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AUFBAU/269: Wann kommt die letzte Ölung für die Profiteure?


aufbau Nr. 62, September/Oktober 2010
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Wann kommt die letzte Ölung für die Profiteure?

ERDÖL
Im Ölsumpf lässt sich für einige Kapitalisten gut leben - andere baden die Folgen aus.


(agkk) Das Erdöl ist aus unserer heutigen Gesellschaft kaum mehr wegzudenken. Die industrialisierten Länder sind auf billiges Erdöl angewiesen. Die wichtigsten Produkte, zu denen man Erdöl aufarbeitet, sind Diesel, Heizöl, Kerosin und Naphtha, als Rückstand bleibt Schweröl. Erdöl hat seine Bedeutung als Treibstoff für Verkehrsmittel (Massenmotorisierung, Flugzeuge), zum Heizen, für die Stromerzeugung und chemische Industrie, z.B. in der Kunststoffproduktion.

Durch den Zwang zum Wachstum innerhalb des Kapitalismus sind durch Firmenfusionen Konzerngiganten entstanden, die weltweit operieren. Deren wirtschaftliche Macht ist heute größer als je zuvor. Unter den 50 größten börsenkotierten Unternehmen weltweit finden sich zahlreiche Ölkonzerne, wie aus den USA die Exxon Mobil, vor Shell/Royal Dutch, BP, Total und Chevron Texaco.


Die Ideologie der freien und grünen Marktwirtschaft

90% der weltweit bekannten Ölreserven werden von staatlichen Regierungen kontrolliert. Dieser vergeben die Lizenzen an die Erdölmultis. Was das bedeutet, kann man sich ausmalen und wurde nun im Fall der aktuellen Erdölkatastrophe im Golf von Mexiko erneut in der breiten Öffentlichkeit thematisiert. Für den Staat sind die Multis vor allem im hochkapitalintensiven Bereich (offshore-Bereich) unentbehrlich, da sie dort das Wissen und die Technik haben, wie man an das begehrte schwarze Gold kommt. Die Regierungen verdienen kräftig mit und decken die Interessen der privaten Erdölmultis, nämlich "Kohle" zu machen.


Ein unvermeidbarer Unfall?

Im Falle der USA ist es die Behörde des US-Innenministeriums, Minerals Management Service (kurz MMS), welche die nationalen Bodenschätze wie Gas, Öl und andere Ressourcen auf dem Festland der Vereinigten Staaten verwaltet. MMS rechnet die Lizenzeinnahmen für den Abbau von Bodenschätzen an Land für Gebiete ab, die entweder im Staatsbesitz sind oder in Indianerreservaten (native-americans) liegen. Sie schreibt die Bedingungen der Ausbeutung vor und sollte die Einhaltung von Umweltvorschriften kontrollieren. MMS nahm 13,7 Milliarden US-Dollar pro Jahr mit Lizenzen zur Ausbeutung von offshore Öl- und Gasfeldern ein, aber liess die Umweltexpertisen, die gesetzlich vorgeschrieben wären, gar nicht ausführen. Im Zusammenhang mit der Deepwater-Horizon-Katastrophe im Golf von Mexiko wurde bekannt, dass die MMS auch auf einen vorgeschriebenen Notfallplan für diese Plattform verzichtete und seit Jahrzehnten (!) seinen Aufsichtspflichten nicht nachgekommen ist. Schon vor 10 Jahren kam heraus, dass Mitarbeitende der MMS Behörde - diese ein Erbe der Bush-Area - gemeinsam mit Mitarbeitenden der Erdölindustrie Sex- und Kokainparties feierten, Geld- und Sachleistungen annahmen und später die Erdöl-Bohrungen einfach durchgewunken wurden. Erst jetzt, nach dem "Unglück" im Golf von Mexiko, wurde der bekannte Skandal nochmals thematisiert und oberflächliche Konsequenzen daraus gezogen, die die Kritiker beruhigen sollen, aber nichts Grundsätzliches ändern wird.

Die MMS wurde im Juni dieses Jahres von Ken Salazar, dem Innenminister der USA, umbenannt und heisst neu Bureau of Ocean Energy Management, Regulation and Enforcement (BOEMRE). Außer den über 10'OOO aktiven Ölbohrungen befinden sich rund 27'OOO verlassene Ölbohrungen alleine in US-Hoheitsgewässern im Golf von Mexico. Darunter sind 3'500 als vorübergehend verlassen (temporarily abandoned) registriert. Ein Status, der laut Gesetz nur für maximal ein Jahr zulässig ist. Da das BOEMRE keinerlei Prüfungen vor Ort vornimmt, prüft es nur die schriftlichen Unterlagen. Daher gibt es temporarily abandoned-Bohrungen, die bis in die 1940er Jahre zurückreichen. Die provisorischen Verschlüsse sind nicht auf diese Zeiträume ausgelegt, ob sie dicht sind, wird nicht überprüft.

