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AUFBAU/287: Aus der Defensive in die Offensive!


aufbau Nr. Nr. 65, Mai/Juni 2011
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Aus der Defensive in die Offensive!


KRÄFTEVERHÄLTNIS - Die revolutionäre Linke steckt in Europa in der Defensive. Daran ändern auch der starke Widerstand der Griechen gegen EU-Sparpaket, wie auch vereinzelte erfolgreiche revolutionäre Mobilisierungen nichts. Schauen wir die Geschichte des letzten Jahrhunderts an, wird schnell klar, dass Situationen der Defensive nichts Ungewöhnliches sind und der Weg zurück in die Offensive bisher immer gefunden wurde. Ein historisches Beispiel.
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(gpw) Die SPD war am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts die klassenkämpferische Partei der deutschen ArbeiterInnenbewegung. Das schnelle Anwachsen der Partei (1906: 384'327 Mitglieder, 1914: 1'085'905) liess allerdings keine Zeit, um sich auf klare Positionen über Strategie und Taktik zu einigen. Der blitzartige Umschlag von Qualität zur Quantität hinterliess seine Spuren und die Partei differenzierte sich zunehmend. Auf der einen Seite waren Bernsteins Reformisten, die seit 1899 ein eigenes Programm hatten. Auf der anderen Seite die "Orthodoxen", welche sich wiederum in das zahlenreichere "Marxistische Zentrum" um Kautsky und den Parteivorstand und in die "radikale Linke" teilte. Die Mehrheit der Partei folgte dem Zentrum. Die SPD versuchte, um den verschiedenen Strömungen innerhalb der Partei gerecht zu werden, eine reformistische Tagespolitik mit einer revolutionären Ideologie zu vereinen (was übrigens auch heute noch bei vielen Organisationen sichtbar ist). Dies führte jedoch schnell zur Spaltung, sobald ernste Widersprüche aufkamen. Dies geschah am 4.8.1914, als im Reichstag über die Kriegskredite abgestimmt wurde und die SPD für deren Bewilligung stimmte. An diesem Tag beging die SPD ihren historischen Verrat. Bis anhin konnte alles als Opportunismus und Taktik "entschuldigt" werden. Diese Abstimmung jedoch stiess die SPD ins imperialistische Lager. Der Kern der radikalen Linken sammelte sich um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht.


Aus der Defensive...

Es gab noch andere linke Gruppen. Die "revolutionären Obleute" waren gewerkschaftliche Vertrauensleute der Metallbetriebe, die ihren Einfluss stetig auf das ganze Reich ausdehnen konnten. Die "Bremer Linken" vertraten im Gegensatz zu Rosa Luxemburg die Auffassungen Lenins und machten sich für die Spaltung der SPD und die Neugründung der Internationalen stark. Ihr Einfluss beschränkte sich jedoch auf Norddeutschland. Nach dem Ausschluss Liebknechts aus der Fraktion formierte sich die Linke auf der Konferenz in Zimmerwald. Sie fasste die Losung "Nicht Burgfrieden sondern Burgkrieg!". Diese Parole schlug zündend in die Massen. Ausserdem beschloss man illegale politische Briefe mit dem Namen "Spartakus" herauszugeben.

Ende des Jahres 1916 wurde die Ernährungssituation immer prekärer. Im Winter spaltete sich die SPD definitiv. Es gründete sich die "unabhängige sozialdemokratische Partei" (USPD). Ihr Ziel war, dass die Arbeiterklasse das Vertrauen in Demokratie und Sozialismus wiedergewinnt. Die Spartakusgruppe war über die Neugründung gespalten. Die SPD blieb im Reich zwar "Mehrheitspartei", verlor aber z.B in Berlin viele AnhängerInnen an die USPD. Die Mitgliederzahlen des Spartakusbundes schwanken zwischen einigen hundert und einigen tausend. Ihr Einfluss auf die Massen war noch unbeträchtlich.


...in die Offensive!

