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GEGENWIND/672: Gegen das Freihandelsabkommen CETA - Volksinitiative in Schleswig-Holstein


Gegenwind Nr. 334 - Juli 2016
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein

Gegen das Freihandelsabkommen CETA
Volksinitiative in Schleswig-Holstein

Von Andreas Meyer


Am 7. Juni haben sich Vertreter_innen von Umweltschutzverbänden, Gewerkschaften, der GRÜNEN und der LINKEN auf Initiative von MEHR DEMOKRATIE e.V. und STOP TTIP/KieI getroffen und beschlossen, in Schleswig-Holstein eine Volksinitiative gegen das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada "CETA" (= Comprehensive Economic and Trade Agreement) auf den Weg zu bringen.

Was spricht gegen CETA?
Schutz von Investitionen und Profiterwartungen durch Sonderrechte.

Wie bei dem Freihandelsabkommen TTIP haben auch bei CETA private Firmen durch sog. Investor-Staats-Schiedsgerichte (ISDS) das Privileg, außerhalb ordentlicher Gerichtsverfahren Staaten vor privaten Schiedsgerichten zu Schadensersatz zu verklagen. Diese Klagen können Regulierungen im Bereich der Gesundheit, der Umwelt und andere Schutzstandards betreffen, die aus Sicht der Investoren ihre Investitionsinteressen und Gewinnerwartungen unzulässig einschränken. Aus dieser Möglichkeit ergibt sich ein ungeheurer Druck auf die staatliche Gesetzgebung. In Bezug auf das Freihandelsabkommen NAFTA zwischen Kanada, den USA und Mexiko, das ebenfalls Schiedsgerichte enthält, wird ein kanadischer Regierungsbeamter mit folgenden Worten zitiert: "Bei beinahe jeder neuen umweltpolitischen Maßnahme gab es von Kanzleien aus New York und Washington Briefe an die kanadische Regierung Nahezu jede neue Initiative wurde ins Visier genommen und die meisten haben nie das Licht der Welt erblickt." (zitiert in: Roman Huber/Mehr Demokratie: Argumente gegen CETA/TTIP).

Auch wenn auf Druck der Protestbewegungen die herkömmlichen privaten Schiedsgerichte durch eine Art öffentliche Gerichtsverfahren ersetzt werden sollen, ändert das an dem außerordentlichen Klagerecht nichts, und es bleibt weiterhin eine Paralleljustiz außerhalb der normalen staatlichen Rechtsprechung. Ein Grund, aus dem heraus sich auch der Deutsche Richterbund gegen dieses Verfahren wendet.

Verhandlungen in Hinterzimmern und Umgehung nationaler Parlamente

Ähnlich wie TTIP ist CETA von den Vertretern der EU-Kommission und der kanadischen Regierung weitgehend geheim verhandelt worden. Nach Abschluss der Verhandlungen kann der ausgehandelte Vertrag nur ganz oder gar nicht ratifiziert werden. Veränderungen sind nicht mehr möglich.

Im Juli wird dem deutschen Parlament erstmals die deutsche Übersetzung von CETA vorliegen. Dabei ist nicht einmal klar, ob und in welchem Ausmaß die nationalen Parlamente überhaupt gefragt werden. Die EU Kommission wird dem EU-Rat ebenfalls im Juli ein Ratifizierungsverfahren vorschlagen. Vermutlich wird es dabei darum gehen, CETA weitestgehend in den Kompetenzbereich der EU anzusiedeln, um so für den Kernbereich des Vertrages "leidige" Ratifizierung durch nationale Parlamente zu umgehen.

Doch damit nicht genug. Unabhängig von der Frage, ob und wie die nationalen Parlamente einbezogen werden, wollen der Rat der EU und die Kommission beschließen, CETA zu großen Teilen vorläufig für drei Jahre in Kraft zu setzen.

In dieser Zeit gilt auch das Schiedsgerichtsverfahren, und die Entscheidung von Schiedsgerichten innerhalb dieser "vorläufigen" Vertragsdauer sind endgültig.

Erschwerend kommt bei diesem Vertragswerk hinzu, dass es faktisch nicht kündbar ist. Denn eine Vertragskündigung kann nur erfolgen, wenn ihr alle 28 EU Staaten einstimmig zustimmen. Darüber hinaus ist in einer sog. "Zombieklausel" (Kapitel 34) vorgesehen, dass für den unwahrscheinlichen Fall einer Auflösung von CETA die Klagerechte von Investoren noch 20 Jahre erhalten bleiben.

