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DOCUMENTA/039: 8. bis 16. September 2012 - Abschlusswoche (dOCUMENTA (13))


dOCUMENTA (13)

8. - 16. September 2012 - Abschlusswoche

Drei Konferenzen, ein Film-Marathon und viele andere Veranstaltungen, mit Vorträgen, Performances, Screenings und Lesungen

»Der Tanz war sehr frenetisch,
rege, rasselnd, klingend, rollend, verdreht
und dauerte eine lange Zeit«



Eine Ausstellung ist wie ein Organismus, der aufgeht und sich entfaltet, wie ein Gemüsekeim. Sie erwächst aus Intuition, bildet dann einen Instinkt aus, dann eine Option, dann Wissen; wie eine Pflanze - die in sich selbst viele andere lebende Entitäten beherbergt - hat sie Wurzeln, Keime und Früchte.

Nach vier Jahren von Unternehmungen im Vorfeld, Seminaren und Vorbereitungen, nach einer 100tägigen Ausstellung und anderen Aktivitäten in Kassel, einer 30tägigen Ausstellung und Seminaren in Kabul, einem 8tägigen Seminar in Alexandria und einem 14tägigen Rückzug nach Banff, wird die dOCUMENTA (13) am 16. September 2012 um 20.00 Uhr schließen.

Nahezu vor 100 Tagen, als die Ausstellung in Kassel eröffnete, haben wir statuiert: dass dOCUMENTA (13) sich der künstlerischen Forschung und Formen der Einbildungskraft widmet, die Engagement, Materie, Dinge, Verkörperung und tätiges Leben in Verbindung mit Theorie untersuchen, ohne sich dieser jedoch unterzuordnen.
Wir sprachen damals von Gebieten, in denen Politisches untrennbar ist von einem sinnlichen, energetischen und weltgewandten Bündnis zwischen der aktuellen Forschung auf verschiedenen wissenschaftlichen und künstlerischen Feldern und anderen, historischen ebenso wie zeitgenössischen Erkenntnissen sowie davon, dass die dOCUMENTA (13) von einer ganzheitlichen und nichtlogozentrischen Vision angetrieben wird, die dem beharrlichen Glauben an wirtschaftliches Wachstum skeptisch gegenübersteht. Diese Vision teilt und respektiert die Formen und Praktiken des Wissens aller belebten und unbelebten Produzenten der Welt, Menschen inbegriffen.

Und nun ergänzen wir, dass eine Ausstellung auch als vor-reflexives impersonelles Bewusstsein gedacht werden könnte, eine qualitative Bewusstseinsspanne ohne sich selbst. Ein Glücksmoment, der über die Grenzen des Subjekts und des Objekts hinausgeht, einer Erfahrung von Leben, das weder vom Ersten abhängt noch an das Letzte gebunden ist. Kunst ist unaufhörlich ins Leben gestellt.
Und dieses unbestimmte Leben reflektiert in Kunst erlaubt uns, Gelebtes und Lebendes zu begreifen, Leben getragen von Ereignissen und von den Besonderheiten, die sich im Subjekt und Objekten niederschlagen.

Kunst ist nicht einfach dem Leben nachgestellt, sondern bietet die Unermesslichkeit eines zeitlichen Raums, in dem die Dinge, die noch kommen werden, sichtbar werden in der Absolutheit eines unmittelbaren Bewusstseins.

Während der Abschlusswoche, wird die dOCUMENTA (13) Ort dreier Konferenzen werden, die sich auf drei Themen fokussieren, die grundlegend die Ausstellung geformt haben: Künstlerische Forschung, Samen und Interaktion zwischen verschiedenen Spezien und: Zeit. Was ist Künstlerische Forschung, wie kann sie sich in einer weniger anthropozentrischen Art und Weise verhalten, die sich der Emanzipation aller Produzenten der Welt verschrieben hat, ihrer Lebensgrundlage; und wie kann sie in einer Welt funktionieren, die frei ist vom Diktat über die und von der Zeit, das zum immer größeren Problem wird im fortgeschrittenen digitalen Zeitalter.

