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PFLANZEN/069: Moore - Landwirtschaft oder Klimaschutz ... (SB)



Angesichts der deutlich erkennbaren Folgen der Klimaveränderung werden die Anstrengungen, die Erderwärmung zu stoppen, verstärkt. Von vielen Ländern wird die Klimaneutralität angestrebt. Das bedeutet, dass auf fossile Brennstoffe (Kohle, Gas, Öl, Holz) als Brenn- und Treibstoff verzichtet wird, alternative Energien genutzt werden, aber auch, dass Ausschau gehalten wird nach möglichen Kohlendioxidsenken, wie beispielsweise Wald, Moor, Meer, Seegras, oder Mangrovenwälder. Diese Senken wurden besonders stark im letzten Jahrhundert durch Abholzen oder Verschmutzung belastet oder teilweise vernichtet. Heute gilt es, sie zu schützen und sie zu vergrößern.


Ehemalige Moore einfach wiedervernässen?

In den vorangegangenen beiden Teilen über das Moor, seine Entstehung und die ökologischen Auswirkungen auf Klima, Umwelt und Artenvielfalt, wurde berichtet, was geschieht, wenn Moore abgebaut und entwässert werden, um landwirtschaftliche Flächen zu gewinnen oder Torf abzubauen. Aus einem Moor als effektive Kohlendioxidsenke wird im Verlauf des Trockenlegens ein Gebiet, das Kohlendioxid, Methan und Lachgas freisetzt und damit höchst klimaschädlich wirkt.

Seit einigen Jahren gibt es verstärkt Bestrebungen, bereits trockengelegte Moore wiederzuvernässen und sie so möglichst in einen Zustand zurückzuführen, indem sie ihre Funktion als Kohlendioxidsenke aufnehmen können. Doch ist das aus verschiedenen Gründen kein einfaches Unterfangen. Bis in einem Moor wieder eine ausreichende Menge Torf entstehen kann, dauert es grob geschätzt 1000 Jahre. Wir werden also aus den trockengelegten Mooren so rasch keine natürlichen beziehungsweise ursprünglichen Moore wiederherstellen können. Aber sehen wir uns einige Beispiele an, wo landwirtschaftliche Flächen wiedervernässt wurden. Was geschieht dabei und können sie weiterhin genutzt werden?


Landwirtschaft oder Klimaschutz?

Auf landwirtschaftlichen Nutzflächen, die auf einst trockengelegten Moorgebieten entstanden, werden beispielsweise Getreide, Kartoffeln, Mais oder Kohl angebaut oder sie werden als Weiden für die Milchviehhaltung genutzt. Beides ist wichtig, denn es sind die Produkte, die für die Nahrungsmittelproduktion gebraucht werden und mit denen der Landwirt sein Geld verdient. Diese Anbauflächen im Zuge einer Wiedervernässung mit Wasser anzufüllen, könnte zur Folge haben, dass dort keine landwirtschaftlichen Produkte mehr angebaut und geerntet werden können. Handelt es sich also um eine Entscheidung zwischen Landwirtschaft oder Klimaschutz? Dass es sich so einfach nicht verhält, soll im Folgenden erläutert werden.


Landwirtschaft und Klimaschutz - beides möglich?

In Schleswig-Holstein gibt es Versuchsprojekte, in denen heute noch landwirtschaftlich genutzte Flächen gewässert werden. Man nennt es, die Wasserstände anheben. Zu diesem Zweck wurden Gruben ausgehoben, in denen sich Wasser sammeln kann und Gräben gezogen, worin es gezielt abfließen kann. Denn es soll nur eine bestimmte Wassermenge das Land bewässern, auf dass der Boden sehr feucht wird, aber immer noch landwirtschaftlich nutzbar bleibt. Hier können zwar noch Kühe weiden, aber es müssten andere Pflanzen angebaut werden, die mit den feuchten Bodenbedingungen bestens zurechtkommen.

