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GEGENWIND/482: Das Trojanische Pferd der Energiekonzerne - CCS


Gegenwind Nr. 274 - Juli 2011
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

Das Trojanische Pferd der Energiekonzerne: CCS

Von Julia Nüß


Ein gutes CCS-Gesetz schließt die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid im Untergrund des ganzen Bundesgebietes aus. Ein gutes CCS-Gesetz verbietet die Erprobung und Anwendung von CCS überall in Deutschland. Das leuchtet jedem ein, der sich fünf Minuten mit dem Thema CCS beschäftigt.


CCS (Carbon Capture Storage) ist die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid in tiefen unterirdischen Gesteinsschichten. Die CCS-Technologie hat, keine Vorteile. Aber dafür viele Nachteile. Und diese sind vielschichtiger Art. Die erste Frage, die man sich unweigerlich stellt, ist doch:

Warum sollte der Mensch einmal mehr in die Natur eingreifen?

Diese Frage können nur die Energiekonzerne beantworten. Denn die profitieren von CCS. Denn unbestrittener Fakt ist: Kohleverstromung ist klimaschädlich. Kohlekraft ist unter den fossilen Energieträgern der Rohstoff mit dem höchsten Kohlestoffanteil. Steinkohlekraftwerke stoßen doppelt so viel und Braunkohlekraftwerke fast dreimal so viel Klimagase aus wie vergleichbare Gaswerke. In Schleswig-Holstein lag im Jahre 2007 der Anteil von Stein- und Braunkohle am Gesamtaufkommen der Primärenergieträger bei 7,0 Prozent. Im Vergleich dazu lag der Anteil der erneuerbaren Energien bei nur 6,4 Prozent.

Kohlekraftwerke bergen also neben der Schädigung des Klimas durch den hohen CO2-Ausstoß nun eine weitere Gefahr: neue geplante Kohlekraftwerke (z.B. in Brunsbüttel) sollen CCS-ready gebaut werden. Das bedeutet, dass der Kraftwerksneubau für nachträgliche Installationen zur Abscheidung und Verpressung von CO2 vorbereitet ist. Damit soll dann die von der Bundesregierung für 2020 angestrebte Minderung des nationalen Kohlendioxid Ausstoßes um 40 Prozent gegenüber 1990 erreicht wird. Kohlekraftwerke sind damit ein Einfallstor für CCS.

Ein Einfallstor für eine unerforschte Technologie, die noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium steckt, deren Wirtschaftlichkeit und Sicherheit nicht bewiesen ist. Selbst wenn man dies voraussetzte, hat CCS den Nachteil, dass die geologischen Formationen ja auch nur einen geringen Speicherplatz bieten, insgesamt 22 Milliarden Tonnen. Dann geht es nicht weiter. Das einzige, was dann erreicht wäre: noch ein ungelöstes Endlagerproblem. Und dann ist CCS auch noch teuer. Es müsste Geld in die Forschung und in die Umsetzung investiert werden. Die Stromgestehungskosten würden sich verdoppeln. Möglicherweise 2030 wäre CCS dann verfügbar. Dass aber in ca. 20 Jahren die erneuerbaren Energien mit hoher Wahrscheinlichkeit schon viel preiswerter sein werden, daran zweifelt kaum jemand. Und warum dann nicht gleich in die Erneuerbaren investieren als in das Fortkommen fossiler Energien, die den Ausbau der Erneuerbaren auch noch behindern?

Hinzu kommt, dass CCS alles andere als eine energiesparende Technologie ist. Es ist kein Geheimnis, dass durch CO2-Abscheidung der Wirkungsgrad der Kohlekraftwerke bis zu einem Drittel im Vergleich zu Kohlekraftwerken ohne CCS fällt. Daraus würde vermehrter Kohleeinsatz folgen.

Das wäre aber alles egal, und zwar spätestens in dem Moment, in dem Mensch, Tier und Natur von CCS bedroht würden. CCS ist eine ökologisch risikoreiche Technologie. Dieser Meinung ist auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen. Eine Voraussage über das Verhalten von Gasen unter der Erde kann kaum und damit auch ohne Restrisiko nicht getroffen werden. Sind Leckagen gefahrenlos? Wollen wir unser Trinkwasserreservoir vergiften lassen und damit minimieren? Macht CCS vor den Grenzen der Bundesländer halt? Nein.

Wir wollen doch Energie, die nachhaltig erzeugt wird. Energie, die von allen genutzt werden kann, ohne Menschen zu benachteiligen, auch nicht nachfolgenden Generationen. Wie ernst ist es den Protagonisten mit der Energiewende wirklich? Während die Energiekonzerne sich beim Thema Energie doch gerne von CDU und FDP vertreten sahen, ist es in Schleswig-Holstein scheinbar anders. Es scheint so, weil Schwarz-Gelb sich schon im Koalitionsvertrag gegen die Abscheidung und unterirdische Speicherung von Kohlendioxid ausgesprochen hatte. Die Umsetzung lässt allerdings zu wünschen übrig. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Die Landesregierung, allen voran Ministerpräsident Carstensen und Wirtschaftsminister de Jager, feierten die sogenannte Länderklausel in dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung medienwirksam als ihren Erfolg. In dem Wissen, dass eben diese Länderklausel auch große, ungelöste Probleme aufwirft. Tatsächliche und rechtliche Probleme.

Denn ein konsequenter Ausschluss in dem gesamten Gebiet eines einzelnen Bundeslandes stellte sich von vorneherein als problematisch dar. DIE LINKE im Schleswig-Holsteinischen Landtag bewertete die Länderklausel von Beginn an als unzureichend und forderte im Plenum ein bundesweites Verbot des Einsatzes der CCS-Technologie. Denn genau diese Möglichkeit wird dem Gesetzgeber von der bestehenden EU-Richtlinie zu CCS an die Hand gegeben.

Die politischen Gegner wiesen diese Forderung u.a. mit dem Argument zurück, dass man damit den Föderalismus ignoriere. CCS kennt den Föderalismus aber nicht. Das dürfte uns allen klar sein. Auch auf Bundesebene hat die Fraktion DIE LINKE im Bundestag mit dem Entwurf eines Gesetzes zum Verbot der Speicherung von Kohlendioxid in den Untergrund des Hoheitsgebietes der Bundesrepublik Deutschland (CO2-Speicher-Verbotsgesetz-CSpVG) ein bundesweites CCS-Verbot gefordert und einer Länderklausel eine Absage erteilt. Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung, ein Antrag von CDU/CSU und FDP auf Schaffung einer umfassenden Datenbasis für die Nutzungsmöglichkeit des Untergrundes und der Gesetzesentwurf der LINKEN gehen jetzt in die Ausschüsse. Wer es ernst meint mit der Energiewende, sehen wir dann...


Julia Nüß
Mitarbeiterin der Fraktion DIE LINKE im Schleswig-Holsteinischen Landtag


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Quelle:
Gegenwind Nr. 274 - Juli 2011, Seite 49-50
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. August 2011