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GEFANGENEN INFO/099: Ausgabe 362, Juni 2011


Gefangenen Info

Hervorgegangen aus dem Angehörigen Info. Das Angehörigen Info entstand im Hungerstreik der politischen Gefangenen 1989.

Nr. 362, Juni 2011


Inhalt dieser Ausgabe

Seite 3

- Solidarität mit Werner Braeuner

Schwerpunkt

- Interview mit Bertrand Sassoye
- Verteidigen wir die angegriffenen Militanten der RHI in der Schweiz, Belgien und Spanien!
- Interview mit der Soccorro Rojo
- Zur Situation der spanischen Gefangenen Inland

Inland

- Zur Repression in Dresden
- Bericht zum Prozessauftakt gegen Sadi Özpolat und Ünal Kaplan Düzyar
- Ulrike Presente!
- Strafvollzug 2011

International

- Knastaufstand in Georgia
- Free Bradley Manning!
- Bobby Sands Presente!
- Aktuelle Repression in Russland

Gefangene

- Solidarität mit Werner Braeuner!
- Briefe von Devrim Güler, Thomas Meyer-Falk und Roland Schwarzenberger zu Werner
- Briefe von Günther Finneisen, Nurhan Erdem und Andre Borris M.A. Moussa Schmitz
- Gefangenenadressen


*


Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

leider haben sich in der letzten Ausgabe kleine Fehler eingeschlichen, wie die aufmerksamen LeserInnen bestimmt schon gemerkt haben. Die korrigierte Fassung des Artikels auf Seite 3 erreichte uns leider erst nach dem das GI bereits den Weg in den Druck angetreten hatte. (An der Stelle möchten wir uns nochmal bei unseren GenossInnen aus dem Vertrieb entschuldigen, die die unschöne Aufgabe hatten, diese Fehler auszubaden) Auch war die letzte Ausgabe die Nr. 361 und nicht die Nr. 360.

Zur aktuellen Ausgabe:

Anlässlich der bevorstehenden Prozesse und der Verfolgung von Militanten die am Konstituierungsprozess einer Roten Hilfe International beteiligt sind, führten wir Interviews mit VerterterInnen der SR/APAPC aus Belgien, der Roten Hilfe des Revolutionären Aufbaus Schweiz und der Soccorro Rojo aus Spanien, um über den Hintergrund der Verfahren, der angestrebten Strategie mit der von unserer Seite diesen Angriffen begegnet werden soll und der aktuellen Situation zu informieren. Über die Repression der GenossInnen in Italien - in L'Aquila - berichteten wir bereits in der März Ausgabe des Gefangenen Infos (Nr. 360). Auf den Prozess der sich im Rahmen dieser Repression gegen eine Genossin in der Schweiz richtet möchten wir an dieser Stelle nochmals besonders hinweisen: Er wird am 19., 22. und 23.09.2011 vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona stattfinden.

Ein weiterer Schwerpunkt in dieser Ausgabe ist Werner Braeuner gewidmet der seit dem 08. Mai - Tag der Befreiung vom Faschismus - ein Todesfasten gegen die unwürdigen Knastbedingungen macht. Er setzt sein Leben für einen kleinen Teil an Autonomie und Würde im Knast - für das Recht auf Selbsternährung der Gefangenen durch die Ausbezahlung des Tagessatzes von 7 Euro - für etwas das alle Gefangenen was angeht. Wir rufen an dieser Stelle eindrücklich alle dazu auf - egal ob drinnen oder draußen - Werner in diesem Kampf zu unterstützen! Seine aktuellen Briefe sowie Briefe von Devrim Güler, Thomas Meyer-Falk und von Roland Schwarzberger an Werner findet ihr in der Rubrik Gefangene.

Werner, wir stehen an deiner Seite! - Kampf der
Repressionsmaschinerie!

Mehr aus der Terrorkiste .....

­.....zaubern gerade die Ermittlungsbehörden in Dresden und Südbrandenburg hervor. Den erfolgreichen Blockaden und militanten Aktionen gegen den Naziaufmarsch soll nun auf polizeilichem Wege (Verfahren nach §129, Anquatsch- und Einschüchterungsversuche von AktivitsInnen durch den Verfassungsschutz, Razzien etc.) das Maul gestopft werden. Dazu findet ihr einen Bericht von "abolish 129" aus Dresden.

Vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf begann am 19. Mai der inzwischen vierte §129b Prozess der sich gegen vermeintliche Mitglieder der DHKP-C, gegen Sadi Özpolat und Ünal Kaplan Düzyar, richtet. Einen Bericht von der Prozessdelegation findet ihr ebenso wie die nächsten Termine der Verhandlungen und einen Brief von Sadi Özpolat - ebenfalls in dieser Ausgabe.

Doch auch Erfreuliches ist zu berichten...
wie der Artikel zu dem Knastaufstand in Georgia zeigt: Knastkampf ist Klassenkampf - ist möglich - ist notwendig!

In diesem Sinne:

Der Repression die Zähne zeigen!
Drinnen und Draussen - Ein Kampf!

Die Redaktion


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Seite 3

Solidarität mit Werner Braeuner - In einem unbefristeten Hungerstreik seit dem 08. Mai

www.political-prisoners.net

Werner Braeuner sitzt zur Zeit in der JVA Sehnde bei Hannover ein. Er wurde 2001 wegen Totschlags an einem Arbeitsamtdirektor in Verden zu 12 Jahren Knast verurteilt. Entgegen oftmals in der Öffentlichkeit gefallener Äußerungen hat Werner keine Verzweiflungstat begangen, sondern sein Handeln entsprang rationalen politischen Überlegungen.

Seit dem 8.5. befindet sich Werner in einem unbefristeten Hungerstreik. Der Grund dafür ist: Werner und einige Mitgefangene auf seiner Haftstation befürchten (und haben auch Hinweise darauf), dass das Knastessen mit Exkrementen verunreinigt ist.

Dazu führt Werner in seiner Erklärung zum Hungerstreik aus:
Durch ekelerregende Eintragungen ungenießbar gemachtes Essen ist ein in allen Knästen auftretendes und bekanntes Problem... Knäste sind Heimstätten der Niedertracht; es gibt dort eine im Vergleich zu draußen weit überdurschnittliche Zahl von persölichkeitsgestörten bis hin zu verrückten Menschen, die aus geringfügigen Anlässen bisweilen extreme Verhaltensweisen an den Tag legen: z.B. aus allgemeiner Gekränktheit, diffusem Frust, Mißgestimmtheit und auch manchmal ohne irgendwie nachvollziehbare Anlässen. Anlass für ein motivlos scheinendes wahlloses Schädigen anderer Personen kann schon die seelische Entlastung sein, die eine gestörte Person sich durch eine niederträchtige Handlung zu verschaffen vermag. So kommt es in den Knastküchen nicht selten zur Entdeckung von ekelerregenden Einträgen im Essen. Die in der Küche tätigen Gefangenen werden dann energisch zum Schweigen verplichtet und für den Fall der Zuwiderhandlung mit Rauswurf, Arbeitsverbot, Disziplinarstrafen, Verlegung in andere Knäste usw. bedroht. Dennoch dringen als zuverlässig zu bewertende Informationen über jene Vorgänge selbstverständlich nach aussen. Von den Gefangenen werden sie meist verdrängt, da man dem völlig hilflos gegenübersteht. Man schluckt's runter - buchstäblich - oder es werden bestimmte Speisen gemieden, meist der montagliche Eintopf und die Nachspeisen. Die Bewältigungsversuche variieren je nach Person. Der Ekel hängt ständig in der Luft ohne je greifbar zu werden; Äusserungen wie 'der Erdbeerquark hat heute ja richtig Farbe' können da sehr spezielle Bedeutungen gewinnen. Technisch ist es in den Knastküchen wohl so, dass die Küchenmitarbeiter ihr eigenes Essen getrennt zubereiten - das ist auch nach Maßgabe der Justiz nicht zulässig und Proben für die Lebensmittelüberwachung draussen werden wohl oft aus diesen Kesseln entnommen; jeder im Knast weiß das, aber keiner kann es beweisen und alle Gefangenen müssen die Folgen tragen. Es ist auch vielen Gefangenen in vielen Knästen bekannt, dass 2010 die Küche der JVA Hannover wegen unhaltbarer hygenischer Zustände von der zuständigen Gesundheitsbehörde geschlossen wurde.

Werner hat sich nach einigen natürlich erfolglosen Versuchen, die Justiz-Bürokratie für die Angelegenheit zu sensibilisieren und dem Verweis auf Lösungsmöglichkeiten (Selbstverpflegung) wegen unüberwindlichen Ekels und akuter Gesundheitsgefährdung entschlossen, den Hungerstreik aufzunehmen und im Falle von Zwangsernährung seine Selbsttötung angekündigt, weil dann seine Würde und Gesundheit zerstört seien. In solch einer Situation ist es von herausragender Bedeutung, dass Gefangene in der Hungerstreik-Situation Aufmerksamkeit und Solidarität von 'draussen' erfahren und damit der Justiz signalisiert wird, dass ihre (Nicht-)Maßnahmen beobachtet werden, d.h., dass es ihr erschwert oder sogar unmöglich gemacht wird, mit den Gefangenen in der für sie bequemsten Weise zu verfahren, natürlich schnell eine Zwangsernährung einzuleiten und durch Psychatrisierung den zweifachen Effekt des erstens 'der ist sowieso durchgeknallt' und zweitens das Abschieben eben in die Psychatrie zu erreichen.

Erfreulicherweise gibt es Reaktionen aus verschiedenen politischen 'Szenen'. Dazu einige Beispiele: Gefangene wie Roland Schwarzenberger und Thomas Meyer-Falk aus Bruchsal haben sich mit Werners Hungerstreik solidarisiert. Ebenso Devrim Güler, ehemaliger Gefangener aus dem §129b-Verfahren. Ihm droht die Auslieferung in die Türkei und zur Zeit ist er unter Residenzpflicht.

Das Komitee für Grundrechte und Demokratie vertreten durch den Gefangenenbeauftragten Christian Herrgesell wendet sich in einem offenen Brief an den niedersächsischen Justizminister Busemann sowie die Anstaltsleiterin der JVA Sehnde und fragt, ob die Ernährungssituation in den Knästen nicht sowieso unhaltbar sei und zeigt sich besorgt, dass sich diese Lage noch verschärft; es wird auch ausgeführt, dass man die weitere Entwicklung im Falle Werners kritisch beobachten wird. Die Zeitung Neues Deutschland veröffentlichte einen ausführlichen Artikel von Peter Nowak zum Hungerstreik Werners. Auch das GefangenenInfo (GI), Indymedia, Labournet und Anarchist Black Cross Berlin (ABC) berichten in ihren Druckerzeugnissen bzw. Internetauftritten detailiert über Werners Kampf.

In Berlin hat sich eine Soligruppe gebildet, die bereits am 19.5. eine Solidaritäts-Kundgebung vor der niedersächsischen Landesvertretung in Berlin abgehalten hat - natürlich von der Staatsmacht in Uniform und Zivil mißtrauisch beäugt und weiterhin Veranstaltungen (z.B. am 7.6. um 19.30 Uhr im Mehringhof, Berlin) und weitere Soli-Kundgebungen plant.

Es gibt auch viele einzelne Personen, die - zumeist in emails - ihre Solidartät mit Werner ausdrücken. Besonders hervorzuheben sind in dieser Gruppe die Gefangenen, die sich beispielsweise an die Initiative 'Solidarität mit Werner Braeuner' wenden.

Werner Braeuner ist ungebrochen und kämpferisch gestimmt. Er macht einen psychisch guten, stabilen Eindruck, aber physisch hinterlässt der Hungerstreik natürlich Spuren; er ist deutlich abgemagert. Den Schokoladenverzehr anderer Gefangener im Besuchsraum der JVA Sehnde quittierte er mit Gleichmut und berichtete lachend über zeitweilige Hunger/Fress-Phantasien (Rumpsteak, Schwarzbrot, Avocado-Creme).

In den nächsten Wochen wird es für uns 'draußen' darauf ankommen, die Öffentlichkeit weiterhin zu informieren und auch gegenüber der Staatsmacht zu zeigen, dass wir 'da' sind und unsere Freunde und Genossen im Knast nicht allein lassen.

Für postalische Solidaritätsbekundungen hier die Anschrift von Werner:

Werner Braeuner
JVA Sehnde
Schnedebruch 8
31319 Sehnde

Für emails: initiative.wb@gmx.de

Thomas Bodenstein
(Initiative 'Soldarität mit Werner Braeuner')


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Schwerpunkt

Interview mit Bertrand Sassoye (SR/APAPC)

Anlässlich der bevorstehenden Prozesse gegen Militante die am Konstituierungsprozess der Roten Hilfe International beteiligt sind, führten wir ein Interview mit Bertrand Sassoye, Mitglied des internationalen Sekretariats und der Kommission zum Aufbau einer Roten Hilfe International, sowie ehemaliger Militanter der Stadtguerilla Kämpfende Kommunistische Zellen (CCC).


