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GEGENWIND/777: Kiel braucht eine schlagkräftige kommunale Wohnungsgesellschaft


Gegenwind Nr. 362 - November 2018
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein & Hamburg

Kiel braucht eine schlagkräftige kommunale Wohnungsgesellschaft

vom Bündnis für Bezahlbaren Wohnraum


In Kiel gibt es einen eklatanten Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Das gilt besonders für geförderte Wohnungen. Der Anteil dieser Wohnungen an den gesamten Wohnungsbeständen der Stadt hat sich von 16% im Jahre 2005 um mehr als die Hälfte auf heutige 6% verringert. Auch in Zukunft fallen weitere tausende Sozialwohnungen aus der Mietpreisbindung und verschlechtern somit deutlich die Verhältnisse auf dem sozialen Wohnungsmarkt.

Die Zahl der Menschen ohne Wohnung hat sich seit 2012 dramatisch erhöht. Sie stieg nach Angaben des Sozialberichts der Stadt Kiel von 374 (2012) auf 2157 (2017). Der Fehlbestand von mehr als 10.000 Wohnungen führt zu ständigen Mietpreissteigerungen und zu einem erheblichen Mangel an bezahlbaren Wohnungen mit einer Kaltmiete von maximal 6 Euro.

Trotz der wachsenden Wohnungsnot beschränkte sich in Kiel die Wohnungsbautätigkeit der letzten 10 Jahre fast ausschließlich auf den Bau hochpreisiger Wohnquartiere, deren Mieten sich keine Kielerin oder Kieler mit einem Durchschnittseinkommen leisten kann. Für Sozialhilfeempfänger*innen stellt sich die Situation noch drastischer dar. Oftmals zahlt das Amt nur noch Wohnungen in Gaarden und Mettenhof und verschärft damit die soziale Segregagtion.

Vor dem Hintergrund dieser Verhältnisse und eines wachsenden öffentlichen Drucks ist die Forderung nach einer kommunalen Wohnungsgesellschaft letztlich auch im Rat der Stadt Kiel angekommen, nachdem man eine solche Gesellschaft (KWG) 1999 mit einem Bestand von rund 11.000 Wohnungen an private Gesellschaften verkauft hatte. Heute ist ein Großteil davon bei der vonovia SE gelandet.

Bei dem Aufbau einer neuen kommunalen Wohnungsgesellschaft ist die entscheidende Frage, welche sozialen, ökologischen und städtebaulichen Ziele mit ihr verfolgt werden und welche Organisationsform und Aufgaben sich für eine Gesellschaft daraus ergeben.

Notwendige Elemente für eine kommunale Wohnungsgesellschaft: in Kiel:

1. Eine Einheit von strategischer Planung und operativem Geschäft, die Planen, Bauen, Vermieten und Verwalten umfasst. Dazu ist der Aufbau einer diesen Aufgaben angemessenen Planungs- und Verwaltungseinheit notwendig. Um Einfluss auf die Entwicklung des Kieler Wohnungsmarktes in seiner Struktur und Preisentwicklung nehmen zu können, ist perspektivisch für eine solche Gesellschaft ein Bestand von mindestens 15.000 - 20.000 Wohnungen anzustreben. Die Wohnungsgesellschaft ist gemeinnützig, arbeitet kostendeckend und nicht gewinnorientiert.

2. Rechtsform: GmbH. Die GmbH ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung und eine juristische Person des Privatrechts. Das bedeutet einerseits, dass die Kommune nur mit dem in die GmbH eingebrachten Vermögen haftet, andererseits die Gesellschaft aber als juristische Privatperson rechtlich und betriebswirtschaftlich handeln kann. Daher wird von den meisten Wohnungsgesellschaften diese Rechtsform bevorzugt.

Die Stadt Kiel sollte in der GmbH alleiniger Gesellschaftseigner sein oder mindestens Mehrheitseigner bei der Einbeziehung anderer gemeinnütziger Anteilseigner (z.B. Wohnungsbaugenossenschaften)

3. Städtisches Bauland für Wohnungen muss künftig in der Hand der Kommune verbleiben. Das Bauland im städtischen Besitz wird der städtischen Wohnungsgesellschaft überschrieben (Eigenkapitalbildung). Darüber hinaus ist der Kauf von Böden zur Bodenbevorratung für künftige Baulanderschließungen durch die Gesellschaft notwendig.

4. Vorrangiger Bau und Kauf von geförderten Wohnungen (60% des angestrebten Bestands). Um möglichst schnell auf einen eigenen hohen Wohnungsbestand zu kommen, ist der Kauf von Wohnungen zu Beginn des Gesellschaftsaufbaus ein geeignetes Instrument.

