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ARBEITERSTIMME/264: Kommt Kolumbien dem Frieden näher?


Arbeiterstimme Nr. 179 - Frühjahr 2013
Zeitschrift für die marxistische Theorie und Praxis
Die Befreiung der Arbeiterklasse muß das Werk der Arbeiter selbst sein!

Kommt Kolumbien dem Frieden näher?



Im Februar dieses Jahres eröffnete die Tageszeitung Neues Deutschland unter der Fragestellung "Beispiel Kolumbien - Wie steht die Linke zum bewaffneten Kampf?" eine notwendige Debatte. Notwendig deshalb, weil die bewaffneten revolutionären Bewegungen in Kolumbien bei den Linken hierzulande oftmals nicht zur Kenntnis genommen werden. In den bürgerlichen Medien gelten sie als Terrororganisationen und sog. Narcoguerillas. Tun sich deswegen viele Linke schwer, sich zu ihnen zu verhalten? In der Arbeiterstimme wird regelmäßig über Entwicklungen in Kolumbien und auch über die seit Jahrzehnten aktiven Guerillaorganisationen berichtet. Dabei ging und geht es nicht um eine Bewertung der Kampfformen. Es geht zuallererst um sachliche Information, die in den bürgerlichen Medien so kaum zu finden ist und um eine solidarische Berichterstattung, die sich dem gesellschaftlichen Fortschritt in Kolumbien verpflichtet weiß.


Über vorsichtige Kontakte zu Gesprächen und Verhandlungen

Am 1. September 2012, dem symbolträchtigen Antikriegstag, erfuhr die internationale Öffentlichkeit von einem Fahrplan für die Beendigung des Konflikts und den Aufbau eines stabilen und dauerhaften Friedens in Kolumbien. Bei dieser Gelegenheit gab's auch den Hinweis auf Sondierungsgespräche, die seit 23. Februar 2012 in Havanna geführt worden sein sollen, begleitet von den Regierungen Kubas und Norwegens, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Nicht erwähnt wurde die gesamte Vorgeschichte, die aber von Bedeutung ist, weil sie über die Kompliziertheit derartiger Prozesse Aufschluss gibt. So soll es Kolumbiens Staatschef Santos gewesen sein, der bereits im August 2010 seinem venezolanischen Amtskollegen Chavez gegenüber den Wunsch geäußert habe, er möge doch vorfühlen, ob mit den FARC-EP Verhandlungen denkbar wären. Für die Guerilleros war dieses Ansinnen überraschend gekommen, denn in der täglichen Realität erlebten sie einen erbarmungslosen und ständig sich verschärfenden Kriegsalltag von Seiten des staatlichen Militärs. Die von Chavez eingefädelte Kontaktaufnahme erfolgte in der Nähe der venezolanischen Grenze über den FARC-Kommandeur Mauricio Jaramillo. Aber wo sollten die Verhandlungen stattfinden? Weder Kolumbien noch Venezuela waren dafür geeignete Länder. Schließlich brachte die Zusage der kubanischen Führung die Lösung. Die kubanische Regierung hatte schon Erfahrungen mit Gesprächen zwischen dem ELN (Ejercito de Liberacion Nacional, der zweitgrößten Guerillaorganisation) und der kolumbianischen Regierung, konnte die Sicherheit der Delegationen gewährleisten und genießt entsprechendes Ansehen bei der Führung der FARC-EP, wird aber auch von der reaktionären Santos-Regierung als zuverlässig eingeschätzt. Auf ein weiteres Problem weist die Journalistin Constanza Vieira hin: "Allein die Klärung der Frage der Transportroute für Jaramillo von Kolumbien über Venezuela nach Havanna nahm fast ein Jahr in Anspruch - so groß ist das gegenseitige Misstrauen der beiden Verhandlungspartner." (Bogota, IPS, 13.1.13)

Als dann im November 2011 der erst seit 2008 amtierende Chefkommandant der FARC-EP, Alfonso Cano, bei einer Militäroffensive getötet wurde, sollen die Gespräche kurz vor dem endgültigen Aus gestanden haben. "Am 4. November 2011 wurde der Oberkommandierende der FARC, Alfonso Cano, von achthundert Soldaten der Spezialkräfte umzingelt, die von Hubschraubern und Flugzeugen unterstützt waren. Er selbst war begleitet von vier Männern und einem Hund." (G. Pohl, uz, 25.1.13) Günther Maihold, stellvertretender Direktor der Konrad-Adenauer-Stiftung, nutzte damals die Gelegenheit für eine gewagte Prognose: "Mit dem Militärschlag vom vierten November zeichnet sich ein Ende der als 'Steinzeit-Guerilla' bezeichneten linken Rebellen in Kolumbien ab." Eine glatte Fehleinschätzung, wenngleich sich die Situation für die FARC-EP durchaus verkomplizierte.

