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GLEICHHEIT/2414: Sudans Präsident Baschir wegen Kriegsverbrechen angeklagt


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale (IKVI)

Sudans Präsident Baschir wegen Kriegsverbrechen angeklagt

Von Tom Eley
11. März 2009
aus dem Englischen (10. März 2009)


Am 4. März erließ der Internationale Strafgerichtshof (ICC) einen Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten Omar Hassan al-Baschir unter dem Vorwurf der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und anderer Kriegsverbrechen. Die Vorwürfe beziehen sich auf den Konflikt in der sudanesischen Region Darfur, in dem den Vereinten Nationen zufolge bis zu 300.000 Menschen umgekommen und 2,5 Millionen zu Flüchtlingen geworden sind.

Baschir ist der erste amtierende Staatschef, der vor dem ICC angeklagt werden soll, seit das Gericht 2002 seine Arbeit aufnahm.

Zweifellos trägt Baschir Mitverantwortung für die Katastrophe in Darfur, aber die Vorwürfe des ICC können nicht als rechtmäßige Durchsetzung internationalen Rechts akzeptiert werden. Die Anklage ist vielmehr die jüngste in einer Reihe von Verfahren wegen Kriegsverbrechen gegen Führer ehemaliger Kolonialländer oder kleinerer kapitalistischer Staaten, die mit den westlichen Großmächten über Kreuz geraten sind. Sie ist ein weiterer Beleg dafür, dass die Vereinigten Staaten und andere imperialistische Mächte solche Verfahren wegen Kriegsverbrechen als Vehikel imperialistischer Politik in Regionen von strategischer Bedeutung nutzen.

Seit den Nürnberger Prozessen gegen die Nazi-Führer des besiegten Deutschland sind keine führenden Politiker einer imperialistischen Großmacht mehr wegen Kriegsverbrechen zur Verantwortung gezogen worden. Seit der Gründung des ICC sind Verfahren wegen Kriegsverbrechen nur gegen afrikanische militärische und politische Führer eröffnet worden.

Der berüchtigtste Kriegsverbrecherprozess der jüngeren Zeit war die Anklage gegen den jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic vor dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien. Diese Anklage wurde im Mai 1999 erstellt, während die Nato unter Führung der USA einen Luftkrieg gegen Serbien führte, das Land verwüstete und schließlich zu einer von den USA orchestrierten "Revolution" und zu Milosevics Sturz und Verhaftung führte.

Die humanitäre Katastrophe in Darfur ist das Ergebnis langjähriger politischer Spannungen im Sudan und am Horn von Afrika, einer Gegend von großer strategischer Bedeutung für die Großmächte. Sudan verfügt im Süden seines Landes über beträchtliche Ölvorkommen. Das Regime in Khartum führte dort einen zwanzigjährigen Bürgerkrieg gegen separatistische Rebellen, der 2005 mit einem Waffenstillstand beigelegt wurde. Sudan ist das flächenmäßig größte Land Afrikas und hat gemeinsame Grenzen mit zehn anderen Staaten. Es grenzt an das Rote Meer gegenüber von Saudi-Arabien. Das Rote Meer ist eine entscheidende Seefahrtsroute vom Mittelmeer zum Indischen Ozean.

Der Vorwurf von Kriegsverbrechen steht im Kontext eines verstärkten Wettlaufs der USA und anderer imperialistischer und aufsteigender Mächte um die Vorherrschaft über den afrikanischen Kontinent. Dabei geht es besonders um die Teile Afrikas mit wichtigen Energievorräten. Der Sudan ist in den letzten Jahren in den Focus der Rivalität um Einfluss zwischen den USA und China geraten.

China ist der größte Abnehmer von Öl aus dem Sudan. Im Gegenzug liefert es wichtige militärische Güter an den Sudan, tätigt umfangreiche Investitionen und verteidigt die sudanesische Regierung in der Uno. Die Vereinigten Staaten haben 2008 einen Kommandostab der US-Armee für Afrika, den AFRICOM, gebildet. Sie reagierten damit auf den wachsenden Einfluss Chinas und zunehmende Aktivitäten anderer imperialistischer Mächte wie Frankreich in Afrika.

Washington hat die Anklage gegen Baschir begrüßt. Die Botschafterin der USA bei den Vereinten Nationen, Susan Rice, erklärte: "Wer Gräueltaten und Völkermord im Sudan begangen hat, muss zur Verantwortung gezogen werden." US-Außenministerin Hillary Clinton sagte: "Regierungen und Personen, die Gräueltaten jedweder Art wie im Sudan entweder begangen oder gebilligt haben, müssen zur Verantwortung gezogen werden."

