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KALENDERGESCHICHTEN/047: 11-2014   Der kleine Wolf - Gefangen im Netz (SB)


Krawell bei der Landung auf dem Rücken der Riesenschildkröte - Buntstiftzeichnung: © 2014 by Schattenblick

Der kleine Wolf

Gefangen im Netz

Die vier Gefährten waren auf dem Weg in die Berge. Krawell war voraus geflogen, um die Gegend zu erkunden. Als der Rabe nicht so bald wieder zurückkehrte, machten sie sich Sorgen, aber kurz vor der Dämmerung kam er angeflogen und hatte etwas zu berichten ...

"Oh, Krawell, endlich, ich war schon ganz kribbelig vor Sorge", platzte Rufus heraus. "Bitte, flieg nicht mehr fort", bettelte Kalinka. Der kleine Wolf sagte gar nichts, aber auch er freute sich sichtlich darüber, dass der Rabe wieder zurück war.

"Nun sag endlich, was du herausgefunden hast", drängte Rufus. "Nun, langsam, langsam!" Krawell setzte sich. "Also, zunächst einmal muss ich euch sagen, dass der Weg zu den Bergen leider noch viel weiter ist, als ich vermutete. Außerdem gibt es etwas, das ich nicht so genau erklären kann."

"Versuche es doch einfach mal!" Alle drei sahen den Raben erwartungsvoll an. "Ja, also, ich hatte ein ungutes Gefühl, so als wenn irgendeine Gefahr auf uns lauert. Also flog ich Runde um Runde durch die Gegend, aber ich konnte beim besten Willen nichts Bedrohliches entdecken. - Tja, aber ich wollte es trotzdem lieber einmal gesagt haben."

"Sollten wir dann nicht besser hier bleiben?", überlegte der kleine Wolf. - "Oder einen anderen Weg einschlagen?" Rufus wollte nicht so schnell aufgeben. Dann meldete sich auch Kalinka zu Wort: "Vielleicht sollten wir aber auch einfach trotzdem weitergehen und total gut aufpassen." - "Ganz schön mutig für ein Mädchen", staunte Rufus. Und da er nicht weniger mutig sein wollte als die Bärin, stimmte er ihr zu: "Ja, wir müssen eben ganz besonders auf der Hut sein, dann kann uns nichts passieren."

Der kleine Wolf war nicht so begeistert: "Aber wenn Krawell ein komisches Gefühl hat, dann hat das auch was zu bedeuten! Ich weiß nicht recht, ich glaube, ich bleibe lieber hier."

"Alleine?", erschrak Kalinka. "Nein, natürlich nicht! Aber wir könnten doch alle hier bleiben. Wir suchen einen anderen Weg und von mir aus müssen wir auch nicht mehr in die Berge. Rufus, vielleicht finden wir ja eine große Erdhöhle."

Rufus war schon nahe dran, sich für diese Idee zu begeistern, als ihm einfiel, dass die Bärin darin keinen Platz finden würde. "Sehr verlockend, wirklich, aber das geht nicht. Kalinka passt nicht in eine Erdhöhle, sie ist zu groß und wird noch viel größer, stimmt's?", lächelte Rufus die Bärin an.

Jetzt ergriff Krawell das Wort: "Rudi, das ist nur so ein Gefühl und es soll uns bestimmt nur ermahnen, vorsichtig zu sein, mehr nicht!" - "Meinst du wirklich?" Rudi sah den Raben ungläubig an. "Ja. Außerdem weiß ich, was uns in den Bergen erwartet. Das habe ich euch noch gar nicht gesagt."

"Was, los, erzähl schon!", forderte Rufus, "da bin ich aber gespannt." - "Ich auch, was ist dort ...?" Kalinka setzte sich und blickte Krawell neugierig an.

"Hinter den Bergen befindet sich ein großes Tal und hinter dem Tal und überall drum herum sind wieder Berge. Das Tal ist also total geschützt, richtig versteckt. Auf der einen Seite wachsen viele, viele große Bäume, fast schon ein richtiger Wald. Einige der Bäume sind auf den Fuß der Berge geklettert und überragen die anderen. Das sieht lustig aus. Irgendwie sehen sie wie Wächter aus."

"Und hast du dort auch eine Höhle entdeckt?", wollte Rudi wissen. "Oh, ja. Sogar eine ziemlich große mit genügend Platz für uns alle." - "Toll!", japste der kleine Wolf. "Wohnt dort denn noch jemand, oder sind wir im Tal ganz allein?"

