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CORREOS/122: Honduras - Städte der Angst


Correos des las Américas - Nr. 165, 15. März 2011

Städte der Angst

Von Dieter Drüssel


Rechte US-Ökonomen streben in Honduras "Modellstädte" mit extraterritorialer Gesetzgebung und Organisation im Dienste von InvestorInnen an. Das Putschregime hat schon eine servile Verfassungsänderung durchgezogen. Das klingt nach billiger Science Fiction, doch dahinter steckt die intellektuelle Bereitschaft von Elitären, "einen Putsch nicht zu vergeuden". Wie die Chicago-Boys im Chile Pinochets.


(27.1.11) In den ersten Januar-Tagen dieses Jahres stellte der bekannte US-amerikanische Wachstumsökonom Paul Romer in Tegucigalpa vor erlauchtem Publikum (US-Botschafter Hugo Llorens, De-facto-Staatspräsident Porfirio "Pepe" Lobo, die Spitzen des Parlaments u.a.) eine seiner Lieblingsideen, die Gründung einer sogenannten Charter City in der Pampa, vor. Als Beispiel führte der Ökonom von der Stanford-University Hongkong und Singapur an. Danach sollte in Honduras in einem "wenig bevölkerten" Gebiet von 1000 km2 eine weitgehend extraterritoriale Stadt gegründet werden, deren Gesetzgebung, Verwaltung, Institutionen etc. während 40 Jahren von einer von einem "entwickelten" Land entworfenen Charta (charter) bestimmt werden. In dieses Unternehmerparadies fliessen Investitionen und Hitech, wodurch es wiederum zum Paradies für ArbeiterInnen wird, die hier ungewohnte Güter wie Jobs, Ausbildung und Gesundheitsversorgung antreffen. Dieser Entwicklungspol strahlt nach und nach auf das Gastland aus, welches so aus der Armutsfalle geführt wird.

Der als Parlamentspräsident fungierende Juan Orlando Hernández war begeistert: "Es ist wie eine erweiterte Maquila auf viel höherem Niveau ... es ist wie der amerikanische Traum in Honduras" (El Tiempo, 5.1.11). Der Infrastrukturminister versicherte, die Arbeiten an der benötigten Transportlogistik unverzüglich anzugehen. Für Pepe Lobo stand fest, dass dieses Charterprojekt in die nationale Entwicklungsplanung (Plan de Nación) eingehen muss. Das Regimeblatt "La Tribuna" berichtete in jenen Tagen, die Idee werde schon prospektiven InvestorInnen in China, Singapur, Europa und in den USA vorgelegt. Schon am 18. Januar, zwei Wochen nach Romers Präsentation des für die meisten Abgeordneten völlig neuen Konzeptes der Ciudad Modelo (Modellstadt), wie die Charter City in Honduras genannt wird, verabschiedete das Parlament bei ganz wenigen Gegenstimmen und Enthaltungen eine Verfassungsreform, die das Projekt aufgleisen soll. Denn, lesen wir auf der Homepage des Parlaments, "Die Republik von Honduras, jetzt von einer neuen Classe politique geführt, hat auch von einem neuen Vaterland zu träumen begonnen".

Kritik am Projekt wegen seiner Volksfeindlichkeit und wegen des Ausverkaufs der nationalen Souveränität kam von der Nationalen Volkswiderstandsfront (Frente Nacional de Resistencia Popular, FNRP). Wenige PolitikerInnen der offiziell oppositionellen Liberalen äusserten Vorbehalte; von Seiten der Wirtschaftsverbände kam vorsichtige bis entschiedene Zustimmung - je nach Einschätzung ihrer eigenen Rolle in den Sonderentwicklungszonen (Regiones Especiales de Desarrollo, RED), wie die geplanten Modellstädte offiziell heissen. In der Verfassungsreform und der Propaganda ist jetzt von mehreren Ciudades Modelo in verschiedenen Landesteilen die Rede.


