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AUFBAU/513: Macron in Gao


aufbau Nr. 90, September/Oktober 2017
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Macron in Gao


FRANKREICH Der neue Präsident Frankreichs, Emmanuel Macron, macht klar, dass er aussenpolitisch eine aktive, militaristische Linie fahren möchte. Insbesondere in Afrika gilt es für die französische Elite wachsam zu sein: Die Konkurrenz ist gross.


(rabs) Ein Atom-U-Boot treibt auf offener See an der schäumenden Oberfläche. Darüber ein Hubschrauber, aus dem sich ein Mann abseilt. Alles wird mit Kameras festgehalten. Das ist weder Krieg noch 007-Filmset: Es ist der frischgebackene Präsident Frankreichs, der sich beim Militär anbiedert und gleichzeitig sein Image poliert: Jugendlich, mutig, entschlossen.

Emmanuel Macron hat eine sehr schwache soziale Basis, was ihm innenpolitisch ein schwieriges Terrain bereiten wird, insbesondere für seine angekündigten Austeritäts- und Flexibilisierungsmassnahmen. Macron trifft bereits jetzt Vorkehrungen: Es wurde Tränengas im Wert von 4 Millionen Euro gekauft und viele der repressiven Spezialwerkzeuge des Ausnahmezustands sollen als normale Gesetze übernommen werden.

Frankreichs Mission in der Sahel-Zone

Mit seiner 007-Inszenierung und anderen militaristischen Posen - wie der Umbenennung des Verteidigungsministeriums in "Ministerium der Armeen" oder einer Parade im Militärfahrzeug auf den Champs-Elysées - sendet Macron das Signal aus, dass er weiterhin auf die Armee als aktive und zentrale Stütze für Frankreichs Aussenpolitik setzt.

Seine erste Auslandsreise ausserhalb Europas führte ihn nach Gao in Mali. Die dortige französische Truppenbasis ist das Zentrum der Operation Barkhane, an der etwa 4.000 SoldatInnen beteiligt sind. Barkhane ist die Antwort Frankreichs auf eine sich neu zusammensetzende Sahelzone. Seit dem Sturz Gadhafis ist die Region destabilisert, das birgt für den französischen Imperialismus Chancen und Risiken. Es gilt, die befreundeten Regime zu stabilisieren und die eigene Militärpräsenz zu erhöhen. Barkhane operiert in fünf Sahel- Ländern, darunter Niger (die wichtigste Quelle für das Uranium der französischen AKWS) und der Tschad. Mit französischer Unterstützung wurde im Tschad die schlagkräftigste Armee Zentralafrikas aufgebaut, die in seinen Nachbarstaaten an den französischen Operationen beteiligt ist und im Inland Proteste unterdrückt. Seit 1990 ist hier Frankreichs Freund Idriss Deby an der Macht. Die militärische, sowie ökonomische (siehe Kasten zur CFA-Zone) Macht Frankreichs ist in seinen Ex-Kolonien nach wie vor erdrückend.

Neokoloniales Erbe

Macrons Äusserungen über Afrika am Rande des G-20-Gipfels sorgten in afrikanischen Ländern für grosse Empörung. Die Probleme des Kontinents seien in erster Linie "zivilisatorisch". Solange Frauen acht Kinder bekommen würden, seien auch Milliarden an Hilfsgeldern zwecklos. Die Unterentwicklung afrikanischer Länder haben also Frauen mit abnormaler Gebärtätigkeit zu verschulden? Dieses rassistische und sexistische Narrativ, welches den Bauch der Frauen zur Zielscheibe macht, war bereits zu Kolonialzeiten dominant. Dabei seien es, wie der senegalesische Journalist Samba Kane schreibt, gerade die Programme des IWF und die andauernde neokoloniale Ausbeutung der Ressourcen, welche die familiären Strukturen zerstören und Infrastrukturprojekte verhindern würden.

