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TIERE/098: Wiederholt die Fehler nicht ... (SB)


Wildtiere in der Stadt


Die Zahl der Wildtiere geht weltweit in einem beispiellosen Tempo zurück

Es gibt viele Gründe, warum die Wildtiere verschwinden. Der Mensch macht ihnen den Lebensraum streitig durch den Bau von Häusern, Städten, Straßen, Flughäfen, Einkaufszentren und vielem mehr. Er jagt und fischt zu viel. Einige Arten können sich gar nicht so schnell vermehren, wie der Mensch sie tötet. Außerdem verschmutzt er die Umwelt - besonders die Gewässer, die für die Tiere zum Überleben ganz wichtig sind. Die Wälder der Erde werden abgeholzt und müssen Plantagen weichen. Es werden Weiden für Rinder und Schafe angelegt, und durch den Straßenbau breite Schneisen durch einst dichten Baumbestand gezogen. Unzählige Tiere verlieren dadurch ihren Lebensraum. Während sich die Zahl der Menschen auf der Welt seit 1960 von rund 3 auf 7,4 Milliarden vergrößert hat, verringerte sich die Zahl der Säugetiere, Fische, Vögel, Amphibien und Reptilien. Bestimmte Arten sind ausgestorben, andere vom Aussterben bedroht. Es wird angenommen, dass 60 Prozent der Wildtiere bereits verschwunden sind.


Immer mehr Wildtiere wissen sich zu helfen

Eigentlich ist es naheliegend: Geht das gewohnte Lebensumfeld vieler Wildtiere verloren, weil der Mensch es für sich beansprucht, müssen neue Überlebensmöglichkeiten ausfindig gemacht werden. "Auf in die Häuser der Menschen! In ihre Städte und herausfinden, ob es dort zu essen und zu trinken gibt, ob sich dort ein geeigneter Unterschlupf finden lässt!" Das mögen anfangs wenige, dann immer mehr und mehr Tiere gedacht haben, denn mittlerweile gehören Füchse, Wanderfalken, Pelikane, Damhirsche, Wildschweine, Eichhörnchen, um nur einige zu nennen, zu den Stadtbewohnern. Berichte aus Indien und Thailand beispielsweise über Makaken - das ist eine Affenart, die in Häuser einbrechen und Schränke und Vorratskammern ausräumen - sind schon länger bekannt. Sie sind schlau, studieren die Gewohnheiten der Menschen und nutzen günstige Gelegenheiten, um Beute zu machen. Zuerst suchten sie nur die Dörfer nahe des einstigen Regenwaldes auf, um bald auch den Umzug in größere Städte zu wagen. Doch auch in europäischen Großstädten zeigen sich immer mehr Tiere. London ist ein bekanntes Beispiel für Tierzuwanderungen, Berlin ein anderes.


Tierische Neubürger in der britischen Hauptstadt

London hat einen großen Hafen, in dem Waren aus der ganzen Welt ankommen, die dort um- und ausgeladen werden. Oft reisen auch blinde Passagiere mit, wie Spinnen, Schlangen oder Skorpione. Gerade von den letztgenannten Krabbeltieren leben neuerdings eine große Menge hauptsächlich im Hafengebiet der Metropole. Auch haben sich verschiedene Krebsarten in den Kanälen der Stadt eingerichtet. Dort finden bereits richtige Gebietskämpfe unter den Arten, wie dem Roten Sumpfkrebs und dem Signalkrebs, statt. Der Vorzug von London besteht darin, dass nahezu die Hälfte des Stadtgebietes aus Grünflächen und offenen Gewässern besteht. Gute Gegebenheiten für Wasservögel, ihre Nistplätze dort einzurichten und ausreichend Futter zu finden. Möwen, Haubentaucher, Stockenten, Kanadagänse, Schwäne und Graureiher haben sich hier angesiedelt.



Foto: 2015 by Andreas Trepte (Own work) [CC BY-SA 2.5 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)], via Wikimedia Commons

Eine stattliche Kanadagans auf einer Grasfläche
Foto: 2015 by Andreas Trepte (Own work) [CC BY-SA 2.5 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)], via Wikimedia Commons

Zwar mussten einige von ihnen ihre Nestbaugewohnheiten den Gegebenheiten anpassen, aber sie lernen schnell. Der Buckingham Palast oder der Turm von Big Ben sind für Tauben, Spatzen, Falken, Mauersegler oder andere einfach nur wunderbare, riesige Felsen mit vielen Vorsprüngen und Höhlen. Stockenten bauen ihr Nest auch schon mal in Blumenkästen auf Balkonen. Entlang der Bahntrassen wachsen eine Vielzahl verschiedener Blüten, ebenso in den Vorgärten und Parks, und bieten den Insekten ein reichhaltiges, abwechslungsreiches Nahrungsangebot. Füchse finden ihr Essen auf den Müllkippen, wo sich auch in riesigen Scharen die Möwen einfinden. Es kommt auch vor, dass ein Fuchs sich eine von ihnen schnappt. Selbst in der Nähe von Hochhäusern lohnt es sich für Reinecke Fuchs, sich zu zeigen, denn hier gibt es immer mal Menschen, die ihn füttern. Tauben gehören schon lange in die Großstädte. Sie halten sich gern überall dort auf, wo viele Menschen sind, denn die lassen oft mal einen Krümel fallen.

Doch inzwischen ist auch ihr Feind in die Stadt zurückgekehrt - der Wanderfalke. Er wurde während des Zweiten Weltkrieges fast ausgerottet, um die Brieftauben zu schützen, die Nachrichten von der Front hin- und herflogen. Jetzt wurden eigens Falken wieder angesiedelt, um die enorme Ausbreitung der Tauben zu stoppen. Auch Bussarde kreisen durch die Häuserschluchten - und sie brüten hier auch.


