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ARBEITERSTIMME/280: Schuldenkrise ist die Steuererhebungskrise


Arbeiterstimme, Winter 2013, Nr. 182
Zeitschrift für die marxistische Theorie und Praxis
- Die Befreiung der Arbeiterklasse muß das Werk der Arbeiter selbst sein! -

Schuldenkrise ist die Steuererhebungskrise
Niedriglöhne und für die Reichen Neidrigsteuern/Nullsteuern

von Thomas Ewald-Wehner / Oktober 2013



Das Gebiet "Steuern" ist seit jeher ein hart umkämpftes Terrain. Im Spiegel der Programme der (deutschen) Arbeiterbewegung schlägt sich dies beginnend mit dem Gründungsdokument Manifest der Kommunistischen Partei über zahlreiche Programme der SPD nieder. Verbindende Klammer der klassischen Arbeiterbewegung war immer, dass im Kern die Einkommensteuer progressiv zu erheben sei. Die Umsatzsteuer hingegen war als unsoziale indirekte Steuer abzulehnen und abzuschaffen.


"Vollzugsdefizite" in der Besteuerung der großbetrieblichen Einheiten

Die aktuelle Wahlbewegung in 2013 beförderte die Diskussion über Defizite der Konzern- und Bankenbesteuerung. Hier vor allem die Diskussion über Gewinnverlagerungen in "Steueroasen" mit Niedrig- oder sogar Nullsteuerbelastungen. In loser Folge griff die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung - FAS das Thema mehrere Male ganzseitig auf. So z. B. in der Rubrik Geld & Mehr am 7. April 2013; dort wird unter der Leitfrage "Wie funktioniert die globale Steuerflucht?" der Versuch unternommen, mittels 15 Fragen Antworten zu finden. Am 18. August 2013 - nun im Bereich Wirtschaft - erscheint ein "Schlachtenbericht" des Autors Georg Meck unter der Überschrift "Ab in die Steueroase". Hier taucht die Frage auf: "Wie viel Geld wird dem Staat vorenthalten?". Die Frage "Wo ist die schönste Oase?" wird so beantwortet: "Die attraktivste Oase liegt nicht in der Karibik, sondern mitten in Europa: in den Niederlanden ..." Georg Meck hat sich eingeschossen. Wiederum in der Wirtschaft am 1. September 2013 nun die Balkenüberschrift "Und ewig lockt Holland"; darunter: "Die Niederlande sind die neuen Bermudas: Keine Steueroase zieht mehr deutsche Konzerne an. Und alles ganz legal."

Damit keine Irritationen aufkommen: Natürlich verfügt auch die Bundesrepublik Deutschland über Niedrigsteuer- und auch Nullsteuerbereiche. Darüber wird zu berichten sein. In Deutschland (hier besonders auch in Frankfurt am Main und im Nahbereich) befinden sich zudem große Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (KPMG, Price Waterhouse Coopers, Ernst & Young etc.), die "steueroptimierte" Modelle passgenau auf die Bedingungen der großbetrieblichen Einheiten beraten. Natürlich werden die horrenden Beratungskosten zusätzlich zu Lasten der Konzern-Gewinne gebucht, was auch die Belastung mit Körperschaftsteuer senken hilft. Über "Lizenzgebühren" und "Verrechnungspreise" werden immense Gewinne aus der Bundesrepublik Deutschland in "Steueroasen" verlagert und damit einer hiesigen Besteuerung entzogen. Die "Offshore-Gebiete bzw. "Steueroasen" sind als Ziele bekannt: Dies meist steuerfrei operierenden Zonen sind z. B. die Kaiman-Inseln, die Bahamas, Bermudas; aber auch in Europa stehen derartige Offshore-Zentren zur Verfügung, wie z. B. die Großbritannien vorgelagerten Kanal-Inseln. Auch die USA halten eine Steueroase vor: Delaware (ein US-Bundesstaat mit übler Sklavenhaltergeschichte). EU-Staaten wie Luxemburg, Holland, Österreich aber auch Deutschland verfügen über eigene Steueroasen. Auch eine "stille Subvention" für die Großbanken z.B. des Landes Hessen (zur Stärkung des Banken-Standortes Frankfurt) war die Abschaffung der Bankenbetriebsprüfungsgruppe der Finanzverwaltung und die harte Disziplinierung von engagierten Finanzbeamten mit sozialstaatlicher Orientierung. Die Schweiz bietet als Niedrigsteuerland zudem noch das "Bankgeheimnis" und als besondere Dienstleistung das anonyme "Nummern-Konto".