Nach dem sogenannten Hungerwinter 1917/18 war Deutschland am Boden. Die Hauptanstrengung des Spartakusbundes war die Bildung und Bewaffnung proletarischer Stosstrupps. Die Agitation in den Kasernen, Schützengräben und Betrieben sowie die Herausgabe von Schriften aus der Sowjetunion. Sie näherten sich den Bremer Kommunisten an und beschlossen ein gemeinsames Aktionsprogramm. Doch die sich formierenden fortschrittlichen Kräfte, welche ein Aufstandkonzept erarbeitet hatten, wurden von den Ereignissen überrannt. Am 30.1.1918 verweigerten Matrosen der deutschen Marine den Gehorsam. Diese Aktion löste die Revolution aus. Innert weniger Tage fielen die wichtigsten Städte in die Hände der Revolutionäre. Diese Revolution war eine spontane Massenbewegung, die sich innenpolitisch gegen die Monarchie, den Kaiser und die 20 Bundesfürsten, aussenpolitisch gegen den Krieg richtete. Die Spartakusgruppe versuchte zwar, die Revolution weiter in Richtung sozialistische Revolution zu forcieren, scheiterte jedoch trotz riesigen Anstrengungen am nicht Vorhandensein starker Strukturen und dem Fehlen einer Partei. In der bürgerlich-demokratischen Revolution, in der die Überreste des Feudalsystems abgestossen wurden, konnten sich die Kommunisten noch nicht behaupten.

Am 30.12.1918 wurde dann die Kommunistische Partei Deutschlands aus den verschieden Kleingruppen gegründet. In der Folgezeit entwickelte sie sich zu einer der stärksten kommunistischen Parteien weltweit. Die Wurzeln lagen tief in der Arbeiterklasse. Sie verankerte sich sowohl in den Betrieben wie auch in den Arbeiterquartieren. Sie gab mehrere Zeitungen und Zeitschriften heraus (28 Tageszeitungen 1923) und schuf sich so Gehör jenseits der bürgerlichen Medien. Sie entwickelte differenzierte Strukturen, die sich den politischen und gesellschaftlichen Situationen anpassten. Mit Hilfe des bürgerlichen Parlaments denunzierten sie deren Politik. Parallel dazu bauten sie Kampfstrukturen wie den Rotfrontkämpferbund auf, der tausende Kämpfer zählte. Zum ersten Mal demonstrierte die KPD ihre Kraft in den Hamburger Aufständen 1923.

Dieses Beispiel ist nur eines unter vielen. Andere wären die chinesischen Kommunisten unter Mao, die Guerilla in Kuba mit Fidel und Che oder auch die Oktoberrevolution. Doch was nützt uns die Auseinandersetzung mit der Geschichte? Sie lehrt uns zum einen grössere Zeiträume anzuschauen, die wir im politischen Alltag oft aus den Augen verlieren. Zum Anderen fällt es uns dadurch leichter "historisch zu denken" und Kontinuität zu sehen und weiter zu leben. Erst durch die Geschichte entwickelt sich eine revolutionäre Perspektive. Wir KommunistInnen müssen also unsere Geschichte studieren, damit wir den roten Faden erkennen und lernen die Defensive von heute zu durchbrechen und die Offensive von Morgen einzuleiten.


ANMERKUNGEN

(1) Alle Mitgliederzahlen und Daten stammen aus:
Flechtheim, Ossip: Die KPD in der Weimarer Republik,
Offenbach am Main 1948.


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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafb), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkb), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Rote Hilfe - AG Anti-Rep (rh-ar), Kulturredaktion (kur), Arbeitsgruppe Jugend (agj)


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Quelle:
aufbau Nr. 65, Mai/Juni 2011, Seite 5
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, Postfach 348, 4007 Basel
Revolutionärer Aufbau Bern, Postfach 87, 3174 Thörishaus
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.ch
Redaktion und Vertrieb Schweiz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Mai 2011