dOCUMENTA (13) Künstler, unter anderem Maria Thereza Alves, Ayreen Anastas und Rene Gabri, Jérôme Bel, Andrea Büttner, Mark Dion, Jimmie Durham, Dora García, Pierre Huyghe, Joan Jonas, Amar Kanwar, Marcos Lutyens, Christian Philipp Müller, Claire Pentecost, Walid Raad, Anri Sala, und Albert Serra; dOCUMENTA (13) Agenten, Berater und MEG Mitglieder, einschließlich der künstlerischen Leiterin Carolyn Christov-Bakargiev, Leiterin der Abteilung Chus Martínez, so auch Ali Brivanlou, Jürgen Heß, Donna Haraway, Raimundas Malasauskas, und Anton Zeilinger; und andere Teilnehmer einschließlich AND AND AND, Franco Berardi Bifo, Luca Cerizza, Vinciane Despret, Mai Abu ElDahab, George McKay, Hans Ulrich Obrist, Marco Scotini, Vandana Shiva, und Jan Verwoert nehmen verschiedentlich an diesen Aktivitäten teil.


Die Konferenzen
 
1. »Über künstlerische Forschung«

Samstag, 8. September 10.00 Uhr - 20.00 Uhr | Ständehaus
Teil 1: Künstlerische Forschung - oder wie man die Beziehungen zwischen den mit Kunst beschäftigten Disziplinen desorganisiert
Teilnehmer: Mai Abu ElDahab, Ayreen Anastas und Rene Gabri, Sam Belinfante, Luca Cerizza, Jeremiah Day, Clodagh Emoe, Chiara Fumai, Dora Garcia, Terike Haapoja, Jan Kaila, Hongjohn Lin, Laura Malacart, Chus Martínez, Claire Pentecost, Elske Rosenfeld/Giulia Cilla/Ingrid Cogne, Gertrud Sandqvist, Simon Sheikh, Henk Slager, Bryndís Snæbjörnsdótir, Jan Verwoert, Angela Vettese, Mick Wilson

Sonntag, 9. September
10.00 Uhr - 17.00 Uhr | Ständehaus
Teil 2: Forschung zu Kunst und Künstlern. In Richtung einer neuen Form, Ästhetik und Politik aufeinander zu beziehen.
Teilnehmer: Yann Chateigné, Andris Brinkmanis, Rene Gabri und Ayreen Anastas, Bernhard Rüdiger, Vanessa Ohlraun, Susanne M. Winterling, Ane Hjort Guttu, Andrea Büttner, Chus Martínez, Nicola Setari

Die zweitägige Konferenz »Über künstlerische Forschung« wurde in Zusammenarbeit mit dem von der dOCUMENTA (13) gegründeten Kunstakademien-Netzwerk entwickelt. Das Programm beginnt am Morgen des 8. Septembers mit »Künstlerische Forschung - oder wie man die Beziehungen zwischen den mit Kunst beschäftigten Disziplinen desorganisiert« mit einer Einführung von Chus Martínez und Lesungen von Mai Abu ElDahab, Luca Cerizza, Simon Sheikh und Jan Verwoert. Die Nachmittagsveranstaltung »Forschen - oder eine Übung zum Nachdenken über die Bedeutung von künstlerischer Forschung im akademischen Kontext« mit einer Einführung von Jan Kaila und Henk Slager, beinhaltet eine Reihe von Forschungs-Statements, präsentiert von Ayreen Anastas und Rene Gabri, Bryndís Snæbjörnsdótir, Chiara Fumai, Dora Garcia, Claire Pentecost, Clodagh Emoe, Elske Rosenfeld/Giulia Cilla/Ingrid Cogne, Hongjohn Lin, Jeremiah Day, Laura Malacart, Sam Belinfante und Terike Haapoja. Eine Buchpräsentation von Angela Vettese folgt eine Zusammenfassung von Mick Wilson zusammen mit Gertrud Sandqvist, Simon Sheikh, Chus Martínez und Jan Verwoert.

Die Veranstaltung am Morgen des 9. Septembers wird eröffnet von Nicola Setari und beginnt mit einem Gespräch mit Yann Chateigné über das Publikations- und Forschungsprogramm im Zusammenhang mit und entstanden aus Pedro Reyes' dOCUMENTA (13)-Projekt 'Sanatorium'. Darauf folgt eine Diskussion zwischen Ayreen Anastas, Andris Brinkmanis und Rene Gabri. Am Nachmittagsprogramm nehmen teil: Andrea Büttner, Ane Hjort Guttu, Vanessa Ohlraun, Bernhard Rüdiger und Susanne M. Winterling. Der Tag endet mit abschließenden Worten von Chus Martínez und Nicola Setari.