Seit vielen Jahren zahlen Großkonzerne und Großbanken niedrige oder keine Ertragsteuern. Das skandalös niedrige Körperschaftsteueraufkommen auch in Deutschland ist Ausdruck dieser Steueraufkommenskrise. Wo keine Gewinne mehr besteuert werden können, entfällt auch die für die Städte und Gemeinden wichtige Gewerbe(ertrag)steuer. Mit dieser Steuer sollen die Gemeinden die "Arbeitnehmerfolgekosten" stemmen und die städtische Infrastruktur (z. B. öffentlicher Personennahverkehr, Kinderbetreuung, kulturelle und soziale Infrastruktur als sog. weiche Standortfaktoren) finanzieren. Die Gewerbesteuer ist ein wichtiges Mittel kommunaler Selbstverwaltung. Obwohl vor allem auch die großen betrieblichen Einheiten von der vorgehaltenen städtischen Infrastruktur massiv profitieren, tragen sie nicht zu deren Finanzierung bei. Es kann nicht sein, dass nur Lohnabhängige und kleinere Unternehmen die staatliche Infrastruktur bezahlen.


Tabelle: Zum Steueraufkommen der Bundesrepublik Deutschland

Zum Steueraufkommen der Bundesrepublik Deutschland
Angaben in Milliarden Euro
2010
2011
2012
Steuern gesamt
Lohnsteuer
Körperschaftssteuer
Umsatzsteuer
530,6
127,9
12,0
180,0
573,3
139,7
15,6
190,0
600,0 
149,06
16,9 
194,6 

Kommentierung des Steueraufkommens:

Das Steueraufkommen ist zwischen 2010 und 2012 um knapp 70 Milliarden € rasant angestiegen. Auf Grund des Anstieges der Beschäftigung (unter thematischer Ausklammerung des Niedriglohnsektors, der Leiharbeit, der Praktikumsbeschäftigung etc.) ist das Lohnsteueraufkommen im selben Zeitraum um allein ca. 22 Milliarden € angestiegen. Da das Kindergeld (das jährlich ca. 30 Milliarden € beträgt) aus dem Lohnsteueraufkommen als Steuerleistung gewährt wird, ist das jährliche Aufkommen noch jeweils um ca. 30 Milliarden höher anzusetzen. Die Umsatzsteuer stieg im selben Zeitraum von 180 Milliarden um knapp 15 Milliarden auf 194,6 Milliarden € an. Auch bei der Körperschaftsteuer ist ein Anstieg zu verzeichnen. Sie beträgt - wie oben auch angegeben - jedoch bezogen auf das jeweilige jährliche Gesamtsteueraufkommen lediglich keine drei Prozent. Die Körperschaftsteuer ist von den juristischen Personen des privaten Rechts zu entrichten. Zu diesen gehören in Deutschland ca. 18.000 Aktiengesellschaften und knapp eine Million GmbH's. Die GmbH's (z.B. die kleinen "Handwerker"-GmbH's) werden häufig so beraten, dass über "angemessene" Geschäftsführer-Gehälter (das prüft das zuständige Finanzamt!) der Gewinn auf eine Restgröße gemindert wird. Das mindert unstrittig die körperschaft- und gewerbeertragsteuerliche Belastung der GmbH. Geschäftsführer-Gehälter werden jedoch als Lohn der Lohnbesteuerung unterworfen. Wenn nun die GmbH's als körperschaftsteuerzahlende Subjekte ausgeschieden werden (was natürlich unzutreffend ist), verteilt sich das Körperschaftsteueraufkommen auf die restlich verbliebenen 18.000 hiesigen Aktiengesellschaften. Darunter sind so gut wie alle (wirtschaftsstarken) Großkonzerne, Großbanken und Großkonzerne zu fassen. Diese tragen wirtschaftlich 2,82 % des Gesamtsteueraufkommens des Jahres 2012. Und das ist das Politikum. Ist dies die über das Sozialstaatsgebot gebotene Besteuerung entsprechend der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit?


