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GLEICHHEIT/3053: Bundestag stimmt Griechenland-Krediten zu


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Bundestag stimmt Griechenland-Krediten zu

Von Johannes Stern
8. Mai 2010


Am Freitag hat der Bundestag das "Rettungspaket" für Griechenland nach einer teilweise hitzig geführten Debatte mit 390 gegen 72 Stimmen bei 139 Enthaltungen verabschiedet. Für das Paket stimmten die Fraktionen von CDU/CSU, FDP und den Grünen.

Die SPD enthielt sich, sprach sich aber für die Kredithilfe aus. "Wir lehnen Hilfen für Griechenland nicht ab und stimmen deshalb nicht dagegen", betonte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel. Er begründete die Enthaltung der SPD damit, dass die Merkel-Regierung es zu lange versäumt habe, die Finanzmärkte zu regulieren und für eine internationale Finanztransaktionssteuer einzutreten.

Dass es sich bei dieser Forderung der SPD lediglich um Wahlkampfgetöse mit Blick auf die Landtagswahlen in NRW am kommenden Wochenende handelt, ist völlig offenkundig. Es war die SPD, die in den vergangenen elf Jahren den Finanzminister stellte, die Märkte deregulierte und die hochspekulativen Geschäfte an den Finanzmärkten so erst ermöglichte.

Noch zynischer und perfider in diesem Schauspiel ist lediglich die Haltung der Linkspartei. Diese stimmte als einzige Fraktion gegen die Verabschiedung des Gesetzes und versuchte so, ihre eigene Rolle beim Gesetzgebungsverfahren zu verschleiern. Gesine Lötzsch, die Sprecherin der Linksfraktion, begründete ihre Ablehnung damit, dass "die Bundesregierung nichts aus der Krise 2008 gelernt" habe und "weiterhin nicht die Märkte regulieren" wolle.

Wie alle anderen Parteien hat jedoch auch die Linkspartei in der vergangenen Woche dem Eilverfahren zum Euro-Stabilisierungsgesetz zugestimmt und dieses so überhaupt erst ermöglicht. Finanzminister Schäuble hatte die Fraktionschefs aller Parteien im Bundestag gebeten, einem raschen parlamentarischen Verfahren zuzustimmen, um das Gesetz möglichst schnell zu verabschieden und eine ausführliche Debatte über die mit den Krediten an Griechenland verbundenen Fragen im Bundestag zu verhindern.

Normalerweise sind für die Verabschiedung eines Bundesgesetzes die im Grundgesetz vorgeschriebenen Fristen einzuhalten. Falls jedoch alle Fraktionen und Länderregierungen zustimmen, kann dieses Verfahren durch ein sogenanntes Eilverfahren abgekürzt und ohne große Diskussion durchs Parlament gepeitscht werden. Die Linkspartei kam der Bitte Schäubles ohne zu zögern nach und hat sich damit offen auf die Seite der Bundesregierung, der EU, des Internationalen Währungsfonds und der Banken gestellt.

Nach dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetz soll die bundeseigene KfW-Bank dem hochverschuldeten Griechenland in den kommenden drei Jahren 22,4 Milliarden Euro an Kredit gewähren. Insgesamt stellen die EU-Länder und der Internationale Währungsfonds (IWF) Griechenland 110 Milliarden in Aussicht.

Von diesem Geld wird jedoch kein einziger Cent der verarmten griechischen Bevölkerung zu Gute kommen. Es werden damit die Kredite refinanziert, die an Griechenland vergeben wurden. Banken und Spekulanten haben dafür zuletzt Zinsen in astronomischer Höhe eingestrichen, da griechische Staatsanleihen von den Rating-Agenturen als hochriskante Investitionen eingestuft worden waren. Nachdem nun der Risikofall eingetreten ist, springen die EU und der IWF ein, garantieren den Banken die satten Gewinne und ersparen es ihnen, Teile ihrer Kredite abzuschreiben.

Laut einem Bericht der New York Times fließen rund 80 Prozent des gesamten Kreditpakts (also etwa 90 Milliarden Euro) direkt an die deutschen, französischen und anderen ausländischen Banken, welche die Gläubiger der griechischen Schulden sind. Jean-Paul Fitoussi, ein Wirtschaftsprofessor am Institut dæEtudes Politiques in Paris sagte, dass der Notfallplan für Griechenland "ein indirekter Bailout für die französischen und deutschen Banken" sei.

