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GLEICHHEIT/2817: Philippinen - Politisches Massaker kündigt Gewalt im Wahlkampf an


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Philippinen: Politisches Massaker kündigt Gewalt im Wahlkampf an

Von Joseph Santolan
5. Dezember 2009
aus dem Englischen (1. Dezember 2009)


Am 23. November wurden 57 unbewaffnete Männer und Frauen ermordet, die sich in der Nähe von Shariff Aguak, der Provinzhauptstadt von Maguindanao im Süden der Philippinen auf der Reise befanden. Ihre Körper wurden ohne Gliedmaße in Massengräber geworfen. Dreißig der Opfer waren Journalisten, 22 von ihnen waren Frauen. Viele der Frauen wurden vergewaltigt und aus kurzer Entfernung wurde auf ihre Geschlechtsteile geschossen. Einige der Leichen wurden enthauptet und ihre Beine mit Kettensägen abgeschnitten. Sowohl in der philippinischen, wie in der internationalen Presse wurde voll Entsetzen und Empörung über die Anzahl der Opfer und die Brutalität des Verbrechens berichtet.

Die Ermordeten fielen dem Wahlkampf auf den Philippinen zum Opfer. Diese Gewaltorgien werden von den politisch mächtigen Familien im ganzen Land unbestraft begangen. Politische Kandidaten und ihre Familienmitglieder, Journalisten und Aktivisten werden routinemäßig während der Wahlkämpfe umgebracht, aber die nationale und die internationale Presse schweigt darüber. Wäre die Ermordung der 57 von Maguindanao in Gruppen von drei oder vier über einige Wochen verteilt worden, hätte niemand darüber berichtet.

Maguindanao ist die drittärmste Provinz der Philippinen. Sie liegt im Tal des Flusses Pulangi in dem vom Krieg verwüsteten Südwesten von Mindanao. Die Provinz wird seit langem von der Familie Ampatuan kontrolliert, die Hunderte von bewaffneten Schlägern beschäftigt, um ihre Machtposition aufrecht zu erhalten.

Ein rivalisierender Politiker aus der angrenzenden Provinz Sultan Kudarat, Pax Mangudadatu, gab im März diesen Jahres bekannt, dass seine Familie vorhabe, in Maguindanao einen Gegenkandidaten für das Amt des Gouverneurs aufzustellen. Das war seine Antwort auf das politische Eindringen der Ampatuans nach Sultan Kudarat. Damit begann ein Rido, das ist ein Feudalkrieg zwischen gegnerischen Familien. Um seine Kandidatur in Maguindanao anzumelden, muss man in die Hauptstadt Shariff Aguak fahren. Andal Ampatuan, der Bürgermeister der Stadt kündigte an, dass kein anderer Kandidat die Hauptstadt erreichen werde.

Esmael Mangudadatu, der als Provinzgouverneur kandidieren wollte, aber einen Anschlag fürchtete, wenn er selbst seine Kandidatur erklären würde, schickte stattdessen seine Frau und seine Schwestern. Er nahm an, dass ein Konvoi von weiblichen Familienmitgliedern in Begleitung von 30 Journalisten nicht angegriffen werden würde. Sie reisten in sechs Minibussen von der Stadt Buluan in die Provinzhauptstadt, um Mangudadatu als Kandidaten für die Wahlen im Mai 2010 registrieren zu lassen.

Der 23. November war der offizielle Beginn des Wahlverfahrens. Überall im Land registrierten sich die Kandidaten. Mitglieder der Familie Amapatuan bereiteten sich etliche Tage vorher auf den Konvoi von Mangudadatu vor. Sie nahmen Bagger der lokalen Behörden und gruben Löcher, die als Gräber für die Opfer dienen sollten. Sowohl niedere als auch höhere Polizeibeamte und Armeeoffiziere an Checkpoints entlang der Hauptstraße übersahen geflissentlich die Kundschafter und die Schlägertrupps der Ampatuans, die die Mangudadatus verfolgten.