Foto: 2015 by Usien (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by- sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Ein grüner Halsbandsittich sitzt auf einem Zweig
Foto: 2015 by Usien (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Alte Gemäuer eignen sich gut für den Bau von Schwalbennestern. Sittiche und Papageienvögel gehören ebenso in das Stadtbild, bevölkern gerne Parks und Friedhöfe. In der Dämmerung durchstreifen kleine Herden von Damhirschen die Vororte Londons, um an das üppige Gras der Vorgärten und Verkehrsinseln zu gelangen.



Ein Damhirsch mit prächtigem Geweih - Foto: 2007 by Wisnia6522 (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons

Damhirsch
Foto: 2007 by Wisnia6522 (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons



Die Umgebung ist neu, Futterneid und Fressgewohnheiten ändern sich kaum

Wo Futter für Füchse ausgelegt wird, tauchen immer häufiger auch Dachse auf. Jeder schlaue Fuchs zieht sich sicherheitshalber zurück, sobald ein Grimbart in seine Nähe kommt. Die starken Krallen des Dachses können ihn schwer verletzen. Die Eichhörnchen versuchen den Vögeln das Futter aus den Vogelhäuschen zu stibitzen, Pelikane schnappen sich gern mal eine Taube, Schildkröten kleine Entenküken und Füchse gelegentlich Möwen. Zwar haben die Tiere hier einen neuen Lebensraum gefunden und ein gutes Nahrungsangebot mindert den Druck zu jagen, doch der Kampf ums Überleben, ein Fressen und Gefressen werden, gehört auch hier, ebenso wie in der sogenannten freien Natur, zum Alltag. Futterneid und Revierkämpfe bleiben nicht aus.


Ein Rotfuchs steht im Gras und erscheint sehr aufmerksam - Foto: 2009 by Martin Mecnarowski [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons

Rotfuchs
Foto: 2009 by Martin Mecnarowski [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons


Wildtiere erobern sich menschliche Siedlungsgebiete

In Deutschland ist Berlin für viele Wildtiere ein Zufluchtsort geworden. Große Parkanlagen, weite Grünflächen, Waldgebiete und weitverzweigte Flüsse, Kanäle, Seen, Teiche und andere Kleingewässer bieten Nahrung, Schutz- und Bruträume. Aber auch stillgelegte Bahnhöfe, nicht mehr genutzte Gleisstränge oder Friedhöfe locken als neues Wohngebiet. Hier sind Wildschwein, Marder, Waschbär, Fuchs, Kaninchen schon länger Zuhause. Viele verschiedene Vogelarten wurden in der Hauptstadt gezählt (rund 180) - darunter Mauersegler, Mehlschwalben, Turmfalken, selbst der Waldkauz, die Schleiereule, die Ringeltaube und der Sperling - fühlen sich hier, auch gern auf Dachböden oder unter Dächern, wohl.

Fast alle sind aus Not in die Stadt geflohen und es werden immer mehr. Das führt oft zu Ärgernissen bei den Menschen. Marder klettern in Autos, beißen Kabel durch, Wildschweine graben im Vorgarten den Rasen auf, Waschbären und Marder halten sich gern in Schuppen oder auf Dachböden auf und hinterlassen strenge Gerüche, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Auch um nicht noch mehr Wildtiere anzulocken, ist in Berlin das Füttern verboten.

Gerade in dieser Stadt werden viele Altbauten modernisiert. Ihre Fassaden sind glatt und energetisch versiegelt, die Ecken und Vorsprünge verschwinden und damit die Möglichkeiten des Nestbaus von Schwalben und Mauerseglern. Die Neubauten sind oft total verglast, was vielen Vögeln zum Verhängnis wird, da sie dagegen fliegen und sterben. Leider wird in unserer Hauptstadt auch immer weiter gebaut, große Flächen werden mit Gebäuden besetzt, mit Parkplätzen und Straßen asphaltiert. Fast scheint es, als setze sich hier der Kampf zwischen Mensch und Tier um Lebensraum fort.

Doch die Tiere sind schlau und nicht alle Menschen sind gleich. Würden mehr Menschen erkennen, wie gut das Zusammenleben mit Tieren für ihr eigenes Wohlbefinden sein kann, wie es zur Ausgeglichenheit und Freude gereichen kann, vielleicht würde dann auch das Verständnis für die Tiere und ihre Lebensgewohnheiten wachsen. Schließlich hat der Mensch sie aus ihren angestammten Gebieten verdrängt. Nun suchen sie die Siedlungen der Menschen auf, um dort einen neuen Platz zu finden. Will man verhindern, dass sie in die Stadt ziehen, sollte beispielsweise mit Wald, Wasser und Grünflächen, gewissenhaft umgegangen werden. Es wäre doch wohl an dem Menschen, der über weitaus mehr Möglichkeiten der Einflussnahme und Umgestaltung verfügt, sich für ein gutes Zusammenleben einzusetzen, das beide, Mensch und Tier berücksichtigt?


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

https://berlin.nabu.de/tiere-und-pflanzen/wildtiere-in-der-stadt/

http://www.geo.de./natur/tierwelt/5787-rtkl-wildtiere-erobern-die-stadt

http://derstandard.at/2000046541524/Zahl-der-Wirbeltiere-seit-1970-um-drei-Fuenftel-gesunken

https://www.welt.de/wissenschaft/umwelt/article159078241/Jedes-zweite-Wildtier-ist-von-der-Erde-verschwunden.html

TV-Dokumentation
"Expeditionen ins Tierreich"
Wildes London
Tiere im Großstadtdschungel
Dokumentation, Großbritannien, 2012
Film von Dave Allen, Steve Greenwood
45 Min.



23. November 2016


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