Gefangenen Info: Kannst du uns von deiner Unterstützungsarbeit des Klassenkampfes durch z. B. Streiks erzählen?

SR/APAPC: Wir unterstützen nicht direkt Streiks. Als Antirepressionsorganisation greifen wir nur ein, wenn Arbeiterkämpfe mit dieser konfrontiert sind (Einsätze von Vollstreckungsbeamten, der Polizei gegen Streikposten, der Entlassung von Beauftragten der Arbeitergewerkschaften, Prozessen). Wir beteiligen uns dann an Informationskampagnen, wir gewährleisten die Präsenz auf Kundgebungen und Treffen vor den Gerichten usw.

Aber wir haben nicht viele Erfahrungen in diese Richtung gemacht. Die großen Gewerkschaftsorganisationen verhindern oft diese Kämpfe, manchmal so sehr, dass der Informationsfluss blockiert wird.

Gefangenen Info: Im Hinblick auf eure Arbeit als Rote Hilfe, welche Repressionsfälle oder politischen Gefangenen erscheinen euch am Wichtigsten?

SR/APAPC: Der Fall der revolutionären Gefangenen, die mitwirken oder versuchen mitzuwirken beim revolutionären Prozess durch Propaganda, "Präsenz"-, Analysearbeit usw. - eine besondere Anerkennung verdienen auch die, die es schaffen kollektiv zu arbeiten, wie z. B. die Gefangenen des Kollektivs AURORA in Italien oder den Gefangenen des Revolutionären Kampfes (EA) in Griechenland.

Das Eingreifen bei Repressionsfällen im Klassenkampf ist sehr wichtig für uns - aber wir haben die Schwierigkeiten dessen schon erwähnt.

Gefangenen Info: Was kannst du uns im Bezug auf die "Operation Tramonto" erzählen. Wie sah die Zusammenarbeit der belgischen und italienischen Polizei aus. Gab es Unterschiede darin?

SR/APAPC: Die Operation Tramonto hat keine direkte Ausdehnung nach Belgien gehabt. Die italienische Justiz wirft uns nichts vor, obwohl sie es auf GenossInnen der Roten Hilfe in der Schweiz abgesehen hatte. Aber, auf Grundlage von Dokumenten der Akte Tramonto, hat die belgische Justiz ihre eigene Akte angelegt. Es gibt eine Seite an sich, die widersprüchlich ist: die belgische Justiz belangt vier von uns wegen "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" in Italien, wohingegen die italienische Justiz uns nichts vorwirft. Aber es handelt sich grundlegend um zwei voneinander unabhängige Verfahren. Die Zusammenarbeit der Polizei beider Länder verlief klassisch: Rechtshilfeersuchungen, Polizisten und die belgische Untersuchungsrichterin haben die italienischen Gefangenen vernommen, die belgische Polizei hat die Dokumente aus der italienischen Akte erhalten, usw..

Gefangenen Info: Wie sieht die Unterstützungsarbeit in eurem Prozess aus?

SR/APAPC: Den Fall verbreiten und die speziellen Gesetze, die Bestandteil der präventiven Gegenrevolution sind, angreifen.

Gefangenen Info: Wie wird eure Verteidigungsstrategie für den weitere Prozess aussehen?

SR/APAPC: Wir werden die speziellen Gesetze angreifen und die Grundsätze und Techniken militanter "Selbstverteidigung" anwenden (Aussageverweigerung bei der Polizei, Verschlüsselung der Mitteilungen usw.).

Gefangenen Info: Wie seht ihr euren Prozess im Vergleich zu anderen "Anti-Terror" Prozessen gegen linke Organisationen in Europa? Welche Schlüsse zieht ihr daraus?

SR/APAPC: Wir sind mit dem speziellen Fall konfrontiert, einen Prozess wegen "terroristischer Aktivität" zu haben, ohne "terroristische Aktivität" zu betreiben. Damit ist es ein beispielhafter Fall im Sinne der neuen Gesetze, die darauf zielen revolutionäre Kräfte präventiv zu kriminalisieren.

Die Polizei, die Untersuchungsrichterin und die Bundesstaatanwaltschaft haben sich sehr weit von den üblichen Praktiken in Belgien entfernt. Deshalb hat unser Fall viele reformistische Kräfte mobilisiert, die ihre Beunruhigung geäußert haben in Bezug auf die, in ihren Augen, "Übertreibungen", (Vermutung von Schuld und Gefährlichkeit) dabei ist das in Wirklichkeit die Logik der präventiven Konterrevolution selbst. red.

weitere Informationen:
www.rhi-sri.org
www.secoursrouge.org


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Schwerpunkt

Verteidigen wir die angegriffenen Militanten der RHI in der Schweiz, Belgien und Spanien!

Es ist bekannt: Der Kapitalismus hat ausser der Zunahme von Kriegsschauplätzen, dem Abbau von Arbeits- und Lebensqualitäten und dem entsprechend schärfer geführtem Klassenkampf von oben nichts mehr zu bieten. Die aktuelle Krise macht sich nicht nur ökonomisch, sondern längst politisch wie kulturell in verschiedensten Gesellschaftsbereichen breit, traditionelle bis reaktionäre Werte verdrängen fortschrittliche Errungenschaften.

Wenn sich diese kapitalistische Krisenspirale dreht, dann dreht sich die Repressionsmaschinerie meist zeitlich verzögert mit wenn sich der Widerstand am Arbeitsplatz, in der Bildung, auf der Strasse, gegen Umweltzerstörung und für eine revolutionäre Alternative zum bestehenden Kapitalismus regt! Auf die verschiedensten Formen und Inhalte des Widerstandes im allgemeinen und ganz speziell gegen revolutionäre Organisierungen reagiert die Repression mit unterschiedlichen Instrumenten.


"Der Gang durch die Gerichtssäle wird zum Teil des revolutionären Prozesses"(1)

Dies wird sich zwischen dem 19. und 23. September am Bundesstrafgericht in Bellinzona ..." (im südlichen Teil der Schweiz) abspielen. Die Schweizer Bundesanwaltschaft hat nach langen und sehr aufwendigen, auch international verknüpften Ermittlungen eine Anklageschrift gegen eine Genossin des revolutionären Aufbau Schweiz und der Kommission für eine Rote Hilfe International deponiert. Konkret geht es um 5 pyrotechnische Anschläge gegen Einrichtungen des spanischen Staates (das Generalkonsulat und das Fremdenverkehrsamt), gegen das griechische Fremdenverkehrsbüro, Iberia und EL AL (alle 3 im gleichen Gebäude; u.a. im Zusammenhang mit den Hungerstreiks der politischen Gefangenen der PCE(r) und GRAPO in den Jahren 2002 und 2004), gegen den Inlandnachrichtendienst der Schweiz (DAP), gegen das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO2) und gegen die Kantonspolizei Zürich. Ein weiterer Anschlag gegen das indische Generalskonsulat in Bern erscheint zur Zeit nicht mehr in den Akten. Die Anschläge wurden alle mit "Für eine revolutionäre Perspektive" unterzeichnet. Unter diesem Namen finden seit 1997 zahlreiche Anschläge gegen den Staat, das Kapital, imperialistische Kriege, Gipfeltreffen à la WEF und die Konterrevolution statt. Seit Jahren versuchen italienische wie schweizerische Staatsschützer die Genossin in Haft zu setzen. Einige Male sass sie bereits wegen Landfriedensbruch im Knast. Immer wieder gab es auf Geheiss italienischer Staatsschützer auch bei ihr international koordinierte Hausdurchsuchungen. Zuletzt fand eine solche Hausdurchsuchung am 12.2.2007 im Zusammenhang mit der Verhaftungswelle gegen das revolutionäre Projekt der PC p-m in Italien statt. Das damals eröffnete Verfahren in Italien wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ist bis heute nicht offiziell abgeschlossen worden. Auch interessierte sich die belgische Staatsanwaltschaft für sie, als sie am 5. Juni 2008 die vier Genossinnen der Roten Hilfe Belgien bezüglich Unterstützung einer terroristischen Vereinigung (wiederum die PC p-m) in Untersuchungshaft setzte. Diese beiden internationalen Rechtshilfegesuche kommen im vorliegenden Prozess nicht als Anklagepunkt zur Sprache, aber ihre Akten sind in den zahlreichen Bundesordnern zum Prozess untergebracht. Auf die typisch schweizerische Art der präventiven Konterrevolution meidet die Anklagebehörde den Begriff terroristische oder subversive Vereinigung. Damit meint sie die Frage der politischen Feindes im Innern des Landes umgehen zu können!


Das Verhalten der Konterrevolution

Sie unterscheiden ganz klar zwischen konkreten Anklagepunkten und "Stimmungsmache", wie eben die Einführung des italienischen oder belgischen Verfahrens im Hauptdossier. Das gleiche Ziel versuchen sie über direkte bis indirekte Anspielungen im Zusammenhang mit den 3 in der Schweiz verhafteten AnarchistInnen, die wegen einem versuchten Sprengstoffanschlag auf das neue IBM-Forschungszentrum zur Nanotechnologie in Rüschlikon im Knast, oder mit der in der Schweiz explodierten Paketbombe gegen die Atomlobby. Immer wieder tauchen dabei Anspielungen auf, die einen direkten oder indirekten Zusammenhang zum Prozess gegen die Genossin des Aufbaus und der RHI erahnen lassen sollen. Die Zuständigkeit für Billy, Costa und Silvia wurde mit der Anklageerhebung von der Bundesanwaltschaft an das Bundesstrafgericht übertragen.

Die haben nun die bereits durchgeführte Zensur und Restriktion in der Korrespondenz und Kontakte, diese nochmals verschärft: von den 4 Briefen pro Woche sind sie auf 2 pro Woche gesunken. Wie können sich unter dieser drakonischen Zensur die 3 anarchistischen Gefangenen da noch einen politischen Prozess führen? Die internationalen Angriffe (die teilweise auch koordiniert sind, wie derjenige in Belgien, der Schweiz und Italien) haben eines gemeinsam: Sie wollen mit der Kriminalisierung einzelner Militanten den Aufbau internationaler Klassensolidarität wie auch konkrete politische Projekte im Lande selber treffen. Ganz im Sinne von Mao Tse Tung: "Wenn wir vom Feind bekämpft werden, dann ist das gut; denn es ist ein Beweis, daß wir zwischen uns und dem Feind einen klaren Trennungsstrich gezogen haben. Wenn uns der Feind energisch entgegentritt, uns in den schwärzesten Farben malt und gar nichts bei uns gelten läßt, dann ist das noch besser; denn es zeugt davon, daß wir nicht nur zwischen uns und dem Feind eine klare Trennungslinie gezogen haben, sondern daß unsere Arbeit auch Erfolge gezeitigt hat."(3) Und um das obige Zitat der Aurora weiterzuführen "werden wir den Ball aufgreifen und versuchen den Gang durch die Gerichtssäle als einen kleinen Beitrag zur Passage des revolutionären Prozesses zu machen".

Rote Hilfe des Revolutionären Aufbau Schweiz
www.aufbau.org


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Schwerpunkt

Interview mit dem Comitati per un Soccorro Rojo Internacional

In Spanien steigt die Repression stetig. Sie betrifft sowohl jene die Politik machen, als auch UnterstützerInnen von politischen Gefangenen und Angehörige der illegalisierten politischen Parteien, Guerillas, UnabhängigkeitskämpferInnen, AnarchistInnen usw.

In diesen Tagen gehen die jungen Spanier auf die Straßen. Ihre Bewegung nennt sich "l'Idigniati" (Die Entsetzten). Sie protestieren gegen die Korruption der politischen Klasse und die Repression im Allgemeinen, welche versucht jedem einen Maulkorb aufzusetzen, der nicht ihrer "etablierten Werteordnung" folgt.

Man muss sich bewusst sein, dass nach dem Tod Francos theoretisch zwar ein demokratischer Wandel stattfand, allerdings alles "leere Versprechungen" waren.

Nicht nur, hat sich nichts geändert, sogar die Männer und Frauen an der Macht sind die gleichen wie zur Zeit Francos. Aktuell haben die spanischen Richter beschlossen, dass "alles GRAPO" und "alles ETA" ist, d.h. Politische AktivstInnen, die z.B. plakatieren und politische Propaganda betreiben, werden mit denjenigen die bewaffnet kämpfen gleichgestellt. Als Folge dessen sind die Strafen extrem hoch geworden. Dazu kommt, dass, dank der "Parot Doktrine" viele GenossInnen die ihre Strafe abgesessen haben, nicht frei gelassen wurden. Diese "Parot Doktrine" ist ein Gesetz, das nicht mal die von ihnen eigens erlassenen Gesetze achtet. Es wird rückwirkend angewandt, indem de facto lebenslängliche Strafen für politische Gefangene verhangen werden.

Wir müssen hinzufügen, dass in diesen Tagen, nach viel Protest, es so aussieht, als könne dieses Gesetz außer Kraft gesetzt werden ... jedoch ist es zur Zeit immer noch geltend.