Einhundert Bewaffnete lenkten den Konvoi um und begannen bei den vorbereiteten Gräbern mit den Exekutionen. Ein SMS-Notruf, den eines der Opfer heimlich von seinem Mobiltelefon aus losschickte, führte zum Eingreifen der Armee, bevor der Baggerführer die Beerdigung der Leichen und ihrer blutigen Körperteile vollenden konnte. Die bewaffneten Männer flohen und erschossen den Baggerführer, bevor sie verschwanden. Wenn sie eine Stunde mehr Zeit gehabt hätten, wäre der Konvoi einfach verschwunden gewesen. Die Ampatuans beabsichtigten, das Verschwinden moslemischen Separatisten aus der Gegend in die Schuhe zu schieben.

Da immer mehr Regierungsfunktionen privatisiert werden und die zentrale Staatsmacht immer schwächer wird, haben regionale Familiendynastien begonnen, das politische Leben der Philippinen zu dominieren. Sie versorgen die politische Elite in Manila mit Wählerstimmen, die sie en bloc aus ihren ländlichen Machtzentren liefern. Im Gegenzug erhalten sie diverse Arten von Zinsen, Handelsvergünstigungen, die Kontrolle über die Vergabe öffentlicher Ämter in ihren Regionen und Monopole für Bergbau, landwirtschaftliche Entwicklungsprojekte und im Fall von Maguindanao Konzessionen für den Holzeinschlag.

Die Ampatuans lieferten der gegenwärtigen Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo die Stimmen der Provinz Maguindanao für die Präsidentschaftswahlen von 2004. Arroyo wird überall im Land Wahlbetrug vorgeworfen. Die Ampatuans waren besonders aktive Beförderer ihrer Präsidentschaftskampagne. Durch eine Kombination von Einschüchterung und Betrügereien wurde die Wahl in Maguindanao zu ihren Gunsten gefälscht. 2007 führten sie das Gleiche für die Kongress- und Senatswahlen durch, wodurch die Kandidaten der Regierungspartei in Maguindanao ein Traumergebnis erreichten und alle zwölf Sitze erobern konnten.

Was aber bei dem allgemeinen Aufschrei über das Massaker im Land übersehen wird ist, dass bei Wahlen auf den Philippinen Gewalt nicht unüblich ist. Die politische Oligarchie rekrutiert aus Elementen des ländlichen und städtischen Lumpenproletariats Privatarmeen, die oft aus sehr jungen Männern bestehen. Die Mehrheit der Schläger in Maguindanao war einer Untersuchung des philippinischen Zentrums für investigativen Journalismus zufolge unter achtzehn Jahre alt. Diese Rekruten werden mit Waffen ausgerüstet, die von korrupten Armeeoffizieren gekauft werden. Dann werden sie einer Gehirnwäsche unterzogen, um ihnen einen hysterischen und religiös verbrämten Antikommunismus einzuimpfen.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen erklärte, das Ereignis sei die schlimmste Mordaktion gegen Journalisten in der Weltgeschichte. Am 30. November demonstrierten Hunderte von Journalisten und Menschrechtsaktivisten in der Nähe des Präsidentenpalastes in Manila. Sie forderten Gerechtigkeit für ihre dreißig Kollegen, die in Maguindanao getötet wurden. Das Komitee zum Schutz von Journalisten erklärte, dass die Philippinen der gefährlichste Ort der Welt für einen Journalisten seien. Sie haben dabei den Irak überholt. Das sei nicht allein auf das Massaker zurückzuführen. Seit Arroyo Präsidentin ist, wurden vierundsiebzig Journalisten ermordet.

Arroyos Präsidentschaft geht jetzt zu Ende. Während ihrer Amtszeit hat sie Schritte unternommen, um die Begrenzung ihrer Amtszeit aufzuheben. Offensichtlich versucht sie den brutalen philippinischen Diktator Marcos zu imitieren und das Militär einzusetzen, um an der Macht zu bleiben. Sie hat von der Macht profitiert - ihr Nettovermögen ist während ihrer Amtszeit um 114 Prozent gewachsen. Daher möchte sie sie verlängern. Ihr fehlt jedoch im Gegensatz zum jungen Marcos jegliches Charisma. Ihre Persönlichkeit ist so überzeugend wie dünner, lauwarmer Haferschleim. Wichtiger ist jedoch, dass sie die jungen Armeeoffiziere vergrault hat, auf die sich Marcos bei seiner Machtergreifung stützen konnte.