2. Über Samen und Multispezies-Intra-Aktion: Die Enteignung von Leben

Montag, 10. September
10:00 - 20:00 | Ständehaus
Teil 1
Teilnehmer: Donna Haraway, Florian Hecker, Toril Johannessen, Tue Greenfort, Vinciane Despret, Beatriz Preciado, Lissette Olivares und Juan Castellano, Salima Ikram, Tron Frede Thingstad, Claire Pentecost, Karel Jezek, Carolyn Christov-Bakargiev und Chus Martínez.

Samstag, 15. September
10:00 - 20:00 | Ständehaus
Teil 2
Mit dem Vortrag »Samen Freiheit« von Vandana Shiva. Einführung und Schlusskommentare von Ayreen Anastas, Rene Gabri, und Jürgen Heß. Teilnehmer: Maria Thereza Alves, Mark Dion, Jimmie Durham, Josefina Hepp, Amar Kanwar, George McKay, Nalini Malani, Christian Philipp Müller, Claire Pentecost, Asif Zaidi.

Über Samen und Multispezies-Intra-Aktion: Die Enteignung von Leben ist eine zweitägige öffentliche Konferenz, welche die ökologische Sichtweise der dOCUMENTA (13) zum Ausgangspunkt nimmt und auf einer globalen Allianz zwischen verschiedenen Formen von weltgewandter Forschung und Wissen aufbaut, die auf unterschiedlichen Gebieten aktiv entwickelt werden. Die Diskussion richtet ihr Hauptaugenmerk auf Fragen zu Nahrungsmitteln und Saatgut, Wasser und Land, Energie und Wachstumsrücknahme, aber auch auf den Menschen als nur eine von vielen Formen tierischen und biologischen Lebens. Begriffe die sich um Aussaat und die Idee einer multispeziellen Intra-Aktion entfalten, eröffnen neue Perspektiven im Öko-Feminismus die Probleme des Unterschieds oder »Otherings« weiter über den Begriff Geschlecht hinaus nahelegen. Inspiriert von und in der Hoffnung sich in den verbundenen Horizonten zweier Hauptdenker in diesem Feld - Samen-Aktivistin Vandana Shiva und Multispezies-Biologin und Kulturtheoretikerin Donna Haraway - diese finale Konferenze der dOCUMENTA (13) versammelt einige der rigorosesten Akademiker, Künstler und Aktivisten in diesem Feld und bringen sie mit einer Reihe neuer Stimmen zusammen.

Der erste Teil der Konferenz öffnet am Montag, den 10. September mit einer Klangintervention von Florian Hecker, gefolgt von einem Gespräch von Vinciane Despret und Beatriz Preciado und einer Performance von Lissette Olivares und Cheto Castellano. Ein aufgezeichneter Vortrag von Donna Haraway leitet die Nachmittagssitzung ein, gefolgt von einer Präsentation von Salima Ikram, einem Talk mit Tue Greenfort und der Teilnahme von Tron Frede Thingstad, Claire Pentecost, Karel Jezek, und Toril Johannessen. Der Tag wird eingeleietet, moderiert und zusammengefasst von Carolyn Christov-Bakargiev und Chus Martínez.

Der zweite Teil der Konferenz, am Samstag, den 15. September beginnt mit einer Lecture von George McKay und einem Künstlergespräch mit Maria Thereza Alves und Jimmie Durham. Ein spezieller Lunch wird von Künstler Christian Philipp Müller im Auepark serviert werden. Vandana Shiva eröffnet den Nachmittagsteil mit einer Keynote Lecture, gefolgt von einem Vortrag von Asif Zahidi, einem Gespräch mit Mark Dion, einer Präsentation von Josefina Hepp zusammen mit Amar Kanwar, Nalini Malani und Claire Pentecost. Der Tag wird eingeführt, moderiert und zusammengefasst von Ayreen Anastas, Rene Gabri und Jürgen Heß.


3. Über Zeit und Uhren

Donnerstag, 13. September
13.00 - 17.00 | Ständehaus
Teil 2 der Konferenz folgt einer ersten Sitzung, gehalten im Juni.
Teilnehmer: Hans Ulrich Obrist, Anri Sala, Hans Siebeneicher, Anton Zeilinger

»Über Zeit und Uhren« stellt den zweiten Teil einer Diskussion über Zeit, die während der Eröfnungswoche im Juni zwischen William Kentridge und Peter Galison begann, dar. Sie konzentriert sich auf Abri Salas neues Projekt für die documenta Clocked Perspective, welches die Orangerie und die Karlsaue miteinander verbindet. Sala wird von Quantenphysiker Anton Zeilinger, Kurator und Schriftsteller Hans Ulrich Obrist und Uhrmacher Hans Siebeneicher, der das mechanische Uhrwerk entwickelte, unterstützt um über die unterschiedlichen Konzepte von Zeit und darüber, wie Uhren unser Leben beeinflussen, zu sprechen. Die Veranstaltung wird eingeleitet von Nicolas Setari mit abschließenden Bemerkungen der künstlerischen Leitung Carolyn Christov-Bakargiev.


