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GLEICHHEIT/2404: USA planen militärische Intervention in Sri Lanka


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale (IKVI)

USA planen militärische Intervention in Sri Lanka

Von Wije Dias
5. März 2009
aus dem Englischen (4. März 2009)


Die Sunday Times in Sri Lanka hat Pläne für eine amerikanisch geführte Militärmission in der Kriegszone im Norden Sri Lankas aufgedeckt. Der Vorwand soll die Evakuierung von Zivilisten sein, die dort zwischen den Fronten festsitzen, während die Armee heftige Kämpfe gegen die separatistischen Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) führt.

Der Zeitung zufolge soll die Mission von einer Marine-Expeditionsbrigade unter dem Kommando des US Pacific Command (PACOM) ausgeführt werden. Auch die Navy und die Air Force sollen beteiligt werden. In ihrem ersten Artikel vom 22. Februar berichtete die Zeitung, ein hochrangiges PACOM-Team sei in Colombo gewesen, um die Operation vorzubereiten.

Die Obama-Regierung und das amerikanische Militär haben keine öffentliche Ankündigung gemacht, aber der Außenminister Sri Lankas, Rohitha Bogollagama, sagte der Sunday Times, er sei über die beabsichtigte "humanitäre Task-Force" unter Führung der USA informiert. Vergangenes Wochenende sagte der Außenminister der Zeitung, auch Frankreich habe angeboten, sich an der Evakuierung von Zivilisten zu beteiligen. Indien, das ursprünglich eine eigene Evakuierung angeboten hatte, erklärte vergangene Woche seine Bereitschaft, eine gemeinsame Operation zu unterstützen.

Regierung und LTTE haben sich bisher nicht auf eine Evakuierungsaktion einigen können. Beide Seiten missbrauchen die in der Falle festsitzenden Zivilisten zu politischen Zwecken. Die Armee versucht, alle Zivilisten aus den noch von der LTTE gehaltenen Gebieten zu vertreiben, um dort alles in Schutt und Asche legen zu können. Die LTTE, die mit dem Rücken zur Wand steht, fordert einen Waffenstillstand und Gespräche, bevor sie die Zivilisten gehen lassen will. Das weist die Regierung zurück, die eine totale, bedingungslose Kapitulation verlangt.

Die Sunday Times schrieb, die Operation der USA könne auch ohne die Zustimmung der LTTE vonstatten gehen - ein provokativer Schritt, der zu Zusammenstößen zwischen US-Marines und Guerillas führen könnte. "Die Sunday Times hat erfahren, dass die Regierung sich gezwungen sehen könnte, die humanitäre Operation auch gegen den Widerstand der LTTE zu erlauben, wenn diese sich weiterhin querstelle", schrieb die Zeitung.

Die UNO und das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) schätzen, dass bis zu 200.000 tamilische Zivilisten im LTTE-Gebiet festsitzen. Das von der LTTE kontrollierte Gebiet ist mittlerweile auf 50 Quadratkilometer geschrumpft. Hunderte Menschen sind durch den Beschuss der Armee schon getötet oder verwundet worden. Das Militär lässt nur bestimmte Mengen Nahrungsmittel passieren. LTTE-Kämpfer schießen auf fliehende Zivilisten, und wem es gelingt, die Front zu durchqueren, der wird in Sammellagern eingepfercht.

Internationale Mitglieder der Leitungsgruppe der Geberländer - die USA, EU, Japan und Norwegen - die den gescheiterten Friedensprozess in Sri Lanka begleitet haben, äußern sich besorgt über diese humanitäre Katastrophe. Ihr Unbehagen hat allerdings nichts mit ehrlicher Sorge über das Schicksal der Flüchtlinge zu tun, sondern wird von der Furcht bestimmt, dass ein Blutbad im Norden Sri Lankas die gesamte Region stark destabilisieren werde.

Die Heuchelei der so genannten Ko-Vorsitzenden wird durch ihre stillschweigende Unterstützung des srilankischen Präsidenten Mahinda Rajapakse entlarvt. Dieser nahm Mitte 2006 den Krieg unter offener Verletzung des Waffenstillstands von 2002 wieder auf. Tausende Zivilisten sind seitdem schon getötet worden. Hunderttausende wurden aus ihren Häusern vertrieben und leben in schmutzigen Flüchtlingslagern. Vom Militär unterstützte Todeskommandos töten straflos Tausende Menschen - junge Tamilen, Oppositionspolitiker, Journalisten und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen. Das war den Kontrolleuren des "Friedensprozesses" bisher kaum eine hochgezogene Augenbraue wert.