Die Präsidentschaftswahlen im Mai 2010 sind bereits heftig umkämpft. In den vergangenen Wochen haben schon vierzig Kandidaten offiziell erklärt, für das Präsidentenamt kandidieren zu wollen. Unter den Kandidaten befinden sich ein führender protestantischer evangelikaler Prediger, ein Multimilliardär und der frühere Präsident Joseph Estrada, der durch Arroyos Staatsstreich gegen die Verfassung 2001 sein Amt verlor.

Einer der aussichtsreicheren Kandidaten ist der Sohn der früheren Präsidentin Cory Aquino, Noynoy Aquino. Bis vor einem Jahr war er als Politiker uninteressant und galt in der Öffentlichkeit als belanglos und schwerfällig. Er stand für nichts anderes als die familiären Interessen der mächtigen Cojuangco-Dynastie. Er versucht sich jetzt den Tod seiner Mutter zunutze zu machen. Cory wurde nach ihrem Tod von den hinterhältigen politischen Eliten als Schutzpatronin der philippinischen Demokratie heilig gesprochen. Wenn der Glorienschein Cory Aquinos allmählich verblasst, werden die nichtssagenden Politiker, die sich dahinter verbergen, entlarvt werden.

Die Maoistische Kommunistische Partei der Philippinen (CPP) hat sich ebenfalls kräftig in den Wahlkampf eingemischt. Ihre diversen Frontorganisationen haben Kandidaten für die Sitze im Senat und für die untergeordneten Gremien aufgestellt. Auf höchst zynische und vorhersagbare Weise haben sie dem Senator Manny Villar, einem Multimillionär und Unternehmer, ihre volle Unterstützung zugesagt. Sie behaupten, dass er "einen fortschrittlichen Teil der Bourgeoisie" repräsentiere und sie hoffen von seiner Freigiebigkeit zu profitieren.

Ihr Kandidat entspricht der ständigen stalinistischen Suche nach einem Hoffnungsträger aus der Bourgeoisie. Aber die nationale Bourgeoisie ist organisch unfähig, in einem wirtschaftlich rückständigen Land wie den Philippinen eine eigenständige revolutionäre oder auch nur progressive Rolle zu spielen. Sie ist fest mit dem imperialistischen Kapital und der Klasse der Großgrundbesitzer verbunden. Indem sie Villar unterstützt, belügt die CPP die Arbeiterklasse und die arme Landbevölkerung und führt sie in eine Niederlage.

Die Regierung von Arroyo hat vergeblich versucht, sich von den Ereignissen in Maguindanao zu distanzieren. Sie ließ Andal Ampatuan verhaften, der als Bürgermeister direkt in die Morde verwickelt war. Das dient der Schadensbegrenzung. Tatsächlich steckt der gesamte politische Herrschaftsapparat der Ampatuans hinter dem Massaker.

Aber in Wirklichkeit geht es um weit mehr. Das brutale Massaker in Maguindanao hat die familiären Machtstrukturen mit ihren Privatarmeen offen gelegt, deren Gewaltmaßnahmen im Wahlkampf als Grundlage der so genannten Demokratie auf den Philippinen dienen. Keiner der Kandidaten und keine Partei hat eine Lösung für die immer schlimmer werdenden sozialen und wirtschaftlichen Zustände, mit denen die Masse der arbeitenden Bevölkerung konfrontiert ist. Wer auch immer von den vierzig Kandidaten die Wahl gewinnt, die gewaltsamen Angriffe auf die demokratischen Rechte der Filipinos werden weitergehen. Sie bleiben ein wichtiges Instrument für die Machenschaften der Großgrundbesitzer und der Bourgeoisie.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 05.12.2009
Philippinen: Politisches Massaker kündigt Gewalt im Wahlkampf an
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Dezember 2009