Sicherlich gibt es immer Widerstand in den Gefängnissen. Was die Gefangenen der RSI, PCE(r), GRAPO betrifft, haben sie ein Kollektiv gegründet. Früher, wurden dank der Proteste in den Knästen, die Gefangenen zusammengelegt. Um dieses Ziel zu erreichen, führten die Gefangenen einen Hungerstreik, teils bis zum Tod, durch. Infolge des Hungerstreiks sind viele gestorben und viele Überlebende leiden an schrecklichen gesundheitlichen Zuständen.

Die regierenden Sozialisten haben sich als schlimmer erwiesen als die PP, die Vorgängerregierung: So wurden die Gefangenen auf verschiedene Städte im ganzen Land aufgeteilt. Und nie nah an ihrem Wohnsitz, damit sie ja kein Besuch bekommen. Trotz der Entfernungen und der Schwierigkeiten eine Besuchererlaubnis zu bekommen, bleibt, dank der Solidarität der Soccorso Rosso, kein Gefangener isoliert. Neben dem unbefristeten Hungerstreik gibt es noch andere Widerstandsformen für die Gefangenen:
nicht auf den Hof gehen
mit Protestschildern auftreten
sich zu weigern sich vor den Anhörungen nackt durchsuchen zu lassen.

Die Gefangen der SRI, der PCE und GRAPO führen derzeit einen Hungerstreik, zwei Tage die Woche. Vor kurzem wurde ein unbefristeter Hungerstreik beendet, welcher initiiert wurde, um gegen die grausamen Bedingungen der JVA Leitung, gegen den Genossen Arenas, Generalsekretär der PCE (r), anzukämpfen.

Dank dieses Streiks wurden die Behörden gezwungen, Zugeständnisse für Arenas zu gewinnen.

Welche, zwar minimal, ihm ein würdiges Leben im Gefängnis erlauben. Ihm wurde das Gebiss zurückgegeben, welches weggenommen wurde, damit er nicht mehr essen kann. Die Brille wurde zurückgegeben, welche ihm abgenommen wurde, um ihn am Lesen zu hindern.

Alle unsere Gefangenen sind als "höchstgefährlich" eingestuft. Das bedeutet Isolationshaft.

Sie dürfen nur ein mal die Woche telefonieren, das Telefonat wird abgehört und aufgenommen.

Sie haben nur alleine Freigang, sie dürfen nicht an gemeinsamen Aktivitäten teilnehmen (Fußball...).

Die Aktivitäten unserer Gefangenen variieren: Viele Zeichnen oder Malen, andere schreiben Gedichte oder Geschichten. Alle lernen und vertiefen ihr Wissen.

Wir ergänzen, dass Arenas schon 67 Jahre alt ist. An sich ist er noch jung, aber wegen der viele Jahre im Untergrund und jetzt im Gefängnis ist seine Gesundheit sehr angeschlagen. Verstärkt dadurch, dass die Wärter ihm die nötigen Medikamente und Behandlungen verweigern:
Es soll z.B. wegen Grauen Star operiert werden, weil er sonst sein Augenlicht verliert. Aber obwohl es sich um eine kleine Operation handelt, wird es ihm verwehrt. Er hat ebenfalls Magenprobleme, bekommt aber nicht mal das von den Knastärzten verordnete Essen.

Er leidet an (einer Art) Bandscheibenvorfall und Rheuma, welche ihm die Bewegungen erschweren und teilweise sogar unmöglich machen.

Trotz alledem ist seine Stimmung gut und er widerstrebt sich allen Ungerechtigkeiten.

Wie schon erwähnt gibt es in Spanien eine große Solidaritätsbewegung, dank welcher kein Gefangener isoliert bleibt. Anfangs gab es den Soccoro Rojo, wurde aber von der Regierung verboten. Deswegen gab es eine Namens- und Strukturänderung. Es wurde die "AFAPP" gegründet (Associazione Familiari e Amici der Prigionieri Politici). Seit ein paar Jahren lösen sich fast alle Afapps auf und werden von dem Kommité für eine Rote Hilfe (Comitati per un Soccorso Rosso) ersetzt.

Erinnert euch, dass Spanien das EINZIGE europäische Land ist mit militanten Gefangenen der Roten Hilfe, die wegen "Mitgliedschaft in einer bewaffneten Gruppe" eingeknastet sind.

Die Kommités für eine spanische RH sind sehr viele und es gibt sie auf jeder Ebene/jedem Gebiet: sie treffen sich mit den Gefangenen, verkaufen ihre "handwerklichen Produkte" (Pins, Ketten, Armbänder, Puppen, Bilder ...). Sie machen auf die Situation der Gefangenen aufmerksam, nehmen an den Gerichtssitzungen teil und kümmern sich darum, dass kein Gefangener sich isoliert fühlt.

Seit die RH zum "integralen Bestandteil der Geurilla" erklärt wurde, hat sich das Leben für die solidarischen GenossInnen noch mehr erschwert.

Wir können trotzdem feststellen, dass je schlimmer die Situation wird und je mehr Repressionen stattfinden, desto mehr Menschen, vor allem junge Leute, an der Solidaritätsbewegung teilnehmen wollen.

Aus Deutschland kann man den spanischen GenossInnen beispielsweise durch Briefe helfen.

Aber denkt dran, sie können maximal zwei die Woche erhalten, und maximal zwei die Woche verschicken. Ebenfalls werden ALLE Briefe und Texte der Zensur unterzogen.

Bei kleinen Texten können wir euch bei der Übersetzung helfen. Wenn ihr auf deutsch schreibt, wird der Brief von der / durch die Zensur zurückgehalten.

Ihr könnt ebenfalls durch Veranstaltungen und Filme auf die Situation der Gefangen aufmerksam machen. Oder durch Aktionstage für die Gefangenen. red.

socorrorojoitalia@hotmail.com


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Schwerpunkt

Zur Situation der spanischen Gefangenen

Dieser Bericht beruht auf den Informationen aus dem Brief eines spanischen Gefangenen welcher uns im vergangenen Monat erreichte.

Das Kollektiv kommunistischer und antifaschistischer politischer Gefangenen in Spanien umfasst 15 Frauen und 18 Männer, von denen 1 Mitglied der Roten Hilfe International ist, 14 Mitglieder der PCE(r) (Kommunistische Partei Spaniens wiederaufgebaut) und 18 Mitglieder der GRAPO (Antifaschistische Widerstandsgruppen Erster Oktober) sind. Zurzeit befinden sich dazu sechs Aktivisten der Roten Hilfe International in vorübergehender Freiheit, bis ihr Prozess stattfindet.

Seit der Diktatur Francos versucht das spanische Regime mit jedem polizeilichen, militärischen, propagandistischen und strafrechtlichen Mittel die politische Aktivität der antifaschistischen Widerstandsbewegung zu unterdrücken. Diese Unterdrückung verschärft sich besonders im Gefängnis. Die Gefangenen werden wie Geiseln gegen die antifaschistische Widerstandsbewegung benutzt, um der Bevölkerung zu signalisieren "Seht was wir alles willkürlich gegen diejenigen machen können, die gegen den Staat handeln".

Diese Aktionen der Regierung gegen die Gefangenen gehen in verschiedene Richtungen: Die Gefangenen werden zu sehr langen Strafen verurteilt, die tatsächlich, nicht ausgesprochene, lebenslange Strafen sind. So sitzt zum Beispiel Xaime Simon Quintela seit 26 Jahren im Gefängnis. Er hat seine Strafe schon abgesessen, aber er soll noch bis 2015 im Knast bleiben. Auch Suso Cela Seoane hat seine Strafe schon abgesessen, aber er bleibt bis 2020 inhaftiert. Er ist jetzt seit 27 Jahren im Gefängnis. Maria Jesus Romero Vega hat nach 21 Jahren ihre Strafe abgesessen, aber sie bleibt bis 2020 inhaftiert. Und Olga Oliveira Alonso ist in derselben Situation wie Maria Jesus Romero. Juan Garcia Martin, Mitglied des Zentralkomitees der PCE(r) und Chefredakteur ihrer Zeitung wurde wegen seiner politischen Aktivität als kommunistischen Publizist zu 80 Jahren! Strafvollzug verurteilt.

Der bekannteste Fall unter den PCE(r)-Mitgliedern ist der von Manuel Perez Martinez (67), Generalsekretär dieser Partei, gegen den der Staat eine neue Art eines juristischen Konstruktes erfinden musste, um ihn lebenslang ins Gefängnis zu sperren: Ihm wird "Begehung einer Straftat durch Unterlassung" vorgeworfen. Auf Spanisch hört sich der Vorwurf nicht weniger absurd als im deutschen. Die Höhe der verhängten Strafmaße gegen die politischen Gefangenen in Spanien ist so extrem hoch, dass sogar die Europäische Union die spanische Regierung darauf aufmerksam machte.

Durch die Politik der Zerstreuung der Gefangenen in die Gefängnisse des gesamten Landes will die Regierung zwei Ziele erreichen: Erstens werden die Gefangen in weit entfernt gelegene Gefängnisse verlegt, um sie so von der Familien- und Sozialumgebung zu trennen. So ist es üblich, das meist die aus dem Norden stammenden Gefangenen in andalusischen Gefängnissen und die aus dem Süden stammenden Gefangenen in Gefängnissen im Norden sind. Das ist auch eine Strafe für die Familienangehörigen. Viele von ihnen müssen eine zweitägige Reise für einen 40-minütigen Besuch bewältigen. Dadurch werden die Besuche leidvoller, aufwendiger, schwieriger und seltener.

Ein zweites Ziel dieser Politik ist es, die politischen Gefangenen voneinander zu trennen. Die Zerstreuung wird in der Regel durch Isolation ergänzt. Die Gefangenen werden in Isolationszellen oder besondere Abteilungen verlegt, in denen sie kaum jemanden sehen. Oft dürfen sie nur eine bis zwei Stunden allein oder in einer sehr kleinen Gruppe mit sozialen Gefangenen auf dem Hof spazieren. Ihre Post (in der Regel dürfen sie nur 2 Briefe in der Woche schicken) wird immer zensiert und die Kommunikationen mit dem Besuch beobachtet und behindert. Einige dürfen nicht einmal Briefe oder Zeitschriften aus dem Ausland empfangen. Im "Bunker" (so werden diese besonderen Isolationsabteilungen von den Gefangenen genannt) ist keine Handarbeit bzw. entspannende Kulturaktivität erlaubt. Manchmal dürfen sie nicht einmal einen Bleistift und Papier in der Zelle haben. Dies war bis vor kurzem auch die Situation von Manuel Perez Martinez, der von Februar bis zum 8. April im Hungerstreik war, um gegen ihn gerichtete Aggressionen durch die Schließer zu stoppen.

Häufige Demütigungen durch Zwang zum vollständigen Auskleiden und willkürliche Durchsuchungen der Zellen enden nicht selten in Misshandlungen. Ein frischer Fall hierzu ist der von Juan Garcia Martin, der im März verprügelt wurde, als er vom Gefängnis Puerto I in das Gefängnis Puerto III verlegt wurde. Die Gefangenen der PCE(r) und der GRAPO haben sich immer geweigert, diese Demütigungen des häufigen, vollständigen Auskleidens und der willkürlichen Durchsuchungen hinzunehmen. Dieser Kampf um die Selbstachtung der politischen Gefangenen und die Ablehnung, sich demütigen zu lassen, wird von den Schließern oft mit Misshandlungen beantwortet.

Diese Demütigungen und Misshandlungen genauso wie alle Sorten bürokratischer Beschränkungen der mündlichen und schriftlichen Kommunikationen und die medizinische Vernachlässigung sind zusätzliche Strafen, durch die das Regime den körperlichen Widerstand und den Widerstandswillen der inhaftierten Kommunisten und Antifaschisten brechen möchte.

Die medizinische Vernachlässigung ist besonders skandalös in den Fällen von sechs Gefangenen, die wegen ihrer ernsten Krankheiten eigentlich in Freiheit sein sollten, um eine regelmäßige medizinische Behandlung in einer Klinik zu erhalten.

Manuel Arango Riego (65), Mitglied der PCE(r), 10 Jahre im Gefängnis, leidet an chronische Ischiatitis einer Entzündung des Hüftnerves, er hat Probleme in den ersten vier Wirbeln, in zwei Wirbeln hat er einen Bandscheibenvorfall, in zwei anderen eine klare Abweichung. Er leidet dazu an chronische Hepatitis C. Diese Krankheit hat er 1982 bekommen, als er sich während seiner ersten Inhaftierung im Gefängnis Soria operieren lassen musste. Er hat Zellnekrose in 18 % der Leber, ein chronisches Zwölffingerdarmgeschwür und Darmprobleme, denn ein Teil des Dünndarms wurde ihm amputiert. Manuel Arango hat auch eine allgemeine Arthrose. Er geht mit Krücken und oft ist er an der Hilfe eines anderen Gefangenen komplett angewiesen.

Isabel Aparicio Sanchez (57), PCE(r)-Mitglied, seit 8 Jahre im Gefängnis, leidet an allgemeiner Arthrose, Osteoporose, Phlebitis, chronischer Sinusitis und Katarakt. Sie sollte an den Lendenwirbeln operiert werden, um zu vermeiden, dass sie komplett behindert wird und auf einen Rollstuhl angewiesen bleibt. Aber die Strafvollzugszentralbehörde torpediert immer wieder die notwendige klinische Behandlung.