Verfassungsmakulatur für neues Regime

Die Verfassungsreform muss, um in Kraft zu treten, in der nächsten Legislaturperiode bestätigt werden. Um die aufkommende Kritik zu neutralisieren, erhielt das Dekret in letzter Minute einige "Garantien" bzgl. nationaler Souveränität. Makulatur, wie die Reform des Verfassungsartikels 304 anschaulich zeigt! Bisher galt: "Ausnahmegerichtsorgane können zu keinem Zeitpunkt geschaffen werden." Neu der Zusatz: "Von dieser Bestimmung sind die Gerichtsorgane der Sonderentwicklungszonen ausgenommen". Das der Hammer, dem das Palliativ folgt: "Die Richter dieser Gerichtsorgane werden vom Nationalkongress auf Vorschlag der Verwaltungsbehörden der betreffenden Sonderentwicklungszonen ernannt". Die Putschkräfte in Honduras verkaufen als nationale Souveränität, dass das Parlament Namenslisten der autonomen RED-Behörden absegnen, nicht etwa abändern, darf. Das gleiche Muster bei der Reform des Verfassungsartikels 329, der sich materiell mit den RED, den Sonderentwicklungszonen, befasst: Diese "müssen . ihr eigenes gesetzliches Regelwerk erlassen, das vom Nationalkongress ... angenommen oder verworfen wird".

Es lohnt sich, weitere Aussagen dieses Artikels zur Kenntnis zu nehmen: "Die Erfüllung des Plan de Nación, der integralen Entwicklungspläne und der darin enthaltenen Programme ist für die folgenden Regierungen obligatorisch". Zukünftige Regierungen sollen also gleich die Fussfessel verpasst bekommen (keine Mel Zelayas mehr), die IWF-Linie wird zum Verfassungsgebot. "Plan de Nación" heisst der unter Führung von IWF, Weltbank und westlichen Entwicklungsagenturen verfasste langfristige sozioökonomische Erschliessungsplan. Anschliessend erklärt der Artikel die Funktion der RED: Sie sollen "die Übernahme von Technologien beschleunigen, die in einem stabilen Umfeld ermöglichen, Dienstleistungen mit hoher Wertschöpfung zu erzeugen und zu liefern, mit transparenten Regeln, geeignet, die nationalen und ausländischen Investitionen anzuziehen, die es für ein schnelles Wachstum braucht".

Ein "Verfassungsstatut" für jede Sonderzone wird vom Parlament, so der Artikel 329 weiter, mit Zweidrittelmehrheit angenommen. Das Statut wird laut Regierungserläuterungen von RED-"Behörden, die den Segen der InvestorInnen haben, erarbeitet. Artikel 329 hält fest: "Die Sonderentwicklungszonen unterstehen in allen mit der Souveränität, der Landesverteidigung, den Aussenbeziehungen, den Wahlthemen [und] der Ausgabe von Identitätspapieren und Pässen zusammenhängenden Bereichen der nationalen Regierung". Die Sonderzone darf also beispielsweise nicht einen Krieg, sagen wir mit Nicaragua, anfangen. Da sonnt sich das offizialpatriotische Gemüt. Nur: Die der honduranischen Regierung zumindest theoretisch vorbehaltenen Belange sind abschliessend aufgezählt, in allen anderen Bereichen entscheiden die InvestorInnen. Neben der schon thematisierten Sonderjustiz erwähnt der Artikel etwa das den RED "eigene öffentliche Verwaltungssystem" oder das Abschliessen von "internationalen Verträgen und Abkommen im Zusammenhang mit Handel und Zusammenarbeit im Bereich ihrer Zuständigkeit". Und jetzt wird es sehr holprig: "Die Bereiche des Budgets, der Steuern, der Steuereinziehung, der Gebühren und Abgaben, sowie des Abschlusses jeder Art von Verträgen, die sich auf die folgende Regierungsperiode erstrecken und ihre eigenen internen oder Aussenschulden aufnehmen, solange sie keine Garantie des Staates von Honduras haben, werden nach Massgabe der Bestimmungen des Verfassungsstatuts geregelt". Die unmögliche Satzkonstruktion entspricht dem spanischen Original. Die Sonderzonen erhalten etwa auch das Recht, eigene Polizeikräfte aufzustellen.


