Susanne Fasbender - Videoinstallationen und Bilder
vom 23.03.2013 bis 12.05.2013 in der Reichsabtei Aachen-Kornelimünster
Fern der Heimat - vereinzelt - administriert
Foto: © 2013 by Schattenblick
Wer Kunst betreibt und diese nicht als Selbstzweck versteht, als bloßen Erwerbsberuf oder als Medium der Selbstdarstellung, um statt dessen Sichten auf Realitäten zu eröffnen, die eher nicht zur Kenntnis genommen werden, steht schnell vor der Frage der Mittel. Da der Kampf um die Aufmerksamkeit einer mehr oder weniger kunstinteressierten Öffentlichkeit eine lange Geschichte hat, geht es dabei nicht zuletzt darum, durch zahlreiche Wiederholungen eingeübte und dementsprechend oberflächlich bleibende Formen der Rezeption zu durchbrechen. Ein im Kunstbetrieb beliebtes und gleichwohl fragwürdiges Mittel, das so erfolgreich wie begrenzt sein kann, ist der Versuch, über Empörung und Entsetzen des Publikums, über das grelle Spektakel, gar den Abscheu oder Ekel, die Gedanken und Empfindungen einzufangen und für einen Moment zu fesseln.
Ein Beispiel für einen eher subtilen Ansatz, eine Realität zu vermitteln, die der Besucher einer Kunstausstellung in der Regel kaum Gefahr läuft, am eigenen Leibe zu erleben, ist die derzeitige Präsentation von Videoinstallationen und Bildern der Düsseldorfer Künstlerin Susanne Fasbender, die in der ehemaligen Reichsabtei Aachen-Kornelimünster ausgestellt werden. Der breite, kopfsteingepflasterte Weg zu dem im 18. Jahrhundert erbauten, dreiflügeligen Barockgebäude birgt Überraschungen: Über den Köpfen hängt ein metallener Tetraeder wie ein Gruß aus der Zukunft, eine Skulptur fügt sich harmonisch zwischen Platanen. Die hellen und großzügigen Ausstellungsräume sind wie geschaffen für die dort hängenden Exponate, deren rechtwinklige Geometrie an weißen Wänden in reizvollem Kontrast zum ornamentalen Gepränge gold-verzierter Türrahmen steht.
Der Wind wird uns tragen
Foto: © 2013 by Schattenblick
Drei Bilder im Eingangsbereich wecken erste Neugier, sie sind nicht das, was sie aus der Ferne scheinen. Die kleine Serie aus der Reihe "Le Vent" erweist sich bei genauerem Hinsehen als luftiges Ensemble aus vom Wind bewegten Stoffen, die in ihrem schwebenden Zustand ein Gefühl der Schwerelosigkeit vermitteln. Ein kleiner Bildschirm gewährt einen Einblick in die Herstellung der Bilder [1], die aus fliegenden Kleidungsstücken in die Zeitlosigkeit des Videostils gebannt sind.
Videoinstallation "TV has a message"
Fotos: © 2013 by Schattenblick
Die Bilder im nächsten Raum zeigen Szenen, in denen vereinzelte Personen durch grelle Licht- und Farbüberlagerungen in eine andere Dimension versetzt zu sein scheinen. Die Menschen wirken fehl am Platz, verloren, dominiert durch etwas Fremdes. Die aus dem Fernsehen übernommenen und mit den Mitteln der Videografik elektronisch bearbeiteten Bilder zeigen Flüchtlinge, die sich zum einen isoliert und administriert, von Abschiebung bedroht sehen, zum anderen inhaftiert und kriminalisiert werden. Durch die Verfremdung der herausgelösten, stehenden Bilder wird der Blick des Ausstellungsbesuchers auf Details gelenkt - Handschellen, Vollzugsbeamte, Isolation im Raum, von Hoffnungslosigkeit gebeugte Körper. In welch desolater Lage sich die Betroffenen befinden, wird auf jähe Weise klar. Was man darüber hinaus nicht genau sieht, läßt Platz für Vermutungen. Die hier erahnten Zusammenhänge binden die Aufmerksamkeit länger als ein Abbild, das man schnell zu verstehen meint. TV-Bilder, an denen man in ihrer ursprünglichen Fassung achtlos vorbeisehen würde, weil sie in der alltäglichen Bilderflut untergehen, gewinnen eine Aussage, die aufmerken läßt.
