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AUFBAU/486: "Chancen und Gelegenheiten" in Lateinamerika


aufbau Nr. 87, Januar/Februar 2017
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

"Chancen und Gelegenheiten" in Lateinamerika


LATEINAMERIKA Mit den neuen neoliberalen Regierungen in Argentinien und Brasilien, einer starken Opposition in Venezuela und Donald Trump als neuer us-amerikanischer Präsident werden in Lateinamerika die Karten neu gemischt.


(gpw) In Anbetracht der jüngsten neoliberalen Wende in einigen bedeutenden lateinamerikanischen Ländern sehen auch die Europäische Kommission und treibende konservative Kräfte in Europa die Möglichkeit einer Stärkung der Beziehungen. Es scheint sich in der EU eine Erleichterung breit zu machen, weshalb vor kurzem die Konrad Adenauer-Stiftung zusammen mit der Fraktion der konservativen Europäischen Volkspartei über die "Chancen und Gelegenheiten" und einem möglichen "Wendepunkt in den Beziehungen zwischen EU und Lateinamerika" diskutierten. Auch real zeigt sich verstärkt eine Tendenz Richtung Freihandel. So haben in den vergangenen Monaten, die seit 16 Jahren andauernden Verhandlungen über einen Freihandelsvertrag mit dem südamerikanischen Handelsverband "Mercosur" (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay, Venezuela und fünf weitere assoziierte Länder aus der Region) wieder an Dynamik gewonnen. Mit Ecuador wurde eine Handelsvereinbarung unterzeichnet.

Wie man Märkte und Ressourcen ausbeutet

In den 2000er Jahren hatte vor allem die BRD grosses Interesse an einem Freihandelsabkommen mit dem Staatenbund "Mercosur" und besonders an einer engen Kooperation mit Brasilien, der stärksten Kraft in Lateinamerika. Ziel war es, die europäische Position unabhängig von der USA zu stärken. Brasilien bot sich doppelt an: Einerseits war das Land unter Lula da Silva und danach unter Dilma Rousseff genauso an mehr Unabhängigkeit interessiert, machte sich jedoch andererseits keiner sozialistischer Absichten verdächtig, wie dies z.B. in Venezuela der Fall ist. Seit einigen Jahren hat sich der Blick jedoch auch weiter Richtung Westen verschoben, hin zur Pazifik-Allianz. Diese Allianz wurde 2012 gegründet und stellt einen Zusammenschluss der neoliberal regierten Pazifik Anrainerstaaten (Mexiko, Kolumbien, Peru und Chile) dar. Sie versteht sich sowohl als Gegengewicht zum taumelnden ALBA-Bündnis, welches sich um Venezuela und Kuba bildete, als auch als Stärkung der transpazifischen Wirtschaft. Sie hat gute Kontakte nach Washington und legt ihren Kooperationsschwerpunkt auf die Pazifik-Verbündeten der USA wie Australien, Singapur und Japan, d.h. sie festigt die Bündnisstrukturen der USA und der EU gegen China.

Dies hat auch seinen Grund: China ist mittlerweile auch in Lateinamerika ein Ökonomisches Schwergewicht geworden. So kündigte der chinesische Staatspräsident Xi Jinping 2015 an, dass China 250 Milliarden Dollar in der Region investieren wolle. Diese Ankündigung musste Firmen in Europa und in den USA alarmiert haben. Vor allem die USA sehen in Lateinamerika nach wie vor als ihren Hinterhof. Ob sich mit Donald Trump die Parameter hier verschieben werden, ist fraglich. Es handelt sich in Mittel- und Südamerika nicht nur um potentielle Märkte, sondern auch um Rohstofflieferanten. So sind beispielsweise Länder wie Peru und Chile wichtige Lieferanten metallischer Rohstoffe für Firmen in Europa. In Bolivien, im Salar de Uyuni, liegen die grössten Lithiumvorkommen der Welt. Die Schätzungen gehen über 5,4 Millionen Tonnen. In Zeiten der "green econom" und Elektromobilität ein gewaltiges Potenzial. Jedoch hat einer der letzten Spielverderber in der Region, der Präsident von Bolivien, Evo Morales, angekündigt, er wolle die Verarbeitung, sprich den Bau von beispielsweise Akkufabriken in Bolivien behalten.

Kooperationen für hüben und drüben

Die EU hat mit allen Mitgliedern der Pazifik-Allianz Freihandelsabkommen geschlossen und auch auf militärischer Ebene wurde der Ausbau der Beziehungen in Angriff genommen. So hat beispielsweise Kolumbien als Zeichen des guten Willens ein Kriegsschiff zur Unterstützung der EU-Operationen am Horn von Afrika entsannt. Es kann davon ausgegangen werden, dass das kolumbianische Militär auf weitere Einsätze in ferne Länder wartet, zumal der Friedensvertrag mit der FARC-Guerilla nun vom Parlament gebilligt wurde und das hochgerüstete sowie breit ausgebaute Militär Beschäftigung braucht. Auch haben die Streitkräfte jahrzehntelange Erfahrungen in der Aufstandsbekämpfung, was eine Kooperation umso interessanter macht. Angela Merkel hat beim Besuch des mexikanischen Präsidenten Peña Nieto angekündigt, in Zukunft sowohl die Polizei wie auch das Militär durch deutsche Militärs aus- und fortzubilden. Auch der neue starke Mann in Argentinien will beim Ausverkauf seines Landes eine führende Rolle übernehmen. So soll in Ushuaia (Feuerland) eine US-Militärbasis gebaut werden. Zudem macht er sich für einen Beitritt zur Pazifik-Allianz stark.

Bündnisse gegen China

Selbstverständlich ist auch die EU und an vorderster Front die BRD dank der Neuausrichtung Argentiniens an einer Zusammenarbeit interessiert. Dabei ist die Pazifik-Allianz als ein Puzzleteil eines Bündnissystems gegen China zu verstehen. So gehören Chile, Peru und Mexiko nicht nur zur Pazifik-Allianz, sondern auch zum "Trans-Pacific Partnership" (TPP), einem von den USA initiierten Zusammenschluss, der die beteiligten Länder stärker an die USA binden soll. Somit hilft die EU aktiv an einer Bildung von Bündnissen und Netzen gegen China. Es ist klar: heute sind diese Kooperationen vor allem ökonomischer Natur. Seit dem Bürgerkrieg in der Ukraine weiss jedoch die ganze Welt, dass Blockbildung schnell auch militärische Dimensionen annehmen können. Ob sich diese Variablen mit den Entwickelungen in Nord- und Südamerika verändern, bleibt abzuwarten. Trump zumindest hat die Kündigung des TPP angekündigt. Sollte sich wider Erwarten den aktuellen Trends eine linke Regierung in Lateinamerika behaupten können, hat man mit dem Putsch in Honduras (2009), und den sogenannt kalten Staatsstreichen in Paraguay (2012) und Brasilien (2016) Erfahrungen gesammelt, um ohne grossen internationalen Aufschrei für Ruhe und Ordnung sorgen zu können.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis AbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 87, Januar/Februar 2017, Seite 14
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.org
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Januar 2017

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