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GLEICHHEIT/3030: Anklage gegen Goldman Sachs zieht weitere Kreise


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Anklage gegen Goldman Sachs zieht weitere Kreise

Von Barry Grey
24. April 2010
aus dem Englischen (20. April 2010)


Am vergangenen Freitag erhob die amerikanische Börsenaufsicht (Securities and Exchange Commission, SEC) Anklage gegen die Investmentbank Goldman Sachs. England und Deutschland kündigten eigene Untersuchungen zu Verlusten britischer und deutscher Banken an.

Der englische Premierminister Gordon Brown forderte die britische Finanzaufsicht auf, eine Untersuchung zu starten. Er beschuldigte Goldman in wütenden Worten des "moralischen Bankrotts".

Laut der von der SEC erhobenen Zivilklage befindet sich unter den von Goldman betrogenen Kunden auch die Investment- und Versicherungsgesellschaft ACA, der größte Käufer von sogenannten Collateralized-Debt-Obligations (CDO). Diese mit Hypothekarkrediten gesicherten Fonds-Pakete wurden von Goldman im April 2007 auf den Markt gebracht.

ACA Management wurde später von der Royal Bank of Scotland übernommen, die an Goldman im Jahr 2008 841 Mio. Dollar bezahlte, um die Investitionen von ACA rückgängig zu machen. Schließlich musste die britische Regierung der Royal Bank of Scotland aus der Patsche helfen und besitzt nun eine Beteiligung von 82% an der Bank.

Die deutsche Regierung meldete derweil, die Finanzdienstleistungsaufsicht prüfe die 150 Mio. Dollar Verluste der deutschen Industriebank IKB. Nach einer «Abacus 2007-AC1» genannten Investition in die Goldman-Fondspakete ging die IKB Ende 2007 bankrott und wurde von einer Staatsbank übernommen. Die britischen und deutschen Ankündigungen zeigen das finanzielle Chaos auf, das international und in Amerika durch die Machenschaften von Goldman angerichtet wurde, notabene das finanziell erfolgreichste Unternehmen in der Geschichte der Wall Street. Die von der SEC aufgesetzte Anklageschrift enthüllt ein Komplott zwischen Goldmann und dem Hedgefonds-Manager John Paulson. Institutionelle Investoren sollten sich an den Abacus-Schuldscheinen beteiligen, sodass Paulson einen großen Profit erzielen konnte, indem er auf den Ausfall von damit verbundenen hypothekarisch gesicherten Wertpapieren setzte.

Als Dank für Goldmans Dienste, die Fondspakete als lohnenswerte Investition zu vermarkten, zahlte Paulson der Bank 15 Mio. Dollar. Goldman scheffelte auch weiter Geld mit dem Verkauf an unwissende Investoren. Paulson, der in der SEC-Anklageschrift nicht auftaucht, nahm Anfang 2007 Kontakt zu Goldman auf und ersuchte die Bank um Hilfe. Er suchte nach einer Möglichkeit, einen großen Einsatz auf das baldige Platzen der Hypotheken-Blase zu wetten. Paulson musste andere Investoren dazu bringen, das Gegenteil zu tun, d.h. zu wetten, dass die Blase weiter wuchs.

Die SEC-Klageschrift zeigt auf, als was die Abacus-Schuldscheine im Wesentlichen gedacht waren. Investoren sollten dazu gebracht werden, auf den Wertzuwachs von risikohaften Subprime Hypothekarkredit-Wertpapieren zu setzen, damit Paulson und Goldman vom erwarteten Ausfall der genau gleichen Wertpapiere profitieren konnten. Die Fondspakete dienten als sogenanntes "künstliches" Finanz-Instrument - was bedeutet, dass die Investoren eigentlich gar keine Wertpapiere kauften. Sie wetteten vielmehr auf den zukünftigen Preis einer Auswahl an Wertpapieren, so wie andere Menschen auf Pferde wetten.

Die SEC lastet Goldman an, beim Vermarkten der Abacus-Schuldscheine im Wert von zwei Mrd. Dollar "grundlegend irreführende Aussagen gemacht und anderes verschwiegen zu haben". Namentlich informierte Goldman die Investoren nicht darüber, dass die den Fondspaketen unterlegten Wertpapiere von Paulson ausgewählt wurden, und nicht etwa von ACA Management. Und die Bank ließ ACA Management in dem Glauben, auch Paulson und Co. wetteten für 200 Mio. Dollar darauf, dass die Wertpapiere an Wert zunähmen.

In der Zwischenzeit spickte Paulson die Fondspakete mit minderwertigen Wertpapieren, um sicherzugehen, dass sie kollabierten. Dies alles mit Goldmans Mitwissen und Einverständnis. Im Januar 2008 waren etwa 99% der Wertpapiere heruntergestuft worden. Paulson heimste eine Mrd. Dollar durch das Scheitern der Fonds ein. Die Investoren, inklusive der ACA und der Deutschen Industriebank, verloren total eine Mrd. Dollar.

