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ARBEITERSTIMME/322: Pegida, AfD - Sie hetzen weiter


Arbeiterstimme Nr. 190 - Winter 2015
Zeitschrift für die marxistische Theorie und Praxis
Die Befreiung der Arbeiterklasse muß das Werk der Arbeiter selbst sein!

Pegida, AfD - Sie hetzen weiter


Anfang August des Jahres schien die Pegida-Bewegung schon fast in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Das galt auch in Dresden. Von Montag zu Montag gingen die Teilnehmerzahlen der "Patrioten" bei ihren "Montagsspaziergängen" zurück. Auch die AfD litt zu diesem Zeitpunkt deutlich an "Schwindsucht": Mitte Oktober lag sie bei Umfragen gerade noch bei drei Prozent. Die bürgerliche Presse, wie beispielsweise Die Zeit jubelte, "die AfD zerlegt sich". Das war allerdings ein voreiliges Urteil.

Denn in der Folgezeit kam es zu dem großen Flüchtlingsstrom in Richtung Nordeuropa. Das Ziel vieler Flüchtlinge war und ist Deutschland. Offensichtlich glaubten glauben diese Menschen hier eine sichere Existenz zu finden und willkommen zu sein. Das wenigstens suggerierten ihnen die Bilder vom Münchner Hauptbahnhof, wo die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung sichtbar wurde und auch das Kanzlerinnenwort "Wir schaffen das" wird dazu beigetragen haben, Deutschland als Fluchtziel zu wählen. Die Hilfsbereitschaft gibt es zwar immer noch, doch inzwischen wird immer deutlicher die hässliche Fratze Deutschlands sichtbar. Fast täglich gibt es rassistische und neofaschistische Angriffe auf Asylbewerber und deren Unterkünfte. Steinwürfe, Brandanschläge sind an der Tagesordnung. Die OB-Kandidatin der Kölner CDU wird bei einem Angriff niedergestochen und überlebt schwerverletzt; Morddrohungen gegen Unterstützer und Politiker der etablierten Parteien, Kirchenvertretern und Journalisten werden gemeldet.

Diese Entwicklung findet in ganz Deutschland statt. Anfang November sind insgesamt 580 (I) Übergriffe auf Asylbewerber und deren Unterkünfte gemeldet. Der braune, rassistische Mob verspürt Aufwind. Augenfällig ist dabei der deutsche Osten. Die AfD und Pegida bringen tausende gegen die Flüchtlinge auf die Straße. Und hier brennen Unterkünfte von Asylbewerbern besonders häufig, kommen Angriffe auf Flüchtlinge überdurchschnittlich oft vor. Dabei steht Sachsen an der Spitze der rassistischen Gewalttaten und besonders Dresden und Umgebung rückt immer wieder in den Focus.

Die Ausschreitungen und Angriffe auf Flüchtlinge gingen durch die Medien. Heidenau, Freital, Meißen, Freiberg machten bundesweit Schlagzeilen.

Ende August finden Ausschreitungen vor dem Flüchtlingsheim in Heidenau statt. Die Polizei schaut hilflos zu und prügelt schließlich auf die Antifa ein.

In Freital machen Nazis und selbsternannte "Bürgerwehren" seit Monaten in aggressiver Weise Stimmung gegen Flüchtlinge. Die Polizei nimmt vier Tatverdächtige fest und findet Spreng- und Brandvorrichtungen. Nach Anschlägen auf ein Flüchtlingsheim in Freital und ein linksalternatives Wohnprojekt in Dresden geht die sächsische Polizei gegen eine Gruppe rechter Gewalttäter vor. In Freital häufen sich die Anschläge mit Sprengstoff. Briefkästen von Flüchtlingshelfern wurden gesprengt. Bei Durchsuchungen werden unter anderem Sprengkörper gefunden. Mitte Oktober wird ein Anschlag auf ein linksalternatives Wohnprojekt in Dresden mit Sprengsätzen und Buttersäure verübt.

Das Auto des Linken-Stadtrats Michael Richter fliegt in die Luft, kurze Zeit später gibt es einen Anschlag auf das Büro der Linkspartei. "Versicherungsbetrug" spottete die "Bürgerwehr" im Internet.

