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BERICHT/187: Afrika - Pariser Ausstellung feiert ivorische Skulpturenkunst (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. April 2015

Afrika: Pariser Ausstellung feiert ivorische 'Meisterskulpturen' - Ethnische Kunst international hoch gehandelt

von A. D. McKenzie


Bild: © A. D. McKenzie/IPS

Skulptur von Kuakudili, die in der Ausstellung 'Die Meister der Skulptur aus Côte d'Ivoire' im Musée du Quai Branly in Paris zu sehen ist
Bild: © A. D. McKenzie/IPS

Paris, 20. April (IPS) - Es ist ein bekanntes Phänomen, dass nur wenige kunstinteressierte Europäer einen afrikanischen Bildhauer aus dem 19. oder dem frühen 20. Jahrhundert mit Namen kennen. Das Pariser Musée du Quai Branly will diese Wissenslücken nun mit einer bis zum 26. Juni laufenden Ausstellung schließen.

Im Rahmen der Schau 'Die Meister der Skulptur aus Côte d'Ivoire' sind nahezu 330 historische und zeitgenössische Kunstwerke und Artefakte ausgestellt. Die Ausstellung zollt dem bemerkenswerten Können dieser Bildhauer Tribut, die in ihrer Heimat als Meister ihres Fachs verehrt werden.

Der Zeitpunkt ist klug gewählt, denn der Markt für traditionelle Kunst aus Afrika boomt und die Werke erzielen Rekordpreise. Zugleich wird darüber diskutiert, ob Kunstwerke, die das Kulturerbe der Region widerspiegeln, nach Afrika 'zurückgeführt' werden sollten.


Kunst aus Afrika soll überall gezeigt werden

"Kunst hat kein Heimatland", meint dazu Eberhard Fischer, der Kurator der Pariser Ausstellung. Der deutsche Ethnologe leitete von 1973 bis 1998 das Museum Rietberg in Zürich. "Die Interessen eines Künstlers müssen nicht unbedingt mit denen seines Landes übereinstimmen. Museen sind gegenüber den Künstlern verantwortlich und sollten sie auf die richtige Weise würdigen." Fischer plädiert dafür, Kunst unabhängig von ihrem Herkunftsland überall auf der Welt zu zeigen. "Schließlich leben wir im 21. Jahrhundert", sagt er.

Die Ausstellung in Paris ist laut Fischer auch deshalb so besonders, weil sie die Urheber der Meisterwerke bekanntmacht. Denn oftmals werden Kunstwerke aus außereuropäischen Regionen als 'Stammeskunst' präsentiert, deren Schöpfer anonym bleiben. "Ich dagegen will diese Meister auf ein Podest stellen", so Fischer. "Sie hatten nie denselben Status wie westliche Künstler, und es ist an der Zeit, dass ihr individuelles Können in den Vordergrund gerückt wird."


Zentraler Platz in der Kunstgeschichte

In ihren Anmerkungen zu der Ausstellung erklären Fischer und der Ko-Kurator Lorenz Homburger, dass "die afrikanische Skulptur einen zentralen Platz in der Kunstgeschichte einnimmt". Mit der Identifizierung traditioneller Künstler verschaffe man ihnen Anerkennung. "Im Westen wird zu oft davon ausgegangen, dass afrikanische Kunstobjekte nur im Zusammenhang mit rituellen Handlungen stehen. Dabei werden diese Werke von Persönlichkeiten geschaffen, die großes künstlerisches Können zeigen", betonen die Kuratoren.

Côte d'Ivoire gehörte zu den wichtigsten Zentren afrikanischen Kunstschaffens. Die Ausstellung lädt dazu ein, die 'Meister' aus unterschiedlichen ethnischen Gruppen zu entdecken.

