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DAS BLÄTTCHEN/976: Militärisches im Nahen Osten


Das Blättchen - Zweiwochenschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft
Nr. 13/2009 - 22. Juni 2009

Militärisches im Nahen Osten

Von Peter Petras


Anfang Januar 2009 berichtete die Agentur Reuters aus London, es hätte eine Anfrage gegeben, mehr als 3.000 Tonnen "Munition" vom griechischen Hafen Astakos zum israelischen Hafen Ashdod zu verschiffen. Die Anfrage des Pentagon sei am 31. Dezember 2008 erfolgt, vier Tage nachdem die israelischen Luftangriffe gegen Gaza begonnen hatten. Daraus wurde gefolgert, das "Timing" sei außerplanmäßig und es handele sich um Nachschub für die militärische Invasion im Gaza-Streifen.

Dem widersprach Michel Chossudovsky, Wirtschaftsprofessor aus Kanada, der vor allem als Globalisierungskritiker und Analytiker der US-Militärpolitik international bekannt wurde, vehement: "Waffenlieferungen gehen militärischen Operationen immer voraus." Die Lieferungen für die "Operation Geschmolzenes Blei" wurden im Juni 2008 angefordert, der US-Kongreß bewilligte sie im September 2008, darunter die Verschiffung von 1.000 GPS-gesteuerten "kleinen Bunkerknacker-Bomben" GBU-39, die auch bei den Angriffen gegen Gaza benutzt wurden. Die 3000 Tonnen - die dann tatsächlich Ende Januar geliefert wurden - waren demnach, so Chossudovsky, nicht mehr der Nachschub für den Gaza-Krieg, sondern die Vorbereitung der nächsten Invasion, die sich gegen den Iran richten würde. Die Frage, die Chossudovsky stellt, lautet: Sind inzwischen auch nuklear bestückte "Bunkerknacker-Bomben" in Israels Rüstungsarsenal?

Unter Verweis auf eine Konfrontation mit dem Iran hat Israel sein Raketenabwehrsystem verstärkt. Dazu gehört die Errichtung eines aus den USA stammenden neuartigen, technisch hochentwickelten Frühwarnsystems im X-Band-(Mikrowellen-)Bereich, das fähig ist, auch kleinere Flugobjekte in sehr großer Entfernung und großer Flughöhe zu identifizieren und zu verfolgen. Das würde die Wirksamkeit der israelischen Raketenabwehrsysteme merklich erhöhen und "die Eingriffszeiten erweitern", das heißt es erlauben, kurz nach Abschuß über "Feindesgebiet" zu intervenieren statt über dem eigenen. Das Pentagon hat hundert Mann aus Europa nach Israel abkommandiert, um diese neuartige Anlage zu bedienen. Den "Entsendeauftrag" hat "Verteidigungsminister" Robert M. Gates Mitte September 2008 erteilt. Pentagonsprecher Geoff Morell sagte dazu: "Das ist und bleibt ein US-amerikanisches Radarsystem. Das ist nicht irgendetwas, das wir den Israelis geben oder verkaufen, es ist etwas, das höchstwahrscheinlich US-Personal benötigt, um es vor Ort zu bedienen."

Damit ist Israels Raketenabwehr mit dem US-amerikanischen globalen Raketenerkennungsnetzwerk verbunden, das Satelliten, seegestützte Systeme auf den Flotten im Mittelmeer, im Persischen Golf und im Roten Meer sowie landgestützte Erkennungs- und Raketenabwehrsysteme umfaßt. Praktisch jedoch kontrollieren die USA damit zugleich Israels Luftabwehrsystem. Unter diesen Voraussetzungen kann Israel keinen Krieg mehr gegen den Iran ohne Zustimmung des US-Oberkommandos beginnen, letztlich nicht ohne Zustimmung des USA-Präsidenten.

Und der heißt jetzt Barack Obama. In seiner Rede in Kairo am 4. Juni hat er betont, daß die USA mit starken, unzerbrechlichen Banden mit Israel verbunden seien. Zugleich jedoch hat er in einer Schärfe, wie wohl kein US-Präsident vor ihm, hervorgehoben: "Die Situation für die Palästinenser ist unerträglich. Die Vereinigten Staaten werden dem legitimen Streben der Palästinenser nach Würde, Chancen und einem eigenen Staat nicht den Rücken kehren." Und er hat sich klar und deutlich für die Zwei-Staaten-Lösung ausgesprochen: "Die einzige Lösung besteht darin, daß die Wünsche beider Seiten durch zwei Länder erfüllt werden, in denen Israelis und Palästinenser jeweils in Frieden und Sicherheit leben."

Nachdem der frühere US-Präsident Clinton einen Frieden nicht mehr zustande gebracht hatte und Vorgänger George W. Bush sich für den Konflikt Israel-Palästina nicht wirklich interessierte, steht jetzt mit Obama eine grundsätzliche Wandlung der Nahost-Politik der USA ins Haus.

Das Problem ist eine Ungleichzeitigkeit: In den USA ist ein demokratischer, liberaler Präsident gewählt worden, während in Israel kürzlich eine Rechtsregierung mit dem konservativen Ministerpräsidenten Benjamin Netan-jahu und dem ultranationalistischen Außenminister Avigdor Lieberman, der am liebsten einen neuen großen Krieg in der Region anzetteln würde, um die noch verbliebenen Palästinenser aus Israel und den besetzten Gebieten zu vertreiben, an die Macht kam. Die USA-Regierung hat jedoch bereits deutlich gemacht, daß sie innerhalb von zwei Jahren die Zwei-Staaten-Lösung umsetzen und "keinen Betonmischer mehr" in den illegalen Siedlungen im Westjordangebiet sehen wolle sowie von der israelischen Regierung Zustimmung zu ihrer Politik erwarte.

Da ist es denn schon beruhigend zu wissen, daß die Möglichkeiten Israels, gegen den Willen der USA Krieg vom Zaune zu brechen, eingeschränkt wurden. Vielleicht war auch dies einer der Gründe, weshalb Minister Gates im Amt blieb, als einziger aus der Bush-Administration, der von Obama übernommen wurde. Es war übrigens schon einmal ein demokratischer Präsident der USA, der einen rechten israelischen Premier zum Frieden zwang: Jimmy Carter, der den früheren Terroristen Menachem Begin 1978 zu dem Frieden von Camp David mit Ägypten brachte. Übrigens gibt es auch ein nachhaltiges Drohpotential der USA: Israel hat eine beträchtliche, hochmoderne Rüstungsindustrie. In allen Systemen steckt jedoch mindestens ein Bauteil oder ein Chip aus den USA; wenn das nicht da ist, funktionieren die Systeme nicht.


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Quelle:
Das Blättchen, Nr. 13, 12. Jg., 22. Juni 2009, S. 11-13
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2009