Was für eine Heuchelei!

Erstens erkennen die USA die Zuständigkeit des ICC für ihre eigenen Soldaten und Politiker nicht an und berufen sich dabei auf ihr angeblich einseitiges und unbeschränktes Recht, militärisch überall und zu jeder Zeit zu intervenieren, wo und wann sie das für richtig halten. Bei der Abstimmung 1998 in der UN über die Gründung des ICC waren die USA unter der Clinton-Regierung neben Libyen, China, Irak, Israel, Katar und dem Jemen das einzige Land, das mit Nein stimmte.

Die USA haben weit größere Kriegsverbrechen begangen als die Baschir-Regierung des Sudan. Seit der unprovozierten Invasion im Irak in 2003, die auf der Grundlage von Lügen und ohne UN-Deckung durchgeführt wurde, wurden mehr als 1,3 Millionen Iraker getötet und schätzungsweise fünf Millionen vertrieben. In ihrem "globalen Krieg gegen den Terror" haben die USA ganz offen Kriegsverbrechen wie Entführungen, Haft ohne Prozess und Folter begangen. Sie verüben regelmäßig Raketenangriffe auf zivile Ziele in Afghanistan und Pakistan. In Pakistan verletzen sie offen die territoriale Integrität des Landes.

Es gibt hinreichende Gründe, um Ex-Präsident George W. Bush und den ehemaligen britischen Premierminister Tony Blair wegen Kriegsverbrechen im Zusammenhang mit den im Irak angerichteten Zerstörungen anzuklagen. Als die Nazi-Führer nach dem Zweiten Weltkrieg vor Gericht gestellt wurden, wurden sie wegen "Verbrechen gegen den Frieden" verurteilt, und weil sie Aggressionskriege begonnen hatten. Das gleiche Verbrechen haben die Regierungen der USA und Großbritanniens gegen den Irak begangen.

Die USA erklärten die Politik des Präventivkrieges - eine direkte Verletzung internationalen Rechts und Rechtfertigung für den Beginn eines Aggressionskriegs - sogar zu einem Eckpfeiler ihrer Außenpolitik.

Die USA erheben keine Einwände gegen die zahllosen Menschenrechtsverletzungen und Morde, die von Regimes begangen werden, mit denen sie verbündet waren oder sind. Jede amerikanische Regierung, Republikaner und Demokraten gleichermaßen, hat systematisch jede UN-Resolution blockiert, die Israels Verbrechen gegen die Palästinenser kritisierte.

Vorwürfe wegen Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen sind in das Arsenal imperialistischer Kriegspropaganda eingegangen. Sie wurden in den 1990er Jahren benutzt, um die Interventionen der USA und Europas auf dem Balkan zu rechtfertigen, um Jugoslawien aufzubrechen und Serbien zu schwächen. Der Gipfel war schließlich der elfwöchige Luftkrieg der Nato.

In ähnlicher Weise wird die Tragödie in Darfur heute dazu benutzt, die öffentliche Meinung auf eine neue imperialistische Aggression einzustimmen. Die Forderung nach einer Intervention im Sudan wurde schon von verschiedenen Protestgruppen, Prominenten und Zeitungen aufgegriffen. Unabhängig von möglichen persönlichen Motiven besteht ihre Rolle darin, einen "humanitären" Deckmantel für die reaktionären Pläne des US-Imperialismus zu schaffen.

Es gibt zahlreiche Hinweise, dass die Obama-Regierung gegen den Sudan eine aggressivere Haltung einnimmt als die Bush-Regierung. In der Washington Post vom 5. März forderte der ehemalige Generalstabsvorsitzende der Air Force und Ko-Vorsitzende von Barack Obamas Wahlkampfteam, General Merrill McPeak, eine Flugverbotszone über dem Sudan. Er ließ durchblicken, dies könnte der erste Schritt zu Bombenangriffen sein. Bezug nehmend auf Jugoslawien in den 1990er Jahren schrieb er: "Schließlich sahen wir ein, dass kraftvolleres Eingreifen notwendig war, um den Konflikt zu beenden. Dieselbe Schlussfolgerung drängt sich jetzt für Darfur auf."

Siehe auch:
Geopolitische Interessen hinter der
Darfur-Intervention der Uno (15. August 2007)

Milosevic auf Betreiben der Vereinigten
Staaten verhaftet (7. April 2001)


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Quelle:
World Socialist Web Site, 11.03.2009
Sudans Präsident Baschir wegen Kriegsverbrechen angeklagt
http://wsws.org/de/2009/mar2009/bash-m11.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. März 2009