Carmen Munoz Martinez (49) PCE(r)-Mitglied, dreimal inhaftiert, insgesamt 28 Jahre im Knast, ist wegen Brustkrebs auf eine Chemotherapie angewiesen.

Manuel Perez Martinez, dreimal inhaftiert, insgesamt 18 Jahre im Knast, leidet an Hiatushernie und Augenkrankheiten.

Maria Jose Banos Andujar, GRAPO-Mitglied, zweimal inhaftiert, insgesamt 18 Jahre im Knast, braucht eine Lebertransplantation. Sie ist HIV-Trägerin und seit 2010 wartet sie auf eine koronare Bypass Operation. Trotzdem ist sie in den letzten Monaten mehrmals von Knast zu Knast verlegt worden.

Laureano Ortega Ortega (49), GRAPO-Mitglied, dreimal inhaftiert, 22 Jahre im Knast, hatte im September 2010 einen Herzinfarkt. Trotz seiner schweren Situation ist er in den Isolations- bzw. Strafzellen im Knast Puerto III.

Zweifellos brauchen die Gefangenen unsere Hilfe. Der Punkt ist aber, dass wir, die Arbeiter auf der Straße, die Hilfe der inhaftierten Kommunisten und Antifaschisten viel mehr brauchen, als sie die unsere. red.


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Inland

Kriminelles Dresden?

In den letzten Jahren sind in Dresden zunehmend linke Strukturen in den Fokus der Politik und Strafverfolgungsbehörden gerückt.

Woher kommt dieses verstärkte Interesse?

Erfolgreiche linke Bündnispolitik lässt sich in Dresden vor allem im Zusammenhang mit den antifaschistischen Protesten zur Verhinderung des jährlich stattfindenden Naziaufmarsches um den 13. Februar herum messen, der an die Bombardierung der Stadt 1945 durch die Alliierten erinnern soll. Den zunehmend erfolgreichen Protesten versuchte man anfänglich noch mit Einschüchterung zu begegnen. So wurde versucht, die Mobilisierung im Vorfeld zu kriminalisieren und sich einzelne Menschen herauszugreifen, um an ihnen juristische Exempel zu statuieren. Allerdings mussten die Strafverfolgungsbehörden und konservative politische Kräfte, die den Naziaufmärschen lange mit Ignoranz oder Kleinreden begegneten, erkennen, dass diese vereinzelten Repressionen nicht den gewünschten Erfolg hatten, und sich eher mehr als weniger Menschen an den Aktionen des zivilen Ungehorsams beteiligten. Seit 2010 versucht die Stadt nun, dieses Thema selbst mit Menschenketten weit ab der Naziroute zu besetzen und die heterogene Protestbewegung durch Kriminalisierung einzelner ihrer Gruppen zu spalten. Schon seit längerer Zeit laufen in Dresden Ermittlungen gegen Teile der radikalen Linken, die darin mündeten, Anfang 2010 das Konstrukt einer kriminellen Vereinigung nach §129 zu bilden, und gegen die darin vermuteten Personen zu ermitteln. Seit diesem Zeitpunkt gibt es nachweislich Telekommunikationsüberwachungen (TKÜ) und die Ermittlung von Bewegungsprofilen durch die Erfassung von Geokoordinaten. Es ist auch eine verstärkte Aktivität des Verfassungsschutzes zu beobachten, die sich an zunehmenden Anquatschversuchen festmachen lässt. Vier konkrete Fälle sind im Ermittlungszeitraum bekannt, wobei die Dunkelziffer erfahrungsgemäß höher liegt und erfolgreiche Versuche in der Regel nicht bekannt werden. Kern der Ermittlungen sind jedoch nicht etwa konkrete Aktionen um den 13. Februar. Die Vorwürfe stellen einen Querschnitt alltäglicher linker Politik dar, die von der Organisation des notwendigen antifaschistischen Selbstschutzes bis hin zu Teilnahme an Demonstrationen im In- und Ausland reichen. Am 19. Februar 2011, dem Datum des diesjährigen versuchten - jedoch erfolgreich verhinderten - Naziaufmarsches, wollten die Ermittlungsbehörden dann offenbar gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Eine Razzia im "Haus der Begegnung" und dem Verein "Roter Baum e.V." richtete sich nicht nur gegen die Personen im Ermittlungsfokus der imaginierten kriminellen Vereinigung, sondern gegen das gesamte Bündnis Dresden-Nazifrei und damit auch Teile der bürgerlich-antifaschistischen Strukturen.

Die Durchsuchungen:

Konkret gab es drei Durchsuchungen im Zusammenhang mit den §129-Verfahren. Die erste im "Haus der Begegnung" am Abend des 19. Februar. Als Begründung hatte die Annahme gedient, im Hause hätten sogenannte "Linksextremisten" Gewaltstraftaten im Zusammenhang mit den Aktivitäten zur Blockade der Naziaufmärsche in Dresden geplant und koordiniert. Gegen alle 16 Anwesenden wurden Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des schweren Landfriedensbruchs, Aufruf zu Straftaten und Bildung einer kriminellen Vereinigung eingeleitet.

Die nächsten Durchsuchungen erfolgten am 12. April 2011 in den Wohnungen von 14 Personen aus Dresden, Leipzig, Machern, Finsterwalde, Grimma und Niesky. Auch ihnen wird - wie bei den Razzien am 19. Februar 2011 - die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen.

Die vorläufig letzte Durchsuchung fand am 2. Mai 2011 bei drei BewohnerInnen des Wohnprojekts "Praxis" in Dresden-Löbtau statt. Das Wohnprojekt tauchte bereits auf den Durchsuchungsbeschlüssen der ersten Razzien auf, wurde aber beide Male von der Liste gestrichen. Am 19. Februar kamen ca. 250 Neo-Nazis den Strafverfolgungsbehörden mit einem minutenlangen Angriff zuvor, bei dem sie unterbrochen Steine warfen und von der Polizei nicht daran gehindert wurden. Bei der zweiten Razzia sollen die BewohnerInnen der "Praxis" gewarnt worden sein. Die Staatsanwaltschaft sucht nun auch noch nach einem Maulwurf in den Reihen der Polizei. Alle eingeleiteten Ermittlungsverfahren nach §129 tragen das selbe Aktenzeichen.

Ausblick:

Die Durchsuchungen müssen als Teil vielfältiger juristischer und repressiver Angriffe und Einschüchterungsversuche gegen linke Strukturen in Sachsen eingeordnet werden. Dies ist wenig überraschend, hat sich doch der amtierende Chef des sächsischen LKA Jörg Michaelis die "linksmotivierte Kriminalität" als neuen Arbeitsschwerpunkt gesetzt.

Damit folgt er dem Tenor der Bundesinnenministerkonferenz im Mai 2010, welche sich auch verstärkt den Kampf gegen den "Linksextremismus" auf die Fahne geschrieben hat.

Die Ermittlungen reihen sich in die Behinderung linker Politik im Zusammenhang mit der Einführung der Extremismusklausel im November 2010 ein. In dieser sollen Vereine und Initiativen ihre Treue zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung erklären und gleiches auch für ihre PartnerInnen zusichern. Darüber hinaus ermächtigte sich das sächsische Innenministerium in den neuen Fördermittelbescheiden, die Öffentlichkeitsarbeit von ZuwendungsempfängerInnen zu kontrollieren und zu beeinflussen und damit einen direkten Angriff auf die Pressefreiheit zu unternehmen. Im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen den Verein "Roter Baum" wurde gegen diesen ein Fördermittelvorbehalt für Jugendhilfegelder durch den Dresdner Stadtrat erwirkt.

Gerade durch den langen Überwachungszeitraum ist noch nicht klar, wie die Strafverfolgungsbehörden das Konstrukt weiter entwickeln werden, und wo und wann es weitere Hausdurchsuchungen geben wird. Solange nach §129 ermittelt wird, werden sie wohl nichts ungenutzt lassen, um die Dresdner Szene zu durchleuchten und zu kriminalisieren. Dabei ist es zweifelhaft, ob das Konstrukt der kriminellen Vereinigung aufrecht erhalten wird. Wir gehen davon aus, dass eine Auswahl einzelner Beschuldigter erfolgen wird. Getroffen werden soll der (vermeintliche) militante Kern. Wir sehen darin den Versuch, eine Spaltung und Entsolidarisierung zwischen der radikalen Linken und der bürgerlichen Zivilgesellschaft herbeizuführen, mit dem Ziel der Zerstreuung, Verunsicherung, Lähmung bis hin zur politischen Isolation und praktischen Handlungsunfähigkeit.

Dem gilt es entschlossen entgegenzuwirken!
Solidarität mit den Betroffenen der 129-Verfahren!
Der Repression die Zähne zeigen!

(abolish 129)


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Inland

Bericht zum Prozessauftakt gegen Sadi Özpolat und Ünal Kaplan Düzyar

Am 19. Mai begann vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf der Prozess gegen Sadi Özpolat und Ünal Kaplan Düzyar, die wegen dem Vorwurf, Mitglieder in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§129b) zu sein, angeklagt sind. Beide sollen vermeintliche Mitglieder der verbotenen DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei - Front) sein. Nachdem in Stuttgart-Stammheim bereits Ahmet D. Yüksel, Devrim Güler, Ilhan Demirtas, Hasan Subasi und Mustafa Atalay zu mehreren Jahren Haft verurteilt wurden, folgte kurze Zeit später ein weiterer Prozess gegen vermeintliche Mitglieder der DHKP-C in Düsseldorf. Hier wurden Nurhan Erdem, Cengiz Oban und Ahmet Istanbullu ebenfalls bis zu 7 Jahren und 9 Monaten Haft verurteilt. Der Prozess gegen Faruk Ereren dauert nach wie vor an. Anfangs ebenfalls nach dem §129b angeklagt, wird er nun voraussichtlich wegen eines angeblichen Mordes verurteilt. Ebenso wie Devrim, Ahmet Y. droht Faruk die Abschiebung in die Türkei. Somit reiht sich der Prozess gegen Sadi Özpolat und Ünal Kaplan Düzyar in eine Kette von Kriminalisierungen gegen die türkische Linke ein.

Nach einem bundesweiten Aufruf des "Tayad Internationalen Solidaritätskomitee" und des "Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen" beteiligten sich fast ausschließlich ca. 100 türkische GenossInnen an dem Prozessauftakt. Der Saal füllte sich ziemlich schnell und der Prozess begann mit lautstarken Parolen, wie "Freiheit für alle politischen Gefangenen", "Revolutionäre Gefangene sind unsere Würde", "Das Land und das Volk sind unser, nieder mit dem Imperialismus" und weiteren Solidaritätsbekundungen in Richtung der Gefangenen. Auch in diesem Prozess sitzen die Angeklagten hinter einer Trennscheibe zwischen jeweils zwei Vollzugsbeamten. Eine Kommunikation mit den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten ist somit nur schwer durch ein paar Löcher zu realisieren.

Der Prozess begann mit der langen und aussagelosen Anklageschrift gegen Sadi Özpolat und Ünal Kaplan Düzyar. Diese Anklagen beinhalteten ausschließlich, wie auch in den anderen Prozessen, Aktivitäten der DHKP-C in der Türkei und zum Teil in Deutschland. Nachdem Sadi Özpolat und Ünal Kaplan Düzyar keine Aussagen über ihre Person und persönlichen Verhältnisse machten, folgte das erste Personalgramm des Angeklagten Sadi Özpolat. Auch ein Schreiben, welches der Generalbundesanwalt Hohmann an das türkische Justizministerium verfasste, wurde verlesen.

Zum Ende des Prozesses kündigte ein Rechtsanwalt von Sadi Özpolat an, dass dieser beim Prozesstag am 26. Mai eine Erklärung verlesen will. Damit endete auch der erste Prozesstag gegen 13.00 Uhr wieder mit Parolen wie "Freiheit für alle politischen Gefangenen" usw.

Am darauf folgenden Tag folgte der zweite Prozesstag. Die Beteiligung der Zuschauer hat stark abgenommen, so kamen ca. nur 15 solidarische GenossInnen zum Prozess. Auch hier gab es wieder Solidaritätsbekundungen in Richtung der Gefangenen.

Dieser Prozesstag begann mit einem Personalgramm des Angeklagten Ünal Kaplan Düzyar. Der Rechtsanwalt des Angeklagten ergänzte dieses mit der Aussage, dass Ünal Kaplan Düzyar nach seiner Haftentlassung seine Verlobte heiraten wird. Der Generalbundesanwalt forderte darauf hin, dass die Verlobte von Ünal Kaplan Düzyar aus dem Zuschauerraum verwiesen wird mit der Begründung, als mögliche Zeugin in Frage zu kommen. Was nach dem Verlesen des Bundesverfassungsschutzberichts zur DHKP-C auch getan wurde. Die Verlobte wurde in den Zeugenstand gerufen und bestätigte lediglich die Aussage des Anwaltes, dass sie ihren Verlobten nach seiner Haftentlassung heiraten wird. Weitere Angaben zur Sache macht sie nicht, sondern bestätigte der Generalbundesanwaltschaft nach absurden Nachfragen ihre Liebe zu dem Angeklagten Ünal Kaplan Düzyar.