Die "humanitäre Mission" unter Führung der USA geht in Wirklichkeit mit der Taktik des srilankischen Militärs konform, das Zivilisten mit Artillerie- und Luftbombardements terrorisiert, um sie aus LTTE-Gebieten zu vertreiben und diese in Todeszonen zu verwandeln. Die Armee hat diese Methode in den vergangenen zwei Jahren mehrfach bei der Eroberung von LTTE-Hochburgen im Osten und Norden der Insel angewandt.

Aber die USA haben in Sri Lanka ihre eigene strategische Agenda. Die Bush-Regierung unterstützte Rajapakses "Krieg gegen den Terror" als Weg, einen Konflikt zu beenden, der einen destabilisierenden Einfluss auf Südasien, besonders aber auf Indien ausübte, das immer mehr zu Washingtons wichtigstem strategischen und Wirtschaftspartner in der Region wurde. Der 25-jährige Konflikt war nicht die Folge des Terrorismus der LTTE, sondern von Jahrzehnten staatlicher Diskriminierung der tamilischen Minderheit auf der Insel.

Nach den Siegen der Armee über die LTTE Ende letzten Jahres setzten die USA, Indien und die europäischen Mächte die Rajapakse-Regierung immer heftiger unter Druck und verlangten, eine "politische Lösung" für ein Ende des Krieges müsse gefunden werden. Damit waren nicht Gespräche mit der LTTE gemeint, die Washington ausdrücklich ausgeschlossen hatte, sondern vielmehr ein Kompromiss zwischen der singhalesischen und der tamilischen Elite des Landes. Es wird befürchtet, dass die schwärenden kommunalen Spannungen, die zu dem Krieg geführt hatten, ohne eine solche Vereinbarung nur in anderer Form erneut ausbrechen werden.

Der Außenpolitische Ausschuss des US-Senats kam vergangene Woche zusammen, um dieses Problem zu diskutieren. Ex-US-Botschafter in Sri Lanka, Jeffrey Lunstead, sagte aus, die jetzigen Entscheidungen der srilankischen Regierung würden die Richtung bestimmen, die auf der Insel für die nächsten Jahrzehnte eingeschlagen werde. "Es kann passieren, dass sie [die Regierung] ihre zivile tamilische Bevölkerung nicht anständig behandelt, keine wirklichen politischen Reformen einführt und weiter zulässt, dass die Menschenrechte verletzt und abweichende Meinungen verfolgt werden. Wenn das der Fall sein sollte, dann werden die Unruhen weitergehen, Gewalt wird mit Sicherheit wieder auftreten und die viel versprechende Zukunft, die schon greifbar erschien, wird wieder in ferner Zukunft liegen", warnte er.

Lunstead forderte die USA auf, "eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Zukunft Sri Lankas zu spielen". Obwohl Lunstead die ernste Finanzkrise Sri Lankas infolge riesiger Militärausgaben, zu der jetzt noch die globale Wirtschaftsrezession kommt, bestens kennt, ermahnte er internationale Geber, sie müssten darauf bestehen, "Finanzhilfen von strengen Bedingungen abhängig zu machen". Nach der Erläuterung seiner "Reformvorstellungen" zur Behebung der kommunalen Spannungen schloss er: "Ohne Veränderungen ist ein Wiederaufleben der ethnischen Gewalt unausweichlich."

Aber Lunsteads Vorstellungen von einem Ende der offiziellen Diskriminierung der Tamilen und von einem Machtteilungsabkommen zwischen der singhalesischen und der tamilischen Elite ist genau das, was die Regierungen in Colombo nie schaffen konnten oder wollten. Seit der Unabhängigkeit von 1948 stützte sich die srilankische Bourgeoisie auf singhalesischen Suprematismus, um die Arbeiterklasse zu spalten und ihre Herrschaft zu stützen. Die jüngsten militärischen Siege haben nur die reaktionärsten Teile des politischen Establishments in Colombo gestärkt, die jedes Zugeständnis an die Tamilen als Verrat an der singhalesisch-buddhistischen Nation betrachten.