Die Linkspartei hat mit ihrer Zustimmung zum Eilverfahren also erneut ermöglicht, Milliarden von Euro an die Banken zu transferieren. Schon 2008 hatte die Linkspartei einem Eilverfahren zur Bereitstellung eines 500-Milliarden-Pakets an die Banken zugestimmt. Oskar Lafontaine hatte damals die von den Banken diktierten Maßnahmen als "unvermeidlich und richtig" bezeichnet. Im Bundestag stimmte die Linkspartei dann trotzdem gegen das Gesetz, aber da war auch niemand mehr auf ihre Stimmen angewiesen.

Ihr zynisches Spiel ist immer dasselbe: Wenn ihre Stimmen gebraucht werden - wie beim Beschluss des Eilverfahrens -, sitzt die Linkspartei mit allen anderen Parteien in einem Boot. Wenn die Regierung auf ihre Stimmen nicht mehr angewiesen ist, stimmt sie dagegen, um ihre Spuren zu verwischen.

Doch es fällt der Linkspartei mit der Zuspitzung der Krise zusehends schwerer, ihre eigene Rolle zu verschleiern. Michael Schlecht, der Chefvolkswirt der Fraktion der Linkspartei und Gewerkschaftspolitische Sprecher im Parteivorstand, brachte den Standpunkt der Linkspartei auf den Punkt.

In einem Artikel mit dem Titel "Akropolis wackelt, der Euro brennt" schrieb Schlecht: "Der Staatsbankrott in Griechenland muss jetzt verhindert werden. Denn es geht um Europa, es geht um den Euro. éFällt` heute Griechenland, dann fällt morgen Portugal und Spanien und übermorgen möglicherweise Frankreich. Seit 65 Jahren haben wir Frieden in Mitteleuropa. In den 70 Jahren zuvor drei mörderische Kriege. Bei allen Schattenseiten der Europäischen Union: Es steht viel auf dem Spiel!"

Dies ist die Argumentation von Angela Merkel, die in ihrer Regierungserklärung genauso behauptet hatte, die Finanzhilfen seien "alternativlos" und es gehe um nichts Geringeres, als um die Zukunft Deutschlands und Europas.

Die Merkel-Regierung hatte Finanzhilfen an Griechenland von Beginn an mit der Forderung nach einem brutalen sozialen Kahlschlag verknüpft. Mit ihrer Zustimmung zum Eilverfahren hat sich die Linkspartei hinter die Politik der Bundesregierung und der Banken gestellt und damit auch die mit dem Gesetz einhergehenden sozialen Angriffe auf die griechische Bevölkerung unterstützt.

Die Auszahlung der durch das Gesetz in Aussicht gestellten Kredite ist an die Bedingung geknüpft, dass die sozialdemokratische PASOK-Regierung der griechischen Bevölkerung das Sparprogramm trotz massenhafter Proteste aufzwingt. Innerhalb von nur drei Jahren soll das Haushaltsdefizit von gegenwärtig 13,6 Prozent des Bruttosozialprodukts auf drei Prozent gesenkt werden. Für die griechische Bevölkerung bedeutet das eine soziale Katastrophe. Die Senkung der ohnehin schon niedrigen Löhne um bis zu dreißig Prozent, das Zusammenstreichen der Renten und die Erhöhung von Massensteuern um bis zu zehn Prozent führen zur Verarmung breiter Gesellschaftsschichten.

Der Arbeiterklasse in Deutschland muss die Politik der Linkspartei eine Warnung sein. Genauso wie die Linkspartei auf europäischer Ebene die Kürzungspolitik der Regierungen und der EU mitträgt, ist sie bereit, auch in Nordrhein-Westfalen, wo am Sonntag gewählt wird, Regierungsverantwortung zu übernehmen. So stellte Dietmar Bartsch, der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei jüngst auf einer Presskonferenz klar, "dass sich die Linke einer eventuellen Einladung zu Gesprächen nicht verweigern wird". Es sei lediglich eine "Wahlkampfbehauptung", dass die Linkspartei in NRW nicht regierungsfähig wäre. Und diese könne "spätestens nach der Wahl so kaum aufrecht erhalten werden".

Bartsch Behauptung, die Linkspartei werde sich jedoch nicht an einer Regierung beteiligen, die Sozialabbau betreibt oder öffentliche Einrichtungen privatisiert, ist blanker Hohn. Dass die Linkspartei zu Privatisierungen und Sozialabbau bereit ist, hat sie längst bewiesen. Sie hat im rot-roten Berliner Senat eine Kürzungs- und Privatisierungspolitik zu verantworten, die ihresgleichen sucht.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 08.05.2010
Bundestag stimmt Griechenland-Krediten zu
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Mai 2010