In solchen dramatischen Situationen habe, so Constanza Vieira, Chavez vom Krankenbett aus eingegriffen und die Kontrahenten ermutigt, die Gespräche nicht abreißen zu lassen.


Der Fahrplan und eine Agenda

Trotz aller Widrigkeiten konkretisierte sich im Herbst 2012 ein Fahrplan für die Verhandlungen, der folgende Schritte vorsah:

I. Beginnen von direkten und ununterbrochenen Gesprächen um eine endgültige Einigung zu erreichen, um den Konflikt zu beenden ...

II. Gründen eines Verhandlungstisches, ... der in Oslo (Norwegen) installiert wird und seinen Hauptsitz in Havanna (Kuba) hat.

III. Garantieren der Wirksamkeit des Prozesses ...

IV. Weiterentwickeln der Gespräche mit der Unterstützung der Regierungen von Kuba und Norwegen als Garanten und der Regierungen Venezuelas und Chiles als Begleiter.

V. Die Agenda umfasst folgende Punkte:

1. Umfassende landwirtschaftliche Entwicklungspolitik
2. Politische Partizipation
3. Ende des Konflikts
4. Lösung für das Problem illegaler Drogen
5. Opfer
6. Installation, Verifikation und Zustimmung

Sehr detailliert wurden auch die Funktionsregeln festgelegt. Bis zu zehn Personen dürfen von den jeweils 30 Delegierten an Sitzungen teilnehmen, wobei bis zu fünf als SprecherInnen auftreten können. Um eine möglichst breite Beteiligung aus der Gesellschaft heraus zu gewährleisten, wurde ein Mechanismus für das Einreichen von Vorschlägen von Bürgern und Organisationen zu den Punkten der Agenda eingerichtet. Den VertreterInnen der FARC-EP war es ein zentrales Anliegen, die Gespräche mit dem Punkt der umfassenden landwirtschaftlichen Entwicklungspolitik zu beginnen. Die weitere Vorgehensweise soll durch den Verhandlungstisch beschlossen werden. Der zehnte und letzte Punkt bezieht sich auf die Umsetzung der Ergebnisse: "Die Gespräche stehen auf dem Grundsatz, dass nichts vereinbart ist, solange nicht alles vereinbart ist." Die Dauer der Verhandlungen sollte offen gelassen werden. Inoffiziell war die Rede von acht Monaten bis zu einem Jahr, wobei die Regierungsseite Interesse an einem möglichst straffen Verhandlungsverlauf zeigt. Ihr Ziel ist ja die schnelle Demobilisierung der Guerilla, nicht so sehr eine gründliche Debatte über die Ursachen der bestehenden Konflikte. Auf der Grundlage der bei den Sondierungsgesprächen in Havanna getroffenen Vereinbarungen begann im Oktober 2012 die erste Verhandlungsrunde unter Leitung von Humberto da la Calle für die kolumbianische Regierung und Ivan Marquez für die FARC-EP.

Die Oslo-Runde sollte noch nicht so sehr ins Detail gehen, um ein vorzeitiges Festfahren der Gespräche zu verhindern. Konfliktpotential war genug vorhanden, was Ivan Marquez deutlich zum Ausdruck brachte: "Wenn wir wirklich einen nachhaltigen Frieden schaffen wollen, wie wir ihn in der Dialogagenda definiert haben, ist es unumgänglich, das neoliberale Modell niederzuringen. Dazu müssen wir politisch gegen die multinationalen Konzerne und die Freihandelsabkommen vorgehen." Der Sprecher der Regierungsdelegation sieht das naturgemäß anders und wies das Ansinnen umgehend zurück: "Dieser Diskurs kann Teil des politischen Programms einer neu zu gründenden Partei der FARC nach Abschluss der Friedensverhandlungen sein. Inhaltlich beschränken sich die Verhandlungsfelder, über die wir zu verhandeln bereit sind, aber auf die in der Dialogagenda fest gehaltenen fünf Schlüsselthemen." Die kolumbianische Regierung orientiert sich vermutlich an dem Konzept, das 1996 zum Ende des Konflikts in Guatemala geführt hat, aber die soziale Frage offen ließ. Für die FARC-EP muss das ein abschreckendes Beispiel sein. Denn dann wäre ein halbes Jahrhundert Kampf mit vielen Opfern vergeblich gewesen. Trotz der deutlich erkennbaren extrem unterschiedlichen Interessenslagen der Verhandlungsdelegationen kann die erste Verhandlungsrunde dennoch als Erfolg gewertet werden. Der Weg zurück nach Havanna war frei.


