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WÜRDIGUNG/001: Die stille Präsenz - Hanna Schygulla wird 70 (SB)


Lieber barfuß im Sand als auf einem Sockel!

Zum 70. Geburtstag von Hanna Schygulla am 25. Dezember 2013



Wäre da nicht diese wunderbare kleine Autobiographie "Wach auf und träume" im Herbst diesen Jahres bei Schirmer/Mosel erschienen, wieviel Aufmerksamkeit und öffentliches Interesse hätte der 70. Geburtstag von Hanna Schygulla am 25. Dezember wohl erfahren?

Sie, die mit Rainer Werner Fassbinder als Star des neuen deutschen Films international gefeiert wurde, die mit Katzelmacher, Liebe ist kälter als der Tod, Die bitteren Tränen der Petra von Kant, Acht Stunden sind kein Tag, Berlin Alexanderplatz, Effi Briest, Die Ehe der Maria Braun oder Lili Marleen bleibenden Eindruck hinterließ, deren Karriere mit Regisseuren wie Jean-Luc Godard, Ettore Scola, Carlos Saura, Marco Ferreri, Andrzej Wajda, George Tabori, Wim Wenders, Volker Schlöndorff, Margarethe von Trotta oder Fatih Akin verbunden ist, die als eine der wenigen deutschen Schauspielerinnen den Sprung nach Hollywood schaffte und in den USA als das "ungewöhnlichste Ding seit Marlene Dietrich" bezeichnet wurde, die mit vielen nationalen und internationalen Filmpreisen geehrt wurde, unter anderem 2010 mit dem Goldenen Bären für ihr Lebenswerk - die "am Rande des Traums Samen streute für die Wirklichkeit" [1] - es ist eher stiller um sie geworden.

Hanna Schygulla - © Beat Presser (www.beatpresser.com)

Hanna Schygulla
© Beat Presser (www.beatpresser.com)

Vielleicht liegt es daran, daß sie seit 1982 in Paris lebt, ihre großen Filme einige Jahre zurückliegen, sie seltener auf der Leinwand oder im Fernsehen zu sehen ist, neue künstlerische Betätigungsfelder in den Fokus gerückt sind als Sängerin, Videokünstlerin oder jetzt als Autorin.

Vielleicht ist die relative mediale Zurückhaltung oder Beschränkung aber auch Ausdruck einer ein Leben lang durchgetragenen Präferenz, ein Anti-Star zu sein, als den sie sich selber schon früh bezeichnet hat. Hanna Schygulla war schon immer eine, die (gern) aus der Rolle fiel, der Anerkennung zwar einiges, aber nicht alles bedeutete, die lieber Angebote ausschlug, als Rollen zu spielen, die ihr nicht entsprachen, die dem Zufall und ihrer Intuition folgte, auch mit dem Risiko des Scheiterns, der der Widerspruch Motor, nicht Störfaktor bedeutete, die, statt gewohnte Pfade zu laufen, lieber neue Welten erobert, die sich nicht mit Dingen aufhält, die nichts geworden sind, sondern auch dem Verlust einen Gewinn abzuringen vermag, für die der Tod eine Art von ,Hallo Wach' ist, keinen Tag selbstverständlich hinzunehmen und ungelebt vorübergehen zu lassen, die längst noch nicht fertig ist mit ihren vielen Leben, sondern sich die Fähigkeit bewahrt hat zum Staunen - die nicht wartet.

Ihren 70. wird Hanna Schygulla auf Kuba verbringen, wohin sie seit vielen Jahren intensive freundschaftliche Verbindungen hat, bevor sie 2014 eine neue Karriere als Hochschuldozentin beginnt. Felicidades, Hanna Schygulla!


Anmerkung:
[1] Hanna Schygulla, Wach auf und träume, Die Autobiographie, Schirmer/Mosel Verlag, München 2013

Mehr zu Hanna Schygulla finden Sie im Schattenblick unter:

Schattenblick → INFOPOOL → BUCH → BIOGRAPHIE
REZENSION/028: Hanna Schygulla - Wach auf und träume (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/buch/biograph/bubir028.html

Schattenblick → INFOPOOL → KUNST → REPORT
INTERVIEW/024: Traumgenau dem Wunsch entgegen - mit Hanna Schygulla im Gespräch (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/kunst/report/kuri0024.html

24. Dezember 2013