Zum Körperschaftsteuersatz

Die Besteuerung der juristischen Personen des privaten Rechts (AG, GmbH, KGaA, etc.) wurde umgestellt vom sog. Anrechnungsverfahren auf die Definitivbesteuerung. Im Rahmen der alten Besteuerung konnten Körperschaftsteuerguthaben entstehen. Nach diversen Steuerrechts-Änderungen erfolgt nunmehr in den Jahren 2008-2017 die ratenweise Auszahlung dieser Körperschaftsteuerguthaben an die juristischen Personen des privaten Rechts. Diese Auszahlungen belasten das Körperschaftsteueraufkommen.

Durch die Absenkung des Körperschaftsteuertarifes von 25 auf 15 Prozent im Rahmen der Großen Koalition 2008 ist das Körperschaftsteueraufkommen ebenfalls unter Druck geraten.

Betrug das Körperschaftsteueraufkommen 2007 noch 22,929 Milliarden, sank es 2008 um 7,029 Milliarden auf nunmehr nur noch 15,9 Milliarden Euro. Durch die diversen Änderungen ist das Aufkommen um 30,65% gesunken. Das Aufkommen hat sich seitdem prozentual und nominal auf diesem niedrigen Wert "stabilisiert".


KASTEN

Dimensionen der "aggressiven Steuergestaltung"

"(...) Wie viel Geld wird dem Staat vorenthalten? Schwer zu sagen: Was ist an Steuergestaltung noch akzeptiert, was aggressiv? Wer mag darüber richten? Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) traut sich, 90 Milliarden Euro büße der Staat pro Jahr ein, haben DIW-Forscher ausgerechnet. Die Brüsseler EU-Kommissare schätzen noch großzügiger: Sie beziffern den Schaden für die EU-Staaten auf rund eine Billion Euro, wobei 160 Milliarden Euro auf Deutschland entfallen. (...)"
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Nullbesteuerung bei Veräußerungen - "Steueroase" im Körperschaft-Steuergesetz

SPD-Grün stellte ab 2000 die Veräußerung von strategischen Beteiligungen, die die Unternehmen (AG, GmbH etc.) im Anlagevermögen hielten, körperschaftsteuerfrei. Die Ankündigung dieser Rechtsänderung durch den damaligen SPD-Finanzminister Hans Eichel (der Oskar Lafontaine Ende 1999 folgte), führte zu einem "Kursfeuerwerk" an der Börse. Lafontaine wollte zumindest eine Mindestbesteuerung; Eichel setzte zusammen mit Schröder die "Nullbesteuerung" durch. Dieser 8 b-Körperschaftsteuergesetz wird im Subventionsbericht der Bundesregierung nicht als Subventions-Tatbestand aufgeführt. Der Einnahmeverzicht des Staates ist bisher nicht beziffert worden. Es muss sich um horrende Milliardensummen handeln. Mit den steuerfreien Kapitalbeteiligungsveräußerungen konnten sich Großbanken und Großbetriebe eine riesige Liquidität schaffen.


