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DESIGN/059: Blaudruck - Eintauchen, anlegen, klopfen (Welt der Frau)


Welt der Frau 2/2012 - Die österreichische Frauenzeitschrift

BLAUDRUCK
Eintauchen, anlegen, klopfen

Von Andrea Mann


Maria und Karl Wagner haben sich vor 13 Jahren entschlossen, zu Model, Papp und Indigoblau zu greifen und das Handwerk des Blaudrucks wieder aufleben zu lassen. Beim "Blaumachen" entdeckten sie die wunderbare Wirkung der Entschleunigung.


Die Holzkugeln spielen auf der kleinen blauen Harfe an der Eingangstür eine angenehme Melodie, wenn man die Werkstatt der Familie Wagner in Bad Leonfelden, Oberösterreich, betritt. Der liebliche Klang wird sofort von einem rhythmischen Klopfgeräusch abgelöst.

Am Werktisch, der mitten in dem kleinen Raum platziert ist, stehen Maria und Karl Wagner. Fast schon mechanisch streicht Maria Wagner eine helltürkise Paste - Papp genannt - mit einem Pinsel auf ein Stempelkissen. Karl Wagner drückt den Holzstempel mit Messingstiften darin - Model genannt - auf den Papp, hebt ihn schnell wieder hoch, drückt ihn auf den Stoff. Ein Schlag mit der Faust links und dann rechts auf den Model, schon klebt die Paste auf dem weißen Leinen. "Früher stand die Todesstrafe darauf, wenn man die Zusammensetzung des Papps verraten hat. Heute sind die Bestandteile zwar kein Geheimnis mehr, aber die genaue Rezeptur wird noch immer nicht verraten. Es ist eine Mischung aus Wasser, Sonnenblumenöl, Gummiarabikum, Tonerde und Kupfersulfat", erklärt Karl Wagner, der mit dem Handwerk des Blaudrucks aufgewachsen ist und nun in der vierten Generation diese fast ausgestorbene Technik praktiziert. Der Papp hält beim späteren Färben die Muster frei von der blauen Farbe.

Immer wieder eintauchen, anlegen, klopfen - langsam, in gleichmäßigem Rhythmus entsteht ein weißes Stoffband mit türkisem Kornähren-Muster. Dass daraus einmal ein Stoff mit dem bekannten Blaudruck werden soll, lässt sich noch nicht so recht erahnen. Nun braucht der Papp zehn Tage zum Trocknen, fachmännisch gesagt: zum Versteinern.


Schwielen an den Händen

In der kleinen Werkstätte, die zugleich Schauraum ist, hängen unzählige Stoffmuster an den Wänden. Darüber stapeln sich in Holzregalen 200 Model. Der gewünschte Stoff wird für jeden Kunden bzw. jede Kundin extra gedruckt. Bestellen Unternehmen, wie die Trachtenhersteller Tostmann, Thalbauer oder das Heimatwerk, ist das jedes Mal eine körperliche Herausforderung für das Ehepaar. Denn für 120 Meter Blaudruckstoff wird drei Tage lang gedruckt. "Da habe ich Schwielen an den Händen, und die Augen schmerzen", schildert Karl Wagner. Das Ehepaar hat die Blaudruckerei vor 13 Jahren von den Eltern übernommen. Die Stückfärberei gibt es nicht mehr, aber wie in den Generationen davor wird die Handdruckerei im Nebenerwerb geführt. Karl Wagner ist Versicherungsmakler, Maria Wagner war früher Zahnarztassistentin und dann bei ihren Kindern zu Hause. Die 44-Jährige ist sozusagen eine Blaudruck-Quereinsteigerin. "Ich fand diese Arbeit schon immer faszinierend. Damit wird ein Stück Vergangenheit wieder lebendig." Und noch etwas begeistert die dreifache Mutter: "Das Tun entschleunigt mich. Jeder Schritt braucht seine bestimmte Zeit, das geht nicht schneller."


Gelb, Grün, Blau

Vom Drucktisch geht es - vorbei an alten Schildern und Kästen - durch einen engen Gang in den Färberaum. Ein großer Stahlbottich (Indigoküpe), Vorrichtungen mit Seilen, Haken und Eisengestellen, eine riesige Waschmaschine und eine Art überdimensionale Bügelmaschine (Mangel) stehen darin. Karl Wagner schiebt den großen Deckel des Färbebads zur Seite. Ein undefinierbarer Geruch steigt hoch. Die Farbe darin, die bereits seit 13 Jahren die gleiche ist, wirkt unheimlich - an der Oberfläche blau, darunter grünlich, fast schwarz. Vor jedem Färben wird, je nach Bedarf, Indigo, Wasser, Natronlauge oder Hydrosulfit zugegeben.