In Meißen, Freiberg kommt es zu Randalen vor Flüchtlingsunterkünften. In Dresden wird tagelang eine geplante Flüchtlingsunterkunft blockiert. Die Polizei schaut drei Tage lang tatenlos zu.

Alle aufgeführten Orte liegen, was Viele nicht wissen, in unmittelbarer Nähe zu Dresden. Aus diesem Umland kommt der harte Kern der Pegida. Aber auch in der Stadt gibt ist ein großes rechtsradikales Potential. Bei der jüngst stattgefundenen OB-Wahl, erreichte die Pegida-Kandidatin Festerling 9,6 Prozent der Stimmen, der AfD-Kandidat 4,8. Umfragen besagen, dass bei künftigen Wahlen die AfD und NPD in Sachsen auf rund 17 Prozent der Stimmen kommen würden. Inzwischen marschiert Pegida wieder Montag für Montag mit einer Teilnehmerzahl von 8.000 bis zu fast 20.000.

Die antifaschistischen und demokratischen Kräfte können den braunen Umtrieben nur wenig entgegensetzen. Zwar demonstrieren die Aktivisten ebenfalls jeden Montag gegen die Pegida, doch bleiben sie deutlich sichtbar in der Minderheit. Lediglich am 9. November, gelang es einem Bündnis rund 8.000 Gegendemonstranten zu mobilisieren. Damit lag es ungefähr gleichauf mit der Teilnehmerzahl von Pegida. Die Frage ist deshalb, warum in Dresden die Pegida so deutlich erfolgreich ist, während sie in anderen Städten (auch in Sachsen) oftmals kaum einen Fuß auf den Boden bringt?

Einer der Gründe für das reaktionäre Potential in Dresden liegt sicher darin, dass über 20 Jahre lang durch die konservative Stadt- und Landesregierung dieses Potential regelrecht gezüchtet wurde. Seit dieser Zeit finden in Dresden regelmäßig Naziaufmärsche statt, wie zum Beispiel zum Jahrestag der Bombardierung. Dem setzte lediglich das Bündnis Dresden nazifrei wirklichen Widerstand entgegen, indem es dazu aufrief die Nazis zu blockieren, was dann auch erfolgreich geschah. Niemals wurde dieser Widerstand von der Stadtratsmehrheit und dem Oberbürgermeister unterstützt. Im Gegenteil: die Aktionen wurden als linksradikale Gewalt kriminalisiert. Für die Stadtspitze war klar, und diesen Eindruck vermittelte sie auch stets nach außen: Der Feind steht links!

Aber da Dresden im Blickpunkt des öffentlichen Interesses stand sah man sich gezwungen, etwas zu tun. Die Stadtspitze rief zu einer friedlichen Menschenkette fernab der Naziroute auf, die anschließend mit großem Tamtam als Erfolg gefeiert wurde. Tatsache aber ist, dass man am liebsten gar nichts gemacht und die Naziaufmärsche einfach totgeschwiegen hätte. In Dresden feiert so der deutsche Gartenzwerg fröhliche Urstände. Darin unterscheidet sich Dresden von anderen Städten, auch von sächsischen! In Chemnitz und Leipzig reihen sich die Oberbürgermeister in die Bewegung ein und unterstützen diese in der Mobilisierung des Widerstandes, was dazu führt, dass die Pegida-Ableger oder die AfD bei ihren Auftritten fast immer in der Minderheit sind.