5. Bau und Kauf von bezahlbaren Wohnungen in dem darüber liegenden Mietsegment mit einer Kaltmiete von maximal 6 Euro.

6. Vergabe städtischen Bodens in Erbpacht an Bauträger mit alternativen, sozialen und ökologischen Zielsetzungen z.B. an Genossenschaften und Baugruppen

7. Zielvorgabe für den Aufbau des Wohnungsbestands: 10.000 Wohneinheiten in 10 Jahren

8. Quartiersverbesserung durch die Verbesserung der baulichen und sozialen Infrastruktur

9. Modellprojekte zur Stadtentwicklung

10. Bewohnerbeteiligung (z.B. als Beiräte in der Wohnungsgesellschaft als Mieterräte in den Wohneinheiten )

Aufbau und Finanzierung einer kommunalen Wohnungsgesellschaft

In der Regel stehen kommunalen Wohnungsgesellschaften diese Finanzquellen zur Verfügung:

- Eigenmittel der Stadt: Eigener Boden, Bestand an Wohnungen, Haushaltsmittel

- Kreditaufnahme bei der KfW bzw. IB SH (Investitionsbank des Landes)

- Förderprogramme der KfW

- Fördermittel des Landes und des Bundes, Mittel aus der Städtebauförderung

- Mieteinnahmen

Natürlich kann eine solche Wohnungsgesellschaft als bedeutender Player auf dem Kieler Wohnungsmarkt nicht aus dem Stand entwickelt werden. Das ist ein mittelfristiger Prozess eines Bestands- und Verwaltungsaufbaus. Doch für die grundsätzliche Richtung werden schon bei der Gründung die entscheidenden strukturellen und strategischen Weichen gestellt.

Zum finanziellen Risiko für die Kommune

Neben der Haftungsbegrenzung verfügt eine GmbH über unternehmerische Handlungsmöglichkeiten, die Behörden juristisch nicht zustehen. Das gilt auch für die Kreditaufnahme. Kredite der GmbH werden nicht dem kommunalen Haushalt zugerechnet und unterliegen nicht dessen Schuldengrenzen. Dennoch kann eine Kommune Vermögen und Kapital verlieren, das sie in die eigene Wohnungsgesellschaft investiert hat, oder aber sie kann gezwungen sein, neues Kapital nachzuschießen, um eine Insolvenz zu verhindern.

In einer Untersuchung des Bundesinstituts für Bau, Stadt und Raumforschung haben 78% der von ihr untersuchten kommunalen Wohnungsgesellschaften Gewinne erzielt. Die Gewinne wurden von Zweidrittel dieser Gesellschaften wieder verwendet. Ein Drittel hat Gewinnanteile an die Kommune abgeführt. Die durchschnittliche Eigenkapitalquote lag bei 37% und die Rentabilität bei 2-4%. (Quelle: Bundesinstitut für Bau, Stadt und Raumforschung Untersuchung: Kommunale Wohnungsbestände in Deutschland. Untersuchung 2015)

Daraus ergibt sich, dass der weitaus überwiegende Teil der untersuchten kommunalen Wohnungsgesellschaften keine zusätzlichen Belastungen für die kommunalen Haushalte darstellt. Im Gegenteil, die meisten machten Gewinne und einige führten Gewinnanteile an die Kommunen ab. Doch selbst eine gemeinnützige Gesellschaft, die aus dem kommunalen Haushalt Zuschüsse bekommt, wäre auch rein rechnerisch vertretbar, um ausreichend sozialen und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Die Investition in einen kommunalen Wohnungsbestand ist im Bereich des geförderten und bezahlbaren Wohnraums faktisch eine Objektförderung. Diese Förderungsform ist der Subjektförderung durch Wohngeld oder der Erstattung der Unterkunftskosten vorzuziehen. Denn mit einer solchen Förderung werden letztlich private Wohnungsgesellschaften wie Vonovia aus öffentlichen Mitteln bezuschusst.

Bündnis für Bezahlbaren Wohnraum

www.bezahlbar-wohnen.org
kontakt@bezahlbar.wohnen.org


Literatur: Strategien der Kommunen für ihre kommunalen Wohnungsbestände. Untersuchung des Bundesministeriums für Verkehr-, Bau- und Stadtentwicklung 2010.

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Quelle:
Gegenwind Nr. 362 - November 2018, Seite 12 - 13
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
Schweffelstr. 6, 24118 Kiel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. November 2018

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