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GLEICHHEIT/2319: Deutsche Marine im Kampfeinsatz vor Somalia


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Herausgegeben vom Internationalen Kommitee der Vierten Internationale (IKVI)

Deutsche Marine im Kampfeinsatz vor Somalia

Von Marius Heuser
13. Januar 2009


Seit mehr als zwei Wochen befindet sich die Deutsche Marine nun in einem Kampfeinsatz am Golf von Anden, um die internationalen Seewege militärisch zu sichern.

Es handelt sich um "das robusteste Mandat" der Nachkriegsgeschichte, wie Verteidigungsminister Jung betonte, der eigens zur Verabschiedung der Fregatte "Karlsruhe", nach Dschibuti geflogen war. Es gehe nicht mehr um "Helfen, Schützen und Vermitteln" wie in früheren Einsätzen, sondern ausdrücklich ums Kämpfen, betonte Jung. Deutsche Soldaten können laut dem Mandat, das der Bundestag am 19. Dezember letzten Jahres in zweiter Lesung mit großer Mehrheit erteilt hat, feindliche Schiffe nicht nur angreifen, sondern auch versenken.

Die Entsendung der Fregatte "Karlsruhe" ist dabei nur der Anfang. Bei Bedarf kann die Fregatte "Mecklenburg Vorpommern" unmittelbar zur Unterstützung eingesetzt werden. Das Schiff ist zurzeit mit deutlich schwächerem Mandat im Rahmen der Operation "Enduring Freedom" unter Leitung der USA in der Region unterwegs. Insgesamt können nach dem bisherigen Beschluss bis zu 1.400 deutsche Soldaten am Golf von Aden eingesetzt werden.

Der Einsatz ist in die EU-Operation Atalanta eingebunden, die am 10. November 2008 vom Rat der Europäischen Union als Anti-Piraterie-Maßnahme beschlossen wurde. An der Operation sind fünf bis zehn Länder, darunter Frankreich und Großbritannien, beteiligt. Das Hauptquartier befindet sich bei London, mobile Kommandostellen vor Ort werden abwechselnd von Griechenland, Spanien und den Niederlanden gestellt.

Neben den europäischen Streitkräften befinden sich unter anderem auch russische, US-amerikanische, chinesische und iranische Einheiten im Einsatz am Golf von Anden.

Diese massive Konzentration von ausländischem Militär in der Region wurde durch die UN-Resolution 1816 vom 2. Juni 2008 ermöglicht. Diese hob die somalische Souveränität über das eigene Küstengebiet auf und erlaubte es jeder beliebigen Militärmacht der Welt, auch im Zwölf-Meilen-Gebiet vor der Küste Einheiten zusammenzuziehen und gegen mutmaßliche Piraten einzusetzen. Dies umfasst ausdrücklich auch den Luftraum.

Die Zahl der Piraten vor Somalias Küste hat in den letzten Jahren, nach dem von den USA unterstützten Einmarsch äthiopischer Truppen, deutlich zugenommen. Unterschiedliche Statistiken geben 100 bis 300 Piratenüberfälle mit 39 bis 200 gekaperten Schiffen an, bei 16.000 bis 30.000 Schiffen, die die Region jährlich passieren. Durch das Kapern von Schiffen wurden insgesamt etwa 50 Millionen Dollar Lösegeld erpresst.

Der gewaltige Militäreinsatz lässt sich allerdings nicht durch den Kampf gegen die Piraterie allein erklären. Gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise will keine Großmacht der Welt die Kontrolle dieser wichtigen Seestraße, über die ein Großteil des asiatisch-europäischen Handels verläuft, ihren Kontrahenten überlassen. Handelsrouten auf der See sind in ihrer geostrategischen Bedeutung mit den heftig umkämpften Öl- und Gaspipelines vergleichbar. Allein Deutschland erhält 56 Prozent seiner Rohölimporte über den Seeweg. Der deutsche Außenhandel wird zu einem hohen Maße über See abgewickelt.