Unter dem schönen Titel "living agreement" soll CETA ständig der Entwicklung in Handel und Wandel angepasst werden. Dabei wird ein "Regulierungsrat" aus nicht gewählten Bürokraten der europäischen Kommission und der kanadischen Regierung in Beratung und in Abstimmung mit den wichtigsten wirtschaftlichen Lobby-Verbänden Gesetzesvorhaben im EU-Raum oder in Kanada danach prüfen, ob sie Handelsinteressen beeinträchtigen können. Darüber hinaus soll dieser Rat Anregungen zu einer den Handelsinteressen dienenden Gesetzgebung geben. Abgesehen davon, dass dieses Verfahren Konzernlobbys Tor und Tür und Tür öffnet, bedeutet das auch, dass heute niemand weiß, wohin sich CETA nach einer Ratifizierung als "living agreement" entwickeln wird. Aus den bisherigen Erfahrungen lässt sich jedoch mit Sicherheit schließen, dass diese Weiterentwicklung nicht transparent sein wird und möglichst an den nationalen Parlamenten vorbei erfolgen wird.

Ist die "Aufregung" um CETA erst einmal abgeflaut, kann der Vertrag step by step durch den Regulierungsrat möglichst unterhalb der Schwelle von Parlamentsbeschlüssen im Interesse einflussreicher Wirtschaftsverbände "nachgebessert" werden.

Privatisierungsschub für die öffentliche Daseinsvorsorge

Nach CETA gilt ein "Liberalisierungsgebot" oder besser Privatisierungsgebot für alle Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge außer denen, die in einer Liste im Anhang des Vertrages ausgeschlossen werden. Damit beschleunigt CETA die bereits vorhandene starke Tendenz zur Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge und eröffnet dem Zwang zu Privatisierungen und Deregulierungen einen großen Raum. Darüber hinaus ist vorgesehen, dass nach Sogenannte "Stillstandsklauseln" einmal deregulierte und privatisierte Bereiche nicht mehr zurückgenommen werden dürfen. Das heißt zum Beispiel, dass in diesen Bereichen zukünftig Rekommunalisierungen unmöglich sind.

Gefährdung der bäuerlichen Landwirtschaft

Die bäuerliche und artgerechte Landwirtschaft ist durch die Entwicklung zur Agrarindustrie mit ständig wachsenden Einheiten und Preisdumpings schon seit Jahrzehnten sehr gefährdet. Diese Tendenz würde sich durch CETA weiter verschärfen, da durch Zollsenkungen die Märkte für landwirtschaftliche Produkte weiter geöffnet würden.

Das erhöht zusätzlich die Konkurrenz und den Druck, möglichst billig zu produzieren.

Abbau von Standards im Verbraucher und Umweltschutz

Auch CETA ersetzt das in der EU geltende "Vorsorgeprinzip", bei dem ein Produkt erst auf dem Markt kommen darf, wenn seine Unschädlichkeit nachgewiesen ist, durch ein Sogenanntes "wissenschaftsbasiertes" Verfahren. Danach können Produkte und Technologien, die potenziell gefährlich sind, erst verboten werden, wenn ihre Schädlichkeit. "wissenschaftlich zweifelsfrei" nachgewiesen ist. Über diesen Weg könntet zum Beispiel auch der Gentechnik die Tür geöffnet werden.

CETA als Türöffner für US-Konzerne

Viele US-amerikanische Konzerne haben in Kanada Tochterunternehmen. Mit einem Sitz in Kanada erhielten sie mit. CETA gegenüber europäischen Staaten auch ein Klagerecht im Rahmen des Investor-Staatsschiedsverfahrens.

Falls das Freihandelsabkommen TTIP zwischen den USA und der EU scheitern sollte, könnten US Konzerne via Tochter in Kanada europäische Staaten bei Bedarf auf Schadensersatz verklagen.

Fazit

Es gibt gute Gründe, CETA abzulehnen. CETA führt wie TTIP zu einem weiteren Demokratieabbau und zu einer Beschränkung der nationalen Parlamente zugunsten bürokratischer Institutionen. (z.B. Ratifizierungsverfahren, Schiedsgerichte, Regulationsrat, "living agreements")

Diese, Kritik ist natürlich nicht mit dem grundsätzlichen Vertrauen auf nationale Parlamente verbunden, sondern sie drückt aus, dass Demokratie durch diese Abkommen institutionell noch weiter erschwert wird.