Ein fensterloser Raum ist einer Abfolge von Videoprojektionen vorbehalten. Hier nimmt die Kamera Stellung und lenkt den Blick auf eine verkehrsreiche Straße. Menschen sammeln sich, eine Gruppe von Polizisten wird aus nächster Nähe gezeigt - dann naht ein Zug von Demonstranten, geschlossen, mit Transparenten. Man beginnt, unterschiedliche Gruppierungen zu erkennen, eine Ansammlung roter Fahnen, ein Regenbogentransparent. Und man beginnt zu verstehen - der Protest richtet sich gegen Krieg, gegen den NATO-Krieg in Afghanistan. Der kunstinteressierte Zuschauer bleibt Zuschauer, aber erlebt die Wucht und Geschlossenheit dieser Demonstration, auch wenn er nicht mittendrin steht.
Bildfolgen im audiovisuellen Parallelstrom
Fotos: © 2013 by Schattenblick
Dieser Zug steht im Wechsel mit ungewohnten Perspektiven: Auf einer Brücke laufen Beine, rollen Fahrradreifen bei befremdlichen Tönen, Aufsicht auf eine Straße, die Straße bei Nacht, wechselnde Geschwindigkeiten, dann plötzlich Dunkel im Raum. Was bleibt, sind sachte Irritation und Neugier, auch erweckt durch die akustische Dimension der Installation. Das Gemisch aus Klängen und Tönen, mitunter beschleunigt zur hektischen Dynamik großstädtischen Getriebes, ist zwar hörbar den gezeigten Szenarien zugehörig, doch verstärkt seine verfremdende Bearbeitung den irrealen Effekt, der bereits durch die parallel geschnittene Projektion unterschiedlicher Bildfolgen erzeugt wird.
Zweifellos zielt der Ansatz von Susanne Fasbender auf die heutigen Sehgewohnheiten ab, und möglicherweise wäre ein fernseh- und internetungebildeter Mensch, der nicht gewohnt ist, aus vielen Details ein Gesamtverständnis zu schöpfen, durch diese visuellen Kompositionen kaum ansprechbar. Wie zeitlos diese Kunst auf die Zukunft gesehen ist, wird sich zeigen. Soziale und gesellschaftliche Relevanz muß ihr jedoch schon deshalb attestiert werden, weil die Auseinandersetzung mit kreatürlicher Ohnmacht, sei sie politisch, ökonomisch oder ideologisch bedingt, inzwischen zu den Ausnahmeerscheinungen einer Kunst gehört, die in bewegteren Zeiten selbstverständlich als Mittel zur Überwindung herrschender Verhältnisse verstanden wurde.
Wessen Interesse am Protest gegen den Afghanistankrieg durch die Bilder von der Bonner Afghanistandemonstration im Dezember 2011 geweckt wurde, der kann an drei mit Kopfhörern ausgestatteten Bildschirmen zu dieser Zeit aufgezeichneten Reden mehrerer afghanischer Aktivistinnen und Aktivisten lauschen. Inwiefern das ein geeignetes Mittel ist, um Kontext zu schaffen und Kritik zu ermöglichen, muß wohl der jeweils seine persönlichen Praktiken bei der Vertiefung kontroverser Themenstellungen bevorzugende Mensch entscheiden. Während es allemal erforderlich ist, drängende gesellschaftliche Fragen nicht nur in die künstlerische Arbeit einzubetten, sondern sie so weiterzuentwickeln, daß sie zu einem persönlichen Anliegen werden können, ist die Distanz des Beobachters in die Vermittlungsinstanz audiovisueller Medialität schon strukturell eingeschrieben. Ihre Überwindung bleibt daher einem durch bloße Kognition kaum aktivierbaren Vermögen streitbarer Subjektivität überlassen.