Die Haltung der Stadtspitze in Dresden hat Auswirkungen. Sie führt dazu, dass die "schweigende Mehrheit" in Dresden noch eindringlicher "schweigt" als anderswo. Die Verantwortlichen der Stadt weigern sich, sich gegenüber Pegida und den Nazis eindeutig politisch zu positionieren. Sie ziehen sich auf Formalien zurück und ermuntern so diese Bewegungen in ihrem Tun. So stellte der Oberbürgermeister am 9. November den Theaterplatz den Pegidaleuten zur Verfügung, wohl wissend, dass es einer der ersten Plätze war, der ehedem in Adolf-Hitler-Platz umbenannt wurde. Dagegen gab es eine kurzfristig organisierte Online-Aktion, in der mehr als 90.000 Menschen gegen diese Erlaubnis protestierten. Das nützte wenig. OB Hilbert berief sich auf die Meinungsfreiheit - auch für Pegida - und ging zur Tagesordnung über. Wirkliche Sorgen macht Hilbert alleine das schlechte Image, das Dresden inzwischen hat. Verursacht durch die negativen Schlagzeilen sind inzwischen die Besucherzahlen der Stadt und damit auch die Umsätze deutlich zurückgegangen. Dem will er im Frühjahr mit einer bundesweiten Charmeoffensive zugunsten Dresdens begegnen. Was soll man dazu noch sagen?

Natürlich ist klar, dass das Verhalten der Stadtspitze alleine keine reaktionäre Bewegungen erzeugt. Dazu bedarf es einer materiellen Grundlage. Aber sie kann eine solche Bewegung durchaus beeinflussen und durch ihr Handeln oder Nicht-Handeln fördern. Und über Dresden und Sachsen hinaus beteiligen sich immer mehr an der Befeuerung der rechtspopulistischen Bewegungen. Allen voran die CSU mit ihren Scharfmachern Seehofer, Herrmann und Söder. Aber nicht nur die. Bis weit hinein in die CDU schließt man sich der CSU-Meinung an, auch wenn man sich oft nicht getraut, dies offen auszusprechen.

Die fremdenfeindlichen Forderungen und Positionen der etablierten Parteien zur Flüchtlingsproblematik werden von den Pegida- und AfD-Leuten freudig aufgenommen. Das ist es doch, was sie schon lange fordern: Grenzen zu und Ausländer abschieben. Die Politik geht auf sie ein und bewegt sich auf sie zu! Das ist ihr Erfolg und motiviert sie weiter zu machen, in den Forderungen unanständiger zu werden, die Hetze zu verstärken.

Wie es weiter gehen wird, kann augenblicklich niemand konkret sagen. Die Terroranschläge von Paris sind europaweit Wasser auf die Mühlen der reaktionären Kräfte. Die Vorbereitungen zur Verschärfung des Krieges im Nahen Osten sind in vollem Gange. Deutsche Soldaten werden sich daran beteiligen. Begleitet werden die Vorbereitungen von dem Abbau demokratischer Rechte im Inneren. Die Probleme allerdings werden dadurch nicht gelöst, sondern verschärft. Neue Flüchtlingsströme werden ausgelöst und lassen sich mit Sicherheit nicht von einem abgeschotteten Europa aufhalten.

Pegida und AfD werden vermutlich auf lange Sicht einen gut gedüngten Nährboden für ihre Hetz- und Hass-Tiraden vorfinden. Trotz alledem: die Entfesselung des Ressentiments muss zurückgewiesen werden. Dazu gehört, dass die Linke die Ursachen von Krieg und Flucht klar benennt. Dass es eben nicht der Islam ist, der uns bedroht, sondern die Destabilisierungs- und Kriegspolitik der USA, EU und der Nato. Und bedroht werden wir weiterhin nicht durch Flüchtlinge die nach Deutschland kommen, sondern durch eine instabile Arbeitswelt, die dafür sorgt, dass immer mehr Menschen in prekäre Lebensverhältnisse gedrückt werden, ohne die Chance, jemals wieder aus diesen herauszukommen. Und bedroht werden wir von ökologischen Katastrophen, wie dem Klimawandel, dem die herrschenden Klassen nichts als hohles Geschwätz entgegensetzen. Das kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftssystem bietet der Menschheit keine Zukunft mehr. Das wird immer deutlicher. Pegida und AfD ist die reaktionäre Antwort darauf. Eine Antwort allerdings, die wir nicht akzeptieren dürfen und werden.

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Quelle:
Arbeiterstimme Nr. 190 - Winter 2015, Seite 17 bis 18
Verleger: Thomas Gradl, Bucherstr. 20, 90408 Nürnberg
E-Mail: redaktion@arbeiterstimme.org
Internet: www.arbeiterstimme.org
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Februar 2016

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