Zur Wirkweise der Umsatzsteuer

Die Umsatzsteuer ist eine verbrauchsteuerähnliche Verkehrssteuer. Wirtschaftlich trägt sie nur der private Endverbraucher. Für die normalen Unternehmer ist die Umsatzsteuer ein "durchlaufender Posten", der sie wirtschaftlich nicht belastet. Der Unternehmer vereinnahmt die Umsatzsteuer treuhänderisch für den Staat und führt sie an den Staat ab. Für die Vorumsätze ist der Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Die Umsatzsteuer ist eine unsoziale Steuer, weil die Privatpersonen mit kleinem Einkommen/Renten-Bezügen/Transferleistungen (Hartz IV) als Endverbraucher vergleichsweise höher belastet werden als Gut- und Bestverdienende. Vergleichsweise hohe Beträge an Umsatzsteuer haben Kleinverdiener zu zahlen, weil sie ihre gesamten Monatsmittel für Essen, Strom, Heizung, Kleidung etc. verausgaben müssen. Lebensmittel etc. werden mit 7 und Strom, Heizung, Kleidung mit 19 Prozent Umsatzsteuer belastet.


KASTEN

Die Umsatzsteuersenkung ist möglich

Sieben Prozent Umsatzsteuer für die Übernachtungsumsätze der Hotels etc. (kleine Gedächtnisauffrischung)
Horst Seehofer von der CSU und auch die FDP setzten sich vehement für die Absenkung des 19 Prozentigen-Regelsteuersatzes auf sieben Prozent für Hotelübernachtungsumsätze ein. Seit dem 1. Januar 2010 unterliegen nun die Übernachtungsumsätze der Hotels etc. dem ermäßigten Steuersatz. Die Absenkung der umsatzsteuerlichen Belastung auf nur noch sieben Prozent führte jedoch nicht zu abgesenkten Hotelübernachtungspreisen. Das war von den Politikern so gewollt. CSU/FDP argumentierten, dass die so erhöhten Gewinne in die Renovierung bzw. der Sanierung der Hotels etc. fließen sollten ...

Staatsfinanzierung nur aus "Arbeitnehmerhand"?

Vom Sozialstaatsgebot und einer Besteuerung, die dem Leistungsfähigkeitsprinzip folgt:

Der Steuerstaat Bundesrepublik Deutschland wird im Kern mit Massensteuern wie Lohn- und Umsatzsteuer finanziert. Rechnet man die Verbrauchsteuern wie Energiesteuer, Stromsteuer und Tabaksteuer hinzu, wird dies noch deutlicher. Gebot des Grundgesetzes jedoch ist, dass die Steuern unter sozialstaatlichen Aspekten zu erheben sind (also "gerecht" mit Blick auf das Sozialstaatsgebot Artikel 20 GG) und auch unter sozialstaatlichen Aspekten zu verausgaben sind. Der Sozialstaat hat zwingend den "gerechten" Steuerstaat zur Voraussetzung, so dass unterschiedslos für alle Steuersubjekte eine Besteuerung entsprechend der jeweiligen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (unter Einschluss der großbetrieblichen Einheiten!) zu erfolgen hat: "Breitere Schultern sollen mehr tragen können als schmale Schultern!"


"Stille Subvention" der wirklich Reichen:

Die Vermögensteuer wird seit dem 1. Januar 1997 nicht mehr erhoben. Deren Aufkommen stand den Bundesländern zu. Mit rund 6 Milliarden D-Mark war das Aufkommen 1994 mit 0,8 Prozent des gesamten Steueraufkommens zu beziffern. Durch Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 22. Juni 1995 wurde das Vermögensteuergesetz teilweise für verfassungswidrig erklärt. Das betraf die Ungleichbehandlung von Barvermögen zu Grundstücken. Grundstücke wurden generell nur zu einem Wert von einem 1/6 bis zu 1/8 ihres tatsächlichen Wertes (mit den sog. Einheitswerten) in Ansatz gebracht. Ein Problem, das lösbar ist.