Mit künstlerischen Mitteln konventionelle Wege der Wahrnehmung so zu perforieren, daß Unentdecktes und Unerschlossenes in Erscheinung tritt, erfüllt dennoch den Zweck eines schöpferischen Tuns, das nicht in den Fluchten warenförmiger Gebrauchskunst Gefahr laufen will, zum bloßen Attribut der gefälligen Selbstinszenierung zu verkommen. Der Funke des Zorns, der etwa die Werke eines George Grosz, einer Käthe Kollwitz oder eines Pablo Picasso gegen Krieg und Faschismus beflügelt hat, bleibt die unverzichtbare Ingredienz jeder Kunst, die sich nicht durch bloße Anpassung an herrschende Geschmäcker überflüssig machen will. Darauf aus opportunen Gründen zu verzichten mag leichtfallen, doch eine künstlerische Entwicklung, die über die Grenze selbstreflexiver Zirkelschlüsse hinausweist, kommt auf diese Weise nicht zustande.
Foto: © 2013 by Schattenblick
Als künstlerisches Herzstück der Ausstellung erlebte zumindest diese Rezensentin das Ensemble aus sechs Arbeiten der Künstlerin, die im zentralen, mit Kamin versehenen Saal der ehemaligen Reichsabtei präsentiert werden. Es handelt sich um Montagen aus fotografischen wie gemalten Elementen, in denen sich zahlreiche Ebenen transparent überlagern und so eine Tiefe erzeugen, die sich weniger aus der Dimension räumlicher Perspektiven als dem Gehalt visualisierter Bedeutungsebenen erschließt. Susanne Fasbender hat diese Bildmetaphern, wie sie sagt, "parallel zur Wirklichkeit" regelrecht in die entworfenen Szenarien "eingebaut" und "Strukturen hineinfotografiert", so daß sich aus den vielfältigen, die topographische Ordnung der Dinge durchkreuzenden Bezügen der einzelnen Elemente und Ebenen eine eigenständige, nicht auf das jeweils Objektivierbare zu reduzierende Semantik ergibt. Im Folgenden sollen einige ganz subjektive Eindrücke und Interpretationen dazu anregen, vielleicht auch ganz andere Sichtweisen auf diese Exponate zu entwickeln.
"Bonn am Rhein" - die Bundeswehr setzt am 3. Oktober mit Landungsschiffen über und demonstriert der zu nationaler Erbauung versammelten Bevölkerung ihre Handlungsfähigkeit inmitten eines Friedens, der nicht trügerischer sein könnte, wovon die Krähen künden, die von einem aus der Zeit gesprungenen Mädchen gefüttert werden.
Grafik: © Susanne Fasbender
"Friedensmission" - aus der im Brand heißlaufender Produktivität glühenden Metropole ragen die Monumente eines Wachstums, das dem in die Masse geworfenen Menschen nichts als das Versprechen einer ihrer Materialität enthobenen Kapitalverwertung beschert, für deren Scheitern die Prätorianer der Eigentumsordnung bereits einschüchternde Vorkehrungen treffen.
Grafik: © Susanne Fasbender
"Schlittenfahrer" - die Breugelsche Idylle erhebt sich über das Panorama der Stadt und ihrer Ratio sinn- und zweckbezogener Betriebsamkeit, hineingemalt in einen Himmel, der sich jeder instrumentellen und verwertbaren Inbesitznahme entzieht.