Darüber hinaus lässt sich bei üblichen Freihandelsabkommen feststellen, dass es grundsätzlich darum geht, den Handel möglichst weitgehend von Schutzzöllen, Gesetzen, Normen und Mindeststandards zu befreien. An einem derart "befreiten Handel" sind in erster Linie die Unternehmen interessiert, die durch bessere Marktzugänge, durch die Absenkung von Standards im Verbraucherschutz und durch die Deregulierung von Arbeitnehmerrechten die Erhöhung ihrer Profite und ihrer Marktmacht erwarten.

Dabei bleiben die Umwelt, der Verbraucherschutz und Arbeitnehmerrechte in der Regel auf der Strecke.

Welches, Ziel hat eine Volksinitiative gegen CETA in Schleswig Holstein und wie funktioniert sie!

Das Ziel der Volksinitiative ist es, die Landesregierung dazu aufzufordern, bei einer Ratifizierung von CETA im Bundesrat gegen dieses Abkommen zu stimmen. Allerdings ist auch eine erfolgreiche Initiative für die Landesregierung nicht bindend. Lehnt sie die Initiative ab, was bei den derzeitigen Kräfteverhältnissen im Landtag. nicht zu erwarten ist, kann es in einem weiteren Verfahren zu einer Volksabstimmung kommen, deren Ergebnis für die Landesregierung bindend ist. Die geplante Volksinitiative, für die mindestens 20.000 Unterschriften notwendig sind, ist in erster Linie eine politische Kampagne gegen CETA. Sie dient der Aufklärung und der Mobilisierung des Widerstands gegen dieses zutiefst undemokratische Abkommen.

Die Volksinitiative in SH wird ein.gebettet in eine bundesweite Kampagne gegen CETA.

In Nordrhein Westfalen und Baden-Württemberg sind zeitgleich entsprechende Initiativen geplant. Der Start der drei Initiativen ist am 17.9. anlässlich der Großdemonstrationen gegen TTIP und CETA vorgesehen, die in sieben Großstädten stattfinden werden. In Bayern wurde eine Volksinitiative gegen CETA bereits gestartet. Darüber hinaus werden mindestens nach dem vorläufigen Inkraftsetzen von CETA zwei Verfassungsklagen erfolgen.

In Schleswig-Holstein ist die notwendige Sammlung von 25.000 Unterschriften (inkl. Puffer) innerhalb von drei Monaten ab September geplant; Damit zieht sich die Kampagne in den beginnenden Landtagswahlkampf und kann die Parteien unter Druck setzen, sich zu CETA zu positionieren.

Eine Volksinitiative ist kein Selbstläufer, sie braucht breite Unterstützung

Wie bereits aus dem Wort hervorgeht, ist eine Volksinitiative auf eine breite Unterstützung angewiesen. Sie beschränkt sich nicht auf das Leisten von Unterschriften, obwohl das auch sehr gut ist. Eine Volksinitiative muss von möglichst vielen Menschen und Organisationen getragen werden, die bereit sind, sich einzumischen.

Das bedeutet auch, Unterschriften zu sammeln, Info-Tische zu besetzen; Flyer zu verteilen, Veranstaltungen und Demos zu planen und die PR-Arbeit zu organisieren.

Dabei kann sich natürlich jede und jeder mit seinen Interessen und Fähigkeiten einbringen. Das Treffen am 7. Juni, bei dem sich insgesamt 15 Organisationen bereit erklärten, eine Volksinitiative in Schleswig-Holstein zu starten, war ein hoffnungsvoller Anfang. Natürlich ist es notwendig, diesen Kreis und das Potenzial noch landesweit zu erweitern, und natürlich sind dabei nicht nur Organisationen, sondern alle Menschen willkommen, die TTIP und CETA stoppen wollen. Das gilt allerdings nicht für Menschen mit einem nationalistischen und ausländerfeindlichen Weltbild.

Das nächste Treffen zur Vorbereitung des Volksinitiative in Schleswig-Holstein findet am Dienstag, den 19. Juli in der Landesgeschäftsstelle der GRÜNEN in Kiel, Haßstr. 3-5 statt. Dazu sind alle Organisationen und "Einzelkämpfer_innen" eingeladen, die sich an diesem Projekt beteiligen wollen.

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Quelle:
Gegenwind Nr. 334 - Juli 2016, Seite 8 - 11
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. August 2016

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