In diesem Zusammenhang wäre eine beträchtliche amerikanische Truppenpräsenz im Norden der Insel ein starkes politisches Druckmittel, um die Weichen nach dem Krieg in Colombo im Sinne von Washingtons strategischen Interessen zu beeinflussen. Lunstead sprach nicht von einer militärischen Intervention, aber er betonte, dass ein Vorgehen der USA "in enger Zusammenarbeit mit Indien" stattfinden müsse. Indien hat Sri Lanka immer als seine Einflusssphäre betrachtet. Die USA befürchten, dass wachsende politische Unruhe unter den Tamilen in Südindien über den Krieg in Sri Lanka die indische Regierung destabilisieren und die amerikanisch-indische strategische Partnerschaft beeinträchtigen könnte.

Sorge um Indien ist nicht das einzige Motiv für ein militärisches Eingreifen der USA in Sri Lanka. Seit Jahren versucht das Pentagon, sich auf der Insel zu etablieren, um eine Basis für Operationen in Südasien und im Indischen Ozean zu haben. Der Tiefwasserhafen Trincomalee an der Ostküste, knapp südlich der Gegend, in der die gegenwärtigen Kämpfe stattfinden, wird schon lange als strategische Perle gesehen. Diese Feststellung traf schon 2002 ein PACOM-Team, das sich damals einen Überblick über Sri Lanka verschaffte. Nach dem verheerenden Tsunami von 2004 schickten die USA ein Marine-Bataillon in den Süden von Sri Lanka, was einen wichtigen Präzedenzfall für die aktuellen "humanitären" Pläne darstellte.

Die langfristige geopolitische Bedeutung des Indischen Ozeans und damit Sri Lankas wird von einem Artikel in der jüngsten Ausgabe des amerikanischen Magazins Foreign Affairs unterstrichen. Er trägt den Titel: "Bühne frei für das 21. Jahrhundert: Machtspiele im Indischen Ozean". Der erfahrene Journalist Robert Kaplan identifizierte drei miteinander verbundene geopolitische Herausforderungen, mit denen die USA in Asien konfrontiert sind: "Der strategische Alptraum des Nahen und Mittleren Ostens, der Kampf um Einfluss am Südrand der ehemaligen Sowjetunion und die zunehmende Präsenz Indiens und Chinas im Indischen Ozean."

Der Artikel betonte die wachsende Seemacht Chinas und Indiens im Indischen Ozean, die Bedeutung der Handelswege, die durch den Ozean führen, die strategische Bedeutung der angrenzenden energiereichen Regionen des Mittleren Ostens und Zentralasiens und die Gefahr des relativen Niedergangs der USA in der Region. Zu Sri Lanka schrieb er: "Während die Aussicht auf ethnischen Krieg US-Admirale immer abgeschreckt hat, einen Stützpunkt in Sri Lanka ernsthaft in Betracht zu ziehen, das strategisch am Übergang des Arabischen Meers in den Golf von Bengalen liegt, bauen die Chinesen dort eine Tankstation für ihre Kriegsschiffe."

Die strategische Bedeutung des Indischen Ozeans ist zweifellos ein wichtiger Grund für eine militärische Intervention auf der Insel. Die geringste Überlegung hinter einer militärischen Operation in Sri Lanka wäre das Los der tamilischen Zivilisten, die im Norden festsitzen. Wie die Invasionen im Irak und in Afghanistan, die zu Katastrophen für das irakische und das afghanische Volk geführt haben, würde auch eine Intervention in Sri Lanka nur den strategischen und wirtschaftlichen Interessen des US-Imperialismus dienen. Sie muss daher von der Arbeiterklasse in Sri Lanka, Südasien und international abgelehnt werden.

Siehe auch:
Der Weg vorwärts für die Arbeiterklasse Südasiens
(14. Februar 2009)

Unabhängigkeitsfeiern in Sri Lanka: Ein Polizeistaat
im Entstehen (5. Februar 2009)


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Quelle:
World Socialist Web Site, 05.03.2009
USA planen militärische Intervention in Sri Lanka
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. März 2009