Grafik: © Susanne Fasbender
"Waldstück" - das Himmelsrot ist so unwirklich wie die Sonnenuntergänge einer Welt, der die atomsphärischen Veränderungen ihrer fragilen Lufthülle Farbenspiele exotischster Art bescheren und eine Erhitzung des Planeten ankündigen, die den weißen Mantel des Schnees, so er einmal unwiderbringlich verdampft ist, in seiner ganzen Kostbarkeit zeigen.
Grafik: © Susanne Fasbender
"Hürtgenwald" - den stillen Reihen der Kriegsgräber, die die Opfer einer der blutigsten Schlachten auf dem Vormarsch der Westalliierten in der Eifel bergen, ist die Erinnerung der Lebenden so fremd, wie sich die Ohnmacht der entfesselten Gewalt jeder Reflexion entzieht.
Grafik: © Susanne Fasbender
"Winterwanderung" - der in den Dunst fahlen Lichtes getauchte Frieden der Szenerie kann nicht vergessen machen, was die pastorale Idylle dem Tier abverlangt, das dem Menschen bis in die Eingeweide zum Nutzen unterworfen wird.
Grafik: © Susanne Fasbender
Die ehemalige Reichsabtei Aachen-Kornelimünster
Foto: © 2013 by Schattenblick
Seit nunmehr 65 Jahren unterstützt das Land Nordrhein-Westfalen über das Förderprogramm "Kunst aus NRW" [2] Kunst aus dem Bundesland durch den Ankauf von Werken. Die seit 1948 über diesen Weg angeschafften Arbeiten sind in der Dauerausstellung der Reichsabtei Aachen-Kornelimünster zu sehen. Bis zu zehn Wechselausstellungen im Jahr sind den solchermaßen geförderten Künstlerinnen und Künstlern gewidmet. Sie fassen die kreative Produktivität des Landes in einem breiten Spektrum unterschiedlicher Stile und Gestaltungsmittel auf durchaus repräsentative Weise zusammen.
In diesem am Rande der alten Römer- und Reichsstadt Aachen gelegenen Ort, der um ein vor 1200 Jahren gegründetes Kloster herum entstanden ist und noch heute durch historische Bauwerke in meist grauem Sand- und Tonstein beeindruckt, erwartet man eher nicht, auf ein Zentrum zeitgenössischer Kunst zu treffen. Um so erfreulicher ist die Tatsache, daß auch noch außerhalb des metropolitanen, häufig mit Transport- und Nutzfunktionen aus dem Dunstkreis des Stadt- und Wirtschaftsmarketing befrachteten Kunstbetriebs öffentliche Mittel für kulturelle Zwecke zur Verfügung gestellt werden, die ihrem Zweck, künstlerisches Schaffen zu ermöglichen, das nicht unter ökonomischem Druck steht, tatsächlich vorbehalten bleiben. Der nüchterne, klare Rahmen, der dem Betrachter den Raum und die Zeit verschafft, sich der dargebotenen Kunst unbeeinträchtigt von urbanem Lärm und Tempo zu widmen, ist sicherlich nicht zuletzt dem Einfluß der Kuratorin Maria Engels geschuldet. Es ist dies das letzte Jahr, daß Frau Engels die Verantwortung für dieses Haus trägt, dem noch eine für diesen Zweck fruchtbare Zukunft zu wünschen ist.
Grafik: © Susanne Fasbender
Kunst aus NRW
Reichsabtei Aachen-Kornelimünster
Adresse: Abteigarten 6, 52076 Aachen
Kontakt: Telefon +49-(0)2408-6492, Fax +49-(0)2408-959415
Öffnungszeiten:
Dienstag & Mittwoch: 10.00 bis 13.00 und 15.00 bis 17.00 Uhr
Samstag & Sonntag: 15.00 bis 18.00 Uhr
... sowie nach vorheriger Vereinbarung
Fußnoten:
[1] http://www.susannefasbender.de/#/kleiderfilm
[2] Kunst aus NRW
- http://www.kunst-aus-nrw.nrw.de/index.html
25. April 2013