Positives Denken gegen Streiks

Es bleibt unklar, was man sich unter einer Ciudad Modelo vorzustellen hat. Von Romer werden seine am häufigsten gebrachten "Beispiele" übernommen - vor allem Hongkong. Hier zelebriert der Ökonom die Verknüpfung des langjährigen britischen Protektoratsstatus samt seiner Wirtschaftsklauseln mit den gigantischen Weltmarktproduktionszonen im angrenzenden Gebiet um Shenzen, welche sowohl Hongkong wie der Volksrepublik grössten Nutzen gebracht habe. Seither hat die letztjährige enorme Streikwelle in genau diesen Produktionszonen die dramatische soziale Lage klar gemacht. Was einem Celin Discua am Arsch abgeht. Der Fraktionschef der regierenden Nationalen "schliesst nicht aus, dass die Honduraner, die in der Modellstadt arbeiten werden, keinen Bedarf verspüren werden, zu Streiks oder anderen Errungenschaften zu greifen. Denn es wird ihnen gut gehen" (El Heraldo, 19.1.11). Die Nr. 2 im Parlament, Rigoberto Chan Castilloverkündet: In den Sonderzonen wird es "in Sachen Arbeitsregelung ein anderes Statut geben, denn wegen unserem Arbeitsgesetz und den darin enthaltenen Bedingungen kommen viele nationale und ausländische Investoren nicht, denn wir haben ja nur Streiks und das schadet" (id.).

Die Propaganda betont angeblich idyllische Zustände im Gesundheits- und Erziehungswesen, ganz im Einklang mit Romers "neuer Wachstumtheorie" mit ihrem Schwergewicht "Humankapital". Die Erziehung wird zweisprachig erfolgen; generell müssen die BewohnerInnen dieser Städte nach Lobo Englisch können. In den RED wird der Dollar oder der Euro zirkulieren, nicht der Lempira. Lobo "garantierte, dass in den Städten die Arbeitsplätze geschaffen werden, die nötig sind, um alle arbeitslosen Honduraner zu beschäftigen [die können alle Englisch], und dass sogar Personen anderer Nationalität begünstigen werden" (La Tribuna, 19.1.11). Dem gleichen Artikel ist zu entnehmen, dass Präsidentschaftsminister Octavio Sánchez von "mindestens drei Millionen Arbeitsplätzen" sprach. Das Land hat ca. 8 Mio. EinwohnerInnen! Was klar ist: Es geht um mehr als eine "Freie Produktionszone", die ökonomisch zwar Weltmarktenklaven und faktisch steuerbefreit, aber ansonsten dem nationalen Recht unterworfen und in den "nationalen Alltag" eingebunden ist.


Arcadia Hondureña

Propagandagespinste der Machthaber in Honduras oder Anzeichen für ein "Pilotprojekt des Imperialismus", wie Rasel Tomé, ein Vertrauter des 2009 weg geputschten Mel Zelaya am 19. Januar 2011 (voselsoberano.com) schreibt? Honduras als US-Labor für neue Ausbeutungsoffensiven, so wie seinerzeit Chile nach dem Putsch für den Monetarismus/Neoliberalismus?

Vor genau hundert Jahren finanzierte der US-Geschäftsmann Sam Zemurray einen Putsch im Land und eignete sich damit weite Gegenden an der Karibikküste für sein Bananenunternehmen, das später zur United Fruit (heute Chiquita) und zum Inbegriff für Putsche wie in Guatemala 1954 und für Massaker wie 1928 an streikenden Arbeitern in Kolumbien wurde. Der Schriftsteller und Arzt Víctor Manuel Ramos bezog sich in einem sarkastischen Kommentar "Por qué no mejor un país charter?" auf diese Tradition der Unterwerfung: "Suazo Córdoba [Staatspräsident 1982-86] schlug vor, dass uns die USA als Protektorat adoptieren sollten. Der gleiche Suazo Córdoba und der Halbschuh Azcona Hoyo [Staatspräsident 1986-90] verwandelten Honduras in einen Flugzeugträger der US-Armee, um die sandinistische Revolution anzugreifen". Unterwürfige Regimes haben im letzten Jahrhundert die Protektion der Gringos genossen, "im Tausch für beschämende Landkonzessionen . Die Bananenunternehmen verpflichteten sich [im Gegenzug für Landgeschenke], uns eine interozeanische Eisenbahnlinie zu bauen, und nichts passierte."

