und wühlte sich durch Laub und Zweige. Und tatsächlich fand er noch Nüsse, Äpfel und Tannenzapfen. "Oh, ein Glück, Gretchen, ich habe solchen Hunger", freute sich der Dachs und schnappte sich einen schönen, schrumpeligen Apfel. Kauend blickte er zu Gretchen hinüber, die ganz still da saß. Sie aß gar nichts. Grimmy hielt inne, schluckte den Bissen hinunter und schaute Gretchen ganz genau an. Erst als er ein paar Schritte näher gekommen war, konnte er ihre Tränen sehen. "Gretchen, was ist mit dir, warum weinst du?", sprach er sie ganz sanft an.

"Wo, wo soll ich denn jetzt wohnen? Wer hat das getan? Wer war so gemein, meinen Holzhaufen kaputt zu machen, ich versteh' das nicht, was soll das...", weinte, schluchzte und schimpfte das kleine Eichhörnchen.

Grimmy stupste sie sacht in die Seite und tröstete sie: "Aber Gretchen, du wirst bei mir wohnen. Mein Bau ist riesengroß, mit ganz vielen Wohn- und Schlafhöhlen, total gemütlich. Da findest du bestimmt ein Plätzchen, das dir gefällt."

"Meinst du wirklich? Haben die anderen Dachse denn nichts dagegen, dass ein Eichhörnchen bei ihnen einziehen soll?", sorgte Gretchen sich.

"Nee, bestimmt nicht. Wir haben immer mal wieder Untermieter, die von überall herkommen - wir haben viel Platz. Ach, Gretchen, wir müssen nur noch nach Hause finden und dann zeige ich dir alles ...", schwärmte Grimmy ihr vor.

Das kleine Eichhörnchen fasste wieder neuen Mut. Außerdem freute es sich sehr darüber, dass es bei Grimmy bleiben konnte. Nun meldete sich auch der Appetit wieder und es angelte sich eine Nuss, knabberte genüsslich und ...

'Tock, tock, tock', tönte es ganz in der Nähe. 'Tock, tock, tock, tock', schallte es abermals.

"Gretchen, hörst du das? Siehst du jemanden?", wollte Grimmy wissen.

Gretchen suchte die Gegend ab, bemühte sich, die Richtung ausfindig zu machen, aus der das Geräusch kam und lauschte. Wieder ertönte dieses 'Tock, tock, tock'.

"Hey, ihr da drüben", rief es von einem umgefallenen, morschen Baumstamm her. Darauf saß der Rufer und kratzte sich mit seinen Krallen das Gefieder. "Wollte euch bloß berichten, dass die Waldarbeiter hier gewesen sind. Ein riesiges, dickes Pferd hatten sie dabei. Dann haben sie die Stämme von eurem Holzhaufen herunter gerollt, an das Pferdegeschirr gebunden und auf diese Weise weggeschafft. Das war 's, genau so hat es sich zugetragen. Also ihr beiden, mehr habe ich nicht zu sagen."

Grimmy und Gretchen hörten den Bericht. Wenigstens wussten sie nun, warum ihre Holzhaufenhöhle zerstört worden war. Das kleine Eichhörnchen sprang in wenigen Sätzen zu dem Baumstamm hinüber und bedankte sich für die Auskunft. "Habt vielen Dank, Herr Buntspecht, und ein gesegnetes Mahl wünsche ich", fügte sie hinzu, denn der Specht war eigentlich gerade mit Abendbrotessen beschäftigt. Flugs hüpfte sie wieder zu Grimmy.

"Kennst du ihn?", wollte Grimmy wissen.

"Nein", erklärte Gretchen, "aber ich erkenne, dass er aus der Buntspechtfamilie stammt. Weißt du, Grimmy, alle aus dieser Familie sind sehr mitteilsam. Wenn an einem Ende des Waldes etwas Spannendes oder Wichtiges geschieht, 'tocken' sie sich das sofort weiter und bald wissen alle aus der Buntspechtfamilie darüber Bescheid."

"Ah, ja", staunte Grimmy, sagte aber nichts weiter. Seine ganze Aufmerksamkeit richtete er auf sein Abendessen. Er schmatzte leise vor sich hin, biss mal hier und mal dort ab und schien wirklich sehr beschäftigt.

Gretchen schmunzelte, als sie Grimmy so zufrieden sah und aß selbst auch noch einige Happen. Nach einer Weile stillen Schmausens schlug Gretchen vor, sich nun auf die Suche nach einem geeigneten Platz zu begeben, von dem aus sie nach dem Uhu Ausschau halten konnten. Grimmy willigte immer noch kauend ein. Bald fanden sie eine Lichtung, die bereits im Dämmerlicht lag. Der Mond stand schon blass leuchtend am Himmel, die Sonne war noch nicht ganz versunken. Ihr orangefarbenes Licht breitete sich am Horizont aus, vermischte sich mit dem blaugrauen Himmel und ließ die Bäume und Sträucher in dunklen Farben erscheinen.

"Ja, hier bleiben wir", bestimmte Gretchen. Dabei sah sie hinauf zum Himmelszelt. "Hier haben wir freie Sicht und ein dichtes Moosbett obendrein."

Grimmy stimmte ihr zu und kuschelte sich sogleich in das Moos, legte seinen Kopf auf die Pfoten - beinahe wären ihm schon die Augen zugefallen. Doch Gretchen stupste ihn in die Seite und machte einen Vorschlag: "Grimmy, meinetwegen kannst du es dir recht bequem machen. Aber so wie du daliegst, kannst du den Himmel ja gar nicht sehen! Wie wäre es, wenn du dich mit Dösen beschäftigst, während ich aufpasse, ob ich den Uhu sehe. Wenn er daher fliegt, brülle ich ihm ganz laut hinterher. Dabei musst du mir dann aber helfen!"

"Sehr gute Idee", murmelte der kleine Dachs.

Gretchen horchte, ob er wohl noch mehr dazu sagen wollte, aber dem schien nicht so. Also legte auch sie sich hin und zwar so, dass sie Grimmys Bauchseite als Kopfkissen nutzte. So lag sie bequem und hatte eine gute Sicht in den Himmel. Da Grimmy sich nicht rührte, nahm sie das als Einverständnis dafür, für sie ein warmes "Dachskissen" zu sein. Nun fehlte nur noch der Uhu.



zum 1. Juni 2012