Unter dem Banner des Kampfes gegen die Piraterie beginnen hier internationale Auseinandersetzungen um Handelsrouten und Seewege, die in heftige militärische Auseinandersetzungen münden können.

Schon bei der Besetzung des Irak und Afghanistans hatte der angebliche Kampf gegen kriminelle Taten - in diesen Fällen gegen Terroranschläge - zur Rechtfertigung imperialistischer Politik gedient. Die Bundesregierung selbst stellt nun einen engen Zusammenhang zwischen dem "Krieg gegen den Terror" und dem Anti-Piraterie-Einsatz her.

So sind der Atalanta-Einsatz und die Anti-Terror-Operation "Enduring Freedom" eng miteinander verzahnt, wie das Beispiel der Fregatte "Mecklenburg Vorpommern" zeigt. Und in einem Sicherheitsstrategiepapier der CDU/CSU Fraktion vom 6. Mai letzten Jahres heißt es: "Die zunehmende Verbreitung der Organisierten Kriminalität in schwachen Staaten macht die Bedrohung des Terrorismus noch ernster. Aus den Erlösen krimineller Aktivitäten, vor allem aus Drogenhandel, aber auch dem illegalen Handel mit Waffen, Menschen, Geldwäsche oder Piraterie, werden Kriegshandlungen, Extremismus und Terrorismus finanziert."

Birgit Homburger von der FDP sprach den Zusammenhang noch deutlicher aus, als sie im Bundestag erklärte: "Grenzüberschreitender internationaler Terrorismus ist von Piraterie und organisierter Kriminalität oft nicht mehr zu unterscheiden". Sie verlangte die Zusammenlegung von Atalanta und Endurig Freedom.

Auch die wirtschaftlichen Interessen, die hinter dem Einsatz der Bundesmarine stehen, wurden im Bundestag offen vorgetragen. Standen bei früheren Debatten über Bundeswehreinsätze humanitäre oder zumindest sicherheitspolitische Argumente im Vordergrund, lag der Schwerpunkt der Debatte diesmal auf der Wahrnehmung "deutscher Interessen".

So erklärte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) am 17. Dezember: "Atalanta soll auch die Sicherheit der zivilen Schifffahrt in der Region verbessern. Daran haben auch wir Deutsche ein Interesse. Durch den Golf von Aden verläuft nämlich - Sie wissen das - der Hauptstrang der Handelsströme zwischen Europa und Asien: 20.000 Schiffe jährlich mit dieser Destination. Viele davon gehören deutschen Reedereien oder transportieren Fracht aus oder für Deutschland."

Auch Verteidigungsminister Jung (CDU) beschwor deutsche Interessen, als er die Abgeordneten mit der Begründung: "Wir sind Exportweltmeister", bat, durch die Unterstützung des Mandats einen "Beitrag zur Wiederherstellung der Seesicherheit und zur Gewährleistung eines freien Seehandels" zu leisten.

Seine Parteifreundin Dorothee Bär konkretisiert diesen Punkt: "Bedroht ist nicht nur der Golf von Aden, bedroht ist auch die Freiheit des Welthandels. Die wichtigste Handelsroute zwischen Europa, Arabischer Halbinsel und Asien führt durch das Seegebiet vor Somalia. Zahlreiche deutsche Exportwaren erreichen auf den Schiffen der Reedereien ihr Ziel über die Gewässer vor dem Horn von Afrika. Wir als Exportnation haben ein vitales Interesse daran, Überfälle auf den zivilen Schiffsverkehr zu verhindern oder jedenfalls einzudämmen. Das gilt für uns in Deutschland; das gilt aber auch für Gesamteuropa."

Die FDP warf der Regierung Untätigkeit vor. Man hätte die Piraterie schon viel früher bekämpfen müssen, erklärte etwa Birgit Homburger. "Mit diesem Verhalten haben sie die deutsche Marine ziemlich blamiert." Außerdem warb sie für ein härteres Vorgehen gegen die Piraten: "Es geht nicht nur darum, Piraten zu verjagen, sondern es geht auch darum, Piraten zu jagen", sagte sie.