Die Landfrage zuerst

Die Friedensdelegation der FARC-EP eröffnete in Havanna die Debatte um die Landfrage mit einem Kommunique, das die angestrebte Zielrichtung zum Ausdruck bringt: "Unser Verständnis von Land und Territorium stellt sich entschieden gegen den Übergriff des Kapitalismus, der die Natur beherrschen und manipulieren will, ohne sich um die Folgen zu kümmern. Es gibt bereits eine irreparable Beschädigung der Natur, die Zerstörung der Arten, die Zerstörung des sozialen Gefüges, ein Auflösen der ländlichen Wirtschaft, ein ökologisches und soziales Ungleichgewicht, all jene Punkte stürzen den Planeten ins Verderben."

Die Delegation der FARC-EP versteht sich mit dem Einstiegsthema Landfrage als Türöffnerin für die sozialen Organisationen Kolumbiens, die nach dem Willen der Regierungen an den Verhandlungen nicht beteiligt sein sollten. Dabei war die Landfrage seit jeher Hauptursache für die bewaffneten Auseinandersetzungen. Die Fakten belegen das: Rund ein Prozent der Landbesitzer verfügen über mehr als zwei Drittel der Fläche, während sich 80 Prozent gerade mal neun Prozent des Landes teilen. Das Entwicklungsprogramm der UN (UNDP) stellte für 2011 fest: 64 Prozent der bäuerlichen Bevölkerung "befinden sich in einem Zustand der Armut, 3,6 Millionen Menschen wurden in den vergangenen Jahren von ihrem Boden vertrieben." UNDP untersuchte in 128 Staaten die Bedingungen der Landbevölkerung. Kolumbien erhielt dabei den Platz 126. Nur in Haiti und Angola waren die Bedingungen für die Landbevölkerung schlechter. Die Regierung setzt zunehmend auf exportorientierte Agrarprodukte, die einen großflächigen Anbau erfordern. Dazu gehören agrarindustrielle Großprojekte wie der Anbau von Zuckerrohr oder der Ölpalme. Wenn dieser großflächige Anbau durch die Existenz von Kleinbauern eingeschränkt ist, werden mit Hilfe von Paramilitärs Landvertreibungen organisiert, die nicht selten in Massaker ausarten. Die Förderung von Monokulturen für den Export bedingt wiederum einen Anstieg der Einfuhren von Agrarprodukten. "Von 2005 zu 2006 stiegen die Einfuhren um 21,6 Prozent von 6,3 auf 7,7 Mio. Tonnen. Im Jahr 2008 beliefen sich die Importe auf 8,2 Mio. und im Jahr 2010 auf 10,5 Mio. Tonnen." (Hector Mondragon/Paula Alvarez Roa, 2012) Zwar ließ Santos ein Opfer- und Landgesetz auf den Wegbringen, doch handelt es sich um einen zu zaghaften Versuch, über Jahrzehnte geschaffene Fakten rückgängig zu machen. Unsinnige Klauseln erschweren zusätzlich die Rückgabe von Land.

