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AUFBAU/391: Vom Steppenfeuer zum Flächenbrand?


aufbau Nr. 78, september / oktober 2014
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Vom Steppenfeuer zum Flächenbrand?



KRIEG Die Gedenkfeiern und Publikationen zum Ersten Weltkrieg dienen meist der Ablenkung von den Hintergründen des ersten industriellen Mordens. Hundert Jahre danach spielen die imperialistischen Mächte einmal mehr mit dem Feuer.


(rabs) Mit zahllosen Publikationen und Veranstaltungen wird in den letzten Monaten an den Ersten Weltkrieg erinnert. Das Spektrum reicht von der dämlich-helvetischen Spasskultur des Schweizer Fernsehens mit der Sendereihe "Anno 1914" bis zu pseudowissenschaftlichen Abhandlungen. Mehrheitlich verfolgt dieser Medienspektakel einzig den Zweck, von den Hintergründen und den Verantwortlichen für das erste industrielle Morden abzulenken. Einzig das Wörtchen "industriell" legt noch die Spur zum Kapital und den imperialistischen Mächten in ihrem Kampf um die Neuaufteilung von Märkten und Einflussbereichen.

Während die israelische Armee vor laufenden Kameras den eingekesselten und ausgehungerten Gazastreifen bombardiert und die Bevölkerung massakriert, zelebrieren die imperialistischen Mächte Deutschland und Frankreich den neuen Völkerfrieden. Ausgerechnet Bundespräsident Gauck, der unablässig weltweite militärische Einsätze Deutschlands fordert, gedenkt der Toten des durch den deutschen Imperialismus massgeblich ausgelösten ersten Weltkrieges. Die Rufe des deutschen Bundespräsidenten nach mehr Krieg bleiben nicht ungehört. Ungeniert mobilisiert das deutsche Heer in der Jugendzeitschrift "Bravo" für Erlebnisferien im Bundeswehr-Adventure-Camp auf Sardinien(1). Der regierungsnahe Think Tank Politik und Wissenschaft ergänzt die von Bundespräsident Gauck "angestossene Debatte" mit "ethisch reflektierten" Elementen und erinnert daran, dass der deutsche Imperialismus "gerechte Kriege" führt.(2)


Der Krieg im Osten

An der Ostfront umzingeln während des Händchenhaltens der Kriegshetzer Gauck und Hollande die ukrainischen Streitkräfte, durchsetzt von faschistischen Stosstrupps, die Städte des Ostens und setzen schwere Artillerie gegen die eigene Bevölkerung ein. Über 700.000 Menschen sind inzwischen auf der Flucht. Nebst der ukrainischen Armee beteiligen sich an dieser "Anti-Terror-Operation", so der offizielle Begriff, auch Einheiten des Innenministeriums, des Inlandsgeheimdienstes, des Katastrophenministeriums, des Grenzschutzes und paramilitärische Verbände(3). Zu letzteren gehören auch Söldner von privaten Sicherheitsfirmen, wie zum Beispiel der US-amerikanischen Firma Academi, besser bekannt und als Killertruppe im Irak berüchtigt unter ihrem früheren Namen Blackwater.

Das Massaker in der Ostukraine hindert die deutsche Bundeskanzlerin Merkel nicht daran, dem ukrainischen Präsidenten am Vorabend der martialischen Militärparade zur Unabhängigkeitsfeier einen symbolträchtigen Staatsbesuch abzustatten. Als erstes Geschenk hat sie die Zusage für einen 500 Millionen-Kredit im Handgepäck. Am nächsten Tag kündigt Poroschenko die massive Aufrüstung der ukrainischen Armee an.

Bis auf den heutigen Tag steht nicht fest, wer hinter dem mutmasslichen Abschuss des malaysischen Passagierflugzeugs steht. Die USA, Frankreich, Grossbritannien und Deutschland machen trotzdem Russland dafür verantwortlich und rühren immer offener die Kriegstrommel. Auf die logische Reaktion Russlands, die westlichen Wirtschaftssanktionen mit dem Boykott von EU-Gütern zu beantworten, wird mit einer Hysterie sondergleichen reagiert. Die Einheitsmedien präsentieren einen demagogischen Mix aus Lügen und Halbwahrheiten, kritische Stimmen werden denunziert und zum Schweigen gebracht. Der Vergleich mit dem Kalten Krieg ist eher untertrieben. Die Situation erinnert weit mehr an den Vorabend des 1. Weltkrieges. Ein Grund mehr für die Bourgeoisie, die Hintergründe dieses historischen Verbrechens zu vertuschen oder als abgeschlossene, nicht wiederholbare Geschichte abzuhaken.


Der angezettelte Krieg in Syrien läuft aus dem Ruder

Völlig aus dem Ruder gelaufen ist der von den imperialistischen Mächten in Syrien angezettelte Krieg. Die von Saudiarabien, Katar und der Türkei unterstützte Terrororganisation IS (Islamischer Staat) hat, keineswegs über Nacht, ihren Krieg auf das irakische Territorium ausgeweitet und in kurzer Zeit bedeutende Teile des Landes unter ihre Kontrolle gebracht. Die von den USA ausgerüstete und ausgebildete irakische Armee ergriff an den meisten Orten die Flucht und liess ihr hochmodernes US-amerikanisches Militärgerät zurück. Einzig die kurdischen Peschmerga und die PKK scheinen derzeit in der Lage zu sein, den Vormarsch der brutalen Gotteskrieger zu stoppen.

Solange die Terrortruppe IS ihre Gräueltaten gegen die syrische Bevölkerung ausübte, erfüllte sie ihren Zweck in der Strategie der westlichen Mächte, die Regierung von Präsident Assad zu stürzen. Mit der Destabilisierung der vom US-Imperialismus geschaffenen Strukturen im Irak überspannten die IS-Kämpfer aber den Bogen. So schliessen derzeit die imperialistischen Mächte eher unvermittelt die Kurden des Nordiraks ins Herz und beliefern die Peschmerga-KämpferInnen mit Waffen. Auch Deutschland will im Rahmen seiner wieder gefundenen Kriegslust nicht hinten anstehen und beteiligt sich erstmals wieder an Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet. Die Waffenindustrie freut es, beliefert sie doch mit Saudiarabien, Katar und den Kurden gleich beide Kriegsparteien. Und mit der Waffenindustrie profitiert auch der grösste Aktionär der deutschen Bank, der Scheich Hamad bin Dschassim bin Dschaber al-Thani aus Katar. Selbst Teile der deutschen Linken unterstützen diese Kriegspolitik der Bundesregierung. Unwillkürlich erinnert diese Haltung an den berüchtigten Ausspruch von Kaiser Wilhelm II beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs: "Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche". Es gibt also durchaus aktuelle Gründe für das Kapital und seine PolitikerInnen, von den Ursachen und Hintergründen des Ersten Weltkriegs abzulenken.



(1) http://www.bravo.de/specials/bw/adventure-camps-2014-die-grosse-team-challenge-zu-gast-bei-der-luftwaffe-auf-sardinien

(2) Stiftung Politik und Wissenschaft, "Über den Einsatz militärischer Gewalt ethisch reflektiert diskutieren", August 2014

(3) Stiftung Politik und Wissenschaft, "Kiew in der Offensive", August 2014

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 78, september / oktober 2014, Seite 3
HerausgeberInnen:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Oktober 2014