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MELDUNG/069: Nachhaltigkeit - (k)eine Kunst? (Goethe Uni-Frankfurt)


Goethe-Universität Frankfurt - 17. Dezember 2010 / 316

Nachhaltigkeit - (k)eine Kunst?
Wenn Künstler Bäume pflanzen und Bienen züchten


FRANKFURT. Kann es Kunst sein, mobile Gärten in Einkaufswagen anzulegen, in der Stadt Bienen zu züchten oder Objekte aus weggeworfenen Verpackungen zu gestalten? Verena Kuni, Professorin für Visuelle Kultur am Institut für Kunstpädagogik der Goethe-Universität, beantwortet diese Frage eindeutig mit Ja. "Das Ideal der Antike war eine Kunst, die den Wandel der Zeit überdauert", erklärt sie. "Zeitgenössische Künstler definieren dieses Ideal neu, indem sie sich gesellschaftlich engagieren und für eine nachhaltige Lebensweise einsetzen". In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Forschung Frankfurt" stellt Verena Kuni Projekte von Künstlern aus dem Frankfurter Raum vor, die einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten - und dabei auch die Bürger vor Ort zur aktiven Beteiligung einladen. Dirk Fleischmann, ein Absolvent der Frankfurter Städelschule, engagierte sich schon während seines Studiums für Nachhaltigkeit, indem er in der Akademie einen Kiosk betrieb und aus den gesammelten Verpackungsdisplays am Ende des Semesters Reclycing-Kunstobjekte gestaltete, die anschaulich demonstrierten, wie viel Abfall der kleine Hunger zwischendurch produziert. Im Auftrag des Karlsruher Zentrums für Medientechnologie (ZKM) und des RSA Arts and Ecology Centre London begann Fleischmann, ein Projekt für die ZKM-Repräsentanz in "Second Life" zu entwickeln. Sein Ziel war es, den ökologischen Fußabdruck der virtuellen ZKM-Repräsentanz sichtbar machen und zugleich durch Baumpflanzungen in der realen Welt zu kompensieren.

Da es verschiedene Probleme bei der Verschränkung von realer und virtueller Ebene des Projekts gab und zudem die Pflanzung weniger einzelner Bäume lediglich eine symbolische Geste geblieben wäre, ließ sich Fleischmann auf das Wagnis eines größer angelegten Aufforstungsprojekts ein. Er reiste selbst auf die Philippinen und gewann dortige Umwelt-Engagierte und Bauern für die Realisierung. So entstand eine echte "Forest Farm", über deren Fortschritte die lokale Betreibergemeinschaft regelmäßig im World Wide Web berichtet - indes in "Second Life" ein schlichtes Bauschild genügt, das über den Verlauf des Projekts informiert.


Urbane Imkerei

Die Frankfurter Künstlergruppe "finger" gehört zu den Pionieren der urbanen Imkerei. Florian Haas und Andreas Wolff geht es dabei nicht allein um die Honigproduktion. Ihre Bienen finden in den Frankfurter Parks, Gärten, Friedhöfen und Brachen reichhaltige Nahrung und leisten als Bestäuber einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt. Honig von Stadtbienen ist - anders als im Stadtraum angebautes Obst und Gemüse - nicht schadstoffbelastet und als lokales Produkt obendrein weitaus verträglicher als ein Gutteil des Honigs, der im Supermarkt zum Verkauf angeboten wird.

Im Mittelpunkt des Stadtimkerei-Projekts von "finger" steht aber das Bienenvolk selbst als Produktionsgemeinschaft und "sozialer Organismus". So fanden die ersten Bienenstöcke auf Einladung von Gerald Hinze, der im Auftrag der evangelischen Diakonie im Frankfurter Bahnhofsviertel das Obdachlosenprojekt "Weser 5" betreibt, im Turm der Weißfrauenkirche Aufstellung; als die Kirche renoviert werden musste, zogen die Stöcke aufs Dach des Museums für Moderne Kunst - während Haas und Wolff parallel die "Gemischte Bienengruppe" ins Leben riefen, in der sich Menschen aus unterschiedlichen sozialen Schichten gemeinsam um Bienenstöcke kümmern. In Veranstaltungen vermitteln die Künstler Kindern und Erwachsenen nicht nur Grundlagenwissen über die Imkerei, sondern erkunden mit ihnen auch die kulturgeschichtlichen und ästhetischen Dimensionen des Bildes vom "Bienenstock".


Nachhaltige Kunst an der Goethe-Universität

Im Rahmen ihres Projekts "Biotop Stadt" arbeitet Verena Kuni mit internationalen Künstlerinitiativen zusammen, die künstlerische Forschung an der Schnittstelle von Ökologie, Technologie und Urbanismus betreiben. Speziell mit Bienen hat sie aktuell gemeinsam mit dem Künstler Andreas Exner, Mitarbeiter im Schwerpunkt Plastik am Institut für Kunstpädagogik, und Studierenden das Projekt "Im Bienenstock" realisiert. Das von der Crespo Foundation geförderte Projekt eröffnet Schulkindern künstlerische und naturwissenschaftliche Zugänge. Dabei stand nicht zuletzt ein Besuch bei Prof. Christian Winter auf dem Programm, der im Botanischen Garten der Universität nachhaltige Imkerei betreibt. Zusammen mit Prof. Paul Dierkes (Didaktik der Biowissenschaften, Goethe-Universität), mit dem sie bereits seit mehreren Semestern gemeinsame Lehrveranstaltungen anbietet, entwickelt Verena Kuni derzeit die interdisziplinäre Lehr-, Forschungs- und Lernplattform "ArtSciEd".


Kostenlose Bestellung von "Forschung Frankfurt": ott@pvw.uni-frankfurt.de
"Forschung Frankfurt" online: www.forschung-frankfurt.uni-frankfurt.de/2010/index.html

Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der europäischen Finanzmetropole Frankfurt. 1914 von Frankfurter Bürgern gegründet, ist sie heute eine der zehn drittmittelstärksten und größten Universitäten Deutschlands. Am 1.áJanuar 2008 gewann sie mit der Rückkehr zu ihren historischen Wurzeln als Stiftungsuniversität ein einzigartiges Maß an Eigenständigkeit. Parallel dazu erhält die Universität auch baulich ein neues Gesicht. Rund um das historische Poelzig-Ensemble im Frankfurter Westend entsteht ein neuer Campus, der ästhetische und funktionale Maßstäbe setzt. Die "Science City" auf dem Riedberg vereint die naturwissenschaftlichen Fachbereiche in unmittelbarer Nachbarschaft zu zwei Max-Planck-Instituten. Mit über 55 Stiftungs- und Stiftungsgastprofessuren nimmt die Goethe-Universität laut Stifterverband eine Führungsrolle ein.


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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 316 vom 17. Dezember 2010
Goethe-Universität Frankfurt
Herausgeber: Der Präsident
Abteilung Marketing und Kommunikation, Postfach 11 19 32
60054 Frankfurt am Main
Redaktion: Dr. Anne Hardy, Referentin für Wissenschaftskommunikation
Telefon (069) 798 - 2 92 28, Telefax (069) 798 - 2 85 30
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Internet: www.uni-frankfurt.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Dezember 2010