Auch dieser Prozesstag endete ziemlich zeitig gegen 12.00 Uhr mit Zurufen und Zuwinken in Richtung der Gefangenen.

Somit gingen die ersten beiden Prozesstage zu Ende und weitere werden folgen. Es gilt nach wie vor, Solidarität mit den Gefangenen praktisch werden zu lassen und die Prozesse regelmäßig zu besuchen sowie den Gefangenen zu schreiben. Denn die revolutionären Gefangenen sind unsere Würde, wie es in Parolen skandiert wurde und diese muss verteidigt werden. Auch die deutsche Linke muss ein größeres Interesse für die Kriminalisierung von Migrantinnen und Migranten entwickeln und auch türkische Gefangene als ihre Gefangenen begreifen. Die bereits gefällten Urteile in anderen §129b Verfahren sprechen eine klare Sprache und wir müssen davon ausgehen, dass auch Sadi Özpolat und Ünal Kaplan Düzyar verurteilt werden. Unsere Aufgabe ist es, die Isolation zu durchbrechen und Solidarität praktisch werden zu lassen.

In diesem Sinne: Weg mit §§129! Freiheit für alle politischen und sozialen Gefangenen! red.


Anmerkung:

Am nächsten Prozesstag, dem 26. Mai, wird Sadi Özpolat eine Erklärung abgeben.

Weitere Prozesstermine:
Mai: 26, 27, 31
Juni: 1, 9, 10, 16.
17, 21, 22, 30.
Juli: 1, 8, 14, 15, 21, 22.
August: 22, 31
September: 1, 5, 6, 15, 16, 22, 23, 29, 30.
Oktober: 6, 7, 13, 14.
November: 10, 11, 17, 18, 24, 25.


Zum Abschluss noch ein kurzer Brief von Sadi Özpolat

Ich habe euren Brief erhalten und habe mich sehr darüber gefreut, aber da ich leider kein Deutsch kann, konnte ich euch nicht schreiben.
Der Brief hat mich sehr bewegt und ich habe eure Solidarität gespürt. Ich wollte trotzdem auch auf türkisch ein paar Sätze schreiben, damit ihr nicht denkt, dass ich euch nicht antworten würde. Die Solidarität zwischen den Völkern ist für mich persönlich sehr wichtig. Ich bedanke mich sehr für euren Brief und grüße euch solidarisch,

Sadi Özpolat

Rote Hilfe OG Magdeburg
Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen (Magdeburg)


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Kurzmeldungen bundesweit

Aachen: Die Zelle des spanischen Anarchisten Gabriel Pombo da Silva in der JVA Aachen wurde Ende April/Anfang Mai innerhalb weniger Wochen zweimal durchsucht. Bei der ersten Durchsuchung wurden ihm CDs, DVDs und Postkarten mit politischen Sprüchen weggenommen, bei der zweiten Durchsuchung, am 10. Mai, suchten sie gezielt nach einem Handy und fanden auch eines. Darüber hinaus wurden ihm bei einer zwangsweise durchgeführten Leibesvisitation seine Vitamintabletten weggenommen. (red.)

Würzburg: Mitte Mai kam es im Raum Würzburg erneut zu einem Anquatschversuch durch den Verfassungsschutz. Ein Genosse wurde per Post, E-mail und Telefon kontaktiert. Nachdem der Betroffene nicht auf die ihm geschickten Briefe und E-Mails antwortete wurde er auf seinem Handy angerufen und danach gefragt ob er bereit wäre mit ihm über jugendliche Subkulturen, wie der "Punker-" bzw. der "Skinheadszene" zu sprechen. Der Betroffene lehnte jegliche Zusammenarbeit ab. Der Anquatschversuch ist bereits der zweite dieses Jahr in Würzburg. (red.)

Heidelberg: Über 350 Menschen haben am 21. Mai 2011 in Heidelberg gegen die Verfolgung und Kriminalisierung außerparlamentarischen linken Protestes durch die Heidelberger Polizei demonstriert. Die Demo stand unter dem Motto "Still not loving the Police - Gegen Polizeiterror und staatliche Repression!". Begleitet wurde die Demonstration von einem martialischem Aufgebot der Polizei, die von Anfang an mit ausgiebigen Kontrollen und anderen Schikanen versuchte die Demo-TeilnehmerInnen zu provozieren. (red.)

Stuttgart: Am Montag, den 23. Mai wurde im Prozess gegen 9 kurdische Jugendlichen das Urteil gefällt. Ihnen wurde vorgeworfen an einem Angriff auf eine von türkischen Faschisten besuchte Kneipe beteiligt gewesen zu sein. Gegen die 9 Jugendlichen wurden Strafen zwischen 2 Jahren auf Bewährung und 3 Jahren Haft ausgesprochen. Zwar wurde der Vorwurf des versuchten Mords fallengelassen, die Höhe der Strafe erfüllte aber dennoch die Forderung der Staatsanwaltschaft. Das verfrühte Urteil kam zu Stande, da einige der Jugendlichen Aussagen gemacht hatten. (red.)


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Inland

Ulrike Presente! Am 8. Mai jährte sich Ulrikes 35. Todestag.

(Wolfgang L.)

Häufig habe ich an dieser Stelle schon über verstorbene GenossInnen geschrieben, die ich persönlich kannte. Ulrike war für meine Politisierung und meinen weiteren Weg wichtig, auch wenn ich ihr nie begegnet bin.

Mit 16 Jahren stieß ich über Bekannte auf die Zeitschrift "Konkret". Am 2. Juni 1967 war Benno Ohnesorg auf einer Demonstration gegen den Schah aus Persien in West-Berlin von einem Polizisten erschossen worden. Diese Exekution hatte viele von uns wachgerüttelt und wir fingen an, die Werte der sogenannten Demokratie in Frage zu stellen und später eine kommunistische Alternative anzustreben, die aber nur kollektiv im Kampf gegen das herrschende System durchzusetzen war. Diese Lernprozesse hat Ulrike aktiv begleitet. Das konnte sie auch sehr authentisch vermitteln, weil sie Zeit ihres Leben kämpfte, ob nun in der illegalen KPD, in der Außerparlamentarischen Opposition (APO), in der Guerilla oder als Gefangene. Nach dem Mordanschlag auf Rudi Dutschke schrieb sie in der "Konkret" 5/68 zu den Blockaden gegen den Springer-Konzern, der ja bekanntlich federführend an der Hetze beteiligt war: "...die Grenze zwischen verbalem Protest und physischen Widerstand ist ... erstmalig massenhaft durchbrochen worden ...... Protest ist, wenn ich sage, das und das passt mir nicht. Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, dass das, was mir nicht passt, nicht länger geschieht."

Andreas Baader und Gudrun Ensslin zündeten mit 2 weiteren Genossen aus Protest gegen den Konsumterror und den Vietnamkrieg 2 Kaufhäuser im April 1968 an. Ulrike schrieb dazu: "Das progressive Moment einer Warenhausbrandstiftung liegt nicht in der Vernichtung der Waren, es liegt in der Kriminalität der Tat, im Gesetzesbruch." ("Konkret" 14/68)

Mit der Befreiung Andreas Baaders aus dem Knast am 14.5.1970 bildete sich die RAF. Auf Grund der Texte von ihr, aber auch den Diskussionen und Aktionen der APO, war dieser Schritte für viele nachvollziehbar.

"unsere aktion am 14. mai 1970 ist und bleibt die exemplarische aktion der metropolenguerilla. in ihr sind/waren schon alle elemente der strategie des bewaffneten, antiimperialistischen kampfes enthalten: es war die befreiung eines gefangenen aus dem griff des staatsapparats. ­....war exemplarisch, weil es im antiimperialistischen kampf überhaupt um gefangenenbefreiung geht, aus dem gefängnis, dass das system für alle ausgebeuteten und unterdrückten schichten des volkes schon immer ist und ohne historische perspektive als tod, terror, faschismus und barbarei;"

Das erklärte Ulrike als Gefangene aus der RAF im September 1974 vor Gericht. Auch wenn Ulrike diesen Text verfasste, so war es doch Ergebnis eines Diskussionsprozess des Gefangenenkollektivs.

Vor 40 Jahren gab es viele bewaffnete Gruppen und die RAF besaß anfangs zahlreiche Sympathien in der hiesigen Bevölkerung. 1972 erklärten nach (offiziellen) Meinungsumfragen fast 20 Prozent der Erwachsenen, sie würden Verfolgung in Kauf nehmen, um eine/n aus der RAF für eine Nacht bei sich zu verstecken. 1973 ergab eine Umfrage unter SchülerInnen, dass 15 Prozent von ihnen sich mit den Aktionen der Guerilla identifizieren.

Nach 2 Jahren in der Illegalität, in dieser Zeit liefen u.a. Aktionen gegen die 2 US-Hauptquartiere in der BRD, wovon aus die Bombereinsätze gegen die vietnamesische Bevölkerung koordiniert wurden, wurde Ulrike am 15.6.72 durch Verrat in Hannover verhaftet.

Ulrike wurde in völliger Isolation, wie alle Gefangenen aus der RAF, gehalten. Verschärft wurde ihre Lage dadurch noch, dass sie insgesamt 251 Tage im "Toten Trakt" in Köln-Ossendorf war eingepfercht war. Zuerst allein, dann zusammen mit Gudrun Ensslin von Februar bis April 1974.

"Rasende Aggressivität, für die es kein Ventil gibt. Das ist das Schlimmste. Klares Bewusstsein, dass man keine Überlebenschance hat; völliges Scheitern, das zu vermitteln. Besuche hinterlassen nichts. Eine halbe Stunde danach kann man nur noch mechanisch rekonstruieren, ob der Besuch heute oder vorige Woche war".

So beschrieb Ulrike ein Teil ihrer Erfahrungen aus dem "Toten Trakt" 1973/74. Nur durch lang andauernde Solidaritätsaktionen im In- und Ausland konnten wir Ulrike und Gudrun aus dem "Toten Trakt" freikämpfen. Im April 1975 begann gegen Jan-Carl Raspe, Andreas, Gudrun und Ulrike der Prozess in Stammheim. Alle 4 Gefangenen überlebten den Knast nicht.

Ulrike wurde am 8. Mai 1976 tot in ihrer Zelle in Stuttgart-Stammheim aufgefunden. Der Staatsschutz lancierte umgehend, es hätte "Spannungen" unter den Gefangenen gegeben. Eine internationale Untersuchungskommission kommt zu einem anderen Ergebnis: "Die Behauptungen der staatlichen Behörden, Ulrike... habe sich selbst getötet ist nicht bewiesen.... Die Ergebnisse der Untersuchungen legen vielmehr den Schluss nahe, dass Ulrike... tot war, als man sie aufhängte."

Ebenso gingen auch ihre GenossInnen davon aus, dass Ulrike sich nicht selbst umgebracht hatte: "... wir wissen nicht, wie, aber wir wissen, von wem, und wir können das kalkül der methode bestimmen. ich erinnere an herolds satz: 'aktionen gegen die raf müssen immer so abgewickelt werden, dass sympathisantenpositionen abgedrängt werden.' und buback: 'der staatsschutz lebt davon, dass sich leute für ihn engagieren. leute wie herold und ich finden immer einen weg...'." So Jan am 11.5.1976. im Stammheimer Prozessbunker.

Ausblick
Ulrike kämpfte ihr Leben lang gegen die herrschenden Verhältnisse an, die sich auch heute nicht verbessert, sondern verschlimmert haben. Da sind auch alle Artikel von ihr wichtig, egal, ob sie die vor oder in der RAF verfasst hat. Die "junge Welt" vom 7./8.5.2011 schrieb im Zusammenhang mit Ulrikes Todestag von einem "sogenannten bewaffneten Kampf". Auch wenn Ulrikes Zeit in der RAF denen nicht ins politische Konzept passt, darf das nicht unter den Tisch fallen, denn so wird Ulrikes Geschichte, und damit auch unsere Geschichte, verfälscht.

In diesem Sinne:

Ulrike presente!
Revolutionäre Geschichte aneignen und verteidigen!


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Inland

Strafvollzug 2011

Im Frühjahr dieses Jahres erschien von dem für die taz (die tageszeitung, Berlin) tätigen Journalisten, Sozialpädagogen und Soziologen Kai Schlieter das Buch "Knastreport - Das Leben der Weggesperrten".