Maria Wagner hat nun ihre Blauschürze umgebunden und spannt das Leinen in die große Spindel ein. Klack, klack, klack - Zentimeter für Zentimeter befestigt sie den Stoff an den spitzen Zacken. Mit einem Haken hängt sie die Spindel an eine Winde und zieht sie zum Laugenbottich. Fast möchte man eingreifen und der zierlichen Frau bei der Arbeit mit den sperrigen Gegenständen helfen. Doch jeder Handgriff sitzt. Das Färben macht die 44-Jährige fast immer alleine. Langsam lässt sie die Spindel in die Küpe, nach zwei Minuten zieht sie den Stoff hoch, der nicht wie erwartet blau ist, sondern gelblich. Erst nach Minuten des Wartens und des Oxidierens der Farbe wird das Leinen zuerst grün und dann blau. Nach 20 Minuten ist der Stoff endlich dunkelblau. Noch ist das perfekte Blau nicht erreicht. Es braucht noch vier bis sechs Züge. "Diese Arbeit ist für mich immer wieder spannend, da das Ergebnis des Färbens nicht immer das gleiche ist. Wenn ich dann einen fertigen Stoff präsentiere, freue ich mich so richtig darüber", erzählt sie mit einem gewissen Stolz.

Nach dem Färben kommt das Wasserbad an die Reihe, damit der Papp herausgewaschen wird. In der Waschmaschine wird der Stoff bei 70 Grad mit Waschmittel von der überschüssigen Farbe gesäubert. Nach dem Schleudern wird noch der nasse Blaudruck mit der Mangel trocken gebügelt.


Der Grundstein

Beginnt Karl Wagner über den Blaudruck zu erzählen, schweift er schnell in die Vergangenheit ab. Vom Urgroßvater Karl, Großvater Karl und Vater Karl. Sein Urgroßvater hat 1878 den Grundstein für die Blaudruckwerkstatt in Bad Leonfelden gelegt. Er war von 1869 bis 1878 auf der Walz in Norddeutschland und hat von dieser unzählige Model mitgenommen. Mit diesen Holzstöcken werden unter anderem noch heute die Muster händisch aufs Leinen gedruckt.

Die Drucktechnik, wie wir sie heute kennen, kam aus Indien und erreichte Deutschland und Österreich im 16. oder 17. Jahrhundert über Belgien und Holland. Anfangs wurden nur Leinenstoffe bedruckt, seit dem 18. Jahrhundert auch Halbleinen- und Baumwollstoffe.

Früher, vor der Industrialisierung, galt der Blaudruck, bei dem vorwiegend handgewebte Leinenstoffe der ländlichen Bevölkerung bedruckt wurden, als Kunst der armen Leute. Vor allem wurde die Technik für Bettzeug, Vorhänge und Frauenkleidung Verwendet. Wer damals Reichtum signalisieren wollte, tat dies über teure Stoffe und aufwendige Stickereien und Verarbeitungsformen. Die Industrialisierung und der damit aufkommende maschinelle Walzendruck bedeuteten für die meisten Blaudruckwerkstätten das Aus. Heute existieren nur noch wenige Handwerksbetriebe, die die Herstellung der Model und die alten Drucktechniken beherrschen.

In Oberösterreich sind es nur noch Maria und Karl Wagner, die dieses alte Handwerk am Leben erhalten. Hätten sie im Jahr 1998 die elterliche Blaudruckerei nicht übernommen, hätte es das Aus für das alte Handwerk in der Region bedeutet.


DIE BLAUDRUCKER-SPRACHE

"Blaumachen": Die blaue Farbe wurde früher aus der Pflanze "Färberwaid" gewonnen. Um das Indigoblau aus der Pflanze zu gewinnen, brauchte es einen Gärungsprozess. Dafür wurden die Färber und BLAUDRUCKER angehalten, am Sonntag ausgiebig ins Wirtshaus zu gehen und viel zu trinken. Am Montag wurde dann in den Behälter uriniert, in dem sich die Färberwaid befand. Die dadurch ausgelöste Gärung löste die Farbe aus der Pflanze. (Heute gibt es die Farbe in Pulverform.)

"In die Mangel nehmen": Das fertig gefärbte Leinen wird in der Mangel geglättet.

"Das blaue Wunder": Damit wird jener Vorgang des Färbens genannt, wenn das Leinen nach dem ersten Mal Eintauchen in die Farbe herausgezogen wird. Zuerst ist der Stoff nämlich gelblich. Durch die Oxidation wird er allmählich grün und schließlich blau.

"grün und blau schlagen": Wird das Leinen im Sternreif (Roaf) befestigt, klebt es nach dem Herausziehen aus dem Färberbad aneinander. Damit die Farbe beim Oxidieren von Grün auf Blau nicht fleckig wird, werden die Stoffteile mit einem Holzstecken auseinandergeschlagen.


In Österreich gibt es nur noch zwei Betriebe, in denen "blaugemacht" wird: Blaudruckerei Wagner in Bad Leonfelden/Oberösterreich, www.Blaudruck.at, Handblaudruckerei Koó in Steinberg/Burgenland, www.originalblaudruck.at


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Quelle:
Welt der Frau - Die österreichische Frauenzeitschrift,
Februar 2012, Seite 45-47
mit freundlicher Genehmigung der Redaktion und der Autorin
Herausgeberin: Katholische Frauenbewegung Österreichs
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. März 2012