Wer erinnert sich da noch an Nigeria? Im Nigerdelta verdreckt die Erdölindustrie, vor allem Shell, die Natur seit Jahrzehnten. Die Weltöffentlichkeit schaut weg, die einheimische Bevölkerung kommt nicht an die Informationen und die Regierung hat Angst vor einem Investitionsstopp der Erdölfirmen. Vor allem Shell sieht bei verschärften Gesetzen seine Profite geschmälert und nimmt Einfluss, hier auch durch Lobbyarbeit.

In Sibirien ist es nicht besser: Russland hat Saudi-Arabien überflügelt und fördert mehr Öl als alle andern, viele Leitungen sind defekt, Verschlüsse sind undicht und vergiften die Umwelt. Profitmaximierung vor Menschen- und Umweltschutz.


Weltweite Kritik hagelt es vor allem gegen den Erdölkonzern BP

Die Kosten werde BP bezahlen, verspricht Obama. Doch wie war es bei der letzten Grosskatastrophe? Am 24. März 1989 lief die Exxon Valdez auf ein Riff an der Südküste Alaskas, das Rohöl verschmutzte 2000 km Küsten. Zuletzt war es vor allem der betrunkene Kapitän, der schuld sein sollte. Die 11'OOO Privatkläger, vor allem Fischer, forderten 60 Mia. Schadenersatz. Viele Helfer wurden später krank. Die Küste ist noch immer verseucht.

Das erste Urteil erfolgte 15 Jahre später: 7 Mia. Dollar. Die Berufung des Ölkonzerns Exxon Mobil vor Gericht war für sie ein Erfolg: 2.5 Mia. Eine erneute Berufung vor dem höchsten US-Gericht senkte die Summe auf lächerliche 500 Mio.

Im Fokus der Ermittlungen stehen der Ölkonzern BP, aber auch der Ölfeldausrüster Halliburton hat seine Finger im Geschäft. Ebenso der Eigentümer der Bohrinsel, Transocean mit dem Steuersitz in Zug. Transocean erhielt durch die Versicherungen eine erste Rate zu einem Geldbetrag von 400 Mio Dollar und schüttete eine Dividende von einer Milliarde an die Aktionäre aus. Vor dem Untergang schätzte man den Wert der Bohrinsel auf 650 Mio. Ölplattformen werden nach dem internationalen Seerecht wie Schiffe behandelt, das heisst, die Maximalhaftung beschränkt sich auf den Wert NACH dem Untergang, hier jetzt 27 Mio., dem Wert des herumliegenden Öls auf der Bohrinsel.

Ein paar Köpfe werden ausgewechselt und Morgenröte angekündigt. Der CEO von BP wird am 1. Okt. abgelöst durch Dudley. Eine Vertraute von Dick Cheney, Anne Womack Kolton, wird als neue Kommunikationschefin eingesetzt. Dick Cheney, ehemaliger US-Vizepräsident erhielt zur Bush-Zeit enorm viele Gelder von Halliburton und er sicherte dem Konzern viele lukrative Aufträge für den Wiederaufbau, z.B. nach dem ersten Golfkrieg 1991 und dem Irakkrieg. Er wurde 2001 auch Vorstandsvorsitzender der Firma.


Was macht BP und die US-Regierung im Kampf gegen die Ölpest?

Zuerst lügen sie, dann spielen sie das Ganze herunter, verschleiern und erklären, sie werden Umweltgesetze verschärfen. Doch nun Spritzen sie noch ein neues Gift. Trotz eines Verbots der Umweltbehörde Epa wurde giftige Chemie auf hoher See versprüht - die Küstenwache erlaubte es mit Ausnahmegenehmigungen.

In den letzten Wochen wurden Hunderttausende Liter giftiger Chemikalien zur Bekämpfung der Ölpest eingesetzt. Man liess es durch über 70 Sondergenehmigungen zu - obwohl das Epa-Verbot vom 26. Mai nur wenige Ausnahmen vorsah. BP habe ein "Flächenbombardement des Ozeans mit diesen Chemikalien" versprüht, so ein Abgeordneter. Insgesamt sind seit Beginn der Ölpest am 20. April knappe 7 Millionen Liter Chemikalien eingesetzt worden - etwa 3 Millionen davon nahe dem Leck am Meeresboden. Umweltfachleute befürchten ökologische Langzeitschäden.

Kapitalisten-Motto: Augen zu und durch. Bleiben wir wenigstens dran.


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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafb), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkb), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Arbeitsgruppe Winterthur (agw), Rote Hilfe - AG Anti-Rep (rh-ar), Arbeitsgruppe Jugend (agi), Kulturredaktion (kur)


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Quelle:
aufbau Nr. 62, September/Oktober 2010, S. 4
HerausgeberInnen:
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Revolutionärer Aufbau Basel, Postfach 348, 4007 Basel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Oktober 2010