Ihr könnt euch das in einem Video ansehen, den Link findet ihr unten unter Anmerkung [1].

Damit sich der Anbau für den Landwirt lohnt, sollten es Pflanzen sein, für die es eine große Nachfrage gibt und sich gute Preise erzielen lassen. Hier kommt die sogenannte Paludikultur in Betracht.


Paludikultur als Alternative zur herkömmlichen Landwirtschaft?

Das Wort stammt aus dem Lateinischen von palus = Sumpf, Morast und cultura = Bewirtschaftung. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe an Vorschlägen, die bereits erfolgreich erprobt worden sind. Auf den wiedervernässten Moorflächen lassen sich Hanf, Schilf, Rohrkolben und Seggen anbauen. Das sind Pflanzen, aus denen Bau- und Dämmstoffe hergestellt werden können. Die Hanffasern dienen als Grundstoff für verschiedene Produkte. Es wurden spezielle Maschinen entwickelt, mit denen die Paludi-Kulturpflanzen auf dem nassen Boden geerntet werden können. Weiterhin wurden Gerätschaften und Maschinen zur Verarbeitung der neuen Rohstoffe entwickelt. So können eine Reihe umweltverträglicher Produkte erzeugt werden, wie beispielsweise Dämmplatten für die Isolierung von Hauswänden. Die Landwirte könnten heute schon mit Paludi-Kulturpflanzen ihre Einkünfte erwirtschaften.

Eine erfreuliche Auswirkung hat die Paludikultur auf die Artenvielfalt. Mit dem Anbau und der natürlichen Ansiedlung von Schilf, Rohrkolben, Seggen, Hanf, Schwarzerle, Weide, Sonnentau, Moosbeere, Fieberklee und Torfmoos, finden sich wieder viele Arten von Vögeln, Käfern, Fröschen, Spinnen, um nur einige zu nennen, in dem neu gewachsenen Biotop ein.

Doch bleibt eine bange Frage bei diesem so gut klingenden Thema. Was, wenn die Nachfrage nach den neuen Roh- und Baustoffen aus Pflanzen so groß ist, dass ein hoher Druck entsteht, möglichst viel Schilf, Hanf oder Seggen zu ernten. Besteht hier die Gefahr, diesen feuchten Boden zu sehr zu belasten? Um die Mengen Schilf (Dachreet), die Deutschland bislang aus anderen Ländern (Ungarn, Rumänien, Ukraine oder China) importiert, mit der einheimischen Produktion zu decken, bräuchte man sehr viele neu vernässte Flächen. Zudem darf Schilf nur zwischen November und Februar geerntet werden, weil ansonsten die dort lebenden und brütenden Vogelarten gefährdet werden. Könnte hier Naturschutz gegen Bewirtschaftung stehen?

Sollte nicht geprüft werden, ob auf den verbleibenden trockengelegten Moorflächen noch ausreichende Mengen Nahrungspflanzen angebaut werden können, um die Versorgung der Bevölkerung zu sichern? In der Landwirtschaft gibt es keine langfristigen Sicherheiten und im Zuge des Klimawandels ist mit langen Dürrezeiten wie auch mit heftigen, langanhaltenden Regenfällen und starken Stürmen zu rechnen. All das kann die Ernten ganz vernichten oder Erträge nur gering ausfallen lassen. Es will wohl überlegt sein, wie die notwendigen Maßnahmen zum Klimaschutz umgesetzt werden, ohne dass neue, vielleicht schwerwiegende Probleme auftreten.


Anmerkung:
[1] https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Vernaesste-Moore-Wie-Landwirte-zum-Klimaschutz-beitragen-koennen,landwirtschaft996.html


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

https://www.youtube.com/watch?v=mG4IHMAyCQ4

https://www.youtube.com/watch?v=es3RgREbyRM

https://www.deutschlandfunkkultur.de/daemm-und-baumaterial-aus-dem-moor-100.html

24. Januar 2025


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