Bisher wurde jedoch keine verfassungskonforme Neuregelung geschaffen, so dass das Vermögensteuergesetz auf dem Papier weiterbesteht. Das bedeutet aber auch, dass jederzeit über eine Reaktivierung der Vermögensteuer entschieden werden kann. Der Gesetzgeber hat die Vermögensteuer nicht abgeschafft; er verzichtet jedoch auf die Erhebung. Rechnet man das jährliche Vermögensteueraufkommen von ca. 3 Milliarden auf die 16 Jahre der durch die Politik gewollten Nichterhebung hoch, so sind die wirklich Reichen um knapp 50 Milliarden Euro reicher geworden.


Die (lineare) 25%tige Abgeltungssteuer

Kapitalerträge (Zinseinnahmen etc.), die nach dem 31. Dezember 2008 zufließen, werden linear nur noch mit 25% einheitlich besteuert. Sie wurden von der damaligen Großen Koalition quasi aus der regulären Besteuerung mit den jeweiligen individuellen Steuersätzen herausgenommen und einer eigenen Besteuerung zugeführt, die unserem Steuer-System wesensfremd ist ("Schedulenbesteuerung"). Die Steuerpflichtigen, die im Spitzensteuersatzbereich ihre Einkünfte zu versteuern haben, werden dadurch begünstigt. Statt 42 bzw. 45 Prozent müssen diese Personen nur noch 25 % an Ertragsteuern zahlen.


Zu "Lizenzgebühren" und "Verrechnungspreisen"

In den Niederlanden (auch dort werden natürliche Personen ganz ordentlich besteuert) gelten besonders niedrige Steuersätze für Einnahmen, die aus Patenten und Lizenzen entstehen. In der Fernsehsendung plusminus (WDR/ARD) vom 5. Dezember 2012 wird das bezogen auf den Internet-Riesen Google so beschrieben: "(...) Das Nutzen auch Internetkonzerne wie etwa Google. Der Konzern verkauft für wenige Cent je Mausblick Werbung. Die Einnahmen summieren sich allein im deutschen Teil des Internets auf Milliardenbeträge. Der deutsche Staat geht aber weitgehend leer aus, denn die Werbetreibenden erhalten von Google Rechnungen aus Irland. Dort gelten generell niedrige Steuersätze, doch für Google scheinbar noch nicht niedrig genug. Ein Großteil der Erlöse lässt Google als Lizenzgebühr für Patente an eine niederländische Tochter fließen. Die dank niederländischem Steuerrecht fast unversteuerten Gewinne werden schließlich bei einer weiteren Google-Tochter im Steuerparadies Bermudas gesammelt." Der Möbel-Riese IKEA verfährt ähnlich: Er lässt fünf Prozent des Umsatzes als Lizenzgebühren an IKEA-Niederlande fließen. Damit ist der deutsche Gewinn "abgeräumt", denn die Lizenzgebühren haben als Betriebsausgaben in Deutschland den hiesigen Gewinn wie das Eis in der Sonne dahinfließen lassen. So verwundert es nicht, wenn die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, vom 1. September 2013 informiert: "(...) Die Zahl der Tochtergesellschaften deutscher Konzerne in den Niederlanden hat sich binnen zwölf Jahren mehr als versechsfacht. (...)" Im selben Artikel wird in einer Übersicht 825 Tochtergesellschaften deutscher Konzerne (Stand 2009) in den Niederlanden angegeben.

