Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

GEGENWIND/424: Albor - ein Theaterprojekt aus Bolivien


Gegenwind Nr. 261 - Juni 2010
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

Kiel
Albor - ein Theaterprojekt aus Bolivien

Von Margit Waschull


Während eines Bolivien-Aufenthalts lernten Mitglieder des Kieler Vereins Kiel CREARtiv 2006 das Theaterprojekt Albor kennen. Die Kieler Theaterleute, die sich in ihrer Heimat in Schulprojekten und Projekten für benachteiligte Jugendliche engagieren, waren fasziniert vom Können und vom Einsatz ihrer bolivianischen Kollegen. Spontan entstand eine Freundschaft, die sich im Laufe der Zeit weiter vertieft hat. Im Mai 2010 waren jetzt vier Mitglieder von Albor zu Gast in Kiel.


Das Projekt Albor wurde im Jahre 2004 in Santa Cruz von Jugendlichen selbst gegründet und wird bis heute von ihnen autonom geleitet. Mauricio, einer der Initiatoren, besucht während seines Studiums eine Schauspielschule und nimmt an Marionetten- und Pantomime-Workshops teil. Seine neue Leidenschaft teilt er mit anderen Jugendlichen und bald gründen sie eine Gruppe, die für und mit Gleichaltrigen spielt. Sie haben regen Zulauf und die Gruppe wird schnell größer. Ihre Themen kommen direkt von der Straße, mitten aus dem Leben der Menschen. Das macht sie schnell überall bekannt. Sie reisen über die Dörfer, spielen für und mit Indios und anderen an den Rand der Gesellschaft gedrängten Gruppen. Ihre Themen brennen den Menschen unter den Nägeln, es geht um ihre Rechte, das Leben der Jugendlichen, um Aids und seit einiger Zeit um Umweltverschmutzung. An vielen Orten, an denen Albor gespielt hat, sind spontan neue Theatergruppen entstanden. Angesprochen auf ihre Intensionen, wollen sie sich jedoch nicht als politisches Theater verstehen, sondern als Künstler, die zeigen wollen, dass in jedem Menschen ein künstlerischer Kern steckt. Dass jeder mit Hilfe der Kunst an seinem Leben etwas ändern kann, es in eine andere Richtung führen kann.

Der Umweltschutz verbindet die Mitglieder von Albor auch mit den Projekten von Kiel CREARtiv. Auch die Jugendlichen in Kiel, in den Schulen und in der Forum Theatergruppe arbeiten zu diesem Thema.

Albor hat ein Stück mitgebracht, das sie in Kieler Schulen zeigen. Ihre laute, schrille Performance mit Musik und großer Gestik reißt die Schüler schnell mit. Obwohl sie kaum ein Wort verstehen, können sie doch dem Inhalt folgen und steigen prompt mit ein. Schon nach wenigen Sätzen antworten sie den Schauspielern mit 'si, no, hola, adios', klatschen und tanzen.

Bei diesem eindrucksvollen Auftritt lässt sich erahnen, wie die Menschen in Bolivien auf das Theater reagieren, das Schauspieler und Puppen nebeneinander agieren lässt, Figuren aus der Mythologie aufgreift und auch mal neue Götter dazu erfindet. Ganz besonders angetan sind die Kieler Schüler von Grasura, dem Gott des Mülls, der furchterregend über die Bühne poltert. Dieser neue Gott wird natürlich mit Hilfe der jungen Zuschauer von einem heldenhaften Jungen erfolgreich in die Schranken verwiesen.

In gemeinsamen Workshops wird jeden Nachmittag mit der Forum Theatergruppe an einem gemeinsamen Stück mit Albor gearbeitet. Das Training ist sehr intensiv, dauert über anderthalb Wochen mehrere Stunden täglich. Am letzten Tag der Workshops wird das Erarbeitete spontan in der Kieler Innenstadt als Straßentheater aufgeführt. Grell geschminkt, teils ganz in schwarz, teils in bunten Fantasiekostümen erregen die jungen Schauspieler mit ihrer Pantomime die Aufmerksamkeit der Passanten. Viele bleiben stehen, etliche machen Fotos. Das Szenen über Abholzung, Wasser- und Luftverschmutzung werden verstanden. Spontaner Applaus. Freude und auch etwas Verlegenheit bei den jungen Kieler Schauspielern, die nicht daran gewöhnt sind. Doch auch hier wirkt der Albor-Virus. Noch nach Ende des einstudierten Programms, während einige bereits die Sachen einräumen, beginnen die Jugendlichen spontan mit den Passanten zu spielen.

Beide Gruppen, Albor in Bolivien und die Forum Theatergruppe in Kiel, werden die Arbeit an dem Stück fortführen, es fertigstellen und dann vor Publikum aufführen. Eine spannende Zeit geht zu Ende - doch nicht so ganz, die Kontakte bleiben bestehen und werden bestimmt zu weiteren gemeinsamen Projekten führen.


Und auch in diesem Fall gilt: Engagement ist toll, aber ohne Geld geht fast gar nichts. Spenden sind jederzeit willkommen!

Bankverbindung: Förde Sparkasse
BLZ: 210 501 70
Konto: 148 000 805

Kontakt und weitere Infos:
www.crear-in-kiel.de


*


Quelle:
Gegenwind Nr. 261 - Juni 2010, Seite 44-45
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
Schweffelstr. 6, 24118 Kiel
Redaktion: Tel.: 0431/56 58 99, Fax: 0431/570 98 82
E-Mail: redaktion@gegenwind.info
Internet: www.gegenwind.info

Der "Gegenwind" erscheint zwölfmal jährlich.
Einzelheft: 3,00 Euro, Jahres-Abo: 33,00 Euro.
Solidaritätsabonnement: 46,20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juni 2010