Die in der Anklage der SEC zitierten Emails von Goldman zeigen die Hektik auf, mit der die Abacus-Schuldscheine erschaffen wurden. Die Bank und Paulson mussten das Anlageinstrument lancieren bevor der Wohnungsmarkt zusammenbrach, andernfalls würden sie keinen Profit aus dem Desaster schlagen können.

Eine Email von demjenigen Goldman-Händler, der die Fondspakete schuf - und der der einzige mit Namen genannte Goldman-Beschäftigte in der SEC-Klageschrift ist - führt aus, dass "das ganze Gebilde jederzeit zusammenbrechen könnte." In einer weiteren Email von einem höheren Goldman-Angestellten an diesen Händler steht, dass "das Schuldschein-Business tot ist, wir haben nicht mehr viel Zeit."

Die Art der finanziellen Plünderung, hier im Speziellen ausgeführt von Goldman Sachs und Paulson, ist keinesfalls ein einzelner Fehltritt, sondern an der Wall Street absolut branchenüblich.

Am Montag meldete die New York Post, dass die SEC nun auch Transaktionen der Deutschen Bank, der schweizerischen UBS und der früheren Merrill Lynch (nun Teil der Bank of America) untersuchen wird. Alle im Bezug auf den Hypothekar-Wertpapier-Markt im Vorfeld des Kollapses des Wohnungsmarktes in 2007 und 2008.

Die Dänische Rabobank behauptet in einem Brief an das New Yorker Amtsgericht, wo die Anklage gegen Goldman formuliert wurde, dass Merrill Lynch mit einem ihrer Schuldscheine genauso betrügerisch handelte, wie Goldman mit den Abacus-Schuldscheinen. Die Dänische Bank wirft Merrill vor, dem Investor Magnetar Capital LLC ermöglicht zu haben, risikohafte Anlagewerte zur Aufnahme in Merrills "Norma"-Wertpapierfond auszuwählen. Der Rabobank gaukelte die Bank vor, die Anlagewerte seien von einer neutralen Partei ausgewählt worden.

Goldman bestreitet alle Vorwürfe der SEC-Anklage. Weder das ACA noch andere Investoren seien getäuscht worden und auch mit den Abacus-Schuldscheinen sei stets alles in Ordnung gewesen. Des Weiteren habe die Bank bei den Deals selbst Geld verloren.

In Wirklichkeit lösten diese Machenschaften einen Finanzkollaps aus und führten in eine Rezession, die viele Millionen Jobs kostete und die soziale Misere in Amerika und weltweit in unkalkulierbarem Maße verschlimmerte. Die resultierende Massenarbeitslosigkeit wird dazu benutzt, die Löhne zu kürzen und die Sozialleistungen drastisch zu reduzieren. Das Zugrunderichten von Staatshaushalten ist ein Resultat der staatlichen Sanierungspläne für die Banken und dient als Vorwand, um die elementarsten Sozialprogramme auszuhebeln.

Die Verantwortlichen bei Goldman Sachs und bei den übrigen Wall-Street-Firmen, die verantwortlich sind für eine solche Politik, sind Kriminelle und sollten auch als solche bestraft werden.

Es sind die gleichen Personen, die aufgrund der Laisser-faire-Politik der Bush- und Obama-Administration hübsch profitiert haben von einer Katastrophe, die sie selbst verursacht haben. Sie scheffeln mehr Geld denn je.

Goldman erzielte 2009 einen Rekordgewinn von 13,4. Mrd. Dollar. JPMorgan Chase, Bank of America und Citigroup meldeten alle einen Extragewinn für das erste Quartal 2010 und Goldman meldete einen Gewinn von 3,46 Mrd. Dollar.

Es scheint bereits klar, dass die Wall Street weder von der SEC noch von der Obama-Administration Konsequenzen zu befürchten hat. Der Dow Jones fiel am letzten Freitag um 125 Punkte, angeführt von einem scharfen Abfall des Aktienkurses von Goldman und anderen Banken. Als jedoch am Montag asiatische und europäische Märkte tief schlossen stieg der Dow um 73 Punkte, auch dank der Erholung der Goldman-Aktie und der Bank-Aktien im Generellen.

Als sich am Montag nach Presseberichten abzeichnete, dass die SEC nur mit 3:2 Stimmen für eine Anklage gegen Goldman entschieden hatte (die zwei Republikaner in der Kommission stimmten dagegen), erholte sich die Goldman-Aktie und beendete den Börsentag mit einem Plus von 1,6% auf 162,32 Dollar.

Siehe auch:
Das zweite Stadium der kapitalistischen
Weltwirtschaftskrise (22. April 2010)
http://www.wsws.org/de/2010/apr2010/beam-a22.shtml


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Quelle:
World Socialist Web Site, 24.04.2010
Anklage gegen Goldman Sachs zieht weitere Kreise
http://wsws.org/de/2010/apr2010/gold-a24.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. April 2010