plusminus zitiert Prof. Jarass, wenn eine weitere "klassische Methode" zur Gewinnverlagerung an einem Beispiel aus der Möbelbranche mit sog. "Verrechnungspreisen" genutzt wird: "(...) Möbel werden vielleicht in Litauen kostengünstig produziert, für kleines Geld an eine konzerneigene Zwischenhandelsgesellschaft in der Schweiz weiterverkauft. Von dieser Konzerngesellschaft kauft man teuer die Möbel ein und verkauft sie dann in Deutschland. Klar ist, der Gewinn fällt dann nicht in Deutschland an, sondern im Wesentlichen in der Schweiz bei der konzerneigenen Tochtergesellschaft. Damit kann der Gesamtgewinn des Konzerns weitgehend unbesteuert bleiben." Die "Verrechnungspreise" werden durch die deutschen Steuerbehörden geprüft. Angesichts des niedrigen Körperschaftsteueraufkommens dürfte diese jedoch regelmäßig Verlierer sein und damit auch der deutsche Steuerstaat. Die Verrechnungspreise müssen den Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen. Es besteht eine breite Palette, betriebswirtschaftlich diese Preise zu bestimmen. Im Außensteuergesetz ist ein 3-stufiges Verfahren festgeschrieben: Preisvergleichsmethode, Wiederverkaufspreismethode, Kostenaufschlagsmethode. Wenn keine uneingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte vorliegen, ist eine z.B. gewinnorientierte Methode anzuwenden. Daneben gibt es auch den sog. hypothetischen Fremdvergleich. Durch das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 wurde das Außensteuergesetz um Regelungen zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen nach dem sog. Transferpaketansatz ergänzt.

Mit Lizenzgebühren und Verrechnungspreisen operieren selbstverständlich z.B. alle in Deutschland aktiven Mineralölkonzerne. Um ungerechtfertigte Steuergestaltungen zu vermeiden, müssen die Großbetriebe und Großbanken etc. zu mehr Transparenz verpflichtet werden (gegebenenfalls durch die Lockerung des "Steuergeheimnisses". Das ist auch demokratiepolitisch geboten.

Mögliche Schritte:

  1. Bilanzen und Gewinn sind konzernweit auszuweisen
  2. aufgeschlüsselt nach den Ländern sind die Ertragsteuer zu veröffentlichen (Lockerung des "Steuergeheimnisses")
  3. Angestellte und Arbeiter sind nach Produktionsstätten und Ländern aufgeschlüsselt zu führen
  4. im Bilanzbericht sind gehaltvolle Angaben zu Lizenzgebühren und Verrechnungspreisen zu machen
  5. in der Gewinn- und Verlustrechnung sind diese tief gegliedert aufzuführen
  6. im deutschen elektronischen Handelsregister (EHUG) sind neben dem deutschen Abschluss auch die Punkte 1. bis 5. abzubilden

Beseitigung des Steuergeheimnisses für alle DAX-30- und M-DAX-Unternehmen

Die erhöhte Publizität sollte alle großbetrieblichen Einheiten in Abhängigkeit eines bestimmten Umsatzes und/oder Gewinnes erfüllen müssen. Eine Lockerung bzw. Beseitigung des Steuergeheimnisses (§ 30 Abgabenordnung (AO) kann mit einem großen "öffentlichem Interesse" - wenn "... zwingendes öffentliches Interesse besteht..." - begründet werden, da die Unternehmen "systemisch relevant" sind und "Rettungsschirme" die öffentlichen Haushalte belasten. "Systemisch relevante" Unternehmen sind so marktstark, dass bei krisenhafter Entwicklung dieser Unternehmen ganze Volkswirtschaften massiv unter Druck geraten können.


Kleiner Fahrplan für ein ambitioniertes Steuerprogramm im Lichte eines Beitrages des hessischen Spitzenkandidaten der SPD

Der SPD-Spitzenkandidat in Hessen Th. Schäfer-Gümbel kommt mit seiner Forderung nach "Trockenlegung des Steuersumpfes" (Frankfurter Rundschau 13. August 2013) im Gastbeitrag "Null-Toleranz gegen Steuerhinterziehung" forsch daher. Bei der Beschreibung des "Steuersumpfes" klammert er Großbanken und großbetriebliche Einheiten aus. Warum benennt er nicht die Beteiligung der Deutschen Bank an einem kriminellen "Umsatzsteuerkarussell", dass nach Presseangaben einen Umsatzsteuerschaden von ca. 1,25 Milliarden Euro zu Lasten der BR Deutschland führte? Warum weist er nicht auf die skandalös niedrigen Steuerquoten der DAX-30-Unternehmen etc. hin? Das Körperschaftsteueraufkommen der Kapitalgesellschaften beträgt seit Jahren lediglich knapp 3% des Gesamtsteueraufkommens. Ist das etwa eine Besteuerung der großbetrieblichen Einheiten entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit? Durch "Lizenzgebühren" und "Verrechnungspreise" können große Kapitalgesellschaften Gewinne in Niedrigsteuerländern anfallen lassen! "Null-Toleranz" bitte auch bei der Behandlung der Großkonzerne!