FILM MARATHON: THE THREE LITTLE PIGS

Dienstag, 11. September, 20.00 - Sonntag, 16. September, 20.00
Eine laufende Film Vorführung eines 100stündigen Films
Bali Kinos
Albert Serra: The Three Little Pigs

Während der dOCUMENTA (13), hat der Künstler und Filmemacher Albert Serra einen 100-stündigen »Film« gemacht, indem er jeden Tag gecastet, geschrieben, auf HD Video gefilmt und veröffentlicht hat. Dieser performative, surrealistische und prometheischen Akt des Widerstands war ein intellektueller Akt des Friedens von allen Logiken produktiven Verhaltens in der heutigen Gesellschaft. Während der Ausstellung wurde das Produkt jedes vorangegangenen Tages im Bali Kino vorgeführt, während nun in der Abschlusswoche der gesamte Film Nonstop über den Zeitraum von einer einzigen Woche, an 24 Stunden des Tages gezeigt wird. The Three Little Pigs zeigt die Begegnung von drei seltsamen Monologen dreier Männern: Johan Wolfgang Goethe, Adolf Hitler und Rainer Werner Fassbinder. In diesem Film üben Schauspieler und Laien drei Texte ein, die Konversation der drei Charaktere wechselt ständig im Machen und konstruiert zur gleichen Zeit ein beständiges Bild zwischen sehr verschiedenen Gedanken, dem Denken von Logiken, Arten der Wahrnehmung, und Formen von Aktion. Absurd lang, stellt der Film eine neue Verbindung zwischen Sehen und Fragwürdigem/Zweideutigem dar. Serras Nonstop Filmvorführung ist eine Verschmelzung nicht-kompromittierender Leidenschaft für das Bild, die Stimme, das »dann« der Geschichte und das »Jetzt« der Schauspieler, der Zeit in Kassel, mit dem Machen des Filmes selbst, welcher in den letzten Tagen der dOCUMENTA (13) darüber den Vorsitz und die Zeugenschaft hat.

ANDERE PROGRAMM HIGHLIGHTS: FILMVORFÜHRUNGEN; PERFORMANCES UND ANDERE EVENTS

Montag, 10. September - Samstag, 15. September
15.00 - 16.00, 18.00 - 19.00 / LESUNG / PERFORMANCE / Untere Karlsstr. 14
Walid Raad: »Scratching on Things I Could Disavow«

Mittwoch, 12. September - Sonntag, 16. September
12.00 - 13.00, 15.00 - 16.00, 18.00 - 19.00 / PERFORMANCE / Kaskade Cinema
Jérôme Bel: »Disabled Theater«

13. September, 14. September, 15. September
22.00 - 23.00
PERFORMANCE / Kaskade
Joan Jonas und Jason Moran: »Reanimation a new performance«

Freitag, 14. September
19:00 - 20.30
VORTRAGSPROGRAMM | Ständehaus
Ali Brivanlou und Pierre Huyghe: »Über die Umkehr von Zeit und Raum«

Sonntag, 16. September
18:00
VERANSTALTUNG / Reflection Room im Karlsaue Park, besondere Gruppensitzung im Freien
Marcos Lutyens und Raimundas Malasauskas mit Sissel Tolaas: »Hypnose Show«

Sonntag, 16. September
20:00
PERFORMANCE / Auf dem Dach des Fridericianums
Chiara Fumai: »Shut Up. Actually, Talk (the world will not explode)«


Die documenta und Museum Fridericianum Veranstaltungs-GmbH ist eine gemeinnützige Gesellschaft, die von der Stadt Kassel und dem Land Hessen als Gesellschafter getragen und finanziert und zudem durch die Kulturstiftung des Bundes finanziell unterstützt wird.

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Quelle:
dOCUMENTA (13) - Newsletter vom 7. September 2012
Friedrichsplatz 18, 34117 Kassel
Telefon: + 49 561 707270, Fax: + 49 561 7072739
E-Mail: press@documenta.de
Internet: www.documenta.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. September 2012