Diese militaristische Sprache und die Offenheit, mit der die Parteien den massiven Kampfeinsatz im Interesse der deutschen Wirtschaft befürworten, zeigt, wie fortgeschritten die imperialistischen Ambitionen der herrschenden Elite in Deutschland sind. Sie ist nicht länger bereit, bei der Durchsetzung ihrer Interessen Rücksicht auf die verbreitete Ablehnung von Militarismus und Krieg zu nehmen.

Dass die Parteien im Bundestag derart schamlos auftreten können, hat auch damit zu tun, dass keine von ihnen eine prinzipielle Position gegen Kriegseinsätze verteidigt. Die Linkspartei hat zwar als einzige Fraktion gegen den Antrag der Regierung gestimmt, ein gewaltsames Vorgehen gegen die Piraterie am Golf von Aden aber ausdrücklich befürwortet.

Der Linkspartei-Abgeordnete Norman Paech machte das gleich zu Beginn seiner Rede klar: "Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Die Linke ist für die Sicherheit der See- und Handelswege und hält den Schutz vor Piraterie für absolut notwendig und unverzichtbar." Paech hält eine Marine-Mission lediglich für den falschen Ansatz. Er will die Bundespolizei nach Somalia schicken.

Das bekräftigt auch sein Fraktionskollege Paul Schäfer: "Die Linke befürwortet den raschen Aufbau einer internationalen Küstenwache unter Führung der UNO in enger Abstimmung mit der Afrikanischen Union. Deutschland sollte sich mit den Mitteln der Bundespolizei beteiligen und finanzielle Unterstützung leisten."

Während die Fraktion der Linkspartei im Bundestag "bessere Ansätze" präsentiert, die internationalen See- und Handelswege zu schützen, baut die Bundesregierung die Bundeswehr zu einer internationalen Interventionsarmee um, die überall auf der Welt die geostrategischen Interessen Deutschlands gegen seine Rivalen durchsetzen soll.

Bereits die 1992 verabschiedeten Verteidigungspolitischen Richtlinien zählten die "Förderung und Absicherung weltweiter politischer, wirtschaftlicher, militärischer und ökologischer Stabilität" sowie die "Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des Zugangs zu strategischen Rohstoffen" zu den offiziellen Aufgaben der Bundeswehr.

Die rot-grüne Regierung verschärfte diesen Kurs und führte die Bundeswehr in zahlreiche Kriegseinsätze. 2003 wurde dies in einer Neuauflage der Verteidigungspolitischen Richtlinien festgeschrieben. Darin wird das potentielle Einsatzgebiet für die Bundeswehr auf den gesamten Erdball erweitert und die von der US-Regierung entwickelte Militärdoktrin der Einschüchterung und präventiven Kriegsführung auch zur Richtschnur für die deutsche Verteidigungspolitik gemacht.

Bei der Umstrukturierung der Bundeswehr zu einer aggressiven Interventionstruppe ist der Ausbau der Marine ein entscheidender Faktor. Der Anteil der Marine an der Bundeswehr wurde seit der Wiedervereinigung systematisch erhöht. Betrug er 1990 noch 7,5 Prozent, sind nun 10 Prozent anvisiert. Bei den Rüstungsausgaben steigt der Anteil der Marine noch deutlich stärker.

Als das Deutsche Reich 1898 damit begann, die eigene Hochseeflotte aufzubauen, leitete dies das deutsch-englische Wettrüsten ein, das direkt in den ersten Weltkrieg mündete. 1928 bereitete der Bau des ersten Panzerschiffes unter SPD-Kanzler Hermann Müller die deutsche Aufrüstung und schließlich die Ablehnung der Versailler Bestimmung zur Rüstungsbeschränkung vor. Für die globalen militärischen Ambitionen einer Großmacht spielt die Marine eine entscheidende Rolle.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 13.01.2009
Deutsche Marine im Kampfeinsatz vor Somalia
http://wsws.org/de/2008/jan2009/pira-j13.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Januar 2009