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GEGENWIND/726: Wenn Kieler Matrosen auf Chinafahrt gehen


Gegenwind Nr. 347 - August 2017
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein

Ausstellung
Wenn Kieler Matrosen auf Chinafahrt gehen
Koloniale Bilder und Souvenirs der kaiserlichen Marine im Bestand des Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseums

von Günther Stamer


Noch bis zum 3. September kann man im Kieler Stadtmuseum Warleberger Hof einen kleinen Einblick in ein Kapitel der deutschen Kolonialgeschichte nehmen, die auch aufs Engste mit dem Reichskriegshafen Kiel und ihren Matrosen verbunden ist.


Zum ersten Mal wurde 1859 ein Geschwader der preußischen Marine in das "faszinierende Reich der Mitte", nach China, entsandt. Schon zehn Jahre später wurde dort eine ostasiatische Schiffsstation als eigener Versorgungsstützpunkt auf chinesischem Boden errichtet. Unter Kaiser Wilhelm II. wurde die chinesische Kiautschou-Bucht 1897 dann zu einem deutschen "Schutzgebiet" erklärt und wurde Bestandteil der staatlich organisierten Kolonialpolitik des deutschen Kaiserreichs.

Die mit dem Begriff "Schutzgebiete" bezeichneten Kolonien waren Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia); Togoland (heute Togo); Kamerun; Deutsch-Ostafrika (heute Tansania und Burundi); Nord-Neuguinea, die Salomon-Inseln, Nauru, Mariannen-Inseln, Karolinen, Palau, Samoa - und eben Kiautschou/Tsingtau (heute Volksrepublik China) von 1897-1919.

Diese Gebiete galten nicht als Teil des Deutschen Reichs; die Bewohner konnten sich demnach nicht auf dessen Verfassungs- und Rechtsgarantien berufen.

In der Ausstellung im Kieler Stadtmuseum kann man an Hand von Fotos, Tagebuchaufzeichnungen und Devotionalien sehen, was die Kieler "Chinafahrer" des Kreuzergeschwaders unter dem Befehl des Kaiserbruders Prinz Heinrich von Preußen aus Kiautschou in den Reichskriegshafen Kiel als Erinnerungsstücke zurück brachten. Dazu gehören u.a. Seidenstickbilder, Porzellangefäße - vor allem aber viele Kolonialfotografien. Dabei wird dem Betrachter der Ausstellungsstücke vor Augen geführt, dass sich auch die einfachen Marinesoldaten durchaus als "Kolonialherren" aufzuführen wussten und wenig von proletarischem Internationalismus zu spüren war, wie dies der SPD-Vorsitzende August Bebel in seiner Rede im Reichstag 1889 gefordert hatte: "Im Grund genommen ist das Wesen aller Kolonialpolitik die Ausbeutung einer fremden Bevölkerung in der höchsten Potenz. Wo immer wir die Geschichte der Kolonialpolitik in den letzten drei Jahrhunderten aufschlagen, überall begegnen wir Gewalttätigkeiten und der Unterdrückung der betreffenden Völkerschaften."

In Kiautschou, dem "Deutschen Schutzgebiet" auf chinesischen Boden waren etwa 1.500 Mann der Kriegsmarine stationiert; dazu kamen mehrere Tausend deutsche Zivilisten, Familienangehörige, Laden- und Firmenbesitzer.

"The Germans to the front!"

Im Rahmen der Ausstellung kann man auch die Lithographie des Ölgemäldes des Schlachtenmalers Carl Röchling "The Germans to the front" (1905) sehen. Das Motiv zeigt ein Ereignis aus dem chinesischen Boxeraufstand. Der Geheimbund der Boxer, chinesisch Yi-he quan, kämpfte hauptsächlich gegen die Industrialisierung Chinas durch die europäischen imperialistischen Staaten. Nach der Ermordung eines deutschen Gesandten und der Besetzung des Gesandschaftsviertels in Peking kam es zu einem bewaffneten Eingreifen Großbritanniens, Frankreichs, Russlands, Italiens, Österreichs und Deutschlands. Dargestellt ist auf dem Gemälde der Moment, als die deutschen Soldaten an den vollkommen erschöpften Truppen des britischen Admirals Seymours vorbei zum Angriff übergeben. Der Einsatz der Deutschen wird später als Anerkennung "deutschen Soldatentums" glorifiziert. Die Besatzungen der kaiserlichen Flotte erhielten einen Kunstdruck des Gemäldes als Geschenk zu Weihnachten.

Kaiser Wilhelm II. hatte 1900 in seiner "Hunnenrede" in Bremerhaven ein mit Kieler Mannschaften verstärktes deutsches China-Kontingent mit folgenden Worten verabschiedet: "Kommt ihr vor den Feind, so wird derselbe geschlagen. Pardon wird nicht gegeben. Gefangene werden nicht gemacht. Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht haben, so möge der Name Deutscher in China auf tausend Jahre durch euch in einer Weise bestätigt werden, daß niemals wieder ein Chinese es wagt, einen Deutschen auch nur scheel anzusehen."


Die Ausstellung im Warleberger Hof in der Dänischen Straße 22 ist dienstags bis sonntags jeweils von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 4 Euro, ermäßigt ist es 1 Euro. Führungen finden sonntags um 11.30 und um 15.30 Uhr statt.

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Quelle:
Gegenwind Nr. 347 - August 2017, Seite 77 - 78
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
Schweffelstr. 6, 24118 Kiel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. August 2017

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