Nach zehntägiger Dauer der Gespräche in Havanna konnte FARC-Comandante Jesus Santrich feststellen: "Die Verhandlungen befinden sich auf einem guten Weg, der Prozess gewinnt an Tiefe." Worauf stützte sich sein Optimismus? Man hatte sich geeinigt, vom 17. bis 19. Dezember ein gemeinsames Bürgerforum nach Bogota einzuberufen und dort Punkt 1 der Agenda zu diskutieren: die Entwicklung einer integralen Agrarpolitik, gerechter Bodenbesitz und die Nutzung des Landes. "Wie komplex die Agrarfrage ist, zeigt das Resultat des dreitägigen Forums, das die UNO und die Nationale Universität im Dezember in Bogota darüber durchführten. Mehr als 3.000 Kolumbianer, die über 500 Organisationen der Bürgergesellschaft repräsentieren, konnten Vorschläge für die Friedensverhandlungen einreichen. Das Ergebnis sind elf Bücher mit 546 Vorschlägen." (W. Marti, NZZ, 15.1.13) Die Landfrage ist Kernstück der Verhandlungen. Am 6. Februar überreichte die Delegation der FARC-EP den Vertretern der Regierung ein Dokument mit "Acht Minimalvorschlägen für die Neuordnung und Nutzung des Bodens". Bei den Vorschlägen handelt es sich um die Nutzung des Bodens für die Nahrungsmittelsouveränität, die Ernährung der Bevölkerung, das Recht auf Wasser und den Aufbau neuer ländlicher Siedlungen. Außerdem wird der Rückgang der extensiven Viehzucht eingefordert, um mindestens 20 Millionen Hektar für die landwirtschaftliche Nutzung freizusetzen. Des weiteren fordert das Dokument den Stopp der "ungeordneten und anarchischen Ausdehnung der extraktivistischen Bergbau und Minenwirtschaft".


Vorleistungen der Guerilla

Dass es der FARC-EP mit ihrem Friedenswillen sehr ernst ist, zeigt u. a. die Ausrufung eines einseitigen Waffenstillstandes, der vom 20. November bis 20. Januar gelten sollte. Im selben Zeitraum waren ein Jahr vorher lt. Angaben der Guerilla 284 Personen der Sicherheitskräfte bei 292 militärischen Aktionen der FARC-EP getötet und noch einmal eine ähnliche Anzahl verletzt worden. In einem Kommunique vom 21. Januar, in dem das Ende der Waffenruhe bekanntgegeben wurde, heißt es: "Der einseitig verabschiedete Waffenstillstand, der von der Guerilla initiiert wurde, um den Prozess der Friedensgespräche in Havanna positiv zu gestalten, wurde durch Bombardierungen, Überfälle und Angriffe von Präsident Santos und seinem Verteidigungsminister Pinzon ausgenutzt, um die Guerilla weiter zu bekämpfen." Man kehre "schweren Herzens in den Kriegszustand zurück", zitierte AFP Ivan Marquez, den Verhandlungsführer der FARC-EP. Nach Regierungsangaben wurden während des Waffenstillstandes 34 KämpferInnen der FARC getötet. Die Möglichkeit eines weiteren einseitigen Waffenstillstands ist auszuschließen.


Eine neue Verhandlungsrunden unter verschlechterten Bedingungen

Als die Delegationen Ende Januar an den Verhandlungstisch zurückkehrten, stand der Auftakt der Gespräche unter keinem guten Stern. Nach dem Ende des Waffenstillstandes hatten die Kampfhandlungen an Intensität zugenommen. Die Armee tötete am 31. Januar durch einen nächtlichen gezielten Bombenangriff auf ein Camp in der Region Cordoba Jacobo Arango, den Kommandierenden der 5. Kampffront und fünf weitere Guerilleros. Sie waren nach Angaben der Guerilla im Schlaf überrascht worden.

Der arrogante Auftritt der Armeeführung im Fernsehen und die Stellungnahme der politischen Führung in Bogota waren so angelegt, dass damit der Führung der FARC-EP das Signal gegeben wurde: Wir sind nicht unbedingt auf ein Verhandlungsergebnis angewiesen. Die Guerilleros beantworteten die Provokation u. a. mit der Gefangennahme von Soldaten und Polizisten, kündigten aber an, diese zeitnah wieder freizulassen (was wenig später auch geschah) - alles keine guten Vorzeichen für weitere Gespräche. So lehnte die Regierungsdelegation pauschal Vorschläge der FARC-EP ab, den Verteidigungsminister Pinzon und den General Navas zu den Gesprächen hinzuzuziehen, um eine Humanisierung der Auseinandersetzungen zu erreichen. Ein Austausch von Gefangenen wurde von der Regierung abgelehnt. Santos stellte gegenüber Medienvertretern unmissverständlich klar: "Hier gibt es keine Rücksichtnahme irgendeiner Art. So haben wir es besprochen, die Generäle und alle wissen, dass sie die Zahl der Aktionen verdreifachen müssen, bis wir diesen Krieg im Guten oder im Bösen beendet haben." Es könnte aber auch sein, dass Santos durch markige Äußerungen der Regierungsdelegation größeren Spielraum geben will. Denn es gibt reichlich einflussreiche Kräfte um den ehemaligen Präsidenten Uribe, die nichts unversucht lassen, den Dialog zu sabotieren.