Doch der Dichter sieht auch das Positive: "Doch jetzt haben wir endlich die Chance, glücklich zu sein. In Honduras steht der mythologische Traum eines authentischen Arkadiens kurz vor seiner Erfüllung: eine Modellstadt, wo es eigene Behörden geben wird, eigene Gesetze, eine eigene Sprache, Zugang zu Gesundheit und Erziehung, ehrliche Wohnungen, Arbeitsplätze en gros, Abwesenheit von Verbrechen, eine mit der himmlischen vergleichbare Justiz, hoch qualifizierte Schulen und Universitäten, um die uns Harvard beneiden wird, und, wer weiss, das könnte vielleicht das einzige Motiv für Diskrepanz sein, eine vereinheitlichte Religion, die dem Anschein nach die von Bo Hi Pack, der Moon-Kirche, sein könnte".

Der Spott beleuchtet, was der Retortenstadt-Jubel zum Besten gibt. Tenor: "Was werden uns die anderen bewundern!" Das liegt durchaus auf der Linie eines Romers, für den die britische Kolonialpolitik in Hongkong "mehr dazu beigetragen hat, die weltweite Armut zu reduzieren, als alle unserer Hilfsprogramme im letzten Jahrhundert" (chartercities.org). Der Vertreter der "neuen Wachstumstheorie" als Solist im honduranischen Halleluja-Chor.


Wachstumstheorie

Fär die "neue Wachstumstökonomie" sind Ideen, Organisationen, Humankapital und Urbanisierung viel entscheidendere Faktoren des unbegrenzten Wirtschaftswachstums als fixes Kapital. Eine Idee sei ein freies Gut, das nicht mit anderen rivalisiere, sondern im Gegenteil eines, das, je mehr es von vielen aufgenommen werde (urbanisierte Gesellschaft!), umso mehr Produktivität ermögliche. Klassisches Beispiel: Der Lehrsatz von Pythagoras kann ohne Wertverlust auf zig Baustellen angewendet werden. Andere Produktionsfaktoren wie Maschinen oder das Humankapital der Architektin aber sind rivalisierende Güter - ein Arbeiter kann nur auf einer Baustelle arbeiten, nicht gleichzeitig auf mehreren. Sie unterliegen dem klassischen Gesetz des abnehmenden Grenzertrages: Je mehr ein Produktionsfaktor im Vergleich zu den anderen erhöht wird, desto weniger zusätzlichen Gewinn erbringt er, bis seine weitere Erhöhung Verluste einfährt. Stehen sich beispielsweise, so die Leier, zu viele ArbeiterInnen im Weg, fällt die Produktivität. Zuviele Computer im Büro sind ein Verlustgeschäft. Nicht so die Innovationen/Ideen: Als z.B. Mr. Taylor zu Beginn des letzten Jahrhunderts die Arbeitsabläufe in der Fabrik studierte und die Kenntnis erlangte, dass die ArbeiterInnen mechanische Bewegungsapparate zu imitieren hätten, löste er in der weltweiten Kapitalszene ein Heureka-Erlebnis aus. Je mehr diese Idee angewandt wurde, umso profitabler wurde sie. (Bis ihr die ArbeiterInnen den Garaus machten - eine andere Sache. Sie ist in den ideengeschichtlichen Herleitungen der Charter City-Fans mit dem Verweis auf "eigene Polizei und Justiz" nur indirekt reflektiert). Damit aber möglichst viele Ideen geboren (Innovation) und optimal angewendet werden, braucht es eine entsprechende Organisierung der Gesellschaft - Organisierung meint nicht nur die konkreten Institutionen, sondern den ganzen Set von Wertvorstellungen, verinnerlichten Verhaltensweisen etc.


"Optionen"