Die Museumsbesucher erfahren etwa von Sra ('der Schöpfer'), der von etwa 1880 bis 1955 lebte und laut den Ausstellungsorganisatoren zu den bekanntesten Bildhauern aus dem Westen seines Landes zählt. Er schuf "Prestigeobjekte und Masken für Stammesführer der Dan und Mano in Liberia und für ranghohe Mitglieder der Dan und We-Gemeinschaft in Côte d'Ivoire." Sra war bekannt für seine Frauenfiguren und Mutter-Kind-Darstellungen. Sein Zeitgenosse Uopié aus dem Nordwesten von Côte d'Ivoire machte sich vor allem mit seinen lächelnden Masken in Afrika einen Namen.


Bild: © A. D. McKenzie/IPS

Infotafel zum ivorischen Künstler Kuakudili
Bild: © A. D. McKenzie/IPS

In der Nähe der Kunstwerke befinden sich Tafeln, die die Identität des jeweiligen Künstlers und seine wichtigsten Charakteristika preisgeben. Tompieme war demnach ein "kleiner, eher athletischer und fröhlicher Mann", ebenso erfolgreich als Bauer wie als Sänger und Musiker. Si war ein Jäger und Jugendtrainer, der jahrzehntelang Jungen beschnitt und seine Schüler Holzschnitzen lehrte. Tame, der von etwa 1900 bis 1965 lebte, wird als "gutaussehender junger Mann" beschrieben, "ein erfolgreicher Ringer und Liebhaber vieler Frauen". Sein Onkel Uopié brachte ihm das Schnitzen bei.


Inspirationsgeber für Picasso und Braque

Dem deutschen Kunstsammler Hans Himmelheber, Fischers Stiefvater, ist es zu verdanken, dass der Ausstellung ein Foto von Kuakudili zur Verfügung steht. Der Anthropologe hatte den ivorischen Künstler 1933 getroffen. Auf dem Bild ist ein schlanker, ernst blickender Mann zu sehen. Kuakudili schnitzte Masken für Tänzer in Nachbardörfern und für Angehörige seines Volkes. In seinem Werk sind die Charakteristika erkennbar, die weltbekannte Künstler wie Picasso, Braque und andere Vertreter des Kubismus inspiriert hatten.

Holzmasken und andere Objekte afrikanischer Künstler sind zurzeit auf dem internationalen Kunstmarkt stark gefragt, vor allem in Paris, New York und Brüssel. Jean Fritts, im Auktionshaus Sotheby's verantwortlich für afrikanische und ozeanische Kunst, erklärt, dass sich die Preise für Kunst aus Afrika in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt hätten. "Seit 1999 hat es ein enormes Wachstum gegeben", sagt sie. "Teils ist dies darauf zurückzuführen, dass afrikanische Kunst auf breiterer Ebene wertgeschätzt wird." Eine afrikanische Maske wurde bei Sotheby's kürzlich für 3,5 Millionen Euro versteigert.


Viele Objekte gehen in arabische Länder

Händler berichten zudem, dass einige der ersten Sammler dieser Kunst inzwischen verstorben sind und ihre Erben die Objekte verkaufen. Viele Stücke kamen in den Zeiten der belgischen Kolonialherrschaft in Afrika nach Europa. Museen und private Sammler kaufen nun Skulpturen an, die offenbar auf "ehrlichem Wege" erworben wurden. Laut Fritts kommt etwa ein Viertel der Käufer aus dem arabischen Raum. Einige der von ihnen gekauften Werke seien für den Louvre in Abu Dhabi und das Nationalmuseum in Katar bestimmt, die 2016 eröffnet werden sollen.

Fischer hat kein Problem damit, wenn eine Ausstellung wie die im Musée du Quai Branly dazu beiträgt, den materiellen Wert der Kunstwerke zu steigern. "Viele dieser Stücke werden als Antiquitäten verkauft. Das halte ich für falsch", sagt er. "Warum sollte afrikanische Kunst nicht ebenso hohe Preise erzielen wie westliche Werke?" (Ende/IPS/ck/2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/04/giving-african-artists-their-names/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 20. April 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. April 2015

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