Die Überbevölkerung als Erklärungsansatz ist eng mit der Flüchtlingsabwehr verbunden (schliesslich wird dies als Wurzel von Armut, Unterentwicklung, Krieg und Migrationsbewegungen präsentiert). Am 29. August kündigte Macron gemeinsam mit Angela Merkel an, die Regulierung der Migration künftig bereits in afrikanischen Transitstaaten zu organisieren. Die europäische Aussengrenze wird damit bis in die Sahel-Zone hinein ausgedehnt und in Bürgerkriegsländern und Diktaturen werden "Hotspots" errichtet und (Para-)Militärs aufgerüstet.

Françafrique: Zukunft mit neuer Konkurrenz

In diesem Geflecht von Symbolpolitik, Operationen und Abkommen kommt eine gewisse Hektik zum Ausdruck. Und das kann nicht wundern. Frankreich ist keineswegs die einzige Weltmacht, die versucht, die eigene Position auf dem afrikanischen Kontinent zu verbessern. Zwar ist es mittlerweile keine Neuigkeit mehr, dass US-Stiefel durch die Subsaharah marschieren, aber der afrikanische Kontinent ist noch nicht lange eine Priorität der US-Aussenpolitik. Erst 2008 wurde das eigenständige Einsatzkommando für Afrika "Africom" operationsfähig. Und während 2010 nur rund 3 Prozent aller US-Ausseneinsatzkräfte in Afrika stationiert waren, kletterte dieser Anteil bis 2016 auf 17 Prozent.

Die USA haben stets beteuert, nur eine einzige Militärbasis in Afrika zu haben. Geheimdokumente, deren Veröffentlichung jüngst juristisch erstritten wurde, belegen nun, dass es 46 Stützpunkte in 24 afrikanischen Ländern sind. Die wichtigste Basis der US-Streitkräfte ist im kleinen Djibouti (von wo aus die Angriffe im Jemen koordiniert werden). Und ausgerechnet hier hat am 1. August China seine erste Militärbasis ausserhalb Asiens eröffnet. Aus Diplomatenkreisen heisst es, dass Pläne bestehen bis 2026 rund 10'000 chinesische Militärs in Djibouti stationiert zu haben.

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Die CFA-Zone

Das Bindemittel für die französische Einflusssphäre in Afrika ist die Kolonialwährung CFA-Franc. 1946 in den afrikanischen Kolonien Frankreichs eingeführt, ist die Währung heute in 14 Ländern Zentral- und Westafrikas gültig (einige Ex-Kolonien haben sich vom CFA-Franc verabschiedet).

Der CFA-Franc war fix an den französischen Franc und ist heute an den Euro gebunden. Zuständig für die Abwicklung ist weiterhin Frankreich. Frankreich hat Einsitz in die Zentralbanken des CFA-Franc und zwar mit Veto-Recht: Alle geldpolitischen Entscheidungen dieser afrikanischen Länder können also von Frankreich ohne weiteres blockiert werden. Der CFA-Franc garantiert Frankreich einen konkurrenzlosen Absatzmarkt für seine Produkte und eine wirtschaftliche Abhängigkeit, welche die Plünderung der Ressourcen zum Kinderspiel macht.

Die Eurokrise wirkt sich direkt in diesen Ländern aus. Kein Wunder kommt immer mehr Protest gegen diese Bindung auf. Wohl wissentlich, dass aufgrund des kolonialen Designs des CFA-Francs ein unilaterales Ausscheiden für die afrikanischen Länder kaum finanzierbar wäre, ermahnte Macron die Länder Franceafriques: "Wenn ihr in der Währung verbleiben wollt, dann müsst ihr aufhören den CFA-Franc zum Sündenbock eurer [...] Verfehlungen zu machen."

Viele der CFA-Länder gehören zu den unterentwickeltsten, ärmsten Länder der Welt. Es fehlt an Schulen, Krankenhäuser, Strassen, sauberem Wasser. Die Alphabetisierungsrate - um nur einen von vielen möglichen Indexen herauszugreifen - ist in der CFA-Zone so niedrig wie nirgendwo sonst auf der Welt. Aber der Abtransport von wertvollen Erden funktioniert einwandfrei.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis AbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 90, September/Oktober 2017, Seite 14
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.org
Redaktion und Vertrieb Schweiz
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E-Mail: info@aufbau.org
Internet: www.aufbau.org
 
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Einzelpreis: 2 Euro/3 SFr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. November 2017

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