Das ist die Stunde der Charter City. Auch sie setzt die Tabula rasa voraus inklusive der "kaum berührten" Gegend, in der fortan Ideen (Milch und Honig) fliessen und die neue Gesellschaft designed wird. In seiner erwähnten Performance tun es Romer in Sachen Wohltaten des Hongkong-Protektorats zwei Aspekte besonders an: Zum einen habe das Reformchina von Deng Xiaoping "instinktiv die Wichtigkeit begriffen, den Leuten eine Wahl zu offerieren". Wer mochte, ging in die neuen Entwicklungszonen (mit ihren höllischen Fabriken), wer noch nicht so weit war, blieb im Dorf. Free choice! Die neuen Regelwerke à la Shenzen, erklärt er ein paar Minuten später, "lassen die Leute ohne Zwang und ohne die durch Zwang manchmal bewirkte Opposition mitmachen". Dieser Trick ist im folgenden Zusammenhang zu sehen: "Das chinesische Beispiel zeigt uns verschiedene Dinge. 1. Den Leuten die Wahlfreiheit lassen. 2. In der richtigen Grössenordnung operieren . Ein Dorf wäre zu klein, um die Art von Nutzen zu erzielen, die Sie erhalten, wenn Millionen von Menschen unter guten Regeln zusammenarbeiten. Andererseits ist eine Nation zu gross. Versuchen Sie, die Regeln in der Nation zu verändern, können Sie einigen Leuten keine Chance geben, abzuwarten, zu schauen, wie sich die Sache entwickelt, während andere sich schon mal einzoomen und die neuen Regeln ausversuchen. Aber Städte geben Ihnen diese Chance, neue Plätze mit neuen Regeln zu kreieren, für die die Leute optieren können. Und sie sind gross genug, um all die Vorteile zu erzielen, die wir haben können, wenn Millionen von uns unter guten Regeln zusammenarbeiten".

So lässt sich Terrorlogik des Entwicklungspols auch verkaufen! Zentral: die Wahlfreiheit für die Leaders. "Um die Art von Wahloptionen zu erzielen, die wir für die Leaders wollen, müssen wir das Potenzial von Partnerschaften zwischen den Nationen zulassen". Wie eben die britische Hongkong-"Partnerschaft". "In einigen Fällen wird dies eine Delegation von Verantwortung implizieren, eine Delegation von Kontrolle von einem Land an ein anderes, das bestimmte Administrativverantwortungen übernimmt. Wenn ich das sage, werden einige von Ihnen denken: 'Bringt uns das nicht den Kolonialismus zurück'? Tut es nicht. Was schlecht am Kolonialismus war [aha!], war, dass er Elemente des Zwangs und der Herablassung beinhaltete."


"Unberührtes" Land

Wo die Zauberstädte bauen? Romer weiss: Weltweit existieren immense unbewohnte Gegenden, "Land, wo hunderte von Millionen von Menschen leben könnten. Verallgemeinern wir dies und denken wir nicht nur an eine oder zwei Charter Cities, sondern an Dutzende! Städte, die helfen werden, Raum zu schaffen für viele hunderte von Millionen, vielleicht für Milliarden von Menschen, die im nächsten Jahrhundert in die Städte ziehen werden". Es ist beachtlich, wie hartnäckig dieser Killermythos vom "unbenutzen Land", das auf den Zauberstab des Entwicklers wartet, durch die mit Allmachtsphantasien geölten Köpfe der Elitären geistert. In Honduras werden wir, sollte es je zu einer oder mehreren Charter Cities kommen, als erstes vom Widerstand der Comunidades der Indígenas, der Garífunas oder anderer Bäuerinnen oder Fischern gegen ihre Vertreibung hören.

Vieles zu den Ciudades Modelo wird von den Machthabenden in Honduras bewusst unklar gehalten. Selbst die Frage, ob die ganze Angelegenheit sich nicht als Schaumschlägerei erweisen wird, ist nicht vom Tisch. Möglich aber, dass Umsetzungsschritte folgen und, bei "Gelingen", auch anderswo kopiert werden. Die Ciudad Modelo wäre eine Art Krönungsakt in einem mit dem Putsch entfesselten klassisch neoliberalen Totalangriff: faktische Privatisierung von ganzen Flussbecken (an Minengesellschaften etc.); Abschaffung von traditionellen Mindeststandards in der Arbeitsgesetzgebung (via forcierte Einführung von Temporär- bis Stundenarbeit); "Munizipalisierungs"-Bestrebungen für das Erziehungswesen (via Unterfinanzierung werden aus den USA bekannten Charter Schools Tür und Tor geöffnet - "Vertragsschulen" von privatem Management und Schulbehörde, vor allem für Mittelschichten aufwärts, bei immer schlechteren und wenigeren Schulen für die Unterklassen); mörderische Agrarkonterreform u.a. Romer wusste seinerzeit den Spruch zu prägen: "A crisis is a terrible thing to waste." Das definiert das Verhältnis der "wissenschaftlich" auftretenden rechten ÖkonomInnen zu einem Putsch.


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Quelle:
Correos de Centroamérica Nr. 165, 15. März 2011, S. 29-31
Herausgeber: Zentralamerika-Sekretariat, Zürich
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. April 2011