Auf 254 Seiten bietet der Autor einen ungeschminkten Einblick in den bundesdeutschen Strafvollzug; er lässt neben einigen Gefangenen auch Professor Kröber (Berlin), einen der bekanntesten deutschen forensischen Psychiater zu Wort kommen. Die sechs Kapitel des Sachbuches unterteilen sich in insgesamt 27 Unterkapitel, vom "Knastkomplex" (Seite 15-38), dort wird über die Erfindung der Gefängnisse, der Gier nach Strafe, wie auch Gefängnisarchitektur erzählt. Hin zu den "jugendlichen Verbrechern" (Seite 41-74); dort berichtet u.a. Yunus von den traumatisierenden Erfahrungen in der Jugenduntersuchungshaft zu landen. Sein Fall machte 2009 deshalb Schlagzeilen, weil ihm vorgeworfen wurde am 01. Mai in Berlin auf einen Polizisten einen Molotow - Cocktail geworfen zu haben. Erst nach über einem halben Jahr zermürbender Haft folgte der Freispruch. Kritisch reflektiert Schlieter die aufgeblasene und hysterisierende Medienberichterstattung wenn es um angebliche "Jugendgewalt" geht.

Im dritten Kapitel ("Vollzug für harte Jungs und böse Mädchen"; Seite 77-104) lesen wir von einem Mann, der in Berlin - Tegel, sowie von einer Frau, die in Pankow - Buchholz lebenslange Strafen wegen Mordes absitzen. Beide erzählen aus ihrem Haftalltag auf sehr anschauliche Weise. In "Missstände im toten Winkel" (Seite 107-174), dem umfangreichsten Kapitel des Buches, wird schließlich Tacheles geredet: es geht um Willkür, systematischen Rechtsbruch und um langjährige Isolationshaft. Neben der Situation von Peter Wegener (Seite 160 ff), der seit 1973 nahezu ununterbrochen in Haft sitzt, davon seit 1995 in Isolationshaft, wird auch Günter Finneisens Haftalltag thematisiert. Er wird in Niedersachsen seit 1995 in Isolation gehalten. Da die taz im Zuge der Veröffentlichung des Buches in einer der großen Reportagen auf Herrn Finneisens Eingemauert-Sein hinwies, kam es zu einer kleinen Anfrage der GRÜNEN im Landtag. Es äußerten sich zudem die bekannte Kriminologin Professorin Frommel ("Das ist Folter"), wie auch der ehemalige BGH-Richter und heutige LINKS-Partei Bundesabgeordnete Neskovic, wie Vollzugskenner kritisch über diese nun 16 Jahre andauernde Isolierung. Seit Anfang Mai 2011 wurde Herrn Finneisens Situation nunmehr gelockert; hierzu mag vielleicht dieses Buch beigetragen haben.

Im Buchkapitel "Das Risiko des Bösen" (Seite 177-216) geht es schließlich um das schwierige Thema der "Kriminalprognose"; wie soll künftiges Verhalten von Gefangenen im Rahmen von Haftentlassungen sicher vorhergesagt werden!? Hier geht Schlieter auf das zur Zeit wieder sehr aktuelle, weil durch ein Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 04. Mai 2011 ins Bewusstsein gerückte Institut "Sicherungsverwahrung", nämlich der Inhaftierung von Menschen, die ihre Freiheitsstrafe längst verbüßt haben, ein. Im Schlusskapitel schließlich ("Perspektiven", Seite 219-236) wird ein kritischer Ausblick gewagt, die zunehmende Privatisierung im Bereich Strafvollzug angesprochen und letztlich ein sehr kritisches Resümee gezogen, frei von Träumereien.

Niemand, der dieses Buch liest, wird auf die BILD-Berichterstattung hereinfallen, wonach Gefängnisse letztlich etwas abgespeckte Hotels seien. Wer neben allgemeinen und auch statistischen Informationen über den Strafvollzug Interesse hat, sich Einzelschicksale von Inhaftierten zu öffnen, dem sei der Kauf dieses Buches uneingeschränkt empfohlen. Er oder Sie wird danach Gefängnisse mit anderen Augen betrachten.

Thomas Meyer-Falk
Z. Zt. JVA Z. 3113,
Schönbornstraße 32,
D - 76646 Bruchsal

http://www.freedom-for-thomas.de

Bibliografische Angaben:
erschien 2011 im Westend-Verlag,
254 Seiten, 17,95 Euro
ISBN 978-3-938 060-67-4


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Kurzmeldungen bundesweit

Hamburg: Am 11. Mai 2011 wurde der Schanzenbuchladen durch Beamte des LKA durchsucht. Ziel war es die Ausgabe Nr. 161 der ZECK zu beschlagnahmen - die Zeitschrift wurde jedoch nicht gefunden. Aufhänger war laut Beschluss ein Artikel auf Seite 10, der angeblich zu rechtswidrigen Taten aufruft. Wegen dieses Artikels läuft laut Beschluss ein Verfahren wegen Aufrufes zu Straftaten gegen Unbekannt. Damit reiht sich der Schanzenbuchladen in die traurige Reihe der Durchsuchungen von linken Buchläden der letzten Monate. (red.)

Stuttgart: Am 18. Mai wurde ein antimilitaristischer Aktivist vom Amtsgericht Stuttgart zu 15 Tagessätzen à 15 Euro verurteilt. Er war - laut seiner eigenen Prozesserklärung - an der Besetzung der Kirche beteiligt, in der am 30. Juli 2010 der Gottesdienst anlässlich des Gelöbnisses stattgefunden hat. 15 AktivistInnen besetzten fünf Tage vor dem Gelöbnis die Kirche und wurden bereits am selben Tag - auf Wunsch des Prälaten - von der Polizei geräumt. Weitere Prozesse sind bereits angesetzt. (red.)

Magdeburg: Aktuelles aus dem Oury Jalloh Prozess: Im Prozess um den Tod von Oury Jalloh sagte ein Zeuge aus, dass zwei Polizisten (März und Scheibe) kurz vor Ourys Tod noch in seiner Zelle gewesen seien. Der Oberstaatsanwalt Preissner versucht seitdem diese neuen Erkenntnisse zu unterdrücken. Er liess die Polizisten erneut laden, um den "Irrtum des Zeugen" aus dem Weg zu räumen. Am 19.05.2011 gab es im Anschluss an die Verhandlung im Fall Oury Jalloh eine Demonstration mit rund 80 TeilnehmerInnen durch Magdeburg. (red.)

Frankfurt: In der Nacht vom 25. auf den 26. Mai wurden in Frankfurt zwei Personen festgenommen, die angeblich beim Sprühen einer Parole gegen die Innenministerkonferenz beobachtet worden waren. Einer der beiden wurde vor seiner Festnahme gezielt von der Polizei angefahren und anschließend brutal von einem Beamten mehrfach mit dem Kopf auf den Boden geschlagen. Die andere Person wurde einige Zeit später festgenommen. Danach wurde noch die WG einer der Festgenommenen durchsucht und Computer, sowie andere Speichermedien beschlagnahmt. (red.)


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International

Knastaufstand in Georgia

Vom 9. bis zu 16. Dezember letzten Jahres kam es im US-Bundesstaat Georgia zum größten Gefängnisstreik in der Geschichte der USA. Am Morgen des neunten blieben zehntausende Gefangene in ihren Zellen, um nicht wie sonst den Arbeitsdienst anzutreten.

Dieser Arbeitsdienst ist in Georgia unbezahlt und muss von jedem Gefangenen geleistet werden. Arbeitsverweigerung wird hart bestraft, unter anderem durch den Entzug von Fernsehen, Hofgang oder der Möglichkeit einzukaufen. Oft werden die Gefangenen, die den Arbeitsdienst verweigern auch für einen unbestimmten Zeitraum in Einzelhaft gesteckt und vollkommen von den anderen Gefangenen isoliert.

1% der US-Amerikaner also 2 Millionen Menschen sind aktuell in amerikanischen Knästen eingekerkert - allein in Georgia sitzen 59.000 Menschen hinter Gittern. In Georgia gibt es keinen größeren Arbeigeber als das Georgia Department of Corrections, das durch die unbezahlten Häftlingsarbeiter einen immensen Profit erwirtschaftet. Doch dieses an die Zeit der Sklaverei erinnerde Arbeitverhältnis war nur einer der Gründe für den Streik.

Des weiteren wollten die Gefangenen gegen die unerträgliche Haftsituation protestieren. z.B. dass das Essen ungeniesbar ist, dass die Zellen überfüllt sind und Hygiene quasi nicht vorhanden ist, dass es regelmäßig zu Übergriffen seitens der Wärter kommt und dass das Besuchsrecht von Angehörigen durch Schikanen aller Art behindert wird. Möglichkeiten sich zu bilden sind nur spärlich vorhanden und selbst die Möglichkeit, sich auf den eigenen Prozess vorzubereiten, sind dadurch beschränkt, dass man nur durch Kenntnis der Aktenzeichen sich Gerichtsakten zu ähnlichen Präzedenzfällen besorgen kann und mehr nicht.

In ihrem Streik war den Gefangenen auch wichtig, dass die unmenschliche Behandlung, wie z.B. durch Isolation oder Folter wie man es aus Abu-Greib oder Guantanamo kennt, endlich aufhören. Als nun in den Gefängnissen Baldwin, Hancock, Hays, Macon, Smith, in den Telfair State Prisons und vielen anderen die Gefangenen die Arbeit verweigerten, liess die Reaktion des Staates nicht lange auf sich warten. Alle Gefangenen wurden in ihre Zellen eingeschlossen, der Hofgang ausgesetzt, die Heizung mitten im Winter bei Minustemperaturen abgedreht und damit begonnen, wahllos Gefangene als Rädelführer zu benennen und sie in Dunkelhaft zu nehmen oder sie in winzige Isolationzellen, die kaum Raum zur Bewegung lassen, zu sperren. Der nächste Schritt waren permanente Durchsuchungen der Gefangenen und ihrer Zellen sowie das Beschlagnahmen der Fernseher und vieler persönlicher Gegenstände.

Begründet wurde die Aktion mit der Suche nach verbotenen Handys, mit denen die Gefangenen es geschafft haben sollen, den Streik in verschiedene Gefängnisse gleichzeitig zu organisieren. Dass der Streik sich gleich auf mehrere Knäste erstreckt hatte, war jedoch nicht der einzige Erfolg. Vor allem die Tatsache, dass der Streik von Gefangenen aller Hautfarben und Religionen getragen worden war, stellte eine neue Qualität in den Gefängniskämpfen der USA statt.

Nicht zuletzt, da in den Knästen strikte "Rassentrennung" praktiziert wird - also "weißen" von "schwarzen" ferngehalten werden und selbst ein simples Gespräch mit einem Insassen anderer Hautfarbe ernste Konsequenzen haben kann.

Von seiten der Insassen wurde während des gesamten Streiks keine Gewalt angewendet. Das hielt die Wärter jedoch nicht davon ab, viele der Gefangenen mit Gewalt und allen zur Verfügung stehenden Mitteln aus der Zelle zu holen - wenn sie diese zum Beispiel durchsuchen wollten. So kamen Reizgas, Schockgranaten, sogenannte Stingballs und Taser zum Einsatz, um die Gefangenen zu brechen.

Die bürgerlichen Medien nahmen zunächst kaum Notiz von dem Streik. Allerdings entstand schnell eine große Solidaritätsbewegung, die aus Angehörigen, Revolutionären und Bürgerrechtsgruppen bestand und die vor die Knäste ging, Kundgebungen abhielten, um ihre Solidarität mit den Gefangenen auszudrücken.

Zur Wortführerin ernannten die Gefangenen die ehemalige Black Panther Aktivistin und Mutter eines der streikenden, Elaine Brown, die sich schon lange für ein Ende der US-Knastgesellschaft einsetzt.

Sie gab Interviews und führte Verhandlungen mit Vertretern der zuständigen Institutionen. Gemeinsam mit dem Widerstand von draußen und dem Streik innerhalb der Knäste gelang es, die Anliegen der Gefangenen nach menschenwürdigen Lebensbedingungen und einem Ende der Sklavenarbeit an die Öffentlichkeit zu tragen und den Staat zu zwingen sich zu verhalten.

Nach sechs Tagen Isolation, Kälte und Schikanen wurde der Streik am 16. Dezember 2010 beendet. Zwar wurden die Forderungen der Insassen nicht erfüllt, aber trotzdem sollte man ihn nicht als eine vollständige Niederlage werten. Nicht zuletzt weil es so scheint, als würde eine neue Phase des kollektiven Widerstands von Gefangenen sich langsam entwickelt, und sie erkannt haben, dass sie die Möglichkeit haben, die Bänder einer der größten Produktionstätte der USA (des Knastsystems) stillstehen zu lassen und somit einen immensen Druck aufbauen können.

Aus dem gescheiterten Streik können für zukünftige Streiks viele Lehren gezogen werden, und durch ihre Kampfmaßnahme haben die Gefangenen sich nun Strukturen geschaffen, die einen solchen Streik koordinieren können.

Hoffentlich waren diese Tage nur der erste von vielen Streiks.

Knastkampf ist Klassenkampf.
Freiheit für alle sozialen und politischen Gefangenen

red


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International

Free Bradley Manning

Wer das Schweigen bricht, bricht die Macht der Täter.
(Plakattext der Bundesregierung)

Die weltweiten Proteste gegen die Isolationshaftbedinungen, unter denen Bradley Manning im Militärgefängnis Quantico einsass, haben Wirkung gezeigt. Nachdem auch der UN-Sonderbeauftragte für Folter, Juan E. Mendez, kritisch zur Haftsituation Stellung bezog und dabei unter anderem beklagte, dass ihm noch nicht einmal ein vertrauliches Treffen mit Bradley Manning ermöglicht wurde, gaben die US-Verantwortlichen nach.