Am 8. Februar wies die Verhandlungsdelegation der FARC-EP auf eine gefährliche Strategie der kolumbianischen Medien hin, darin heißt es: "Hier wird eine permanente Anti-Stimmung zu den Verhandlungen geschürt und eine Meinung suggeriert, dass diese im Sinne des Landes hoffentlich platzen werden. Die Massenmedien veröffentlichen Stellungnahmen der kolumbianischen Politik, von Militärgenerälen und großen Wirtschaftsunternehmen, die alle eine kritische bis pessimistische Haltung an den Tag legen. Dass dabei nicht nur die Interessen der Oligarchie und Wirtschaftsunternehmen vertreten werden, sondern auch Pessimismus und Skepsis in die Bevölkerung transportiert wird, dürfte mit einkalkuliert sein. Großgrundbesitzer und Narcopolitiker wie der Ex-Präsident Uribe können unbehelligt ihre Propaganda und Feindbilder schüren. Währenddessen werden Stellungnahmen der FARC-EP gar nicht veröffentlicht oder verfälschend dargestellt. Außerdem wird in den Nachrichten ein permanentes Bedrohungsklima durch die Guerilla geschaffen, obwohl das Militär seine Aktionen immer weiter ausweitet." Typisch für die Presselandschaft des Landes ist, dass El Tiempo, die größte landesweit erscheinende Tageszeitung, der Familie des Präsidenten gehört und die anderen bedeutenden Zeitungen sich im Besitz großer Medienkonzerne befinden.

Am 18. Februar setzten die beiden Delegationen die Friedensgespräche mit der fünften Runde fort. Ivan Marques stellte kurz vorher den Medienvertretern "zehn Minimalvorschläge" vor, mit denen die Nahrungsmittelsouveränität und die Lebensgrundlagen (buen vivir) der Bevölkerung sichergestellt werden sollten. Ein konkreter Vorschlag war die Schaffung eines Spezialprogramms "Null-Hunger". Die Reaktion von Regierungsvertreter de la Calle fiel insgesamt eher positiv aus, wobei natürlich die Schwierigkeiten in den Details liegen werden. Parallel zur fünften Runde gründeten über tausend soziale Organisationen aus ganz Kolumbien in Bogota die "Verfassungsversammlungen für den Frieden mit sozialer Gerechtigkeit". Diese Versammlungen haben sich zum Ziel gesetzt, Vorschläge für die in der Agenda der Friedensgespräche vereinbarten Themen auszuarbeiten. Damit wird gesellschaftlicher Druck auf die Regierung ausgeübt. Auch die FARC-EP fordern die Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung. Es zeigt sich dabei wieder einmal deutlich, welche der beiden Verhandlungsdelegationen die Interessen der Bevölkerungsmehrheit vertritt.


Die schwierigsten Verhandlungsrunden kommen erst

Noch ist es für eine Zwischenbilanz zu früh. Viele Stolpersteine können die Verhandlungen zum Scheitern bringen. Andererseits war keine der früheren Verhandlungen so umfassend vorbereitet und durch begleitende Staaten abgesichert. Die schwierigste Frage steht jedoch noch bevor: Durch welche flankierenden Maßnahmen kann eine Integration der FARC-EP in eine insgesamt recht militarisierte "Zivilgesellschaft" realisiert werden? Die Guerilleros haben das schreckliche Schicksal der UP (Union Patriotica) mit 3.000 bis 5.000 ermordeten Mitgliedern nicht vergessen. Ein zweites Mal werden sie sich von Versprechungen nicht blenden lassen. Auch wenn es letztlich zu einer Friedenslösung politisch keine Alternative gibt - den VerhandlungsführerInnen der FARC-EP ist das bewusst - kann es bei den Punkten zwei und drei der Agenda noch einmal richtig zur Sache gehen. In einigen Monaten wissen wir mehr.

Stand: 1.3.13
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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Alfonso Cano
- Ivan Marquez und Jesus Santrich
- Die holländische Internationalistin Tanja Nijmeijer stieß etwas später zur Verhandlungsdelegation der FARC-EP
- Jacobo Arango

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Quelle:
Arbeiterstimme Nr. 179 - Frühjahr 2013, Seite 24 bis 27
Verleger: Thomas Gradl, Postfach 910307, 90261 Nürnberg
E-Mail: redaktion@arbeiterstimme.org
Internet: www.arbeiterstimme.org
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Mai 2013