Warum sollen "ernsthafte Entlastungen" nicht schon jetzt erfolgen? Ein Vorschlag: Als Sofort-Maßnahme kürzt die SPD-geführte Bundesregierung jährlich den Umsatzsteuersatz von 19% in ein-Prozentschritten. Damit haben die Bezieher von Transfereinkommen (das sind häufig Arme: Rentner und Hartz-IV-Bezieher etc.) eine erhöhte Kaufkraft. Die SPD macht damit gut, dass sie selbst im Rahmen der alten Großen Koalition die Mehrwertsteuer um 3% erhöhte, ob wohl sie die Pläne zur 2% MwSt.-Erhöhung der CDU im Wahlkampf als "Merkelsteuer" geißelte. Die Mindereinnahmen gleicht die SPD zu Lasten des Rüstungsetats aus. Der Rückbau der Bundeswehr zu einer Armee lediglich zur Landesverteidigung würde das friedenspolitische Profil der SPD stärken und an die Friedenspolitik Willy Brandts anknüpfen, weil diese Maßnahme in "eine allgemeine und kontrollierte Abrüstung" (Godesberger Programm 1959) eingebettet ist.

Mit einem Rückbau der Umsatzsteuer als einer sozial besonders ungerechten (indirekten) Steuer markiert die SPD die Abkehr der von ihr selbst betriebenen neoliberalen Politik. Sie knüpft hierbei an klassisch sozialdemokratische Parteiprogramme an: "Abschaffung aller indirekten Steuern ..." (Programm der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei 1869); eine "einzige progressive Einkommensteuer anstatt aller bestehenden, insbesondere der das Volk belastenden indirekten Steuern ..." (Gothaer Programm 1875); "... Abschaffung aller indirekten Steuern ..." (Erfurter Programm 1891); "Beseitigung der Umsatzsteuer ..." (Heidelberger Programm 1925)! Damit verneigt sich die SPD auch vor denen, die für sozialdemokratische Politik ins Zuchthaus kamen, verfolgt und ermordet wurden und größte Opfer brachten.

Gleichzeitig wird die Besteuerung der Kapitaleinkünfte mit einem 25%-Satz sofort abgeschafft und wieder der Steuerprogression unterworfen. Steuermittel werden durch die Wiedererhebung der Vermögensteuer für die Bundesländer mobilisiert. Für Steuerhinterzieher wird das Steuergeheimnis ab einer Hinterziehungssumme von 30.000 € beseitigt. Die Großbanken und Großkonzerne werden zur Publizität ihrer jährlichen Steuerzahlungen an die bundesdeutschen Gebietskörperschaften verpflichtet. Bei den Frankfurter Finanzämtern wird die Bankengroßbetriebsprüfungsgruppe wieder eingerichtet. Die verschärfte Steuer-Prüfung (in Kooperation mit der Bankenaufsicht) ist notwendig, weil die Banken "systemisch" relevant sind und große Schäden in der Volkswirtschaft verursacht haben. Durch ein Gesetz zur Sicherung und Erhöhung des Körperschaftsteueraufkommens wird diese zu einer Steuer ausgebaut, die mindestens 10% des Gesamtsteueraufkommens ausmacht. Insbesondere die Großbanken und Großkonzerne müssen zu einer Besteuerung, die ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprechen, verpflichtet werden! - Das wäre ein ambitioniertes SPD-Programm für mehr Steuergerechtigkeit!"

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Quelle:
Arbeiterstimme, Nr. 182, Winter 2013, S. 23-26
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. April 2014