Aber auch andere Intervenierten: Bradley Manning Solidaritätskomitees aus verschiedenen US-amerikanischen Bundesstaaten und vielen Ländern weltweit, Amnesty International und Human Rights Watch, der amerikanische Bürgerrechtsverein ACLU und 250 Rechtsprofessoren amerikanischer Eliteuniversitäten. Selbst der Sprecher des US-Außenministeriums nannte die von der Armee angeordnete Isolationshaft »lächerlich, kontraproduktiv und dumm« - und stürzte über diese Bemerkung. In Quantico war Bradley Manning unter sehr scharfen Isolationsbedingungen inhaftiert. Streng bewacht, musste er 23 Stunden am Tag allein in einer fensterlosen, sechs Quadratmeter großen Zelle ausharren, mit dem Gesicht stets der Tür zugewandt, hatte auch in der restlichen Stunde keinen Zugang zu Nachrichten und aktuellen Informationen. Bettlaken oder Kissen wurden ihm verwehrt.... (siehe Gefangenen Info 358) Bradley Mannig wurde Ende April nach Fort Leavenworth verlegt, wo man angeblich besser auf eine lang andauernde Untersuchungshaft vorbereitet ist. Nun scheint es, als würden sich diese optimistischen Prognosen zumindest teilweise bewahrheiten. Die Kommandantin der Einrichtung in Fort Leavenworth, Lt. Col. Dawn Hilton, teilte mit, Manning sei als Gefangener mittlerer Sicherheitsstufe eingestuft worden. Das bedeutet, dass Manning wie ein gewöhnlicher Gefangener behandelt wird. Er darf mit den anderen zehn Untersuchungshäftlingen in seinem Zellentrakt interagieren, Post von beliebigen Personen und in unbegrenzter Menge erhalten und Besucher empfangen. Gespräche werden jedoch außer von Wärtern zusätzlich durch Kameras und Mikrofone überwacht. Pro Tag erhält Bradley Manning nach Angaben der Gefängnis-Offiziellen drei Stunden Freizeit, die er zum Teil draußen oder in der Bibliothek verbringen kann. Mannings Unterstützer zeigten sich erleichtert über die sich abzeichnende Verbesserung seiner Haftsituation. Jeff Paterson, Sprecher des "Bradley Manning Support Network", erklärte, die Nachrichten seien "ermutigend". Unterdessen gehen die Proteste für seine Freilassung weiter. Unter anderem ist US-Präsident Barack Obama während einer Spendensammelaktion für seinen Wahlkampf mit einer ungewöhnlichen Gesangseinlage überrascht worden. Während eines Frühstücks mit Spendern in einem Hotel in San Francisco sang ihm eine Gruppe am Donnerstag die Leviten wegen der Haftbedingungen des mutmaßlichen Wikileaks-Informanten Bradley Manning, wie teilnehmende Journalisten berichteten. Einem Bericht der BBC zufolge wurde die Wortführerin der Gruppe nach der Darbietung von Sicherheitspersonal aus dem Raum eskortiert. Zwei andere Personen, wahrscheinlich ebenfalls Aktivisten, verließen die Veranstaltung freiwillig. Nach wie vor ist nicht bekannt, ob es rechtliche Konsequenzen für die Beteiligten geben wird.

Der bekannte Songschreiber und Woodstock-beteiligte Graham Nash sowie der Friedensaktivist und Liedermacher David Rovics spielten Songs über und für Bradley Manning ein. Das "Bradley Manning Support Network" hat eine neue Kampagne zur Unterstützung des mutmaßlichen Whistleblowers ins Leben gerufen. Im Rahmen der Aktion "I am Bradley Manning" ("Ich bin Bradley Manning") sollen Unterstützer_innen ein Foto hochladen, auf dem sie ein Schild mit betreffender Botschaft halten und so ihre Solidarität bekunden. Die Teilnehmer_innen sind aufgerufen, ein Foto von sich zu machen, in dem sie ein Plakat (oder sonstige Dinge) mit der Aussage "I am Bradley Manning" tragen. Teilweise kamen dabei bei den bereits vorhandenen Fotos äußerst kreative Ergebnisse heraus. Zum Motto der Aktion erklären die Veranstalter: "Es gibt keine Beweise, dass jemand als Ergebnis der geleakten Informationen gestorben ist, trotzdem droht Bradley eine lebenslange Haftstrafe oder womöglich die Todesstrafe. Der größte Vorwurf gegen ihn ist der der 'Unterstützung des Feindes', ein Vergehen, das mit der Todesstrafe bedroht ist. Als Öffentlichkeit, die von diesen Informationen profitiert hat, sind wir wirklich der Feind? Man solle die Aktion als eine Art Online-Demonstration betrachten, schreibt das Bradley Manning Support Network. Damit wolle man sicherstellen, dass Mannings Fall "die Aufmerksamkeit erhalte, die er verdient" und somit die Chancen Mannings auf einen fairen Prozess erhöhen.

Der deutsche Schriftstellerverband PEN hat auf seiner Jahrestagung vom 5. bis 8. Mai in Ingolstadt das Nobelkomitee aufgefordert, Bradley Manning den Friedensnobelpreis zu verleihen. In der Begründung heisst es: Der deutsche P.E.N. dankt Bradley Manning. Er hat, wenn die Beschuldigung richtig ist, es uns allen erleichtert, den Krieg im Irak und in Afghanistan zu beurteilen. Bradley Mannings Beispiel zeigt, daß der Verrat militärischer Geheimnisse dem Frieden dienen kann.

Im Berliner Kunsthaus Tacheles gab es bis zum 29.05.2011 eine Ausstellung, die sich mit Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen Firmen und/oder Staatsgeheimnisse preisgaben, befasste und sich ebenfalls positiv auf Bradley Manning bezog. Zu sehen waren über 20 Portraits von Whistleblowerinnen und Whistleblowern aus ganz Deutschland und aus den verschiedensten Tätigkeitsbereichen. red.

Bradley Manning kann Post empfangen!

Bradley Manning 89289
830 Sabalu Road
Fort Leavenworth, KS 6602

Weitere Informationen: http://www.freebradleymanning.de/


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Kurzmeldungen international

Australien: Seit mehreren Monaten kommt es in Australien zu Protesten gegen die Abschiebepolitik und speziell gegen die Abschiebelager. Zur Zeit sind in verschiedenen Lagern insgesamt knapp 7.000 Menschen inhaftiert, davon über 1.000 Kinder. Viele von ihnen sind schon länger als zwei Jahre unter unmenschlichen Bedingungen eingesperrt. Am 20. April demonstrierten Häftlinge auf dem Dach des Villawood-Lagers bei Sydney und zündeten drei Gebäude an. Am 25. April gab es Solidaritätsdemonstrationen in Sydney, Melbourne und Curtin. (red.)

Portugal: In Setúbal, einer Stadt 50 km südlich von Lissabon, wurde am 1. Mai eine anarchistische Demonstration mit ca. 150 TeilnehmerInnen nach Beendigung grundlos von der Polizei mit Gummigeschossen, Tränengas, Teleskopschlagstöcken und scharfen Warnschüssen angegriffen. Einzelne Teile der Demonstration wurden nach einem ersten Polizeiangriff regelrecht durch die Straßen der Stadt gejagt. Die OrganisatorInnen sprechen von mindestens 12 Festgenommenen und 30 Verletzten. (red.)

Kurdistan/Türkei: Der türkische Staat führt eine neue Festnahme- und Inhaftierungswelle durch, die an Putschzeiten erinnert. Seit dem 24. März 2011 wurden 2506 Personen festgenommen und hunderte Haftbefehle ausgesprochen. Vor den Parlamentswahlen am 12. Juni finden Tag und Nacht Razzien und Festnahmeoperationen statt, im Schnitt werden seit Wochen 55 Personen pro Tag festgenommen und z.T. inhaftiert. Unter den Festgenommen befinden sich Kinder, Alte, Kranke, StudentInnen, JournalistInnen, PolitikerInnen der linken prokurdischen BDP und Personen aus deren Leitung. (red.)

Belarus: Nachdem bei einer Verhaftungswelle im September 2010 willkürlich AktivistInnen verhaftet und mit dem Vorwurf der Brandstiftung eingesperrt wurden, soll nun gegen 7 von ihnen im Mai ein Prozess beginnen. Ihnen werden die Teilnahme an einer antimilitaristischen Demonstration und/oder mehrere militante Angriffe auf Gebäude unter anderem des staatlichen Geheimdienstes KGB sowie einem von ihnen ein Hackerangriff auf die Polizei-Homepage vorgeworfen. Ihnen drohen zwischen 10 und 12 Jahren Haft. (red.)


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International

Bobby Sands 1954-1981

Vor 30 Jahren starben zehn Militante der Provisional IRA und der INLA im nordirischen Knastlager Long Kesh. Sie kämpften mit einem siebenmonatigen Hungerstreik für ihre Anerkennung als politische Häftlinge. Der erste Tote im Hungerstreik von 1981 war Bobby Sands.

Bobby Sands wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf, in Newtownabbey, einem Vorort im Norden von Belfast. Mehrfach musste die katholische Familie wegen Drohungen protestantischer Sektierer/innen umziehen. Mit 16 Jahren begann Bobby in der Autoindustrie zu arbeiten, wurde Gewerkschafter. Bewaffnete zwangen ihn nach zwei Jahren, seine Lehre abzubrechen. 1972 zog die Familie wegen Drohungen erneut um, diesmal nach Twinbrook, einer Neubausiedlung im Westen von Belfast. Auf dem Höhepunkt der Aufstandsbewegung gegen die britische Besatzung und für ein sozialistisches Irland trat Bobby der Provisional IRA bei, wurde verhaftet und wegen Waffenbesitz zu drei Jahren Knast verurteilt. Er kam nach Long Kesh - ein ehemaliger Luftwaffenstützpunkt, umfunktioniert zu einem Internierungs- und Knastlager. Nach seiner Entlassung 1976 war Bobby in Twinbrook in der lokalen Mietervereinigung aktiv, organisierte einen Taxidienst für die Bewohner/innen. Nach einem halben Jahr in Freiheit wurde er im Zusammenhang mit einer Aktion gegen eine Möbelbaufirma wieder verhaftet. Er kam ins berüchtigte Verhörzentrum Castlereagh, wo man ihn sechs Tage lang folterte. Bobby verweigerte die Aussage. Weil ihm nichts nachgewiesen werden konnte, verurteilte ihn ein Gericht 1977 zu 14 Jahren Knast wegen Besitz eines Revolvers. Nach einer kurzen Phase in Isolationshaft, die er grösstenteils nackt verbrachte, kam er in die H-Blocks in Long Kesh. Er machte beim Deckenprotest der irischen Gefangenen mit, schrieb auf rausgeschmuggelten Toilettenpapier Artikel für die "Republican News", wurde Sprecher der protestierenden Gefangenen. Die Bedingungen in den H-Blocks waren hart, Strafmassnahmen wie Schläge, Isolationshaft, absichtlich unzureichend bemessenes Essen, Folterungen an der Tagesordnung.

Über die ersten Tage schrieb Bobby: "Der plötzliche und totale Verlust von solch grundlegenden menschlichen Bedürfnissen wie Bewegung und frische Luft, Zusammenkunft mit anderen, meine eigenen Kleider und Dinge wie Zeitungen, Radio, Bücher und vieles andere machten mein Leben sehr schwierig."

1978 eskalierte der Protest der Gefangenen in einen Waschstreik, der 1980 - die Bedingungen hatten sich nicht verbessert - in einen ersten, erfolglosen Massenhungerstreik mündete. Ein zweiter Kettenhungerstreik wollte 1981 eine Entscheidung herbeiführen, die Anerkennung als politische Häftlinge durchsetzen. Bobby begann ihn am 1. März.

Im April wurde er bei einer Nachwahl in Fermanagh und South Tyrone als Kandidat der Anti-H-Block-Liste gar ins britische Unterhaus gewählt. Bobby Sands starb am 8. Mai nach 66 Tagen ohne Nahrung. Er hinterliess einen neunjährigen Sohn. An seinem Leichenzug nahmen über 100.000 Leute teil. Weitere neun Gefangene sollten im Hungerstreik sterben. Die britische Regierung gab sich unbeeindruckt. Mehrere Solidarische wurden draussen an Demos von Polizei und Militär ermordet. Die Guerillas weiteten ihre Angriffe auf Knastwärter, Polizei und Militär aus. Schliesslich setzten Angehörige den Abbruch des Streiks durch. Kurze Zeit später gaben die Knastbehörden den wichtigsten Forderungen stillschweigend nach.