"Ja, also, ich machte die Bekanntschaft mit einer riesigen Schildkröte. Das war komisch, denn ich hielt ihren Panzer für einen Felsen und landete darauf. Als sich mein Landeplatz dann aber bewegte, erschrak ich ein wenig und als sie dann noch anfing mich lautstark auszuschimpfen, flog ich in die Höhe. 'Hey, was fällt dir ein, du Lümmel, keine Manieren oder was? Einfach auf meinem Rücken landen, ohne zu fragen, was fällt dir ein?' Ja, genau, das waren ihre Worte."

"Und was hast du dann getan ...?" Rudi machte große Augen. "Ich landete vor ihr und fragte sie ganz höflich, wer sie denn sei, und sie antwortete tatsächlich ein wenig milder, dass sie hier schon seit hunderten von Jahren lebt, eigentlich schon ewig, und bitte auch nicht gestört werden möchte. Aber immerhin verriet sie mir zum Schluss noch ihren Namen. Sie heißt Elise und ich denke, wir werden schon mit ihr klarkommen!" Krawell lachte: "Schneller als sie sind wir auf jeden Fall, sie kann uns also nichts antun."

Mittlerweile war es nun schon dunkel geworden und die vier beschlossen, gleich morgen ganz früh aufzubrechen. So geschah es. Nachdem alle noch etwas getrunken und gegessen hatten, liefen sie los. Immer mal wieder erkundete Krawell die Gegend aus der Luft. Rufus hielt Augen und Ohren, aber vor allen Dingen seine Nase in Alarmbereitschaft. Auch Rudi wollte aufpassen, aber es gab auf dem Weg so viel zu sehen, dass er sein Vorhaben oft ganz vergaß. Kalinka hielt sich stets dicht an Krawell, wenn er von seinen Erkundungsflügen zurück kam, weil sie sich in seiner Nähe sicher fühlte.

Sie kamen gut voran. Aber plötzlich surrte etwas über ihren Köpfen durch die Luft und zwar ziemlich laut. Schlagartig blieben alle stehen und sahen nach oben. Rufus erkannte die Gefahr als erster und rannte los. Krawell stürzte mit hastigen Schritten nach vorn und hob steil ab in die Luft. Nur Kalinka und Rudi waren zu langsam - sie hatten das große Netz zu spät erkannt, das sie beide nun fest umschlossen hielt, sie waren gefangen! Verzweifelt versuchten sie sich zu befreien, zappelten und strampelten wie wild. Kalinka rief nach Krawell: "Hilfe, bitte hilf uns hier raus. Ich habe solche Angst, bitte Krawell!" Rudi winselte leise und dann versuchte er das Netz mit seinen Zähnen zu zerbeißen. Wütend warf er seinen Kopf hin und her, zerrte und zog an den Maschen - aber vergeblich.

Kalinka und der kleine Wolf versuchen sich aus dem Netz zu befreien - Buntstiftzeichnung : © 2014 by Schattenblick

Buntstiftzeichnung: © 2014 by Schattenblick

"Krawell! Schnell, hierher", brüllte Rufus so laut er konnte. Der Rabe landete neben ihm und beide starrten entsetzt auf die gefangenen Gefährten. "Hast du eine Idee?" - "Ja, Rufus und wir müssen uns beeilen, hörst du den Lärm? Das sind Autos, Lastautos! Wir müssen hier verschwinden, und zwar schnell!"

"Ja, ja, verdammt, aber erst befreien wir Kalinka und Rudi!" Rufus hielt es nicht mehr aus, er rannte los, direkt auf das Netz zu. Krawell flog hinterher, setzte sich oben auf Kalinkas Kopf, schnappte sich das Netz, hielt es fest im Schnabel und ruderte mit den Flügeln, um in die Höhe zu steigen. Rufus sah sich das an und überlegte kurz, was er tun könnte. Dann biss er an der unteren Seite des Netzes in die Seile und zog kräftig rückwärts und hüpfte gleichzeitig nach oben. "Rudi, schnell, krabbel drunter durch", schrie er den kleinen Wolf an. Diesmal zögerte Rudi nicht, wand sich ins Freie und staunte, mit welcher Kraft der Rabe das Netz in die Höhe zog. "Kalinka, du musst jetzt ganz still stehen bleiben, nicht bewegen, hörst du", rief Krawell der Bärin zu.

Sie nickte und regte sich kein bisschen. So war es leichter sie zu befreien. Der Rabe zog das Netz ganz nach oben und ließ es ein wenig abseits fallen. Kalinka schüttelte ihren Pelz und lief zu den anderen. Als alle wieder zusammen waren, sprinteten sie los, fort von den herannahenden Autos, seitlich ins Gebüsch. Dort versteckten sie sich. "Puuh, das war knapp", flüsterte Rufus. "Psst", machte Krawell.

Fortsetzung folgt ...

1. November 2014