Der Hungerstreik von 1981 war ein entscheidendes Moment im Kampf des irischen Widerstands. Die Artikel, Gedichte und Briefe von Bobby Sands funktionierten dabei als Katalysator, sie berichteten eindrücklich vom Horror in den HBlocks wie von der Entschlossenheit der Gefangenen, dagegen zu anzukämpfen. Seit einigen Jahren wird der Hungerstreik in der Bewegung kritisch diskutiert. Kernpunkt bildet die Darstellung ehemaliger Gefangener, die damalige Führung der Provisional IRA habe den Streik aufgrund wahltaktischer Manöver unnötig verlängert. Die Debatte wird im Zusammenhang mit der Politik von Sinn Féin geführt, die sich nicht zuletzt dadurch auszeichnet, mit teilweise grotesker Geschichtsklitterung den derzeitigen Parteikurs zu legitimieren.

AG Victory to the prisoners!, Mai 2011

Kritische Aufarbeitung des Hungerstreiks von 1981, mit vielen Dokumenten: www.longkesh.info

Informationen zu aktuellen Gefangenenkämpfen in Nordirland: republicanprisonersmaghaberry.com, www.republicannetwork.ie (unter Cogús POWs), irpwa.blogspot.com

Aktuelle Presseartikel zu Nordirland: saoirse32.blogsome.com


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International

Aktuelle Repression in Russland

In Russland stehen Ende des Jahres Parlamentswahlen an. Im folgenden Jahr die Präsidentschaftswahlen. Seit der aktuellen Weltwirtschaftskrise, von der auch Russland betroffen ist, sinkt die Popularität von Putin und Medwedjew. Die Regierungspartei "Einiges Russland", die faktisch einen Machtmonopol im Parlament inne hat, zeigt immer schlechtere Resultate in den Regionalwahlen.

Viele Menschen in Russland sind müde der Korruption, Willkür und Verachtung seitens extrem reich und dreist gewordenen Politiker, Beamten, Sicherheitsdienste, Polizei und den in Verbindung stehenden Geschäftsleuten.

Immer häufiger protestiert die Bevölkerung gegen die herrschenden Zustände.

Um diese Proteste und die politischen Zusammenhänge klein zu halten, unternimmt die Regierung vielerlei Schritte.

Ein Beispiel ist die ständige Änderung des Gesetzes zu "Extremismus" seit Anfang 2000. Der "Extremismus"-Artikel 282 wurde durch die Formulierung "Anheizen gegen sozialer Gruppe" erweitert. Dies bedeutet praktisch, dass sich jegliche politische oder kritische Tätigkeit zu einer Straftat umkehren lässt, da sich "soziale Gruppe" willkürlich auslegen lässt (Polizei, Beamte, Nationalisten).

2008 wurde eine neue Abteilung der Polizei "Zentrum für Bekämpfung des Extremismus" (Zentrum "E") gegründet. Die Abteilung ist für Folter, Fälschungen und Zusammenarbeit mit extremen Rechten bekannt. Diese Abteilung ist zur Zeit für die häufigsten Fälle von Repression gegen politischen Aktivist_innen verantwortlich.

Die größte Repressionswelle in den letzten Jahren gegen linke und antifaschistische Aktivist_innen fand um den Kampf zur Erhaltung des Chimki Waldes statt. Für den Bau einer neuen Autobahn zwischen Moskau und Sankt Petersburg soll ein Großteil des Waldes abgeholzt werden. Dieser Wald ist Moskaus "grüne Lunge". Die zunächst ökologisch begründeten Proteste wurden schnell zu einem Politikum.

Im Sommer 2010 fanden Aktionen von Aktivist_innen vor allem aus anarchistischen und antifaschistischen Spektrum in der Stadt Chimki statt. Dies erregte zunächst die Aufmerksamkeit der Medien. Jedoch folgte schnell die Reaktion des Staates mit der Verhaftung von Alexej Gaskarov und Maxim Solopov.

Sie wurden als Rädelsführer der Aktionen in U-Haft genommen. Ihnen wird "Organisation von Massenunruhestiftung" vorgeworfen.

Mehrere Hunderte Aktivist_innen wurden vom Zentrum "E" (siehe oben) verhört. Von Verschleppung und Folter wurde von Aktivist_innen ebenso berichtet. Einige haben das Land verlassen.

In den folgenden Monaten konnte eine breite internationale Solidaritätskampagne auf die Beine gestellt werden. Es gab weltweit hunderte Aktionen gegen die Repression, auch in Deutschland.

Maxim und Alexej wurden nun aus der U-Haft entlassen. Jedoch droht ihnen immer noch bis zu sieben Jahre Haft.

Im März 2011, als der Prozess gegen Maxim und Alexejin in Moskau beginnen sollte, wurde in der Ukraine Denis Solopov, der ältere Bruder von Maxim, festgenommen. 2010 wurde er ebenfalls von der Polizei gesucht, wegen der Teilnahme an den Protesten von Chimki, er konnte das Land rechtzeitig vor seiner Verhaftung verlassen. Denis erhielt vom UNHCR (Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen) in Kiew die Anerkennung als Mandatsflüchtling. Derzeit wartet er im Gefängnis auf einen Entscheid über seine Abschiebung nach Russland.

Weitere Repression ereigneten sich in diesem Jahr in der Stadt Barnaul. Die Polizei stürmte ohne Durchsuchungsbefehl am 2. Februar 2011 die Wohnungen von zwei Anarchisten. Sie wurden brutal festgenommen und auf die Polizeiwache gebracht.

Am 14. Februar wurde ein weiterer Anarchist in seiner Wohnung festgenommen. Anlass dazu war eine harmlose Graffiti-Aktion.

Den drei Anarchisten droht nun wegen des "Extremismus"-Gesetzes bis zu sieben Jahre Haft, da sie ein Werbeplakat zu einer politischen Satire umgestaltet haben. Es wird "Durch politisch motivierten Hass in der Gruppe begangenen Hooliganismus" ihnen vorgeworfen. Die Aktivisten sind dringend auf finanzielle Unterstützung der Rechtsanwälte und vor allem breite Öffentlichkeit hingewiesen.

In März wurde in der Stadt Tjumen der Anarchist Andrej Kutuzov zu zwei Jahre auf Bewährung verurteilt, weil er auf einer Kundgebung Flugblätter verteilt haben soll. Ihm wird vorgeworfen, gegen der Sozialgruppe der Polizei gehetzt zu haben. Ein unabhängiges Gutachten konnte feststellen, dass das Flugblatt gefälscht wurde. Der Staatsanwalt wollte eine Haftstrafe verhängen. Nur durch massive Öffentlichkeitsarbeit konnte dies verhindert werden.

Es wird immer wieder von willkürlichen Verhaftungen, Hausdurchsuchungen, Folterandrohungen, Erpressung und Aufbau von sozialen Druck durch die Polizei aus dem Zentrum "E" gegen politische Aktivist_innen berichtet.

In Metropolen, wie Moskau oder Sankt-Petersburg, wo es viel einfacher ist die Öffentlichkeit zu schaffen und gute Anwält_innen zu finden, sind die Repressionsorgane etwas vorsichtiger. In Regionen sieht es aber anders aus. Und es ist schon jetzt zu beobachten, dass viele Aktivist_innen den Druck nicht aushalten können und in die Metropolen flüchten. Deswegen ist es besonders wichtig, dessen Kämpfe zu unterstützen. red.

Weitere Infos unter:
www.khimkibattle.org
www.avtonom.org/en
www.19jan.ru

"Soligruppe für russische Antifa"


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Kurzmeldungen international

Spanien: Nach dem Vorbild der Demokratiebewegungen in Nordafrika haben auch in Spanien Zehntausende Menschen zentrale Plätze in über 60 Städten besetzt. Die Besetzung des Plaza Catalunya in Barcelona, der im Zusammenhang mit der Bewegung "Democracia Real YA - Wahre Demokratie jetzt" seit dem 15. Mai besetzt ist, wurde am 27. Mai von der Polizei mit Schlagstöcken und Pfefferspray angegriffen und versucht zu räumen. Mindestens 14 BesetzerInnen wurden dabei verletzt. Bei Redaktionsschluss dauerten die Auseinandersetzungen noch an. (red.)

Israel: Der militärische Geheimdienst Israels wird in Zukunft verstärkt linke Organisationen weltweit bespitzeln. Zu diesem Zweck wurde bereits Ende März von der militärischen Aufklärung eine eigene Abteilung geschaffen. Es sollen vorrangig Organisationen ausgeforscht werden, denen "Delegitimierung" Israels vorgeworfen wird. Darunter fallen insbesondere solche, die nach Meinung der israelischen Militärs Israels Existenzrecht in Zweifel stellen, aber auch die nächste Gaza-Hilfsflotte und Gruppen, die versuchen führende Militärs wegen Kriegsverbrechen vor Gericht zu bringen. (red.)

Österreich: Nach fast 100 Prozesstagen endete der §278a-Prozess wegen dem Vorwurf der Bildung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation gegen die 13 Angeklagten mit Freisprüchen in allen Punkten. Die Staatsanwaltschaft hat angekündigt, in Berufung zu gehen, damit ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Der Prozess, der am 02. März 2010 begann, wurde durch über 100 Belastungszeugen der Staatsanwaltschaft zu einem langen Verfahren, die Anwaltskosten beliefen sich bereits nach einem halben Jahr auf über 300.000 EUR. (red.)

Griechenland: In Griechenland kommt es unter Polizeischutz immer häufiger zu faschistischen Angriffen und Gewaltexzessen gegen Linke und MigrantInnen. Am 11. Mai hielten sich faschistische Schläger in Athen auf und verletzten mindestens 15 MigrantInnen, von denen die meisten ins Krankenhaus gebracht werden mussten. In den Morgenstunden des 12. Mai wurde ein 21-jähriger Migrant aus Bangladesch von Faschisten erstochen. (red.)


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CCC liberté!

Der Klassenkrieg ist eine Konfrontation, wo die Existenz einer der beiden Seiten vom Tod der anderen abhängt. In dieser Situation ist die radikalste Gewalt der Unterdrückten gegen die Bourgeoisie der Ausdruck der größten Menschlichkeit, die Gewalt der Söldner des Kapitals gegen die Unterdrückten ist der Ausdruck der größten Bestialität, der Barbarei.
(Cellules Communistes Combattantes - CCC)


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radio flora - hannover web-radio

"Wieviel sind hinter Gittern, die wir draußen brauchen!"
Politische Gefangene Sendung zu Repression und Widerstand
Freundeskreis Lokal-Radio e.V.
Zur Bettfederfabrik 3, 30451 Hannover

Jeden ersten Dienstag im Monat von 18 bis 19 Uhr.
Zu empfangen per Livestream über: www.radioflora.de


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IMPRESSUM

Gefangenen Info
Juni, Nr. 362

Das Gefangenen Info ist aus dem Angehörigen Info hervorgegangen, welches im Hungerstreik der politischen Gefangenen 1989 entstand.

HerausgeberInnen:
Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen und FreundInnen

V.i.S.d.P.:
Wolfgang Lettow c/o Gefangenen Info,
c/o Soziales Zentrum, Alexander-Puschkin-Str. 20, 39108 Magdeburg

Nichtredaktionelle Texte spiegeln nicht unbedingt die
Meinung der Redaktion wider. Beiträge der Redaktion
sind entsprechend gekennzeichnet.

Redaktionsanschrift:
Gefangenen Info, c/o Soziales Zentrum,
Alexander-Puschkin-Str. 20, 39108 Magdeburg
E-Mail Redaktion: redaktion@gefangenen.info
E-Mail Vertrieb: vertrieb@gefangenen.info
Internet: www.gefangenen.info

Bestellungen (Inland): Einzelpreis: 2 Euro. Ein Jahresabonnement kostet 25,20 Euro (Förderabo 28,00 Euro), Buchläden, Infoläden und sonstige Weiterverkäufer erhalten bei Bestellungen ab 3 Stück 30% Rabatt. Bei Bestellungen erhalten Sie eine Rechnung, die anschließend auf das Konto des Gefangenen Info zu überweisen ist.

Bestellungen (Ausland): Einzelpreis: 2,70 Euro. Ein Jahresabonnement kostet 28,40 Euro (Förderabo 31,20 Euro), Buchläden, Infoläden und sonstige Weiterverkäufer erhalten bei Bestellungen ab 3 Stück 30% Rabatt. Bei Bestellungen erhalten Sie eine Rechnung, die anschließend auf das Konto des Gefangenen Info zu überweisen ist.

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Gefangenen Info
Konto-Nr.10382200
Bankleitzahl: 20010020
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Eigentumsvorbehalt: Nach diesem Eigentumsvorbehalt ist die Zeitung solange Eigentum der/des AbsenderIn, bis es den Gefangenen ausgehändigt worden ist. "Zur-Habe-Nahme" ist keine Aushändigung im Sinne des Vorbehalts. Wird das Info den Gefangenen nicht persönlich ausgehändigt, ist es der/dem AbsenderIn mit dem Grund der Nichtaushändigung zurückzuschicken.


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Quelle:
Gefangenen Info Nr. 362, Juni 2011
Redaktionsanschrift: Gefangenen Info, c/o Soziales Zentrum,
Alexander-Puschkin-Str. 20, 39108 Magdeburg
E-Mail: redaktion@gefangenen.info
Internet: www.gefangenen.info


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. August 2011